Anerkannte Regeln der Technik


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Die (allgemein) anerkannten Regeln der Technik sind technische Grundlagen-Regeln oder auch Technikklauseln für den Entwurf und die Ausführung von baulichen Anlagen oder technischen Objekten. Sie müssen nicht kodifiziert sein, sind es aber in der Regel.<ref>Harald Buss: Der Sachverständige für Schäden an Gebäuden. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-8167-6158-5, S. 108</ref>

Es sind Regeln, die in der Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen, in der Praxis bei dem nach neuestem Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt sind und sich aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung bewährt haben. Da dies bei neu entwickelten Produkten/Verfahren nicht anwendbar ist, gehören die durch das Deutsche Institut für Bautechnik geprüften, zugelassenen und veröffentlichten Produkte/Verfahren zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik haben erhebliche Bedeutung für die Bestimmung der Soll-Eigenschaften von Sachen und als Haftungsmaßstab.

Die allgemein anerkannten Regeln der Technik sind nicht identisch mit den DIN (nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs<ref>BGH, Urteil vom 14. Mai 1998, Az. VII ZR 184/97, Volltext.</ref> sind DIN-Normen private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter) und anderen Normen. Vielmehr gehen sie über die allgemeinen technischen Vorschriften, wozu auch die DIN-Normen gehören, hinaus. Für gültige DIN-Normen (in Österreich analog dazu ÖNORMEN) besteht nur die Vermutung, dass sie den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Analoges gilt für VDI-Richtlinien. Diese Vermutung ist widerlegbar, denn in den Normenausschüssen werden auch Interessenstandpunkte vertreten. Außerdem entsprechen Normen nicht immer dem aktuellen technischen Kenntnisstand und beinhalten nicht immer Regeln, die sich langfristig bewähren oder bewährt haben.

Beispiele zur Definition des Begriffes

In EN 45020 werden die anerkannten Regeln der Technik wie folgt definiert:

1.5 anerkannte Regel der Technik

technische Festlegung, die von einer Mehrheit repräsentativer Fachleute als Wiedergabe des Standes der Technik angesehen wird.

ANMERKUNG Ein normatives Dokument zu einem technischen Gegenstand wird zum Zeitpunkt seiner Annahme als der Ausdruck einer anerkannten Regel der Technik anzusehen sein, wenn es in Zusammenarbeit der betroffenen Interessen durch Umfrage- und Konsensverfahren erzielt wurde. [...]

3.2.1 Für die Öffentlichkeit zugängliche Normen ANMERKUNG Dank ihres Status als Normen, ihrer öffentlichen Zugänglichkeit und ihrer Änderung oder Überarbeitung, soweit dies nötig ist, um mit dem Stand der Technik Schritt zu halten, besteht die Vermutung, dass internationale, regionale, nationale oder Provinznormen (3.2.1.1, 3.2.1.2, 3.2.1.3 und 3.2.1.4) anerkannte Regeln der Technik sind.“

CEN: DIN EN 45020:2006 – Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten – Allgemeine Begriffe (ISO/IEC Guide 2:2004); dreisprachige Fassung EN 45020:2006

In der Verwaltungsvorschrift des Eisenbahn-Bundesamts VV BAU-STE Anhang 1.1 werden sie wie folgt definiert:

„Anerkannte Regeln der Technik sind alle auf Erkenntnissen und Erfahrungen beruhenden geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Technik, deren Befolgung beachtet werden muss, um Gefahren auszuschließen, und die in den betreffenden Fachkreisen bekannt sind und als richtig anerkannt werden.

Als anerkannte Regeln der Technik auf dem Gebiet der STE-Anlagen sind u. a. technische Normen (EN, DIN, DIN VDE) und Regelwerke der EdB zu bezeichnen.“

Die obige Definition kann dazu führen, dass aufgrund von nicht demokratisch (Bundestag, Bundesrat, Landesrecht etc.) entstandenen Regeln, die Rechte und Pflichten eines Gewaltunterworfenen geändert werden, da ein Verstoß als Gefahr betrachtet wird. Dies verstößt gegen den Vorbehalt des Gesetzes.

In der CSM-Verordnung (EG) Nr. 352/2009 der Kommission in Art. 3 Nr. 19 findet man die folgende Definition. Entgegen den sonstigen Definitionen, die unbestimmte Rechtsbegriffe sind, handelt es sich nun um eine Legaldefinition:

„„anerkannte Regeln der Technik“: die schriftlich festgelegte Regeln, die bei ordnungsgemäßer Anwendung dazu dienen können, eine oder mehrere spezifische Gefährdungen zu kontrollieren;“

Abgrenzung innerhalb der Technikklauseln

Das alleinige Befolgen anerkannter Regeln der Technik bewirkt noch keine Ausführung nach dem Stand der Technik. Ein Stand der Technik wird aber durch Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis zur Regel der Technik, da nach den Regeln der Technik geprüft und dann bauaufsichtlich (und somit offiziell veröffentlicht) zugelassen wurde.

Die anerkannten Regeln der Technik unterscheiden sich vom Stand der Technik dadurch, dass letzterer eine höhere Stufe der technischen Entwicklung darstellt, sich aber in der allgemeinen Praxis noch nicht langfristig bewährt haben muss. Die mehrfache Verwendung von einer bestimmten Stufe der technischen Entwicklung wiederum bestimmt noch nicht deren allgemeine Anerkennung. Das betrifft insbesondere eine Praxis einer bestimmten Gesamtheit und insbesondere die praktische Verwendung ohne deren öffentliche Bewertung.

Für Bauleistungen wird aufgrund der Dauerhaftigkeit des Werkes sowie des Kenntnisstandes der Ausführenden in der Regel die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik gefordert. Das Erfüllen der erwarteten Dauerhaftigkeit wiederum allein begründet weder die Konformität mit dem Stand der Technik noch mit den anerkannten Regeln der Technik. Diese Kriterien gelten also nicht reziprok und nicht kongruent.

Bedeutung in verschiedenen Gebieten

Bedeutung im Strafrecht

Große Bedeutung im gesamten Strafrecht haben die anerkannten Regeln der Technik als Maßstab für die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit eines Handelns, insbesondere bei der Prüfung der Fahrlässigkeit. Die Anerkannten Regeln der Technik werden außerdem erwähnt in § 319 Strafgesetzbuch, sog. Baugefährdung.

Bedeutung im bürgerlichen Recht

Im bürgerlichen Recht, insbesondere beim Werk- und beim Kaufvertrag, vereinbaren die Vertragsparteien häufig, dass die Sachleistung den anerkannten Regeln der Technik entsprechen müsse. Sofern keine ausdrückliche Vereinbarung vorliegt oder sich aus den Umständen nichts anderes ergibt, werden sie bei der Auslegung von Verträgen hinsichtlich der Soll-Eigenschaften einer Sache meist als Mindeststandard angesehen <ref>Ausführungen zur Fehlerfreiheit nach den anerkannten Regeln der Technik aus juristischer Sicht, Rechtsanwalt Markus Cooler, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, abgerufen im März 2015</ref>. Abweichungen sind dann ein Mangel. Beabsichtigt eine Seite Abweichungen, muss hierüber und über die Folgen in der Regel aufgeklärt werden.

Ein Beispiel für eine Vereinbarung enthält Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), der von den Vertragsparteien in ihren Vertrag einbezogen werden kann:

Bei den Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen wird in § 4 und in § 13 VOB/B dieser Terminus ausdrücklich verwendet.

Außerdem werden die anerkannten Regeln der Technik auch im bürgerlichen Recht als Maßstab für die Bestimmung der Pflichtwidrigkeit eines Handelns, insbesondere bei der Prüfung der Fahrlässigkeit, verwendet.

Oft wird die Meinung vertreten, dass eine DIN-Norm oder Europäische Norm zivilrechtlich mit ihrer Veröffentlichung als anerkannte Regel der Technik angesehen werden kann. Im Gegensatz hierzu ist eine Norm im Verwaltungsrecht erst dann verpflichtend anzuwenden, wenn beispielsweise eine Norm aus dem Baubereich in einem Bundesland auf die Listen der Technischen Baubestimmungen aufgenommen worden ist.

Bedeutung im Verwaltungsrecht

In zahlreichen Normen des Verwaltungsrechts wird auf die anerkannten Regeln der Technik verwiesen. Beispiele:

§ 55 Bundesberggesetz,
Rettungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen<ref>

Gesetz über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer</ref>

Landesbauordnungen der Länder
siehe dazu die Musterbauordnung<ref>Musterbauordnung abgerufen am 6. Mai 2015</ref> Wenn eine DIN oder Europanorm vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in eine der (Muster-)Listen der Technischen Baubestimmungen aufgenommen und von wenigstens einem Bundesland als "eingeführte technische Regel" auf der Liste der landeseigenen technischen Baubestimmungen übernommen wird, gilt die Norm bauaufsichtlich als anerkannte Regel der Technik.
§ 2 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung

Zu der Regelungen stellen sich zwei entscheidende Fragen:

1. Bezieht sich der Absatz 2 auf „den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen“ oder auf „Diese Anforderungen gelten als erfüllt?
2. Wer trägt die Beweislast für den Nachweis der mindestens gleichen Sicherheit?

Die unterschiedliche Konsequenz ist, dass bei Abweichen von den a.R.d.T ohne den Nachweis der mindestens gleichen Sicherheit

a) ein Verstoß gegen die EBO vorliegt, und somit eine Gefahr für die Rechtsordnung,
b) oder die Anforderungen nicht automatisch als erfüllt gelten. Dies bedeutet aber nicht, dass sie tatsächlich unerfüllt sind. Denn alleine das Fehlen des Nachweises sagt nichts über das Maß der Sicherheit aus.

Die rechtlichen Verhältnisse in puncto Beweislast und Regelwerksverstoß haben sich mit der Bahnreform massiv geändert. Als Behörde war die Bundesbahn alleine schon dienstrechtlich verpflichtet, ihre Regelwerke einzuhalten. Ob eine Regel auch anerkannte Regel der Technik ist, war dabei unerheblich.

Heute wird das Regelwerk zum überwiegenden Teil durch die Deutsche Bahn AG erstellt. Die dienstrechtliche Verpflichtung zur Überwachung der Einhaltung der Konzernrichtlinien durch die Aufsichtsbehörde kann schon aus demokratischen Gesichtspunkten nicht per se weiter bestehen. Die Behörde muss im Einzelfall prüfen, ob die jeweilige Regel auch anerkannte Regel der Technik ist.

Zudem wurde durchweg ein (innerbehördliches) Genehmigungsverfahren angewendet. Eine Genehmigung musste nur dann erteilt werden, wenn die Vorschriften und Verfügungen eingehalten waren oder eine Sondergenehmigung (quasi Nachweis der mindestens gleichen Sicherheit) vorlag. Überall dort wo keine begünstigenden Verwaltungsakte ergehen (Genehmigungen, Zulassungen), sondern belastende, liegt die Beweislast bei Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik, bei der Behörde. Die Behörde muss die Gefahr nachweisen, die durch den Regelwerksverstoß entsteht.

Literatur

  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Zweiten Senats vom 8. August 1978, Az. 2 BvL 8/77; BVerfGE 49, 89 - Kalkar I.
  • Karl-Wilhelm Schäfer: Das Recht der Regeln der Technik. Köln 1965 (Köln, Univ., Diss., 1965).
  • Peter Marburger: Die Regeln der Technik im Recht. Heymann, Köln u. a. 1979, ISBN 3-452-18539-7 (Zugleich: Göttingen, Univ., Habil.-Schr., 1977–1978).

Weblinks

Einzelnachweise

<references />

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