Strigae


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Die Strigae sind in der römischen Mythologie blutsaugerische, vogelartige Dämonen, die es vor allem auf Kinder abgesehen haben.

Sie haben Ähnlichkeit mit den Lamien in der griechischen Mythologie, der lesbischen Gello und den Lillim, den Kindern der Lilith, in der jüdischen Mythologie.

Ovid

Ovid berichtet von ihnen in den Fasti im Anschluss an die Geschichte von Cardea, der Janus als Buße für die geraubte Jungfräulichkeit den Zweig des Weißdorns gibt, mit dessen Hilfe sich die Strigae abschrecken lassen.<ref>Ovid Fasti 6,127-168</ref>

Nach Ovid sind es hässliche, nächtliche Vögel, die angeblich von ihrem zischenden Ruf ihren Namen haben. Der Name wird hergeleitet von lateinisch stridere („zischen“), das wiederum von griechisch τρίζω („schwirren“, „zischen“) sich herleitet, ein Wort, das Homer schon für die Geräusche der flatternden Seelen verwendet, die Odysseus in der Unterwelt hört.<ref>Homer Odyssee 24,7</ref>

Ovid erzählt nun weiter, dass die Strigae keine Harpyien sind, aber ob Vögel oder Hexen, die sich in vogelartige Wesen verwandelt haben, das wisse man nicht. Jedenfalls hätten sie einen großen Kopf, scharfen Schnabel und harte Krallen. Sie würden den Säuglingen Blut aussaugen und hätten es auch auf die Eingeweide abgesehen.<ref>Dass sie die Eingeweide herausfressen, steht auch bei Plautus Pseudolus 3,2,21</ref> Fast wäre nach Ovid der erst fünf Tage alte Proca, der zukünftige König von Alba Longa, der unbewacht in seiner Wiege lag, den Strigae zum Opfer gefallen: Schon ist die Wange zerkrallt und die Hautfarbe ist bleich wie das Herbstlaub, da bemerkt die Amme das Unglück und ruft nach Cardea.<ref>Carna steht bei Ovid, aber er verwechselt die beiden ohnehin.</ref> Die eilt herbei und vollführt ihren Zauber: Sie berührt dreimal den Türpfosten und die Schwelle mit dem Laub des Erdbeerbaumes, besprengt den Eingang mit Wasser, nimmt die Eingeweide eines zwei Monate alten Ferkels in die Hand und spricht den Segen:

Schont, ihr nächtlichen Vögel, die Eingeweide des Knaben. Das zarte Tier wird für den zarten Knaben geopfert. Herz nehmt für Herz, Eingeweide für Eingeweide. Dieses Leben geben wir euch für das Bessere.<ref>Ovid Fasti 6,159ff:

<poem style="margin-left:2em;font-style:italic;">… noctis aves, extis puerilibus inquit parcite: pro parvo victima parva cadit. cor pro corde, precor, pro fibris sumite fibras. hanc animam vobis pro meliore damus.</poem></ref>

Dann legt sie die Stücke des Opfers ins Freie, nach denen sich niemand umsehen darf, und schließlich wird noch ein Weißdornzweig in das Fenster gestellt. Daraufhin wird der Knabe wieder gesund.

Petronius

Im Gastmahl des Trimalchio des Titus Petronius erzählt der Gastgeber eine Gespenstergeschichte,<ref>Petronius Satyrica 63</ref> in der auch die Strigae erscheinen: Ein schöner Knabe namens Iphis war gestorben. Die Mutter war darüber ganz verzweifelt und viele Leute waren bei ihr, um sie zu trösten. Auf einmal erschien ein Rudel Strigae und fiel über den Leichnam her „wie Windhunde über einen Hasen“. Ein kappadokischer Sklave fasste sich ein Herz und durchbohrte eine der Strigae mit seinem Schwert in der Mitte, nachdem er sich sorgfältig die linke Hand umwickelt hatte. Die anderen hörten ein Seufzen, sahen aber nichts. Dem Kappadokier aber nützte die Vorsicht nichts: Ihn hatte die „böse Hand“ berührt und er war am ganzen Körper braun und blau wie von Peitschenhieben. Nach wenigen Tagen fiel er in Raserei und starb schließlich. Die Mutter aber, als sie den Leichnam ihres Sohnes umarmen wollte, umfasste nur eine Haut voll Kehricht: Die Strigae hatten den Knaben mit Herz und Eingeweiden geholt und einen Wechselbalg zurückgelassen. Hier werden die Strigae erstens ausdrücklich „Weiber“ genannt und vergreifen sich zweitens nicht an lebenden Kindern, sondern an Toten.

Etwas später erscheinen die Strigae noch einmal bei Petronius, und zwar als Räuber der Manneskraft des Encolpius, so dass der nicht einmal mehr im Stande sei, sich an Knaben zu befriedigen.<ref>Petronius Satyrica 134.1-2: quae striges comederunt nervos tuos […] ne a puero quidem te vindicasti?</ref>

Antike Wissenschaft

Plinius erwähnt die Striges in Zusammenhang mit Vögeln, die Brustwarzen haben sollen. Berichte, nach denen die Striges Brüste hätten und Kleinkindern daraus Milch einflößten, hält er für fabelhaft und sieht sie in Zusammenhang mit den alten Geschichten von den hexenhaften Nachtdämonen.<ref>Plinius Naturalis historia 11,95 (232): fabulosum enim arbitror de strigibus, ubera eas infantium labris inmulgere. esse in maledictis iam antiquis strigem convenit, sed quae sit avium, constare non arbitror.</ref> Tatsächlich werden Harpyien, Sirenen und ähnliche zweifelhafte Mischgestalten gern mit Brüsten dargestellt.

Isidor von Sevilla ist weniger skeptisch als Plinius; nach ihm hießen die Eulen amma (Ohreule), weil sie so kinderlieb seien (ab amando parvulos) und Neugeborenen die Brust gäben.<ref>Isidor Etymologiae 12,7,42: Haec avis vulgo amma dicitur, ab amando parvulos; unde et lac praebere fertur nascentibus.</ref> An anderer Stelle meint er freilich, Strigae seien verzauberte Menschen.<ref>Isidor Etymologiae 11,4,2</ref>

In Zusammenhang mit den vampirähnlichen Strigae taucht bereits in der Antike neben dem Weißdorn der Knoblauch als Abwehrmittel auf. Im Liber medicinalis des Sammonicus Serenus wird der Knoblauch als probates Mittel gegen das Einmelken von Gift durch die Strigae empfohlen.<ref>Sammonicus Serenus Liber medicinalis 58 v. 1035f</ref>

Strix als Hexenvogel

Strigae ist eine vulgäre Form von lateinisch striges, dem Plural von strix, was als Tierart die Ohreule bezeichnet, speziell die Zwergohreule.

In den Metamorphosen des Antoninus Liberalis ist die Ohreule ein verwandelter Mensch, allerdings keine Hexe, die zu finsteren Zwecken in Eulengestalt schlüpft, sondern Polyphonte, die als Strafe für die von ihren Söhnen Agrios und Oreios verübten Frevel verwandelt wurde in die Strix, die „in der Nacht schreit, weder Speise noch Trank nimmt, den Kopf nach unten und die Enden der Füße nach oben, eine Botin von Krieg und von Aufruhr“.<ref>Antoninus Liberalis Metamorphosen 21</ref> Es ist nicht klar, ob die antiken Autoren mit Strix die Eule oder doch eher die Fledermaus meinen. Das Hängen kopfunter, ebenso wie der Besitz von Brustwarzen weisen deutlich in Richtung der Fledermaus.

Eulenfedern erscheinen bei Horaz als Teil eines Hexenrezeptes für einen Liebestrank, zu dessen Herstellung auch die Ermordung eines unschuldigen Knaben gehört.<ref>Horaz Epoden 5,21f: <poem style="margin-left:2em;font-style:italic;">Des düstern Uhus Federn auch und Eier mit Der grausen Kröte Blut gefärbt, …</poem></ref> Als Hexenvogel erscheint die Eule auch in den Metamorphosen des Apuleius, da sich dort die Hexe Pamphilia durch Bestreichen mit einer Salbe in eine Eule verwandelt.<ref>Apuleius Metamorphosen 3,21</ref>

Im „Rasenden Herakles“ (Hercules furens) des jüngeren Seneca sind die Striges zusammen mit anderen nächtlichen Vögeln Bewohner der Unterwelt. Seneca malt das Bild solch scheußlicher Gegend: „Abstoßend liegt der Pfuhl des trägen Cocytus da; hier krächzt ein Geier, der Unheilbringer Uhu dort, und es hallt der Unglücksruf des unseligen Käuzchens.“<ref>Seneca der Jüngere Hercules furens 687f: Hinc vultur, illinc luctifer bubo gemit / omenque triste resonat infaustae strigis.</ref>

Literatur

Einzelnachweise

<references />