Wirbeltiere
Wirbeltiere | ||||||||||||
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Vertreter der fünf klassischen Gruppen der Wirbeltiere. Links: Feuersalamander (Amphibien), Mondfisch (Fische), Rotschulter-Rüsselhündchen (Säuger). Rechts: Leistenkrokodil (Reptilien), Helmkasuar (Vögel).
Vertreter der fünf klassischen Gruppen der Wirbeltiere. | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Vertebrata | ||||||||||||
Cuvier, 1812 |
Wirbeltiere (Vertebrata) sind Tiere, die eine Wirbelsäule besitzen. Zu den Vertebraten gehören fünf klassische Großgruppen: Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien sowie Fische (Knochen- und Knorpelfische), als urtümliche Vertreter zudem die Rundmäuler.
Von vielen Wissenschaftlern wird heute der Begriff Schädeltiere (Craniota) vorgezogen. Der Grund ist, dass Schleimaale keine Wirbelsäule besitzen, sondern eine Chorda dorsalis; dasselbe gilt für die Seekatzen aus der Klasse der Knorpelfische und einige sehr ursprüngliche Knochenfische, z. B. die Quastenflosser. Der Besitz eines verknöcherten oder aus Knorpel bestehenden Schädels oder eines knorpeligen Kopfskeletts (bei Neunaugen und Schleimaalen) ist dagegen allen Wirbeltieren eigen und gehört somit zu den Grundmustern der Gruppe.
Inhaltsverzeichnis
Grundplan
Die Monophylie der Wirbeltiere wird durch eine Reihe gemeinsamer abgeleiteter (neuer) Grundplanmerkmale (Synapomorphien) unterstützt:
- Mehrschichtige Epidermis: Die Epidermis differenziert sich in mehrere übereinander liegende Zellschichten. Innerhalb der Wirbeltiere kommt es zur Ausbildung der „Haut“ mit mehreren Schichten und zugehörigen Strukturen wie Schuppen, Federn etc.
- Neurocranium: Das Gehirn und die großen Sinnesorgane werden von einer Kapsel geschützt.
- Neuralleiste: Eine embryonale Struktur aus pluripotenten Zellen, welche aus dem Ektoderm an der Grenze zwischen epidermalem Ektoderm und neuralem Ektoderm hervorgehen. Sie bilden unter anderem Skelettstrukturen des Kopfes, Pigmentzellen, neurale Zellen wie Rohon-Beard-Zellen, Ganglien und Odontoblasten.
- Plakoden: Verdickungen der embryonalen Epidermis. Zellen der Plakoden sind an der Ausbildung neuraler Organe beteiligt
- Labyrinthorgan: Das Gleichgewichtsorgan
- Gehirn: Der vordere Teil des Neuralrohres ist zu einem (mehrteiligen) Gehirn ausdifferenziert.
- Gehirnnerven: Im Grundplan zehn Nerven völlig unterschiedlicher Natur, welche das Gehirn mit der Peripherie verbinden. Sie sind innerhalb der gesamten Wirbeltiere recht konstant vorhanden.
- Spinalganglien: Den Spinalnerven können Ganglien zugeordnet werden.
Systematik
Äußere Systematik
Die Wirbeltiere haben in der konventionellen biologischen Systematik den Rang eines Unterstamms. Zusammen mit den Manteltieren und den artenarmen Schädellosen bilden sie den Stamm der Chordatiere (Chordata).
Nach der Notochordata-Urochordata-Hypothese gelten die Wirbeltiere als Schwestergruppe der Schädellosen (Acranier/Cephalochordata), daher werden sie oft auch als „Schädeltiere“ (Craniota oder Craniata) bezeichnet. Die alternative, später erschienene Olfactores-Cephalochordata-Hypothese besagt hingegen, dass die Manteltiere (Urochordata/Tunicata) die Schwestergruppe der Wirbeltiere ist. Welche Hypothese stimmt, ist bis heute noch nicht klar.<ref>Hynek Burda: Systematische Zoologie. S. 241/242, Eugen Ulmer Stuttgart, 2008, ISBN 978-3-8252-3119-4</ref>
Innere Systematik
Früher wurden die Wirbeltiere nach dem Kriterium unterteilt, ob ein Kiefer vorhanden ist oder nicht. Dieser Ansatz ist überholt: Den Kiefermäulern (Kiefertieren) werden heute nicht mehr die Kieferlosen (Agnatha) gegenübergestellt, sondern die Rundmäuler (Cyclostomata).
Die innere Systematik der Wirbeltiere bleibt jedoch umstritten, insbesondere die Frage, ob ein Schwestergruppenverhältnis zwischen Kiefermäulern und Neunaugen besteht oder zwischen Schleimaalen und Neunaugen:
- Schleimaale + (Kiefermäuler + Neunaugen)
- (Schleimaale + Neunaugen) + Kiefermäuler
Die folgende Darstellung berücksichtigt auch ausgestorbene Gruppen. Die klassischen Großgruppen sind fett hervorgehoben.
Wirbeltiere (Vertebrata) (über 66.400 Arten)
- Rundmäuler (Cyclostomata)
- Schleimaale (Myxini) (etwa 78 Arten)<ref>Ordnung Myxiniformes auf Fishbase.org (englisch)</ref>
- Neunaugen (Petromyzontida) (etwa 47 Arten)<ref>Ordnung Petromyzontiformes auf Fishbase.org (englisch)</ref>
- „Ostracodermi“ † (paraphyletisch)
- Kiefermäuler (Gnathostomata) (über 66.300 Arten)
- Placodermi † (paraphyletisch)
- Acanthodii † (paraphyletisch)
- Knorpelfische (Chondrichthyes) (etwa 1227 Arten)
- Knochenfische (Osteichthyes)
- Strahlenflosser (Actinopterygii) (über 32.000 Arten)<ref name="Vega & Wiens">Greta Carrete Vega, John J. Wiens: Why there are so few fish in the sea? In: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. 279, 2012, S. 2323–2329, doi:10.1098/rspb.2012.0075</ref><ref>Artenanzahl (Stand: 2015) in dem Catalog of Fishes</ref>
- Fleischflosser (Sarcopterygii) (8 Arten)<ref>Ordnung Ceratodontiformes auf Fishbase.org (englisch)</ref><ref>Ordnung Lepidosireniformes auf Fishbase.org (englisch)</ref><ref>Ordnung Coelacanthiformes auf Fishbase.org (englisch)</ref>
- Landwirbeltiere (Tetrapoda) (über 33.100 Arten)
- Amphibien (Amphibia) (über 7.400 Arten)<ref>Artenanzahl in der Datenbank Amphibiaweb.org, abgerufen am 17. August 2015</ref>
- Amnioten (über 25.700 Arten)
- Sauropsida (paraphyletische Reptilien (Reptilia)) (über 10.200 Arten)<ref>Artenanzahl (Stand: August 2015) in der Reptile Database</ref> und Vögel (Aves) (über 10.500 Arten)<ref name="Artz">IOC World Bird Names (v 3.3). F. Gill, D. Donsker, 2013, abgerufen am 2013-16-04. </ref>
- Säugetiere (Mammalia) (etwa 5.500 Arten)<ref>Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World: A Taxonomic and Geographic Reference. 3. Auflage. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, ISBN 0-8018-8221-4 (S. xix, S. xxv).</ref>
Ausgestorbene Gruppen
Die ausgestorbenen, oft stark gepanzerten, kieferlosen Taxa werden als Ostracodermi zusammengefasst, die gepanzerten, kiefertragenden als Placodermi. Beide Gruppen sind jedoch keine monophyletischen Taxa, ebenso wenig die Acanthodii, die teilweise basal zu Knorpelfischen oder zu den Knochenfischen stehen.
Die Zugehörigkeit der ausgestorbenen Conodonten zu den Vertebrata ist umstritten.
Verbreitung und Zahl der Arten
Wirbeltiere sind weltweit verbreitet. Sie leben auf allen Kontinenten einschließlich der Antarktis, im Meer bis in die Tiefsee, in Süßgewässern, und an Land in allen Biotopen einschließlich der Hochgebirge. Vögel und Fledermäuse verfügen über die Fähigkeit zum aktiven Flug, was die Ausbreitung begünstigt. Die Artenvielfalt ist in den tropischen Regenwäldern am höchsten (Amazonasgebiet, Gebiete in Afrika und Südostasien).
Heute gibt es über 66.000 Wirbeltierarten, mehr als die Hälfte davon sind Fische. Dies sind nach Schätzungen etwa ein Prozent aller Wirbeltierarten, die im Verlauf der Evolution erschienen sind. Die Zahl liegt deutlich höher als in älteren Quellen angegeben wurde z. B. gab die IUCN für 2004 noch 57739 bekannte Wirbeltierarten an.<ref>Jonathan E.M. Baillie: A Global Species Assessment. World Conservation Union. 2004.</ref> Jedes Jahr werden mehrere hundert Wirbeltierarten neu entdeckt, so sind seit 1982 1246 neue Säugetierarten, seit 1996 7227 neue Fischarten, seit 2004 1711 Amphibienarten und seit 2008 1538 Reptilienarten bis zum Jahr 2015 neu beschrieben worden. Daneben sind weltweit bisher mehrere zehntausend fossile Arten entdeckt worden.<ref name="Westheide_Rieger">Wilfried Westheide, Reinhard Rieger: Spezielle Zoologie Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin 2004</ref>
Körpergrößen
Wirbeltiere sind insgesamt betrachtet deutlich größer als wirbellose Tiere. Die meisten wirbellosen Tiere werden nur wenige Zentimeter groß, sehr häufig werden die Größen in Millimeter angegeben. Ausnahmen unter den Wirbellosen sind nur die Kopffüßer, einige Krebstiere (Hummer, Langusten) und Riesenmuscheln. Wirbeltiere von wenigen Zentimetern Größe gehören dagegen immer zu den kleinsten Arten ihres Taxons.
Die kleinsten im Wasser lebenden Wirbeltiere sind einige Grundeln (z. B. Schindleria brevipinguis) und Karpfenfische (z. B. Paedocypris progenetica mit einer Länge von 7,9 mm beim Weibchen und 10 mm beim Männchen), kleinstes Landwirbeltier der Frosch Paedophryne amauensis (mit einer Länge von 7,7 mm).<ref>E. N. Rittmeyer, A. Allison, M. C. Gründler, D. K. Thompson, C. C. Austin (2012): Ecological Guild Evolution and the Discovery of the World's Smallest Vertebrate. PLoS ONE 7(1): e29797. doi:10.1371/journal.pone.0029797</ref> Die Etruskerspitzmaus (Suncus etruscus) mit einer Rumpflänge von 2 cm und einem Gewicht von 1 g und die Hummelfledermaus (Craseonycteris thonglongyai) mit einem Gewicht von 1,5 bis 3 g gelten als die kleinsten Säugetiere.
Das größte Wirbeltier ist der Blauwal (Balaenoptera musculus) mit einer Maximallänge von 30 Metern und einem Maximalgewicht von 200 Tonnen. Das größte rezente Landwirbeltier ist der Afrikanische Steppenelefant (Loxodonta africana) mit einem Maximalgewicht von 7 Tonnen. Die größten ausgestorbenen Wirbeltiere des Festlandes waren die Sauropoden (Sauropoda), eine sehr artenreiche Gruppe der Dinosaurier.
Voraussetzungen für diese Größenzunahme bei den Wirbeltieren waren ihr einzigartiges, aus Knochen und Knorpel bestehendes Innenskelett, die Entwicklung einer sehr leistungsfähigen Muskulatur und das geschlossene Herz-Kreislauf-System.
Siehe auch
Literatur
- W. Westheide, R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum Akademischer Verlag, 2003, ISBN 3-8274-0900-4.
- G. Mickoleit: Phylogenetische Systematik der Wirbeltiere. Verlag Dr. Friedrich Pfeil, 2004.
- Joseph S. Nelson: Fishes of the World. John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7.
Weblinks
- Genome 10K Project (englisch). Eine Sammlung genetischer Codes von 10.000 Wirbeltierarten, etwa ein Genom für jede Gattung
Einzelnachweise
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- Laubfrosch Macro.jpg
Europäischer Laubfrosch (Hyla arborea)
- Lampetra fluviatilis.jpg
Kopf des Flussneunauges (Lampetra fluviatilis)
- Oncorhynchus mykiss.jpg
Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss)
- Bear Alaska (3).jpg
Braunbär (Ursus arctos) mit Beute
- Bottlenose Dolphin KSC04pd0178.jpg
Großer Tümmler (Tursiops truncatus)
- Larus argentatus01.jpg
Silbermöwe (Larus argentatus)