Methodistische und Wesleyanische Kirchen


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Datei:Philadelphia StGeorgesUMC from West.jpg
St. George's Church in Philadelphia, PA, USA: ältestes kontinuierlich genutztes Gebäude einer methodistischen Kirche

Methodistische und wesleyanische Kirchen sind Kirchen, die in Theologie und Kirchenverfassung auf der von John Wesley begründeten methodistischen Tradition beruhen. Bei John Wesley liegt das Hauptgewicht seiner Theologie nicht auf Meinungen und Lehren, sondern auf Gesinnung und Lebensführung.<ref>Vgl. Harald Lindström: Wesley und die Heiligung, S. 9.</ref> Mitbegründer der methodistischen Kirchen waren Charles Wesley und George Whitefield.

Die Kirchen methodistischer und wesleyanischer Tradition sind im Weltrat methodistischer Kirchen (WMC) organisiert, der zu den großen protestantischen Kirchenbünden zählt. Im deutschen Sprachraum vertretene Gliedkirchen des WMC sind die Evangelisch-methodistische Kirche und die Kirche des Nazareners. Die Heilsarmee entstammt ebenfalls methodistischer Tradition, ist aber nicht Mitglied im WMC.

Besonderheiten der wesleyanischen Tradition

Die Kirchen der wesleyanischen Tradition sind, im Gegensatz zu den meisten anderen Kirchen, nicht wegen einer Lehrdifferenz zu einer anderen Kirche entstanden: Sowohl die Entstehung der ersten bischöflichen Methodistenkirche als auch später die Entstehung von unterschiedlichen methodistischen Kirchen war primär durch politische Verhältnisse, sprachliche oder kulturelle Unterschiede bedingt.

Von daher erklärt sich auch, dass die Kirchen der wesleyanischen Tradition sich nicht nur trennen, sondern oft auch wieder vereinigen und dass sie für eine ökumenische Zusammenarbeit sehr offen sind.

Theologie

John Wesley hat keine eigenständige Theologie entwickelt. Die methodistischen und wesleyanischen Kirchen gehen theologisch in den meisten Punkten mit dem konservativen evangelischen Mainstream zusammen, es gibt aber viele progressive Methodisten. Generell versuchen sich Methodisten nicht durch ihre Theologie von anderen Kirchen abzugrenzen. Einige theologische Sichtweisen von Wesley werden auch heute von den meisten Methodisten geteilt:

  • die vorlaufende Gnade – im Gegensatz zur calvinistischen Lehre von der doppelten Prädestination gehen Methodisten davon aus, dass Gottes Gnade allen Menschen gilt. Gott bietet allen Menschen die Erlösung an – diese hängt aber auch von der Antwort des Menschen ab. Die Gnade Gottes ist eine vorlaufende Gnade, insofern, dass sie den Menschen zum Hören des Evangeliums befreit und den Glauben also ermöglicht. Der Glaube ist demnach sowohl Gottes Werk im Menschen als auch Entscheidung des Menschen.
  • die wesleyanische Sicht der Heiligung, die weit über den Begriff der Erlösung hinausgeht und eine Erneuerung des ganzen Menschen nach dem Bild Gottes beinhaltet. Die vollständige Erlösung ist nach Wesley nicht nur das, was Gott durch Christus „für uns getan hat“, sondern auch das, was Gott durch Christus „in uns tut“. Biblisches Christentum findet nach Wesley seinen höchsten Ausdruck in der praktischen und ethischen Haltung des einzelnen Christen sowie der Kirche und erst in zweiter Linie in theologischer Doktrin.
  • die wesleyanische „Quadrilateral“ von vier Kriterien, die „bei der Auslegung der Heiligen Schrift“ mitwirken,<ref>So dargelegt in der Vorstellungs-Broschüre der Methodistenkirche in Österreich: In Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist leben. Wien 1982, S. 25f.</ref> nämlich die Bibel (d. h. das Mitbedenken anderer Bibelstellen, letztlich das aus dem bisherigen Bibellesen gewonnene dogmatische Bild), die Tradition (d. h. die bisherige Auslegung der Christenheit, wie sie sich etwa in Bibelkommentaren niederschlägt) und die (Lebens-)Erfahrung; das Mitwirken der Vernunft als Hilfsmittel beim „Verarbeiten“ betrifft alle diese Faktoren.<ref>Franz Graf-Stuhlhofer im Vorwort: Warum Christen verschiedener Meinung sind zu Peter Streitenberger: Die fünf Punkte des Calvinismus aus biblischer Perspektive. VTR, Nürnberg 2011, S. 7–10. Dort wird als weiteres Kriterium die psychische Veranlagung (z. B. Neigung zur Ängstlichkeit) des Bibellesers genannt.</ref>

Frömmigkeit

Auch wenn die theologische Dogmatik des Methodismus sich nicht wesentlich von derjenigen anderer evangelischer Glaubensrichtungen unterscheidet, weist doch die Frömmigkeit der sich zum Methodismus Bekennenden in Geschichte und Gegenwart einige charakteristische Züge auf. Sie ist von den Traditionen des Puritanismus und des Pietismus beeinflusst, die beide in Wesleys Biografie eine wesentliche Rolle spielten. Eine zentrale Rolle der methodistischen Frömmigkeit spielt danach die Idee der individuellen Bekehrung als eines spezifischen und in der Tradition oft mit Tag und Stunde zu präzisierenden Erlebnisses (wie es auch von Wesley selber bezeugt ist). Wesentlich sind neben der Bekehrung die Vollkommenheit, als die Beziehung zu Christus, durch die der Mensch nicht dauernd ein der Sünde verhaftetes Wesen bleiben muss,<ref>Georg Schmid, [2]).

  • Harald Lindström: Wesley und die Heiligung. Mit einem Vorwort von Carl Ernst Sommer, übersetzt von Strobel. 2. Auflage. Christliches Verlagshaus, Stuttgart 1982 (Beiträge zur Geschichte der Evangelisch-Methodistischen Kirche 13, ZDB-ID 844206-x).
  • Christoph Raedel (Hrsg.): Methodismus und charismatische Bewegung. Historische, theologische und hymnologische Beiträge. Edition Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-7675-7090-0 (Reutlinger Theologische Studien 2).
  • Karl Steckel, Carl Ernst Sommer (Hrsg.): Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche. Weg, Wesen und Auftrag des Methodismus unter besonderer Berücksichtigung der deutschsprachigen Länder Europas. 3. Auflage. Edition Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-7675-7496-0 (Veröffentlichungen der Evangelisch-Methodistischen Kirche in Deutschland).
  • Patrick Ph. Streiff: Der Methodismus in Europa im 19. und 20. Jahrhundert. Medienwerk der Evangelisch-Methodistischen Kirche, Stuttgart 2003, ISBN 3-89725-029-2 (EmK-Geschichte Monografien 50).
  • J. Warner Wellman: The Wesleyan Movement in the Industrial Revolution. Longmans, London 1930.
  • Michel Weyer: Heiligungsbewegung und Methodismus im deutschen Sprachraum. Christliches Verlagshaus, Stuttgart 1991.
  • Siehe auch

    Weblinks

    Anmerkungen / Einzelnachweise

    <references/>