Tanger
Tanger طنجة ⵟⴰⵏⵊⴰ | ||||||
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Basisdaten | ||||||
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Staat: | Marokko | |||||
Region: | Tanger-Tétouan | |||||
Provinz: | Tanger-Asilah | |||||
Koordinaten | -5,8125|primary | dim=25000 | globe= | name=Tanger طنجة ⵟⴰⵏⵊⴰ |
region=MA-01 | type=city
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Einwohner: | 974.000 (2014) | |||||
Fläche: | 250 km² | |||||
Bevölkerungsdichte: | 3.896 Einwohner je km² | |||||
Höhe: | 80 m | |||||
Website der Stadtverwaltung: | ||||||
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Tanger (arabisch طنجة Tandscha, DMG Ṭanǧa, tamazight ⵟⴰⵏⵊⴰ Ṭanja, spanisch Tánger) ist eine marokkanische Stadt mit 974.000 Einwohnern (Stand 2014) im Norden des Landes in der Provinz Tanger-Asilah. Sie liegt an der nordafrikanischen Küste, etwas westlich der Straße von Gibraltar. Südlich der Stadt befindet sich der Flughafen Tanger-Boukhalef; zwischen Tanger und Ceuta wird Tanger-Med gebaut, ein neuer Containerhafen.
Inhaltsverzeichnis
Legende
Der Legende nach hat Antaios, Sohn von Poseidon und Gaia, die Stadt gegründet. Herkules spaltete an dieser Stelle die Erde und schuf so die Meerenge von Gibraltar, in der Mittelmeer und Atlantik ihre Gewässer vermischen.
Geschichte
Gegründet wurde Tanger im 5. Jahrhundert v. Chr. von Karthagern. Später geriet die Siedlung Tingis unter römische (siehe auch: Mauretania Tingitana) bzw. byzantinische Herrschaft, bevor sie 702 von den Arabern erobert wurde.
1471 hielten die Portugiesen Einzug, denen 1580 die Spanier und 1661 die Briten folgten – Katharina von Braganza brachte es als Mitgift in die Ehe mit Charles II. ein. Doch schon kurz darauf, 1684, wurde Tanger an Marokko unter den Alawiden übergeben.<ref>Enid M. G. Routh — Tangier: England's Lost Atlantic Outpost, 1912; Martin Malcolm Elbl, “(Re)claiming Walls: The Fortified Médina of Tangier under Portuguese Rule (1471–1661) and as a Modern Heritage Artefact,” Portuguese Studies Review 15 (1–2) (2007; publ. 2009): 103–192; Martin Malcolm Elbl, “Tangier's Qasba Before the Trace Italienne Citadel of 1558–1566: The 'Virtual' Archaeology of a Vanished Islamic and Portuguese Fortress,” Portuguese Studies Review 17 (2) (2009; publ. 2012): 1-44.[1]</ref>
Die geographische Lage Tangers machte die Stadt zum marokkanischen Zentrum europäischer Diplomatie und Wirtschaft im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Eine internationale Krise löste die Rede Kaiser Wilhelms II. anlässlich seines Besuches der Stadt 1905 aus, in der er eine Erklärung zur fortwährenden Unabhängigkeit Marokkos abgab.
1912 verlor Marokko seine Unabhängigkeit und wurde faktisch zwischen Frankreich und Spanien geteilt, wobei letzteres gleich ganz Nordmarokko und einen Teil der Atlantikküste im Süden besetzte. Der Status von Tanger blieb ungeklärt. 1923 wurde die Stadt und ein kleines Gebiet um sie herum zur Internationalen Zone von Tanger erklärt und von acht Mächten verwaltet (Frankreich, Spanien, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Portugal, Sowjetunion und seit 1928 Italien). Der Hafen von Tanger war zollfrei, der Schmuggel wurde zum einträglichen Geschäft. Tanger besaß 1927 60.000 Einwohner, davon 35.000 Muslime, 15.000 Juden und 10.000 Ausländer. 1950 lebten 150.000 Einwohner in der Stadt, darunter 43.000 Christen und 15.000 Juden. So etablierte sich in der Zonenzeit eine einzigartige multiethnische Gemeinschaft der christlichen Nationalitäten und der (jüdischen und muslimischen) Untertanen des Sultans. Tanger konnte damals mit seiner Infrastruktur als modernste Stadt Afrikas bezeichnet werden. Tanger war niemals europäische Kolonie.
Dieser Zustand blieb, mit Ausnahme der Zeit von 1940 bis 1945, als es wegen des Zweiten Weltkrieges unter alleiniger spanischer Verwaltung stand, bis zum 29. Oktober 1956 erhalten (an die Stelle Italiens traten jedoch die USA und die UdSSR). Die Freizügigkeit der Stadt in den 1940er- und 50er-Jahren machte sie zu einem Magneten für europäische und amerikanische Schriftsteller, für „Aussteiger“ und Außenseiter jeder Art. Am 29. Oktober 1956 jedoch traten die Protokolle von Tanger in Kraft, die die Stadt mit dem wenige Monate zuvor wieder unabhängig gewordenen Staat Marokko wiedervereinigten und ihre Freizügigkeit beendeten. 1956 begann auch der Exodus der rund 13.000 Juden oder Hebräer, wie sie sich nannten, aus Tanger.<ref>Neue Zürcher Zeitung: Geschützt, verdrängt, geduldet – Jüdisches Leben in islamischen Ländern – eine gefährdete Tradition 25. Februar 2008</ref> 2010 zählte die Stadt über eine Million Einwohner, etwa 5000 Ausländer werden offiziell von den verschiedenen Konsulaten gemeldet, und es soll nur noch 70 einheimische Juden geben.
In den 1960er- und 70er-Jahren erlebte Tanger einen politischen und ökonomischen Niedergang, jedoch eine zweite literarische Blüte als „Mekka“ von europäischen und amerikanischen Schriftstellern der neu entstandenen Popliteratur. Paul Bowles, Jane Bowles, Tennessee Williams, Jack Kerouac, Muhammad Asad, Truman Capote und William S. Burroughs waren nur einige von ihnen. Aus Deutschland besuchten die Mitglieder der Band Dissidenten die Stadt, sie arbeiteten auch hier. Außer dem Ehepaar Bowles handelt es sich bei den Literaten aber um keine dauerhaften Bewohner der Stadt, sondern um expatriierte Besucher. Diese waren literarisch sehr produktiv, ihre Darstellungen dominieren das Bild Tangers für die Amerikaner und Europäer bis heute. Auch Marokkos wohl berühmtester Schriftsteller, Mohamed Choukri, lebte hier. Er verarbeitete seine Erfahrungen als armer Heranwachsender im Tanger der 50er-Jahre in seinem Roman „Das nackte Brot“ (arabisch „al-Chubs al-hafi“). Später lebten der Multimilliardär Malcolm Forbes, die Schauspielerin Elizabeth Taylor und die Woolworth-Erbin Barbara Hutton in der Stadt. Auch der ehemalige israelische Außenminister Schlomo Ben Ami, die spanische Almodóvarschauspielerin Bibiana Fernández und der französische Sozialistenführer Jean-Luc Mélenchon wurden in Tanger geboren. Heute noch leben bekannte Autoren in der Stadt (z. B. Bernard-Henri Lévy).
Unter der Regentschaft von Hassan II. wurden die Stadt und der Norden Marokkos planmäßig vernachlässigt. Erst mit der Regentschaft von König Mohammed VI. (ab 1999) erlebt Tanger eine neue Blüte. Urbanistische Großprojekte wie etwa die Freilegung der alten Stadtmauern oder die Verlagerung der Hafenfunktionen in den neuen Großhafen Tanger-Med vor den Toren der Stadt, sowie das urbanistische Umbauprogramm Tanger-Métropole, gestalten den Charakter Tangers seit 2010 auf grundlegende Weise neu.
Sehenswürdigkeiten
Aus karthagischer Zeit stammen die in den Fels gehauenen und in römischer Zeit wiederverwendeten Steinkistengräber der Nekropole von Marshan. Die Römer umgaben im 3. und 4. Jahrhundert den Burgberg – das heutige Kasbah-Viertel – mit einer Stadtmauer, die von den Portugiesen im 15. und 16. Jahrhundert gebaut wurde. Größte Attraktion der Stadt ist die belebte Medina (Altstadt) rund um den Petit Socco mit ihren Märkten, Handwerksbetrieben, Geschäften und Cafés. Unbedingt sehenswert ist auch das „Musée de la Casbah“ mit vielen interessanten archäologischen Fundstücken zur mehr als 2000 Jahre währenden Stadtgeschichte; Glanzstück ist das aus Volubilis stammende Bodenmosaik mit der Darstellung einer „Seefahrt der Venus“. Mehrere Galerien präsentieren Wechselausstellungen mit Werken marokkanischer und europäischer Künstler.
Unweit des Kap Spartel befindet sich die Herkulesgrotte.
- Eingang in die Medina.jpg
Tor zwischen dem Grand Socco und der Medina
- Marktstände in der Medina.jpg
Markstände in der Medina
- Straße in der Medina.jpg
Die Rue des Siaghines in der Medina
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Die Medina im Regen
- Wochenmarkt in Tanger.jpg
Ein Wochenmarkt
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Das Musée de la Casbah
- Enge Gassen auf der Casbah.jpg
Enge Gassen auf der Casbah
- Phare à Tanger.JPG
Der Leuchtturm auf dem Kap Spartel
Kultur
Bedeutsam ist der mediterrane Charakter, der Tanger von anderen Städten Marokkos unterscheidet. Generell war die Stadt durch ein Miteinander von europäischer, muslimischer und jüdischer Kultur geprägt. So ist beispielsweise die Altstadt architektonisch weitgehend von typisch mediterranen Baumerkmalen geprägt (z.B. Fenster zur Straße, Balkone). Auch im lokalen arabischen Dialekt spiegelt sich der Einfluss romanischer Sprachen (z.B. forn von span. horno für Backofen, cusina von span. cocina für Küche). Die religiösen Gruppen lebten zusammen in denselben Stadtvierteln und Wohnblöcken, in der Zeit der Internationalen Zone war die Klassenschichtung bedeutsamer als die der nationalen Herkunft oder Zuordnung. Angehörige aller Gruppen pflegten neben ihren offiziellen religiösen Ausrichtungen auch die Verehrung der Dschinn, die in Tanger spezielle Örtlichkeiten der Verehrung hatten: insbesondere die Felsen von Lalla Jmila und Sidi Hammou wurden von christlichen, jüdischen und muslimischen Frauen verehrt, um Liebesglück und Fruchtbarkeit zu erbitten. Noch heute wird das Heiligtum von Sidi Maimoun aus diesen Gründen besucht. Traditionell spielten und spielen die Zünfte und die Sufibruderschaften der Gnawa, Aissawa und Hamadsa eine wichtige Rolle im kulturellen Gefüge der Stadt. Mit dem Zustrom von Marokkanern aus dem Hinterland, insbes. seit den 2000er Jahren, hat sich auch die kulturelle Geprägtheit der Stadt stark verändert. Heute findet man auch in Tanger mehr und mehr verschleierte Frauen, bis in die 2000er Jahre hinein zeichnete sich die Stadt jedoch durch einen legeren Kleidungsstil - insbesondere auch von Frauen (europ. Röcke, offene Haartracht) - aus. Diese Veränderung ist sichtbarstes Zeichen der allgemeinen Entwicklung der lokalen Kultur seit der Jahrtausendwende, weg von einem mediterranen hin zu einem zunehmend arabischen Lebensstil. Seit dem Jahr 2000 findet alljährlich im Sommer das Jazz-Festival Tanjazz statt.<ref>Tanjazz</ref>
Panorama
Wirtschaft
Renault produziert seit 2012 Fahrzeuge der Konzernmarke Dacia bei Tanger. Zunächst sollen 170.000 Fahrzeuge, später bis zu 400.000 Fahrzeuge hergestellt werden, ab 2016 auch ein Fahrzeug, das auf Märkten wie Indien nicht mehr als umgerechnet 3.000 Euro kosten soll.<ref>Michael Kläsgen: Renault setzt auf superbillig. sueddeutsche.de vom 10. Februar 2012, abgerufen am 11. Februar 2012</ref>
Söhne und Töchter der Stadt
- Ibn Battuta (1304–1377), berberischer Forschungsreisender des 14. Jahrhunderts
- Heinz Tietjen (1881–1967) deutscher Komponist und Leiter der Bayreuther Festspiele
- Antonio Ángel Vázquez Molina (1929–1980), spanischer Schriftsteller
- Hassan Akesbi (* 1934), marokkanischer Fußballnationalspieler
- Hagen Schulze (1943–2014), deutscher Historiker
- Schlomo Ben Ami (* 1943), israelischer Diplomat, Historiker und Politiker
- José Hernández (1944–2013), spanischer Maler und bildender Künstler
- Jorge Verstrynge (* 1948), Generalsekretär der spanischen Partei Alianza Popular zwischen 1979 und 1986
- Jean-Luc Mélenchon (* 1951), französischer Politiker
- Henri Gillet (* 1953), Mathematiker
- Bibiana Fernández (Bibi Andersen) (* 1954) spanische Schauspielerin
- Jean-Marie Machado (* 1961), französischer Jazzpianist und Komponist
- Karim Debbagh (* 1972), marokkanischer Filmproduzent
- Hicham Hamdouchi (* 1972), marokkanischer Schachspieler
Personen, die mit der Stadt verbunden sind
- Eugene Delacroix (1798–1863), französischer Maler
- Edvard Westermarck (1862–1939), finnischer Ethnologe
- Adolf Renschhausen deutscher Kommerzienrat und Unternehmer, lebte 1890 bis 1914 in Tanger
- George Apperley (1884–1960), britischer Maler
- Giuseppe Garibaldi, von Oktober 1849-Juni 1850 exiliert in Tanger
- Marthe de Chambrun-Ruspoli (Prinzessin) und Liebhaberin von Jane Bowles`
- Paul Bowles (1910–1999), amerikanischer Schriftsteller
- Tennessee Williams (1911–1983), amerikanischer Schriftsteller (schrieb Die Katze auf dem heißen Blechdach in Tanger)
- Barbara Hutton (1912–1979) amerikanische Erbin
- Jane Bowles (1917–1973) amerikanische Schriftstellerin
- Malcolm Forbes (1919–1990) amerikanischer Magnat
- Henri Matisse (lebte in Tanger 1912/1913)
- Truman Capote (1924 –1984) amerikanischer Schriftsteller
- Elizabeth Taylor (1932–2011) britische Schauspielerin
- William S. Burroughs, Schriftsteller der Beat Generation
- Antonio Fuentes, spanischer Maler
- Dieter Haller (* 1962), deutscher Ethnologe (Feldforschung in Tanger 2013-14)
Klimatabelle
Tanger | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Tanger
Quelle: wetterkontor.de
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Literatur
- Arnold Betten: Marokko. Antike, Berbertraditionen und Islam – Geschichte, Kunst und Kultur im Maghreb. DuMont, Ostfildern 2009, S. 129f, ISBN 978-3-7701-3935-4
- Martin Malcolm Elbl: Portuguese Tangier (1471–1662): Colonial Urban Fabric as Cross-Cultural Skeleton. Baywolf Press, Toronto und Peterborough. ISBN 978-0-921437-50-5
Weblinks
- Fotos und Beschreibungen einiger Sehenswürdigkeiten von Tanger
- marokko.net
- Historische Fotos aus Tanger
Einzelnachweise
<references/>