Numerus (Hilfstruppe)
Als Numerus (lateinisch numerus, Plural numeri; wörtlich: „Zahl“, sinngemäß: „Einheit“) bezeichnete man eine kleine, meist selbstständig operierende Hilfstruppe des römischen Heeres für Wach- und Aufklärungseinsätze.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Numerus bezeichnete in der römischen Militärorganisation zunächst eine, bezüglich ihrer Aufgaben, nicht näher definierte Einheit der Armee. In weiterer Folge etablierte sich dieser Begriff ab dem 2. Jahrhundert für kleinere Einheiten, deren Angehörige oft auch von Barbarenstämmen angeworben wurden.
Numerus bedeutete ursprünglich „die Schar“, das heißt, solche Einheiten wurden anfangs nur im Bedarfsfall ausgehoben und nach Beendigung ihres Einsatzes wieder aufgelöst. In späterer Zeit wandelten sich aber auch sie zu stehenden Verbänden. In der römischen Heeresorganisation zählten sie zu den Hilfstruppen (Auxilia), waren aber nicht so gut gedrillt wie letztere, die regulärer Bestandteil der Armee waren. Ein Numerus bestand anfangs aus 140 und 160 Mann, entsprach also in etwa zwei standardmäßigen Zenturien (centuria) einer römischen Legion. In späterer Zeit wurden aber auch größere Einheiten mit einer Stärke von bis zu 200 Soldaten aufgestellt. Ihre Angehörigen wurden als peregrini (= Fremde, nicht im Besitz des römischen Bürgerrechtes) angeworben und dienten zur Unterstützung der Grenztruppen. Sie unterschieden sich auch in Bezug auf ihre Bewaffnung und Organisation nicht wesentlich von der regulären Truppe. Ihr Status lag aber unter den der Auxiliaren. Anscheinend erhielten die Numeri auch nach ihrer Entlassung aus dem aktiven Dienst nicht automatisch das römische Bürgerrecht zugesprochen. Sie wurden immer in derselben Provinz eingesetzt und auch nicht für Feldzüge abkommandiert. Dies vermutlich deshalb, da sie als Kundschafter mit dem Terrain des ihnen zugewiesenen Grenzabschnitt besonders gut vertraut waren.<ref>Anne Johnson. 1987, S. 36–37, Thomas Fischer: 2012, S. 25.</ref>
Entwicklung
Die Numeri entstanden am Ende des 1. Jahrhunderts, als die ersten festen Kastelle am Limes errichtet wurden. Der Bedarf an kleineren Einheiten zur Grenzüberwachung wuchs im Laufe der Zeit enorm an, was auch zusätzliche finanzielle Belastungen für das Reich mit sich brachte. Diese neu ausgehobenen, aus Freiwilligen bestehenden Grenztruppen erhielten daher weniger Sold und waren schlechter ausgebildet. Ihre Kämpfer trugen wohl hauptsächlich ihre trationelle Kleidung bzw. Ausrüstung und wendeten im Kampf ihre speziellen Fähigkeiten als Plänkler an. Ein Beispiel hierfür sind die für ihre hohe Effizienz berühmten Balearischen Steinschleuderer (fundatores). Unter Kaiser Hadrian wurden sie unter anderem als berittene Aufklärer (exploratori) oder Wächter (vigiles) in den abgelegeneren Grenzregionen eingesetzt. Im Laufe der Zeit traten auch römische Bürger in diese Einheiten ein, sodass der irreguläre Charakter dieser Truppen mit der Zeit verschwand. In der spätrömischen Armee (284–395), zählten die Numeri zu den Limitanei.<ref>Thomas Fischer: 2012, S. 25</ref>
Einheitsbezeichnungen
Bei allen Numeriformationen fällt auf, dass sie – im Gegensatz zu Legionen und Auxiliaren – neben ihren Truppennamen keine Ordnungszahl führen. Die Numeri wurden meist nach ihrer ursprünglichen ethnischen Herkunft bezeichnet, wie Numerus Exploratorum Germanicianorum Divitiensium (d. h. aus dem rechtsrheinischen Germanien) oder Numerus Brittonum (Soldaten aus Britannien). In den Einheitsbezeichnungen waren aber oft ihre Funktion oder auch geografische Begriffe enthalten (Fluss- oder Quellennamen) wie z. B. bei den in Obergermanien und Britannien stationierten
- numerus Brittonum Elantiensum (an der Elz),
- numerus Brittonum Murrensium (an der Murr), oder der
- numeri defensorum (Wächter/Verteidiger), sowie der
- numeri exploratorum (Späher/Aufklärer).
Vexillationen, die über einen längeren Zeitraum in einem Außenposten und weit weg von ihrer Stammeinheit stationiert waren, wurden ebenfalls als numeri bezeichnet. In diesem Fall wurde die Ortsbezeichnung dem Einheitsnamen hinzugefügt, wie z. B. Cattharensium (Kastell Alteburg-Heftrich/Taunuslimes). In späterer Zeit wurden diese Namen als Traditionsnamen weiter beibehalten, ohne noch einen konkreten Bezug zum Ursprung und aktuellen Zusammensetzung der Truppe zu haben.<ref>Thomas Fischer: 2012, S. 25</ref>
Offiziere
Als Befehlshaber eines Numerus wurde im Normalfall ein Zenturio (centurio) einer Legion oder Auxiliartruppe abkommandiert der rangmäßig als praepositus numeri eingestuft war. Seit Anfang des 3. Jahrhunderts wurden dafür aber auch Tribunen (tribunus numeri) oder sogar Präfekten (praefectus numeri) herangezogen, da sich die Einheiten in der Spätantike teilweise erheblich vergrößert hatten.<ref>Egon Schallmayer. 2006, S. 116, Thomas Fischer 2012, S. 25</ref>
Numeruskastelle
Die Numeruskastelle an Rhein (Rhenus) und oberer Donau (Danuvius) bedeckten durchschnittlich eine Fläche von 0,6 bis 0,8 ha. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Kastell Hesselbach am älteren Odenwaldlimes. Das Lager verfügte über ein eigenes Stabsgebäude (Principia) und ein Kommandantenwohnhaus. Die rund 120 bis 160 Mann zählende Besatzung war in vier Zenturien organisiert und dementsprechend auch in vier Kasernen untergebracht. Numeri dieser Stärke bemannten sicherlich auch benachbarte, noch kleinere Anlagen wie Rötelsee bei Welzheim (12 bis 20 Mann) bis zu einer Anzahl von 80 Mann.
Weitere Beispiele für solche Kastelle sind in Deutschland das
- Kastell Kapersburg am Obergermanischen Limes, das
- Kastell Ellingen, das
- Kastell Böhming am Rätischen Limes sowie das
- Kastell Boiodurum in Passau-Insstadt am norischen Donaulimes.
Einzelnachweise
<references/>
Literatur
- Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0.
- Michael Gechter: Das römische Heer in der Provinz Niedergermanien. In: Heinz Günter Horn (Hrsg.): Die Römer in Nordrhein-Westfalen. Theiss, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0312-1, S. 110–138 (Lizenzausgabe. Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-59-7).
- Anne Johnson: Römische Kastelle des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. in Britannien und in den germanischen Provinzen des Römerreiches(= Kulturgeschichte der antiken Welt. Bd. 37). von Zabern, Mainz 1987, ISBN 3-8053-0868-X.
- Dieter Planck, Andreas Thiel (Hrsg.): Das Limes-Lexikon. Roms Grenzen von A–Z (= Beck'sche Reihe 1836). C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-56816-9, S. 94–95.
- Egon Schallmayer: Der Limes. Geschichte einer Grenze (= Beck'sche Reihe 2318 Beck Wissen). 2. durchgesehene Auflage. C. H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-48018-8, S. 116–119.
- Marcus Reuter: Studien zu den numeri des römischen Heeres in der mittleren Kaiserzeit. In: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission. 80, 1999, ISSN 0341-9312, S. 357–569 (Zugleich: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1996).
- Thomas Fischer: Die Armee der Caesaren. Archäologie und Geschichte, Regensburg 2012, Verlag Friedrich Pustet, ISBN 978-3-7917-2413-3, S. 25-26.