Pépinière
Die Pépinière (frz. für Baumschule) wurde am 2. August 1795 als Anstalt zur Aus- und Weiterbildung von Militärärzten im Königreich Preußen gegründet. Sie war neben der Charité die zweite Chirurgenschule in Berlin. Ihr Gründer und erster Leiter war Johann Goercke.
Inhaltsverzeichnis
Namen
- Pépinière (1795)
- Medicinisch-chirurgisches Friedrich-Wilhelm-Institut (1818)
- Kaiser-Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen (1895)
Geschichte
1795–1919
Nach der Kanonade von Valmy 1792 erkannte der preußische König Friedrich Wilhelm II., dass es um das Können der Wundärzte der Armee nicht zum Besten stand. Um dem abzuhelfen, befahl er, in Berlin eine chirurgische Pépinière, eine „Pflanzstätte“ für Militärärzte, zu errichten. Dort wurde ein volles medizinisches Studium geboten, ergänzt durch militärische Kenntnisse (z. B. Kartenkunde) und Sport. Das Studium war frei und die Studenten hatten Kost und Logis im Institut. Wer privat wohnte, bekam einen Zuschuss. Die Studenten nannten sich „Pfeifhähne“, was eine Verballhornung des Wortes Pépinière durch Berliner Gassenjungen war. Es wurden nur so viele Studenten angenommen wie Militärärzte gebraucht wurden. Der Andrang war groß: Von zehn Bewerbern konnte nur einer genommen werden.
Die Ausbildung an der Pépinière dauerte vier Jahre. Für Studenten, die sich verpflichteten, danach für acht Jahre Dienst als Militärchirurgen zu tun (so genannte „Eleven“), erfolgte die Ausbildung auf Staatskosten mit zusätzlichem Sold. Damit gab es erstmals auch für Kinder aus weniger begütertem Hause die Möglichkeit einer chirurgischen Ausbildung.
„1910 war für die gewachsene Akademie nach fünfjähriger Bauzeit ein repräsentativer, großzügiger Gebäudekomplex entstanden mit Zentralheizung und mit Brausebädern im Keller. Zur Einweihung kamen SM der Kaiser und IM die Kaiserin, rechts stand eine Ehrenkompanie des 2. Garde-Grenadierregiments mit der Regimentsmusik, links die drei Corps in Wichs bzw. Couleur mit Fahne. Der Kaiser schritt mit dem Generalstabsarzt der Armee, Professor Dr. med. v. Schjerning, Ehrenmitglied aller drei Corps, die Front ab und besichtigte das Haus: Die Hörsäle, die Festsäle, die Bibliothek, welche die größte Sammlung ärztlicher Literatur Europas beherbergte, Casinos für Studenten, Unterärzte (klinische Semester) und Sanitätsoffiziere, Turnsäle, in denen auch gepaukt werden durfte, und die Zimmer für Studenten, je ein Schlaf- und ein Wohnzimmer gemeinsam für zwei Studenten (die Examenssemester hatten ein Zimmer für sich). Es müssen 400 Studenten dort gewohnt haben. Am Portal stand: Scientiae Humanitati Patriae.“<ref>Georg Bacmeister: Franconia und Saxonia. In: Geschichte des Corps Brunsviga, Teil II: 1924–1993</ref>
1919 wurde die Kaiser-Wilhelms-Akademie als Auflage des Versailler Vertrages aufgelöst.
1934–1945
Am 1. Oktober 1934 wurde eine „Militärärztliche Akademie“ im Gebäude der Kaiser-Wilhelms-Akademie wiedereröffnet. Diese unterstand bis zur Verlegung nach Breslau 1944 dem Heeres-Sanitätsinspekteur direkt und gliederte sich in drei Lehrgruppen. In den Lehrgruppen A und B erfolgte die Ausbildung der Sanitätsoffizieranwärter, wobei in der Lehrgruppe A die Ausbildung der Vorkliniker und in der Lehrgruppe B die Ausbildung der Kliniker stattfand. In der Lehrgruppe C waren ab 1938 die medizinischen Forschungsinstitute der Akademie zusammengefasst.<ref name="Wehrmacht">K. Ph. Behrend: Die Kriegschirurgie von 1939–1945 aus der Sicht der Beratenden Chirurgen des Deutschen Heeres im Zweiten Weltkrieg (PDF), Dissertation, Freiburg, 2003, S. 10–11.</ref>
Kommandeure der Akademie
- Generalarzt Rudolf Gunderloch (1885–1962), 1. Mai 1934 bis 25. August 1939
- Generalstabsarzt Richard Hamann (1868–1956), 25. August 1939 bis 1. August 1944
- Generalstabsarzt Walther Asal (1891–1987), 1. August 1944 bis 1. März 1945
Nutzung nach 1945
Das Gebäude blieb erhalten und wurde nach 1945 Sitz des obersten Gerichts und der Generalstaatsanwaltschaft der DDR. 1990–1998 fanden im Eichensaal des Gebäudes, dem ehemaligen Fest- und Bankettsaal der Kaiser-Wilhelms-Akademie, Kammerkonzerte des Rundfunk-Sinfonie-Orchesters Berlin und andere Veranstaltungen statt. Seit 1998 beherbergt es das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und ist dessen erster Dienstsitz.
Geschichtliche Übersicht
- 2. August 1795: Gründung der Pépinière
- 1809: Auflösung des Collegium medico-chirurgicum (Übernahme der Bücherei durch die Pépinière)
- 1811: Gründung einer Medizinisch-Chirurgischen Akademie für das Militär
- 1818: Umbenennung der Pépinière in Medicinisch-chirurgisches Friedrich-Wilhelm-Institut
- 1895: Zusammenlegung des Friedrich-Wilhelm-Instituts und der 1811 gegründeten Medizinisch-Chirurgischen Akademie für das Militär zur Kaiser-Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen
- 1919: Auflösung der Kaiser-Wilhelms-Akademie als Auflage des Versailler Vertrages
- 1. Oktober 1934: Wiedereröffnung als Militärärztliche Akademie
- 1944: Verlagerung der Militärärztlichen Akademie nach Breslau
- 1945: Schließung der Akademie
Bekannte Pfeifhähne
- Emil von Behring
- Gottfried Benn
- Alfred Dührssen
- Bernhard Fischer
- Hermann von Helmholtz
- Friedrich Loeffler
- Friedrich Martius
- Richard Pfeiffer
- Otto von Schjerning
- Oskar Schröder
- Rudolf Virchow
- Karl Hans Walther
- Engelbert Friedhoff
Korporationen
Literatur
- Fritz-Ulrich Braun: Erinnerungen zum 190. Stiftungsfest der Pépinière in München, 24.–27. Oktober 1985. Rottweil 1986.
- Johannismeier: Jahrgang 1935 der militärärztlichen Akademie zu Berlin 1935–1942, Limpert, Berlin 1942.
- Paul Wätzold: Stammliste der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungs-Wesen. Im Auftrage der Medizinal-Abteilung des Königlichen Kriegsministeriums unter Benutzung amtlicher Quellen. Springer, Berlin und Heidelberg 1910.
Weblinks
- Chronik der Charité (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive)
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste: Invalidenstraße 48–49, Kaiser-Wilhelm-Akademie mit Gartenhof und Vorgärten
Einzelnachweise
<references />
Koordinaten: 52° 31′ 44″ N, 13° 22′ 28″ O{{#coordinates:52,52885|13,374383333333|primary
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