Vertretung der Gliedstaaten
In allen Staatenbünden und in vielen Bundesstaaten besteht zumindest ein Organ, um eine Vertretung der Gliedstaaten zu gewährleisten (i. e. S. Länderkammer) oder i. w. S. auch ein die Bevölkerung der Einzelstaaten repräsentierendes Organ (Senatsmodell).
Die Vertretung stellt häufig eine neben der Abgeordnetenkammer eingerichtete zweite Kammer (historisch in bestimmten Ländern „Erste Kammer“ genannt) eines Zweikammersystems in föderalen politischen Systemen dar. Sie kann dabei eine sehr direkte sein, etwa dass die Regierungen der Gliedstaaten weisungsgebundene Vertreter entsenden (zum Beispiel der deutsche Bundesrat), oder eine mehr symbolische, etwa dass für jeden Gliedstaat durch unmittelbare Wahlen eine Anzahl von Abgeordneten bestellt werden (zum Beispiel in den Senat der Vereinigten Staaten).
Inhaltsverzeichnis
Australien
Die Bundesstaaten, Bundesterritorien und Außengebiete entsenden in direkter Verhältniswahl die Mitglieder des Senats.
Belgien
Der Belgische Senat besteht (mit Ausnahme der königlichen Prinzen) aus Mitgliedern, die für die verschiedenen Regionen, Sprachgemeinschaften oder von deren Parlamenten gewählt werden.
Deutschland
In Deutschland wurde/wird die Aufgabe der Vertretung der Gliedstaaten (Reichsstände, Bundesglieder, Bundesstaaten, Länder) wahrgenommen;
- im Heiligen Römischen Reich bis 1806 durch den Reichstag aus von den Reichsständen bestellten Vertretern.
- im Deutschen Bund von 1815 durch den Bundestag aus von den Regierungen der Mitgliedstaaten bestellten Vertretern.
- im nicht realisierten Deutschen Reich nach der Paulskirchenverfassung von 1849 durch das Staatenhaus als Oberhaus des Reichstages aus teils von den Regierungen, teils von den Parlamenten der Einzelstaaten gewählten Abgeordneten.
- im Norddeutschen Bund durch den Bundesrat aus von den Regierungen der Bundesstaaten gewählten Vertretern.
- im Deutschen Reich der Kaiserzeit durch den Bundesrat aus von den Regierungen der Bundesstaaten gewählten Vertretern.
- im Deutschen Reich der Revolutionszeit 1918/19 durch den Staatenausschuss aus von den Regierungen der Bundesstaaten gewählten Vertretern.
- im Deutschen Reich der Weimarer Republik durch den Reichsrat aus von den Landesregierungen und den preußischen Provinzen bestellten Vertretern.
- in der Deutschen Demokratischen Republik durch die Länderkammer aus von den Landtagen gewählten Abgeordneten. Mit den Ländern entfielen 1952 auch die bis dahin bestehenden Landtage. Die Länderkammer jedoch blieb noch einige Jahre bestehen. Ihre Abgeordneten wurden nach Wegfall der Landtage noch zweimal (1954 und 1958) durch die Bezirkstage gewählt.
- im (vorkonstitutiven) Vereinigten Wirtschaftsgebiet – nach dem Vorbild des ehemaligen Bundes- und Reichsrates – als zweite gesetzgebende Körperschaft seit 23. Februar 1948 durch den Länderrat.
- in der Bundesrepublik Deutschland durch den am 7. September 1949 konstituierten Bundesrat aus von den Landesregierungen bestellten Vertretern.
Indien
Die Parlamente der Bundesstaaten und Unionsterritorien bestellen je nach Einwohnerzahl eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern des Oberhauses des Unionsparlamentes (Rajya Sabha). Hinzu kommt eine Anzahl von zwölf Mitgliedern, die nicht aus der Politik kommen und vom Unionspräsidenten ernannt werden.
Österreich
Die österreichischen Bundesländer werden durch den Bundesrat vertreten, der aus von den Landtagen gewählten Abgeordneten besteht.
Russland
Die Subjekte der Russischen Föderation sind im Föderationsrat mit je zwei Abgeordneten vertreten.
Im Obersten Sowjet der Sowjetunion waren in einer Kammer u. a. die jeweiligen Sowjetrepubliken vertreten.
Schweiz
Die Kantone (Stände) werden durch den Ständerat repräsentiert. Dieser besteht aus 46 Abgeordneten, die in den Kantonen vom Schweizer Volk direkt gewählt werden. Die einzelnen Ständeräte sind nicht Abgeordnete der jeweiligen Kantonsregierungen und nicht weisungsgebunden.
Darüber hinaus wird die Gliederung der Schweiz in Kantone auch bei nationalen Volksabstimmungen berücksichtigt, da dort neben dem Volksmehr auch ein Ständemehr erforderlich ist, es muss also auch die Mehrheit der Kantone der Abstimmungsvorlage zustimmen, damit diese als angenommen gilt.
Südafrika
Die gesetzgebende Versammlung jeder Provinz entsendet nach Verhältniswahlgrundsätzen eine Delegation gewählter Vertreter in die zweite Kammer, den National Council of Provinces im nationalen Parlament der Republik Südafrika. Der Delegation gehört ex officio der jeweilige Premierminister der Provinz an.
Vereinigte Arabische Emirate
Oberstes Organ der Vereinigten Arabischen Emirate ist der Council of the Rulers, bestehend aus den Fürsten (Emiren) der sieben Gliedstaaten (Emiraten). Auch die 40-köpfige Nationalversammlung (Majlis Watani Ittihad) wird repräsentativ aus den Teilemiraten entsandt.
Vereinigte Staaten
Das Volk jedes US-Bundesstaates wählt zwei Abgeordnete in den Senat. Bis 1913 erfolgte die Wahl durch die Parlamente der Einzelstaaten.
Europäische Union
In der Europäischen Union werden die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat (Staats- und Regierungschefs) und im Rat der Europäischen Union (Fachminister) vertreten.
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