Ragnarök


aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wechseln zu: Navigation, Suche
25px Dieser Artikel behandelt den mythologischen Begriff Ragnarök, zu anderen Bedeutungen siehe Ragnarök (Begriffsklärung).

Die Ragnarök (altnordisch „Schicksal der Götter“; aus regin, gen. pl. ragna „Gott“, rök „Ursache, Sinn des Ursprungs“)<ref name="Simek 330">Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1995, S. 330</ref> ist die Sage von Geschichte und Untergang der Götter (Weltuntergang) in der Nordischen Mythologie, wie es die Völuspá prophezeit.<ref name="Meyer1"> E. H. Meyer, Mythologie der Germanen, Athenaion, o. J., ungekürzte Neuauflage der Ausgabe Straßburg 1903, S. 461</ref><ref name="Simek 331">Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1995, S. 331</ref>

Das Deutsche übersetzt Ragnarök oft als „Götterdämmerung“,<ref name="Meyer1"/> was auf eine Fehlinterpretation von Snorri Sturluson zurückgeht: Während die ältere Lieder-Edda von ragnarök singt („Schicksal der Götter“), schreibt Snorri Sturluson in seiner Prosabearbeitung stets ragna rökr („Götterdämmerung“;<ref name="Meyer1"/> vgl. altnordisch røkkr „Dunkelheit“).

Der letzte Abschnitt der Ragnarök schildert die neue Welt, die nach dem Untergang der alten Welt entsteht.

Inhalt

Datei:Odin und Fenriswolf Freyr und Surt.jpg
Odin und Fenriswolf, Freyr und Surt (Zeichnung von Emil Doepler, 1905)
Datei:Thor und die Midgardsschlange.jpg
Thor und die Midgardschlange
Datei:Ragnarök by Doepler.jpg
Eine Szene aus der letzten Phase von Ragnarök, nachdem Surt die Welt in Brand gesteckt hat
Datei:After Ragnarök by Doepler.jpg
Die neue Welt nach Ragnarök, wie sie in der Völuspá beschrieben wird

Ragnarök heißt der Kampf der Götter und Riesen, in dessen Folge die ganze Welt untergeht. Drei Jahre heftiger Kämpfe und dann ein ebenso langer Fimbulwinter kündigen ihn an.<ref name="Simek 331" /><ref name="Meyer0">E. H. Meyer, Mythologie der Germanen, Athenaion, o. J., ungekürzte Neuauflage der Ausgabe Straßburg 1903, S. 460</ref>

Die Wölfe Skalli und Hati (einer anderen Überlieferung nach Managarm) verfolgen die Sonne bzw. den Mond, um sie zu verschlingen. Daraufhin sollen Sterne vom Himmel fallen. In der Folge beginnt die Erde zu beben; alle Bäume werden entwurzelt, sämtliche Berge stürzen. Durch diese Beben kann sich der Fenriswolf von seiner Kette lösen, die Midgardschlange kommt an Land, welches überflutet wird.

Die Überschwemmung macht das Totenschiff Naglfar aus Finger- und Zehennägeln der Toten flott.<ref name="Simek 331" /> Der Fenriswolf spuckt Feuer, die Midgardschlange versprüht ihr Gift, was Luft und Meer entzündet. Muspells Söhne kommen durch diesen Tumult hervorgeritten – allen voran Surt, der Feuerriese.<ref name="Simek 331" /> Sie überqueren die Brücke Bifröst, die daraufhin zusammenstürzt.<ref name="Simek 331" /> Sie ziehen zur Ebene Wigrid,<ref name="Simek 331" /> wo sie sich mit dem Fenriswolf, der Midgardschlange, Loki, Hrym (dem Steuermann von Naglfar), allen Hrimthursen und Hels Gefolge treffen. Dort nehmen sie die Schlachtordnung ein.<ref name="Simek 331" />

Heimdall erhebt sich und stößt mit aller Kraft in sein Gjallarhorn, ein Rufhorn, und warnt damit alle Götter, die sich beraten.<ref name="Simek 331" /> Odin reitet zu Mimirs Brunnen, um Rat zu holen. Die Asen und alle Einherjer, d. h. die in Schlachten gefallenen Toten aus Walhall, wappnen sich danach zum Kampf.<ref name="Simek 331" /> An der Spitze reitet Odin mit seinem Speer Gungnir, seinem Goldhelm und seinem schönen Harnisch.

In der folgenden Schlacht kämpft Freyr gegen Surt, wobei Freyr erliegt, weil er in einem anderen Mythos sein Schwert seinem Knecht Skirnir gegeben hatte.<ref name="Simek 331" /> Der Hund Garm, der Wächter der Unterwelt, greift Tyr an. Beide töten sich gegenseitig.<ref name="Simek 331" /> Thor gelingt es, die Midgardschlange zu besiegen. Kaum ist er neun Schritte von der Schlange weggegangen, stirbt er an ihrem Gift. Odin tritt gegen den Fenriswolf an, der ihn verschlingt.<ref name="Simek 331" /> Odins Sohn Vidar rächt den Vater. Er steigt dem Fenriswolf mit seinem ledernen Stiefel ins Maul, reißt sein Maul entzwei und ersticht ihn durch den Rachen. Loki kämpft gegen Heimdall, auch sie erschlagen sich gegenseitig. Schließlich schleudert Surt Feuer über die ganze Welt, das alles zerstört (Weltenbrand).<ref name="Simek 331" />

Die Asen versammeln sich. Flammen und Rauch werden zum Himmel schießen. Durch den Ausgleich von Ordnung und Chaos wird ein Gleichgewicht entstehen, das dem wiedergeborenen Allvater Fimbultyr (Odin) verhilft, eine neue Welt zu schaffen. Die Asen einen sich am Idafelde. Alles Böse bessert sich. Die Fassung der Hauksbók hat als 65. Strophe:

<poem>

Þá kemur inn ríki að regindómi öflugur ofan, sá er öllu ræður.</poem>

<poem>

Da kommt der Mächtige zu seiner ordnenden Herrschaft kraftvoll von oben, er, der alles steuert.</poem>

Thors Söhne Magni und Modi treffen sich mit Odins Söhnen Vidar und Vali im ehemaligen Asgard. Balder und Hödur kehren aus Hel zurück.<ref name="Simek 331" />

Ob Nidhöggr, der Menschenwürger, der die entseelten Leiber aussaugt, am Ende der Ragnarök stirbt,<ref name="Simek 331" /> ist nicht ganz klar. Man kann interpretieren, dass mit „er senkt sich nieder“ sein Tod gemeint ist; aber auch, dass das Böse das Ende der Welt überdauert und wiederkehrt.

<poem> Þar kemur inn dimmi dreki fljúgandi, naður fránn, neðan frá Niðafjöllum; ber sér í fjöðrum, flýgur völl yfir, Niðhöggur nái. Nú mun hún sökkvast.</poem>

<poem>Nun kommt der dunkle

Drache geflogen, die Natter, hernieder aus Nidafelsen. Das Feld überfliegend, trägt er auf den Flügeln, Nidhöggur, Leichen. Und nieder senkt er sich.<ref>Übersetzung von Simrock</ref></poem>

Deutung

Man hat Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts einen Einfluss christlicher Eschatologie feststellen wollen.<ref name="Simek 332">Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1995, S.332</ref> Inzwischen hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass Weltuntergangsvorstellungen im gesamten indogermanischen Raum heimisch waren und ein christlicher Einfluss eher unwahrscheinlich ist. Insbesondere hielten manche Forscher die oben zitierte 65. Strophe der Hauksbók für einen Einschub, der auf Christus hinweisen sollte.<ref>Schjødt S. 95; Heusler in der Anmerkung zu seiner Übersetzung.</ref> Sigurður Nordal hielt die Strophe zwar für ursprünglich, aber der Vorstellungsinhalt sei von christlichen Vorstellungen beeinflusst.<ref>Nordal S. 156.</ref> Steinsland hat dagegen aufgezeigt, dass diese Strophe nicht in ein christliches, sondern eher in ein heidnisches Weltbild passt.<ref>Steinsland, Gro (1991): Det hellige bryllup og norrøn kongeideologi: En analyse av hierogami-myten i Skírnismál, Ynglingatal, Háleygjatal og Hyndluljóð. Oslo: Solum. Dissertation, 366 Seiten. S. 342 ff.</ref>

  1. In die christliche Vorstellungswelt passe nicht, dass sich Christus in einen Rat der Asen begibt, der in Strophe 60 gerade zusammengetreten ist.
  2. Nach der christlichen Lehre kommt die neue Welt zusammen mit der Wiederkunft Christi. Hier kommt „der Mächtige“ erst, nachdem die neue Welt in den Strophen davor bereits entstanden ist.
  3. Der Ausdruck inn ríki ist wie andere ähnliche Ausdrücke inn mikli (Strophe 55; „der Starke“) und inn mæri (Strophe 57; „der Großartige“) zu diesen Heldenepitheta als Herrschereigenschaft der Durchsetzungsfähigkeit zu stellen. Auf Christus wird dieser Ausdruck nirgends angewendet. Das Wort regindómi, ein Wort, das sonst nirgends vorkommt, wurde für das „letzte Gericht“ gehalten.<ref>Lexicon poeticum: regindómr, m, enten „hoveddom“ eller „gudedom“ (entweder „oberstes Urteil“ oder „Urteil Gottes“).</ref> regin ist aber in anderem Kontext der Edda die ordnende Macht der Asen, und dóm ist in anderem Kontext (konungsdómr, jarldómr) oft nur das „Reich“ oder auch nur „-tum“ (heiðin dómr „Heidentum“). Auch öflugur („kraftvoll“) ist viel in vorchristlichen Texten zu finden. Und dass die Asen im Himmel wohnen, so dass „der Mächtige“ von oben kommt, ist in der Edda oft bezeugt. Selbst bei dieser Strophe, die als Hauptbeleg für den christlichen Einfluss herangezogen wurde, ist der heidnische Ursprung sehr wahrscheinlich.

Künstlerische Rezeption

Datei:Kampf der untergehenden Götter by F. W. Heine.jpg
Kampf der untergehenden Götter von Friedrich Wilhelm Heine

Richard Wagner behandelt das Thema in seiner Oper Götterdämmerung, dem vierten Teil der Tetralogie Der Ring des Nibelungen.

Literatur

Weblinks

Commons Commons: Ragnarök – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />