Mitgift


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25px Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum Film siehe MitGift.
Datei:Friis Nybo Girl Inspecting Her Hope Chest.jpg
Mädchen an ihrer Aussteuertruhe (um 1930)
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Aussteuerschrank, mit Stickereien verziert (Deutsches Schuhmuseum Hauenstein)
Datei:Say no to dowry.jpg
Plakataufruf „Sag Nein zur Mitgift!“ in der indischen Stadt Bangalore (2006)

Mitgift (mittelhochdeutsch mitegift „das Mitgegebene“) oder Aussteuer (auch Heiratsgut, früher Heimsteuer) bezeichnet Vermögen in Form von Gütern und Hausrat, die eine Braut mit in die Ehe bringt. Die Mitgift ist eine kulturell festgelegte Form des Gabentausches anlässlich einer Heirat. Sie wird vom Vater der Braut (oder ihrer Verwandtschaftsgruppe) an den Vater des Bräutigams (oder seine Verwandtschaftsgruppe) oder direkt an das Ehepaar übergeben.

In Deutschland war bis ins späte 20. Jahrhundert üblich, dass junge Frauen bis zum Zeitpunkt ihrer Heirat eine Grundausstattung an Gütern für den zukünftigen Haushalt angesammelt hatten. Diese als Aussteuer bezeichneten Güter bestanden häufig aus hochwertigen Heimtextilien, Essgeschirren und anderen im Haushalt benötigten Gegenständen („Aussteuerqualität“), die meist in Form von Geschenken erworben und bis zur eigenen Heirat aufbewahrt wurden. Das Wortbestandteil -steuer leitet sich ab vom althochdeutschen stiura „Hilfe, Beihilfe“. Die Aussteuer wurde in Menge und Qualität bei entsprechenden finanziellen Möglichkeiten ungefähr so gewählt, dass sie bis ins hohe Alter ausreichte. Diese Tradition verlor im Laufe des letzten Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung und ist heute selten anzutreffen.

Arten

Der britische Ethnologe Jack Goody unterschied 1973 zwischen direkter und indirekter Mitgift: Die direkte Mitgift wird von der Verwandtschaft der Braut (meistens ihren Eltern) bezahlt, während die weniger verbreitete indirekte Mitgift von der Familie des Bräutigams aufgebracht wird.<ref name="Online-Glossar-Mitgift" />

Der römische Geschichtsschreiber Tacitus beschreibt um 100 n. Chr. in seinem Werk Germania die Heiratssitten der Germanen: Die Mitgift bringe nicht die Ehefrau dem Ehemann zu, sondern er ihr, nämlich Rinder und ein gezäumtes Pferd sowie einen Schild mitsamt germanischer Lanze und Schwert. Eltern und Verwandte prüften die Geschenke, woraufhin der Ehemann seine Frau in Empfang nehme; auch sie übergebe dem Mann irgendetwas an Waffen.<ref>Tacitus, Germania 18.2 (online mit Übersetzung auf gottwein.de).</ref>

Andere Heiratsgabensysteme

Das Gegenstück zur Mitgift ist die „Widerlage“: Vermögensbestandteile, die von der Seite des Ehemannes in das eheliche Vermögen eingebracht werden und vor allem der Witwenabsicherung dienen. Auch die „Morgengabe“ geht vom Ehemann oder seiner Familie direkt an die Braut und steht zu ihrer freien Verfügung; traditionell wurde sie am Morgen nach der Hochzeitsnacht gezahlt.

Während die Mitgift dem jungen Ehepaar zugutekommt, wird ein „Brautgeld“ (Brautpreis) vor der Hochzeit vom Bräutigam an den Vater oder die Familie der Braut gezahlt.

Zweck

Die Mitgift soll dem (jungen) Ehepaar einen eigenen Haushalt ermöglichen. Falls der Ehemann stirbt, dient sie seiner Witwe zur finanziellen Absicherung.

In Gesellschaften, die Töchter aus der Linie der Vererbung ausschließen (siehe Patrilinearität), kann die Mitgift auch als vorgezogenes Erbe angesehen werden.

Kulturelle Auswirkungen

Die Höhe der Mitgift richtet sich vor allem nach der sozialen Stellung des Bräutigams, wodurch Frauen niederer sozialer Schichten effektiv daran gehindert werden, in höhere Schichten einzuheiraten, ohne dass es dafür expliziter Verbote bedarf.

Außer für die Ehefrauen selbst ist diese Entwicklung auch für die Gesellschaft insgesamt problematisch, da Töchter in vielen Familien als existenzielles Armutsrisiko gesehen werden. Dies führt dazu, dass weibliche Föten nach einer pränatalen Geschlechtsbestimmung häufig abgetrieben werden. So liegt inzwischen in einigen Landstrichen Süd- und Ostasiens das Verhältnis von Männern zu Frauen bei 10:7. Es ergibt sich eine demographisch ungünstige Entwicklung.<ref name="Buchsteiner 2005" /><ref name="Kerala-Karte" />

Geschichte

Der Brauch der Mitgift war in vielen Teilen der Welt verbreitet, besonders in Europa im römischen Dotalrecht (von dos „Mitgift“),<ref name="Theoria Romana" /> sowie in Afrika und Indien. Schon im Codex Hammurapi, einer rund 3700 Jahre alten Gesetzessammlung, wurde die Mitgift geregelt. Während sie in Europa heute praktisch nicht mehr üblich ist, hat sie sich in anderen Teilen der Welt erhalten.

Rechtliche Lage heute

Im deutschen Recht ist die sogenannte Ausstattung des Kindes eine Sonderform der Schenkung aus dem Elternvermögen anlässlich der Verheiratung oder Existenzgründung geschlechtsneutral (§ 1624 Bürgerliches Gesetzbuch). Es gibt keinen einklagbaren Anspruch. Im Fall des Todes ihres Vaters muss sich die Tochter die Aussteuer nur dann gemäß § 2050 ff. BGB auf ihren Erbteil anrechnen lassen, wenn ihr außerdem eine Berufsausbildung finanziert wurde, so der Bundesgerichtshof. Einem rechtlichen Betreuer wird die Gewährung einer Ausstattung als Ausnahme vom Schenkungsverbot (§ 1804 BGB) durch den § 1908 gestattet.

Literatur

  • Jack Goody, Stanley Jeyaraja Tambiah: Bridewealth and Dowry (= Cambridge Papers in Social Anthropology. Band 7). Cambridge University Press, London/New York 1973, ISBN 0-521-20169-1 (englisch; Leseprobe in der Google-Buchsuche).
  • Tileman Dothias Wiarda, Asega-Buch ein Alt-friesisches Gesetz-buch der Rüstringer S.109 Die Aussteuer im friesischen Recht

Weblinks

Commons Commons: Mitgift/Aussteuer (dowry) – Bilder und Mediendateien
  • Helmut Lukas, Vera Schindler, Johann Stockinger: Mitgift. In: Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie. Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, 1997, abgerufen am 24. August 2014 (vertiefende Anmerkungen, mit Quellenangaben).
Wiktionary Wiktionary: Mitgift – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary Wiktionary: Aussteuer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

<references> <ref name="Online-Glossar-Mitgift"> Helmut Lukas, Vera Schindler, Johann Stockinger: Mitgift. In: Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie. Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, 1997, abgerufen am 24. August 2014. </ref> <ref name="Buchsteiner 2005"> Jochen Buchsteiner: Demographie: Neun Frauen auf zehn Männer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 29. November 2005, abgerufen am 24. August 2014 (Abtreibungen von weiblichen Embryonen in Indien). </ref> <ref name="Kerala-Karte"> Vorlage:Internetquelle/Wartung/Datum nicht im ISO-FormatVerteilungskarte: Geschlechterverhältnis: Landkarte von Kerala. In: mapsofindia.com. Compare Infobase Ltd., Delhi, ohne Datum, abgerufen am 24. August 2014. </ref> <ref name="Theoria Romana"> Wiki-Eintrag: Die dos (Mitgift). In: Theoria Romana: Ehe. 2013, abgerufen am 24. August 2014 (in imperium-romanum.info, zur Manusehe). </ref> </references>

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