Theophrastos von Eresos


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Theophrastos (griech. Θεόφραστος; * um 371 v. Chr. zu Eresos auf der Insel Lesbos; † 287 v. Chr.? in Athen) war ein griechischer Philosoph und Naturforscher. Theophrastos war Schüler des Aristoteles und Leiter der peripatetischen Schule. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Theophr.“.

Leben

Theophrast war zunächst Mitglied in Platons Akademie, bevor er Aristoteles in den von jenem gegründeten Peripatos folgte. Theophrast war dort der wichtigste Schüler und hatte nach der Übernahme des Scholarchats (Schulleiterschaft) nach Aristoteles' Tod 322 bis zu 2000 Schüler.<ref>Diog. Laert. 5.36f.</ref> Theophrastos ist der Verfasser von etwa 200 Schriften dialektischen, metaphysischen, moralischen und physikalischen Inhalts und zur Logik, von denen einige naturhistorische und philosophische sind und zum Teil Fragmente aus größeren Werken enthalten.<ref>Diog. Laert. 5.42-50.</ref> Seine historische Schrift über die Lehrmeinungen der vorsokratischen Naturphilosophien, physikon doxai, ist verloren. Theophrast wurde 85 Jahre alt und ist nach einem – wohl ironisch gemeinten – Bericht des Diogenes Laertios an „nachlassendem Arbeitseifer“ gestorben.<ref>Diog. Laert. 5.40.</ref>

Wie ein antiker Grenzstein belegt, erhielt Theophrast von seinem Schüler Demetrios von Phaleron ein Gartengelände, das heute Teil des Nationalgartens in Athen ist. In dem Garten befand sich auch ein Heiligtum und eine Bibliothek.<ref> Hans Rupprecht Goette, Jürgen Hammerstaedt: Das antike Athen. Ein literarischer Stadtführer. Beck, München, ISBN 3-406-51665-3, S. 215.</ref>

Nach Strabon hiess er ursprünglich Tyrtamos und erhielt von Aristoteles den Namen Theophrastos.<ref>Der Kleine Pauly, Artikel Theophrastos</ref>

Lehre

Philosophie

Theophrast entwickelte weniger eine eigene Philosophie, als dass er die Teleologie von Aristoteles kritisch übernahm. Während Aristoteles noch die causa finalis als erste Ursache, prima causa, betrachtete, lässt sich bei Theophrast in der Metaphysik beobachten, dass bei ihm eine Verschiebung hin zur causa efficiens stattfindet. Der Hauptunterschied zur Ontologie von Aristoteles (und von derjenigen Platons) liegt darin, dass nicht zweckmäßige, aber dennoch regelmäßige Naturphänomene, z. B. Brustwarzen bei männlichen Lebewesen, als durch die causa efficiens verursacht angenommen werden. Insgesamt ergibt sich durch die überlieferten Schriften das Bild einer viel gemäßigteren Teleologie, wobei die Schrift über Müdigkeit (peri kopon) sogar mechanistisch anmutet. Theophrasts Hinwendung zu einem Kausalitätsverständnis, das dem modernen mehr als dem aristotelischen ähnelt, erklärt, warum es einerseits zur Übernahme einer stärker materialistischen Mentalität bei den Epikureern, andererseits zur Ablehnung bei den Stoikern, die auf Heraklit Bezug nahmen, gekommen ist.

Botanik

Theophrastos gilt als der erste Gelehrte, der sich ernsthaft mit Baum- und Holzkunde beschäftigt hat. Geschichtlicher Hintergrund war zu seiner Zeit ein akuter Holzmangel in Athen, nachdem Alexander der Große die Ausfuhr starker Hölzer aus Makedonien verboten hatte. Dadurch hatte die Regierung in Athen nicht mehr genügend Schiffbauholz für den Ausbau ihrer Flotte zur Verfügung, was sie schließlich die Herrschaft über die Seehandelswege der Ägäis kostete.

In seiner Naturgeschichte der Gewächse behandelt Theophrast – gestützt allerdings weniger auf eigene Untersuchungen, sondern mehr auf Berichte von Landwirten, Reisenden, Holzhauern und Kohlenbrennern – vor allem Fragen der Holztechnologie und der Holzbenutzung, aber auch die Standortskunde. So berichtet er von Harpalos, der während seiner Zeit als Statthalter Alexanders des Großen in Babylon vergebens versucht hatte, dort griechische Gehölze anzubauen. Aus diesem gescheiterten Unterfangen schließt Theophrast:

„Daß aber jedes Gewächs seinen eigenen Boden liebt und seine eigene Luftmischung, ist daraus klar (...), dass es Gewächse gibt, die an verschiedenen Orten entweder gar nicht fortkommen, oder, wenn sie gepflanzt werden, nicht fortwachsen, keine Früchte tragen und im ganzen schlecht geraten (...) Alle aber werden schöner und stärker, wenn sie auf ihrem eigentümlichen Boden wachsen. Auch die wild wachsenden . Sauerländer, Aarau 1933
  • Otto Regenbogen: Artikel Theophrastos, in: Pauly-Wissowa: Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft, Supplementband VII, Stuttgart 1940, Sp. 1354-1562
  • Fritz Wehrli: Der Peripatos bis zum Beginn der römischen Kaiserzeit, S. 474-522, in: Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie - Die Philosophie der Antike, Bd. 3: Ältere Akademie - Aristoteles - Peripatos, hrsg. v. Hellmut Flashar, Basel/Stuttgart 1983, S. 461-599
  • William Wall Fortenbaugh, Pamela M. Huby und Anthony A. Long (Hrsg.): Theophrastus of Eresus - On his life and work, New Brunswick/London 1985
  • William Wall Fortenbaugh, Pamela M. Huby, Richard W. Sharples und Dimitri Gutas (Übersetzer und Herausgeber): Theophrastus of Eresus - Sources for his life, writings, thought, and influence, Vol. I: Life, writings, various reports, logic, physics, metaphysics, theology, mathematics, Leiden 1992
  • William Wall Fortenbaugh, Pamela M. Huby, Richard W. Sharples und Dimitri Gutas (Übersetzer und Herausgeber): Theophrastus of Eresus - Sources for his life, writings, thought, and influence, Vol. II: Psychology, human physiology, living creatures, botany, ethics, religion, politics, rhethoric and poetics, music, miscellanea, Leiden 1992
  • J.M. van Ophuijsen und M. van Raalte (editors): Theophrastus - Reappraising the sources, New Brunswick/London 1998
  • Charles B. Schmitt: Artikel Theophrastus, in: Catalogus Translationum et Commentariorum - Medieval and Renaissance Latin translations and commentaries, Vol. 2, hrsg. v. P.O. Kristeller, Washington D.C. 1971, S. 239-322
  • Innocentius M. Bochenski: La logique de Théophraste, Fribourg 1947
  • Edmond Barbotin: La théorie aristotélicienne de l'intellect d'àprès Théophraste, Louvain/Paris 1954
  • Giancarlo Movia: Anima e intelletto - Ricerche sulla psicologia peripatetica da Teofrasto a Cratippo, Padua 1968
  • Andreas Kamp: Philosophiehistorie als Rezeptionsgeschichte - Die Reaktion auf Aristoteles' De Anima-Noetik. Der frühe Hellenismus, Amsterdam/Philadelphia 2001, S. 58-181
  • Giovanni Reale: Teofrasto e la sua aporetica metafisica - Saggio di ricostruzione e di interpretazione storico-filosofica con traduzione e commento della "Metafisica", Brescia 1964
  • Einzelnachweise

    <references />

    Weblinks

    Commons Commons: Theophrastos – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien