Vermiculit


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Vermiculit
Glimmerartiger, tafeliger Vermiculit aus Paakkila, Tuusniemi, Ost-Finnland (Sichtfeld ca. 1,5 cm  ×1,5 cm)
Allgemeines und Klassifikation
Chemische Formel (Mg0,5,Ca0,5,Na,K)0,7(Mg,Fe,Al)3[(OH)2|(Al,Si)2Si2O10] · 4H2O
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Drei-Schichtsilikate (Phyllosilikate)
System-Nr. nach Strunz
und nach Dana
9.EC.50 (8. Auflage: VIII/H.21)
71.02.02d.03
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m<ref name="Webmineral" />
(nach Schoenflies: C2h)
Raumgruppe (Nr.) C2/c<ref name="StrunzNickel" /> (Nr. 15)
Gitterparameter a = 5,35 Å; b = 9,26 Å; c = 28,89 Å
β = 97,1°<ref name="StrunzNickel" />
Formeleinheiten Z = 4<ref name="StrunzNickel" />
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 1,5 bis 2
Dichte (g/cm3) gemessen: 2,2 bis 2,6; berechnet: 2,26<ref name="Datenblatt" />
Spaltbarkeit vollkommen nach {001}<ref name="Datenblatt" />
Bruch; Tenazität uneben
Farbe farblos, grauweiß, gelbbraun, graugrün, grün
Strichfarbe grünlich-weiß
Transparenz durchscheinend bis undurchsichtig
Glanz Fettglanz, manchmal erdig
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,525 bis 1,561
nβ = 1,545 bis 1,581
nγ 1,545 bis 1,581<ref name="Mindat" />
Doppelbrechung δ 0,020<ref name="Mindat" />
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Pleochroismus farblos-gelbgrün bis braungrün-gelbgrün bis braungrün<ref name="Webmineral" />

Vermiculit ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Silikate und der Ordnung der Schichtsilikate. Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der allgemeinen chemischen Zusammensetzung (Mg0,5,Ca0,5,Na,K)0,7(Mg,Fe,Al)3[(OH)2|(Al,Si)2Si2O10]·4H2O <ref name="Lapis" /> oder etwas vereinfacht Mg0.7(Mg,Fe,Al)6(SiAl)8O20(OH)4·8H2O<ref name="IMA-Liste-2009" />. Die in Klammern angegebenen Elemente können sich jeweils gegenseitig vertreten, stehen jedoch immer im selben Mengenverhältnis zu den anderen Bestandteilen des Minerals (Substitution).

Vermiculit entwickelt ausschließlich blättrige, schuppige oder massige Aggregate, die entweder farblos sind oder durch Fremdbeimengungen grauweiß, gelbbraun, graugrün bzw. grün eingefärbt sein können.

Vermiculit gehört zu den Tonmineralen, die durch ihre Ionenaustauschfähigkeit maßgeblich zur Bodenfruchtbarkeit beitragen. Sie ähneln sowohl strukturell als auch von der Erscheinungsform den Glimmermineralen und bilden wie diese flockige Kristalle.

Etymologie und Geschichte

Erstmals entdeckt wurde Vermiculit bei Millbury im Worcester County des US-Bundesstaates Massachusetts und beschrieben 1824 durch Thomas H. Webb. Aufgrund der Eigenschaft des Minerals, sich beim Erhitzen auf 200 bis 300 °C in Richtung der kristallographischen c-Achse zu wurmförmigen Gebilden aufzublähen, benannte Webb es nach dem lateinischen Wort vermiculor für „Wurmbrüter“<ref name="Webb" /> (auch vermis für „Wurm“<ref name="Hartmann" /> oder vermiculus für „Würmchen“<ref name="Lüschen" />).

Klassifikation

Bereits in der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Vermiculit zur Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Schichtsilikate (Phyllosilikate)“, wo er zwar zur großen Familie der „Tonminerale“ gehört, aber dennoch für sich allein die eigenständige Gruppe VIII/H.21 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Vermiculit ebenfalls in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Schichtsilikate (Phyllosilikate)“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach der inneren Struktur der Schichten, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung der „Schichtsilikate (Phyllosilikate) mit Glimmertafeln, zusammengesetzt aus tetraedrischen oder oktaedrischen Netzen“ zu finden ist, wo es zusammen mit Tibiscumit die unbenannte Gruppe 9.EC.50 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Vermiculit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Schichtsilikatminerale“ ein. Hier ist er zusammen mit Hydrobiotit, Illit und Brammallit in der „Glimmergruppe (Hydroglimmer-Untergruppe)“ mit der System-Nr. 71.02.02d innerhalb der Unterabteilung „Schichtsilikate: Schichten von sechsgliedrigen Ringen mit 2:1-Lagen“ zu finden.

Bildung und Fundorte

Die bedeutendsten Vermiculit-Lagerstätten werden hauptsächlich hydrothermal oder durch Verwitterung von Phlogopit/Biotit, Chlorit, und Pyroxen in basischen bis ultrabasischen Gesteinen gebildet. Natürliche dioktaedrische Vermiculite sind außer in der Tonfraktion von Böden, aus denen sie jedoch nicht rein abgetrennt werden können, bisher allerdings nicht gefunden worden.

Als eher seltene Mineralbildung kann Vermiculit an verschiedenen Fundorten zum Teil reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Als bekannt gelten derzeit (Stand 2014) rund 550 Fundorte.<ref name="MindatAnzahl" /> Neben seiner Typlokalität Millbury und dem nahe gelegenen Steinbruch Ballard bei Worcester trat das Mineral in Massachusetts noch bei Tyringham im Berkshire County, in der Pyrit-Mine Davis bei Rowe im Franklin County und der Asbest-Mine bei Pelham im Hampshire County auf.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Kanada, Madagaskar, Österreich, Russland, der Schweiz, Südafrika und in weiteren Bundesstaaten der USA.<ref name="Fundorte" />

Kristallstruktur

Vermiculit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe C2/c (Raumgruppen-Nr. 15) mit den Gitterparametern a = 5,35 Å; b = 9,26 Å; c = 28,89 Å und β = 97,1° sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.<ref name="StrunzNickel" />

Strukturell lässt sich Vermiculit als di- und trioktaedrisches 2:1-Schichtsilikat beschreiben:

Jeweils zwei Lagen tetraedrisch koordinierter Kationen bilden mit einer dazwischenliegenden Lage oktaedrisch koordinierter Kationen eine solche 2:1-Silikatschicht. In trioktaedrischen Vermiculiten findet man in der Oktaederlage hauptsächlich Magnesiumionen, die für eine fast vollständige Besetzung der oktaedrisch koordinierten Kationenplätze sorgen. Die Tetraederlage besitzt ein Si4+:Al3+-Verhältnis von 1:2 bis 1:3. Durch diesen isomorphen Ersatz in den Tetraederlagen (Al3+ für Si4+) ergibt sich eine negative Überschussladung der Silikatschicht, die durch isomorphen Ersatz in den Oktaederlagen (z. B. Fe3+ für Mg2+) verringert werden kann.

In der Summe tragen Vermiculite eine negative Überschussladung von 1,2 bis 1,8 Elementarladungen pro Elementarzelle. Diese negative Überschussladung wird durch hydratisierte Kationen in der Zwischenschicht ausgeglichen. Abhängig von der Art des Zwischenschichtions und der chemischen Zusammensetzung der 2:1-Silikatschicht und abhängig von Wasserdampfpartialdruck und der Temperatur der das Mineral umgebenden Atmosphäre, befinden sich unterschiedlich große Wassermengen in der Zwischenschicht der Vermiculite.

Die Wassermenge und der entsprechende Basisebenenabstand d001 variieren in Abhängigkeit von Wasserdampfpartialdruck und Temperatur nicht kontinuierlich, sondern es sind diskrete Hydratationszustände mit scharfen Übergängen dieser Zustände zu beobachten. Mit zunehmender Temperatur oder abnehmendem Wasserdampfpartialdruck gehen die Vermiculite stufenweise in Hydratationszustände mit immer weniger Zwischenschichtwasser und damit kleineren d001-Basisebenenabständen über.

Verwendung

Vermiculit wird industriell in Katzenstreu und zur Produktion von Karnevalsartikeln (Feuerwerkskörper) eingesetzt. Da es, anders als Asbest, nicht krebserregend wirkt, findet es auch bei der Schall- und Wärmedämmung sowie im Brandschutz Anwendung. Die Hälfte der Jahresproduktion stammt aus Südafrika.

Vermiculit wird zudem in der Gemüsebranche als Deckmaterial von Setzlingen nach der Saat verwendet. Es ist leicht und hat die Fähigkeit, Licht zu reflektieren und Feuchtigkeit zu speichern. Dies verhindert eine übermäßige Erwärmung der Setzlinge und sorgt für ausgeglichenere Substratfeuchtigkeit.

Auch bei der Reptilienzucht und Reptilienhaltung, bei der die konstante Luftfeuchtigkeit im Terrarium, den Wet-Boxen und im Inkubator lebensnotwendig für die Tiere sind, wird häufig Vermiculit benutzt, da es überschüssige Feuchtigkeit, auch aus der Luft, aufnimmt, und bei Bedarf wieder abgibt.

Vermiculit findet aufgrund seiner geringen Wärmeleitfähigkeit (λ = 0,06…0,07 W/(m·K)) als Wärmedämmplatte oder nichtbrennbarer Plattenwerkstoff (A1 bzw. A2 nach DIN 4102) im Schiffsinnenausbau und auch im Hochbau seine Verwendung. Weltweit wird dieses Produkt unter den Markennamen „Fipro“, „Miprotec“, „bro-TECT“, „Vermilite 2000“ und „Thermax“ angeboten.

Da Vermiculit einen hohen Schmelzpunkt hat (1315 °C)<ref name="klein-daemmstoffe" />, elektrisch nicht leitend ist und beim Gefrieren keine Schichtung auftritt, wird es als Kernmaterial bei Infrarotheizungen verwendet.

In Verbindung mit Eisenpulver, Wasser, Cellulose (oder Polypropylen) Salz und Aktivkohle wird Vermiculit zu Handwärmern verarbeitet. Beim Auspacken des Handwärmers (wenn also Luft an das Päckchen gelangt) wird ein extrem schneller Oxidationsprozess (in diesem Fall das Rosten des Eisens) ausgelöst. Das Salz dient dabei als Katalysator und die Aktivkohle hilft, die Wärme gleichmäßig im Handwärmer zu verteilen. Vermiculit fungiert als Isolator und Cellulose (oder PP) unterstützt die Verteilung der Luft zwischen den Bestandteilen, falls man die Handwärmer in feuchter Umgebung verwendet. Die dabei entstehenden Temperaturen erreichen bis zu 75 °C (ca. 180 °F). Die Wärme wird je nach Außentemperatur eine bis zwanzig Stunden gehalten. Diese Art Handwärmer sind jedoch nicht wiederverwendbar. Sie werden über den normalen Hausmüll entsorgt, weil sie nicht umweltschädlich sind.

Zur Verwendung in verschiedenen Bereichen, in denen es auf Saugfähigkeit und gute Wärmedämmung ankommt, wird Vermiculit durch trockenes Erhitzen vorbehandelt. Bei Temperaturen zwischen 700 und 1000 °C wird das enthaltene Kristallwasser verdampft und drückt dabei die Kristallblättchen auseinander. Das Volumen und die Saugfähigkeit steigen deutlich an, während die Schüttdichte abnimmt. Dieses Material wird in der Industrie als expandiertes Vermiculite bezeichnet.<ref name="vermiculite.de" />

Da Vermiculit – auch nach dem Expandieren – unbrennbar, aber in gewissem Maße saugfähig ist, wird er oftmals zur Verpackung flüssigen Gefahrgutes eingesetzt. Zum Beispiel werden in Glasflaschen abgefüllte Gefahrstoffe in Kartons oder Blechdosen gepackt und der Zwischenraum zwischen Glas und Umverpackung vollständig mit Vermiculit ausgefüllt. Auf diese Weise werden einerseits eventuell auslaufende Chemikalien absorbiert, andererseits wird schon im Vorfeld Glasbruch vermieden, da die umgebende Vermiculit-Schicht auch gut vor mechanischen Stößen gegen die Verpackung schützt.

Siehe auch

Literatur

  • Thomas H. Webb: New localities of tourmalines and talc. In: American Journal of Science and Arts. Band 7, 1824, S. 55–55 (PDF 149,4 kB)
  •  Martin Okrusch, Siegfried Matthes: Mineralogie. Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. 7. vollständige überarbeitete und aktualisierte Auflage. Springer Verlag, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-540-23812-3, S. 108.
  •  Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie. Nebel Verlag GmbH, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0, S. 255 (Dörfler Natur).

Weblinks

Commons Commons: Vermiculit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references> <ref name="Datenblatt"> Vermiculite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America.2001 (PDF 80,6 kB) </ref> <ref name="Fundorte"> Fundortliste für Vermiculit beim Mineralienatlas und bei Mindat </ref> <ref name="Hartmann"> Karl Hartmann: Beschreibung und Zerlegung mehrerer neuer Mineralien. 37) Vermiculit. In: Otto Linné Erdmann, Franz Wilhelm Schweigger-Seidel (Hrsg.): Journal für praktische Chemie. Band 8, Verlag von Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1836, S. 505 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche) </ref> <ref name="IMA-Liste-2009"> IMA/CNMNC List of Mineral Names - Vermiculite (PDF; 1,9 MB) </ref> <ref name="klein-daemmstoffe"> klein-daemmstoffe.de: Vermiculit, abgerufen am 5. Mai 2013. </ref> <ref name="Lapis">  Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. 5. vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2008, ISBN 978-3-921656-70-9. </ref> <ref name="Lüschen">  Hans Lüschen: Die Namen der Steine. Das Mineralreich im Spiegel der Sprache. 2. Auflage. Ott Verlag, Thun 1979, ISBN 3-7225-6265-1, S. 339. </ref> <ref name="Mindat"> Mindat - Vermiculite (engl.) </ref> <ref name="MindatAnzahl"> Mindat - Anzahl der Fundorte für Vermiculit </ref> <ref name="StrunzNickel">  Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 672. </ref> <ref name="vermiculite.de"> Produktbeschreibung der Deutschen Vermiculite Dämmstoff GmbH </ref> <ref name="Webb"> Thomas H. Webb: New localities of tourmalines and talc. In: American Journal of Science and Arts. Band 7, 1824, S. 55–55 (PDF 149,4 kB) </ref> <ref name="Webmineral"> Webmineral - Vermiculite (engl.) </ref> </references>