Schrein


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25px Dieser Artikel beschreibt das Reliquiar Schrein, zu weiteren Bedeutungen siehe Schrein (Begriffsklärung).
Datei:2009-06-27-Liboriusschrein-offen.JPG
Der geöffnete Liboriusschrein für die Gebeine des hl. Liborius im Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn (Ansicht mit abgenommenem Deckel im Jahre 2009 anlässlich der Restaurierung)

Als Schrein bezeichnet man in der abendländischen Kunstgeschichte sowohl das große, hausförmige, meist mit Edelmetall verkleidete Behältnis für die Gebeine eines Heiligen (Reliquienschrein) als auch das schrankartig sich öffnende Mittelstück eines mit Flügeln verschließbaren Schnitzretabels (Altarschrein).

Auch das Herzstück von Tempeln, sei es ein Möbelstück oder ein Bauwerk zur Aufbewahrung kultischer und heiliger Gegenstände oder Aufenthaltsort göttlicher Wesen kann als Schrein bezeichnet werden; es ist neben dem (vom Tisch abgeleiteten) Altar das zweite wichtige kultische Element eines Sakralbaus, beide kommen auch in kombinierter Form vor.

Wortherkunft

Das Wort Schrein ist ein frühes Lehnwort, lateinisch scrinium findet sich schon althochdeutsch scrîni im sächlichen Geschlecht, und mittelhochdeutsch schrîn, m. und n. (‚der‘ oder ‚das Schrein‘), wobei ersteres zweiteres verdrängt.<ref name="Grimm-Schrein">SCHREIN, m. behälter, schrank. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hirzel, Leipzig 1854–1961 (woerterbuchnetz.de, Universität Trier).</ref>

Grundbedeutung ist ‚Kasten, Kiste‘, ein verschließbares Möbelstück, sowohl groß und stehend als Schrank oder Truhe, wie auch im Besonderen hängend als Wandkästchen, und synonym dem ursprünglichen Begriff der Lade<ref name="Adelung Schrein">Adelung 1798 gibt den profanen Bezug noch vorrangig Eintrag: Der Schrein. In:  Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. 4. Auflage. Leipzig 1798, S. 1654–1655 (zeno.org).</ref> – daher auch der Name ‚Schreiner‘ für Tischler.<ref>Schrein. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 14, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/ Wien 1885–1892, S. 628.</ref> Noch bis in das 19. Jahrhundert ist die Bedeutung im normalen Sprachgebrauch gleichermaßen profan<ref name="Adelung Schrein"/><ref name="Wander Schrein">Eintrag Schrein. In:  Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. 4., Leipzig 1876, Sp. 342 (zeno.org).</ref> wie sakral belegt, Grimms Deutsches Wörterbuch (ab 1854) gibt „behältnisse zur aufbewahrung von gegenständen des cultus, besonders von reliquien, gewöhnlich reich verziert“<ref name="Grimm1-Schrein-1">SCHREIN 1). In: Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hirzel, Leipzig 1854–1961 (woerterbuchnetz.de, Universität Trier).</ref> ebenso wie „in allgemeiner anwendung verschlieszbares behältnis zur aufbewahrung von kleinodien, schmuck, geld, kleidern u. s. w. in der entwickelten neuhochd. schriftsprache nur in gewählter ausdrucksweise gleichbedeutend mit schrank, also als aufrecht stehendes oder an der wand hängendes behältnis (im sinne von kiste, lade ist es nicht mehr gebräuchlich)“,<ref name="Grimm1-Schrein-3">SCHREIN 3). In: Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hirzel, Leipzig 1854–1961 (woerterbuchnetz.de, Universität Trier).</ref> sowie als spezielle Bedeutung Sarg (‚Totenkiste‘) „übergehend in die bedeutung von sarg, zunächst von solchen, die heilige oder verehrungswürdige gebeine aufnehmen, dann im allgemeineren gebrauche“.<ref name="Grimm1-Schrein-2">SCHREIN 2). In: Grimm: Deutsches Wörterbuch. Hirzel, Leipzig 1854–1961 (woerterbuchnetz.de, Universität Trier).</ref>

Der religionswissenschaftliche Aspekt herrscht erst in moderner Zeit vor und entwickelte sich über ‚ehrwürdig‘ – Grimm sagt: „sonst in engerer bedeutung von einem durch material, kunstvolle arbeit oder inhalt kostbaren hangenden behältnis, besonders auch von einem aus alter zeit stammenden.“<ref name="Grimm1-Schrein-3"/> – hin zum Gegenstand des Kultischen, und dient in diesem Sinne dazu, auch die Bauformen des Ritus nichtchristlicher Religionen zu beschreiben.

Der Schrein im alten Ägypten

Der Schrein, auch als Naos bezeichnet, verweist im alten Ägypten auf eine lange Tradition, die bis in die frühdynastische Zeit zurückreicht, wo er als Reput zur Beherbergung von Gottesbildern diente. Der Schrein galt in der altägyptischen Mythologie auch als das „Innere des Himmels“, also der Wohnort der Götter. In ihm wurden neben Gottes- auch Königsbilder verwahrt, um das tägliche Tempelritual der Priesterschaft und andere Verehrungen im privaten Bereich allen Bürgern zu ermöglichen.<ref>Stefan Pfeifer: Herrscher- und Dynastiekulte im Ptolemäerreich: Systematik und Einordnung der Kultformen. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-56933-3, S. 109 (bei Google-books).</ref>

Schreine im christlichen Kirchenraum

Die hohe Zeit der Reliquienschreine war das späte 12. bis 14. Jahrhundert. In der Goldschmiedekunst an Rhein und Maas entwickelte sich die vom Sarkophag abgeleitete Grundform zu reich mit Figuren und Architekturelementen geschmückten, hausförmigen Gebilden. Diese Schreine gehören zu den Hauptwerken der mittelalterlichen Goldschmiedekunst.<ref>Ulrich Bock: Artikrl Schrein. In: Hans Dieter Betz, Don S. Browning, B. Janowski, E. Jüngel (Hrsg.): Religion in Geschichte und Gegenwart. (RGG4) Bd. 7, 4., völlig neu bearbeitete Auflage, Mohr Siebeck, Tübingen 2004, ISBN 978-3-16-146907-7, Spalte 1002.</ref> Oftmals in Verbindung mit einem Altar aufgestellt, steht der Reliquienschrein in einem funktionsähnlichen, nicht aber form- und entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang mit dem Altarschrein. Dieser Begriff bezeichnet den schrank- oder kastenartigen, mit figürlichem Schnitzwerk ausgestatteten und mit türenartigen "Altarflügeln" verschließbaren Mittelteil des Flügelaltars. Auch er konnte, vor allem in seinen frühen Beispielen aus dem 14. Jahrhundert, als Ort der Verwahrung oder Präsentation von Reliquien dienen. Doch eine monokausale Ableitung des Flügelaltarschreins von Reliquienschränken <ref>Hans Wentzel, Wilhelm Castelli: Der Cismarer Altar. Ellermann, Hamburg 1937, S. 40</ref><ref>Harald Keller: Der Flügelaltar als Reliquienschrein. In: Studien zur Geschichte der europäischen Plastik, Festschrift für Theodor Müller. Hirmer, München 1965, S. 125-144.</ref> wird in der jüngeren Forschung<ref>Norbert Wolff:Deutsche Schnitzaltäre des 14. Jahrhunderts (= Denkmäler deutscher Kunst; Jahresgabe des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. 2000/01). Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2002, ISBN 978-3-87157-194-7, S. 12-20 und 356-361.</ref> nicht beibehalten. Bis zum Ende des Mittelalters steigern sich die Dimensionen und Quantitäten der für die Kirchenausstattung gefertigten Altarschreine, dann verliert der Flügelaltar rasch an Bedeutung.

Sonstige Kontexte

Siehe auch

Literatur

  • Dorothee Kemper: Die Goldschmiedearbeiten am Dreikönigenschrein. Bestand und Geschichte seiner Restaurierungen im 19. und 20. Jahrhundert. Band 1: Textbeiträge- Band 2: Bilddokumentation. Band 3: Katalog und Anhang (= Studien zum Kölner Dom. Bd. 11). Neue Ausgabe, Kölner Dom, Köln 2014, ISBN 978-3-922442-78-3.

Weblinks

Commons Commons: Shrines – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienVorlage:Commonscat/Wartung/P 2 fehlt, P 1 ungleich Lemma

Einzelnachweise

<references />