Verbrannte Erde


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25px Dieser Artikel behandelt eine Kriegstaktik. Zum gleichnamigen Film siehe Verbrannte Erde (Film).
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Finnland 1944: Im deutsch-finnischen Lapplandkrieg zerstörtes Sodankylä

Verbrannte Erde bezeichnet eine Kriegstaktik, bei der eine Armee alles zerstört, was dem Gegner in irgendeiner Weise nützen könnte, also Gleise, Straßen, Brücken, liegengebliebene Fahrzeuge, Fabriken, Wohnhäuser und manchmal bis hin zur kompletten Zerstörung von Städten und Dörfern. Technische Werkzeuge, als Beispiele in jüngerer Geschichte, die verheerende Schäden für die Zivilbevölkerung hinterlassen, sind Schienenwolf, Flammenwerfer und Brandbomben.

Die Taktik der verbrannten Erde kommt dann zur Anwendung, wenn entweder die sich zurückziehende Armee nicht damit rechnen kann, in nächster Zeit besetztes oder eigenes Gebiet zurückzuerobern, oder der Gegner Guerillataktik anwendet und auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen kann. Im zweiten Falle kalkuliert die Taktik der verbrannten Erde bewusst ein, dass dies auch auf Kosten der eigenen Bevölkerung geht. In allen Fällen hat die Anwendung dieser Taktik oft Hungersnöte und andere schwerwiegende Auswirkungen zur Folge.

Zu unterscheiden ist, ob die Taktik ein angegriffener Staat zur eigenen Verteidigung oder eine Kriegspartei, die ein Land überfällt, anwendet. Dementsprechend ist diese Kriegshandlung bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts für Besatzungsarmeen durch die Haager Landkriegsordnung als völkerrechtswidrig geächtet.

Historische Anwendung

Im Laufe der Menschheitsgeschichte hat es in vielen militärischen Auseinandersetzungen derartige Aktionen gegeben. Im Mittelalter wurden dabei meist Getreidefelder angezündet (daher die verbrannte Erde), Brunnen vergiftet und Vieh getötet. Beispielsweise vernichteten Kelten in Gallien im Kampf gegen die römischen Truppen teilweise ihre gesamte Ernte.<ref>Caesar, Der Gallische Krieg.</ref> Die römischen Legionäre versorgten sich mit der Nahrung der Einwohner besetzter Gebiete. Da aber immer mehr Felder durch die Kelten verbrannt wurden, hungerten sie dennoch.

In den verschiedenen Kolonialkriegen in Afrika wurde im 19. und im 20. Jahrhundert in vielen Fällen die Politik der Verbrannten Erde eingesetzt, so in Sierra Leone im Hüttensteuerkrieg von 1898, im Zweiten Burenkrieg von 1899 bis 1902 und im Süden von Deutsch-Ostafrika während des Maji-Maji-Aufstands Anfangs des 20. Jahrhunderts.

Völkerrecht

Die Haager Landkriegsordnung in der Fassung von 1907<ref>Veröffentlichungen der Eidgenössischen Bundesbehörden online</ref> legt in folgenden Artikeln einerseits fest:

  • Art. 52: Die Bevölkerung eines Landes kann grundsätzlich zu „Natural- und Dienstleistungen“ herangezogen werden, die aber nur für die Bedürfnisse des Besetzungsheeres bestimmt sein dürfen und im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des besetzten Landes stehen müssen. Die Bevölkerung darf außerdem vom Besatzer nicht zu Kriegsunternehmungen gegen das eigene Vaterland gezwungen werden. Es sind bei nicht sofortiger Bezahlung Empfangsbestätigungen auszustellen sowie auf baldige Bezahlung hinzuwirken.
  • Art. 53: Ein Besatzer darf nur solche „Art von Kriegsvorräten“ beschlagnahmen, die zu militärischen Aktionen dienen.
  • Art. 55: Jede Besatzungsarmee soll unter Wahrung der Sorgfaltspflicht nur als verwaltender „Nutznießer der öffentlichen Gebäude, Liegenschaften, Wälder und landwirtschaftlichen Betriebe“ fungieren.

Feindliches Eigentum darf nur in militärisch dringend gebotenen Fällen zerstört oder weggenommen werden (Art. 22, 23). Insbesondere ist es verboten, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude anzugreifen oder zu beschießen (Art. 25). Religiöse, historische, kulturelle und medizinische Gebäude und Einrichtungen, die keinem militärischen Zweck dienten, sind zu schonen (Art. 27).

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Chef des OKW Keitel als Angeklagter beim Nürnberger Prozess

Diese Bestimmungen wurden allgemein formuliert und lassen im Einzelfall Interpretationsspielräume offen. Eindeutig war jedoch die Absicht aller Bestimmungen, das Ausmaß von Zerstörung und Verwüstung auf das militärisch notwendige Minimum zu begrenzen. Die Bestimmungen sind durch weitere Abkommen ergänzt worden. Die Artikel der Fassung von 1907 und spätere Vereinbarungen sind bis in die Gegenwart in vollem Umfang gültig.

Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurde Ende 1945 klargestellt, dass die Maßnahme der verbrannten Erde bei unverhältnismäßiger Zerstörung, der Plünderung von staatlichem oder privatem Besitz und wegen der Deportation von Zivilpersonen aus den besetzten Gebieten ein Kriegsverbrechen darstellt.<ref>Nürnberger Prozess, Justiz in Bayern, OLG Nürnberg, abgerufen 20. Juni 2015.</ref> In der Folge wurden Verantwortliche wie z. B. General Balck in Nachfolgeprozessen verurteilt.

Anwendung im 20. Jahrhundert

Deutschland im Ersten Weltkrieg

Vor dem Rückzug auf die Siegfriedstellung wurde 1917 das zu räumende Gebiet an der Somme im Rahmen des Unternehmens Alberich systematisch verwüstet und die Einwohner deportiert.<ref>Alberichs grause Arbeit in Dörfern der Somme, FAZ, 25. Februar 2009, abgerufen 26. Dezember 2014.</ref>

Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg

Zwei Wochen nach Beginn des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion befahl Josef Stalin, die wirtschaftlich kriegswichtige Infrastruktur in den Osten der Sowjetunion zu evakuieren und alle Güter in den von den deutschen Truppen bedrohten Gebieten, die diesen von Nutzen sein könnten, zu zerstören. Er reagierte mit der Anwendung dieser Taktik als Verteidigungsmittel wie zuvor Alexander I. gegenüber dem Eroberungsversuch Napoleons und wie Peter der Große gegenüber Karl XII.

Laut Dimitri Wolkogonow erließ Stalin am 17. November 1941 den „Fackelmänner-Befehl“: Demnach waren „alle Siedlungspunkte, an denen sich deutsche Truppen befinden, auf 40 bis 60 Kilometer ab der Hauptkampflinie in die Tiefe zu zerstören und in Brand zu setzen …“. „Zur Vernichtung der Siedlungspunkte“, „zur Inbrandsetzung und Sprengung der Siedlungspunkte“, also der Dörfer, seien Luftwaffe, Artillerie und Jagdkommandos einzusetzen. Wolkogonow beschreibt, wie die eigene Armee unzählige sowjetische Dörfer vernichtete. Andere Orte wurden von Deutschen in Brand gesetzt, um Partisanenaktionen zu bestrafen.<ref>Dimitri Wolkogonow: Stalin – Triumph und Tragödie. Econ, Düsseldorf/Wien 1993, ISBN 3-612-26011-1, S. 617.</ref>

Hauptartikel: Schlacht um Moskau

Deutschland im Zweiten Weltkrieg

Hauptartikel: ARLZ-Maßnahmen

Kurz nach der Niederlage von Stalingrad befahl Adolf Hitler, Waffen und Gerät nicht unzerstört in Feindeshand fallen zu lassen sowie alle Dörfer und Unterkunftsmöglichkeiten zu vernichten. Alle Männer zwischen 15 und 65 Jahren seien von der Truppe für Schanzarbeiten mitzuführen. Entsprechend wurde von den deutschen Truppen auf ihrem Rückzug Vieh vertrieben, Maschinenparks demontiert oder zerstört und wurden Städte, Dörfer und Getreidefelder abgebrannt und Massendeportationen vorgenommen. Als Bezeichnung für das planmäßige Vorgehen bürgerte sich die Abkürzung ARLZ-Maßnahmen für die aufeinanderfolgenden Schritte Auflockerung, Räumung, Lähmung und Zerstörung ein. Die deutschen Truppen entwickelten dabei eine große Zerstörungswut und verstießen zunehmend gegen das Plünderungsverbot. Wegen des Kriegsgerichtsbarkeitserlasses fehlte den Truppenkommandeuren weitgehend die Möglichkeit, mit Kriegsgerichtsverfahren gegen ihre eigenen marodierenden Truppen durchzugreifen. Die Verschleppung der Zivilbevölkerung sollte dem Gegner auch deren Arbeitskraft entziehen. Arbeitsfähige wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschickt oder mussten völkerrechtswidrig Tross- und Schanzarbeiten für die Wehrmacht leisten. So hielt sich die 253. Infanteriedivision Ende April 1943 neben 1381 als „Hiwis“ tätigen russischen Soldaten auch 853 weibliche Zwangsarbeiter, die in Kasernen untergebracht wurden. Evakuierte wurden in Trecks von einigen zehntausend Menschen in Richtung Westen in Marsch gesetzt, immer wieder ohne ausreichende Versorgung und Unterbringung. Durch die Verwüstung des besetzten Landes erhielten die Partisanen starken Zulauf und gewannen gebietsweise die Oberhand.<ref>Bernd Wegner: Die Aporie des Krieges in: Karl-Heinz Frieser (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Bd.9, Die Ostfront 1943/44, München 2007, ISBN 978-3-421-06235-2, S. 256 ff.</ref> Am 19. März 1945, wenige Wochen vor Kriegsende, erließ Hitler den Nerobefehl (Alle militärischen Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind zur Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören).

Weitere Kriege

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Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

<references/>