Volkstum
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Volkstum im Sinne der völkischen Bewegung bezeichnet die gesamten Lebensäußerungen eines Volkes oder einer ethnischen Minderheit als Ausdruck eines gemeinsamen „Volkscharakters“. Der Begriff wurde von deutschen Nationalisten im Kontext der Freiheitskriege bewusst als Gegensatz zu den Idealen der Französischen Revolution, den universalen Menschenrechten, geprägt und von den Nationalsozialisten als Rechtfertigung der aggressiven Volkstumspolitik verwendet. In Österreich ist er eine Rechtsnorm.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft
Im Zeitalter der Aufklärung bezeichnete das Adjektiv volkstümlich meist die Kulturleistungen ungebildeter Deutscher sowie das Populäre. Die „Volksdichtung“ wurde damit von „gehobener“ Literatur, von der Kultur der Gebildeten unterschieden und teils elitär abgewertet, teils idealisiert. Der Begriff war also noch nicht an eine bestimmte Nation und bestimmte, ihr zugeschriebene Eigenarten gekoppelt.
Bei Justus Möser (1720–1794), Johann Gottfried von Herder (1744–1803), Johann Georg Hamann (1730–1788) und anderen deutschen Romantikern wurde der Begriff allmählich immer stärker mit Vorstellungen von einem urwüchsigen, organischen, personhaft geschlossenen und ewigen „Volkscharakter“ aufgeladen und gegen die Monarchien gewandt, die Deutschland beherrschten. Dabei grenzte schon Möser als „Vater der Volkskunde“ das Deutschtum gegen den Kosmopolitismus der Aufklärung und gegen die Französische Revolution ab.
Friedrich Ludwig Jahn („Deutsches Volksthum“<ref>Online-Ausgabe Friedrich Ludwig Jahn Deutsches Volksthum, 1810 Abgerufen am 7. August 2010.</ref>) gilt als Erfinder des Substantivs. Er übersetzte das Fremdwort Nation damit und bezog es auf ein „unnennbares Etwas“ in jedem Volk. Das deutsche Volkstum galt ihm wie auch Ernst Moritz Arndt (1769–1860) und Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) nun als revolutionäre Quelle der Erneuerung gegen die napoleonische Fremdherrschaft von Franzosen, aber auch gegen Dynasten und Kirche. Dies hatte mit dem aufklärerischen Wortgebrauch immer weniger gemein.<ref>Wolfgang Emmerich: Zur Kritik der Volkstumsideologie. S. 98.</ref>
Kaiserreich
Die Gründung des Deutschen Reichs 1871 erfüllte als Kleindeutsche Lösung unter Vorherrschaft Preußens nur einen Teil der Ziele deutscher Nationalisten, die sich die Einigung aller Deutschsprachigen in einem gemeinsamen Nationalstaat gewünscht und dafür gekämpft hatten.
Umso mehr wurde der Volkstumsbegriff nun Bestandteil einer nationalistischen Ideologie und politischen Propaganda. Er diente vielfach als patriotisches Bindemittel, um die realen Gegensätze innerhalb wie außerhalb des Deutschen Kaiserreichs zu überdecken oder visionär zu überwinden: etwa indem ein Volkstumskampf, ein agrarisch-korporativer Volkskörper oder eine ideale Volksgemeinschaft als entscheidende Merkmale des Volkstums beschworen wurden, die es tatsächlich nicht gab. Damit wurde der Begriff zum einen zu einem begrifflich unbestimmbaren irrationalen, vorbewussten Einheitsgefühl, zum anderen konnte er so nicht nur gegen äußere, sondern auch „innere Reichsfeinde“ gewendet werden.<ref>Wolfgang Emmerich: Zur Kritik der Volkstumsideologie. S. 98 ff.</ref>
Während die Brüder Grimm Gemeinschaft und Gesellschaft noch nicht unterschieden hatten, stellte Ferdinand Tönnies (1855–1936) sie in seinem Werk Gemeinschaft und Gesellschaft 1887 einander ausschließend gegenüber: Er definierte die „Gemeinschaft“ als eine Form gegenseitiger Bejahung der Menschen, in der sie sich selber als ihr Mittel, ihre jeweilige Gemeinschaften (z. B. ihre Familie) aber als Zweck verstünden – gegenüber der gegenseitigen Bejahungsform „Gesellschaft“, bei der der Einzelne sich selbst als Zweck, die jeweilige Gesellschaft (z. B. eine Aktiengesellschaft) aber als sein Mittel ansehe. Ersteres werde von Kind auf als „das dauernde und echte“ gegenüber dem „vorübergehenden und scheinbaren Zusammenleben“ der Gesellschaft empfunden. Dies richtete sich auch gegen den Marxismus der Sozialdemokratie, deren „wissenschaftlich“ begründetes Ideal der klassenlosen Gesellschaft er für in der Wirklichkeit undurchführbar hielt. Einem Konzept wie „Volksgemeinschaft“ stand er äußerst skeptisch gegenüber, im politischen Bereich hielt er die antike Polis bzw. die mittelalterliche Hansestadt für die ausgeprägteste Form eines vergemeinschafteten Volkes, in der fortgeschrittenen Neuzeit kaum mehr für erwartbar.<ref>Ferdinand Tönnies: Gemeinschaft und Gesellschaft. 8. Auflage. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft , zusammen das zu bewahren, was ihre gemeinsame Identität ausmacht, insbesondere ihre Kultur, ihre Traditionen, ihre Religion oder ihre Sprache.“<ref>SR 0.441.1, admin.ch</ref> In Sinne dieser gesetzlichen Regelungen wird Volkstum heute primär als Ausdruck der Selbstwahrnehmung einer Bevölkerungsgruppe verwendet.
Im volkskundlichen Sinn erscheint der Begriff gelegentlich auch in Deutschland weiterhin zur Beschreibung regionalen Brauchtums (Volkstum der Donauschwaben, Sorben, Friesen u. ä.).
Siehe auch
Einzelnachweise
<references />
Literatur
- Wolfgang Emmerich: Zur Kritik der Volkstumsideologie. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1971 (Edition Suhrkamp Bd. 502).
- Hermann Bausinger: Volksideologie und Volksforschung. In: Zeitschrift für Volkskunde. 61, 1965, S. 177–204.
- Hermann Bausinger: Volkskunde und Volkstumsarbeit im Nationalsozialismus. In: Helge Gerndt (Hrsg.): Volkskunde und Nationalsozialismus. München 1987.
- Hermann Bausinger: Volk und Volkstum. 1. Soziologisch. In: Kurt Galling (Hrsg.): Die Religion in Geschichte und Gegenwart. VI. Band, 3. Auflage. , J. C. B. Mohr, Tübingen 1962, Sp. 1434f.
- Hans Hohlwein: Völkische Bewegung. In: Kurt Galling (Hrsg.): Die Religion in Geschichte und Gegenwart. VI. Band, 3. Auflage. J. C. B. Mohr. Tübingen 1962, Sp. 1424 ff.
- Ingo Haar: Historiker im Nationalsozialismus. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, 2002, ISBN 3-525-35942-X.
- Wilhelm Schwartz: Volkstümliche Schlaglicher. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde. 1 (1891), S. 17–36, 220 und 279–292; 2 (1892), S. 245ff.
- Ulrich Prehn: Max Hildebert Boehm. Radikales Ordnungsdenken vom Ersten Weltkrieg bis in die Bundesrepublik. Wallstein Verlag, Göttingen 2013, ISBN 978-3-8353-1304-0.
Weblinks
- Wilhelm Prasse: Volk und Volkstum in der evangelischen Ethik 1918–1966 (Literaturverzeichnis). In: wp.hpol.de. Eigene Webseite, abgerufen am 14. Juni 2014.