Walter Brandmüller
Walter Kardinal Brandmüller (* 5. Januar 1929 in Ansbach) ist ein deutscher Theologe, Kirchenhistoriker und Kardinal der römisch-katholischen Kirche. Er war von 1998 bis 2009 Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Brandmüller wurde 1929 in einer Offiziersfamilie in Ansbach geboren. Er wurde evangelisch getauft (der Vater war Katholik, die Mutter Protestantin), trat aber früh zum Katholizismus über.<ref>Munzinger-Archiv (Internationales Biographisches Archiv 15/2012 vom 10. April 2012).</ref> 1948 legte er am Gymnasium Carolinum die Abiturprüfung ab, und studierte danach katholische Theologie. Er empfing am 26. Juli 1953 in Bamberg durch Erzbischof Joseph Otto Kolb die Priesterweihe. Anschließend war er als Kaplan in Kronach und der Bamberger Pfarrei St. Martin tätig. Er wurde 1963 – nach einem Promotionsstudium bei Hermann Tüchle, zu dem er von Erzbischof Josef Schneider freigestellt worden war – an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit einer Arbeit zum Thema Das Wiedererstehen katholischer Gemeinden in den Fürstentümern Ansbach und Bayreuth promoviert. An selber Stelle wurde er 1967 mit einer Abhandlung über das Konzil von Pavia-Siena auch habilitiert. Am 30. Oktober 1969 wurde er als Professor an die damalige Philosophisch-Theologische Hochschule Dillingen berufen. Nach deren Auflösung kam der Hochschullehrer am 7. Oktober 1970 nach Augsburg, wo er bis zu seiner Emeritierung 1997 als Ordinarius für Neuere und Mittelalterliche Kirchengeschichte an der Universität Augsburg lehrte. Während dieser Zeit betreute er die Pfarrei Mariä Himmelfahrt Walleshausen.<ref>Diamantenes Jubiläum – Prof. Brandmüller wurde vor 60 Jahren zum Priester geweiht. Augsburger Allgemeine (Onlineausgabe), 26. Juli 2014, abgerufen am 22. August 2014. </ref>
Seit der Habilitation liegt der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit auf der Geschichte der Konzilien. So ist Brandmüller Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift Annuarium Historiae Conciliorum (Paderborn, seit 1969, mit einigen Supplementen) und der Serie Konziliengeschichte (2 Reihen, seit 1979, bislang 37 Bände). Auch die ihm gewidmete Festschrift steht unter diesem Titel. Daneben gab er das Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte (St. Ottilien, 1991–1999, 3 Bände) heraus.
Er war seit 1981 Mitglied der Päpstlichen Kommission der historischen Wissenschaften, seit 1998 Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft in Rom und von 1998 bis 2006 Präsident der Internationalen Kommission für vergleichende Kirchengeschichte.
In diesen Stellungen koordinierte er die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Historiker- und Wissenschaftsakademien, die sich mit kirchengeschichtlichen Themen beschäftigen. Schwerpunkte waren der Fall Galileo Galilei sowie das Konzil von Konstanz und das Erste Vatikanische Konzil. Brandmüller hielt Vorträge am Institut für Universalgeschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, an der Accademia Nazionale dei Lincei („Akademie der Luchse“) in Rom und am Deutschen Historischen Institut in Paris. 2009 ging er in Ruhestand und übergab sein Amt der PCSS an Bernard Ardura.<ref>Vatikan: Ernennungen – Franzose löst „Chefhistoriker” Brandmüller ab. In: Radio Vatikan. 4. Dezember 2009.</ref>
Priester
Walter Brandmüller empfing am 26. Juli 1953 durch Erzbischof Joseph Otto Kolb die Priesterweihe für das Erzbistum Bamberg.
1981 wurde er von Kardinal-Großmeister Maximilian Kardinal von Fürstenberg zum Ritter des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem ernannt und am 14. November 1981 im Kölner Dom durch Franz Hengsbach, Großprior des Ordens in Deutschland investiert.
Am 17. Juli 1983 verlieh ihm Papst Johannes Paul II. den Titel Ehrenprälat Seiner Heiligkeit<ref>Annuario Pontificio per l’anno 2009. Città del Vaticano 2009, S. 2022.</ref> 1997 erfolgte die Berufung zum Kanoniker der Peterskirche in Rom und Ernennung zum Apostolischen Protonotar.<ref>Der neue Wiesentbote: Erzbischof Schick gratuliert Prälat Professor Walter Brandmüller zur Ernennung zum Kardinal, abgefragt am 17. Januar 2011</ref> Zudem war er Domkapitular an der Patriarchalbasilika St. Peter im Vatikan.
Seit April 2006 ist Brandmüller Mitglied der katholischen Studentenverbindung KAV Capitolina zu Rom im CV.
Kardinal
Im feierlichen Konsistorium vom 20. November 2010 nahm ihn Papst Benedikt XVI. als Kardinaldiakon mit der Titeldiakonie San Giuliano dei Fiamminghi in das Kardinalskollegium auf.<ref>Concistoro Ordinario Pubblico per la Creazione di ventiquattro nuovi Cardinali (Continuazione), in: Presseamt des Heiligen Stuhls: Tägliches Bulletin vom 20. November 2010.</ref> Zuvor wurde er zum Titularerzbischof von Caesarea in Mauretania ernannt. Am 13. November 2010 empfing Walter Brandmüller in der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima durch Raffaele Kardinal Farina SDB die Bischofsweihe; Mitkonsekratoren waren der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick und der frühere Apostolische Nuntius Giuseppe De Andrea.<ref>Bischofsweihe für Brandmüller am 13. November, in: Radio Vatikan vom 28. Oktober 2010.</ref>
Kardinal Brandmüller zelebrierte am 15. Mai 2011 erstmals seit der Liturgiereform von 1969/70 ein Pontifikalamt im außerordentlichen Ritus an einem der beiden Hauptaltäre von St. Peter, dem Altar der Kathedra Petri.
Aufgrund seines Alters – Brandmüller war zum Zeitpunkt seiner Kreierung zum Kardinal schon älter als 80 Jahre – war er beim Konklave 2013 nicht wahlberechtigt.
Ehrungen und Auszeichnungen
- Ritterschlag zum Ritter vom Heiligen Grab (1981)
- Ernennung zum Päpstlichen Ehrenprälaten (1983)
- Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (1990)<ref>ZENIT.org: Prälat Walter Brandmüller vor der Erhebung in den Kardinalsstand zum Bischof geweiht, abgefragt am 17. Januar 2011</ref>
- Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (1990)
- Ernennung zum Apostolischen Protonotar (1997)
Werke (Auswahl)
Als Autor:
- Galilei und die Kirche. Ein „Fall“ und seine Lösung. MM, Aachen 1994, ISBN 3-928272-35-7.
- Das Konzil von Konstanz 1414–1418. 2 Bände. Schöningh, Paderborn:
- Band 1: Bis zur Abreise Sigismunds nach Narbonne, 1991, 2. erw. A. 1999, ISBN 3-506-74698-7.
- Band 2: Bis zum Konzilsende, 1998, ISBN 3-506-74691-X.
- Das Konzil von Pavia-Siena 1423–1424. Schöningh, Paderborn 2002, ISBN 3-506-74675-8.
- Briefe um das I. Vaticanum. Aus der Korrespondenz des Konzilssekretärs Bischof Fessler von St. Pölten 1869–1872. Schöningh, Paderborn 2005, ISBN 3-506-71359-0.
- mit Ingo Langner: Der Fall Galilei und andere Irrtümer. Macht, Glaube und Wissenschaft. Sankt-Ulrich, Augsburg 2006, ISBN 3-936484-81-3.
- Licht und Schatten. Kirchengeschichte zwischen Glaube, Fakten und Legenden. Sankt-Ulrich, Augsburg 2007, ISBN 978-3-936484-99-1.
- mit Ingo Langner: Vernünftig glauben. Ein Gespräch über Atheismus. fe-medienverlag, Kißlegg 2010, ISBN 978-3-86357-000-2.
Als Herausgeber:
- Wer ist Jesus Christus? Mythen, Glaube und Geschichte. MM, Aachen 1995, ISBN 3-928272-44-6.
- Das eigentlich Katholische. MM, Aachen 1997, ISBN 3-928272-59-4.
- Christus in den Sakramenten der Kirche. MM, Aachen 1998, ISBN 3-928272-04-7.
Literatur
- Remigius Bäumer (Hrsg.): Synodus. Beiträge zur Konzilien- und allgemeinen Kirchengeschichte. Schöningh, Paderborn 1997, ISBN 3-506-73434-2 (Festschrift, mit Bibliographie 1957–1996, S. 893–935).
- Cosimo Semeraro (Hrsg.): Walter Brandmüller: Scripta maneant. Raccolta di studi in occasione del suo 80° genetliaco. Libreria Editrice Vaticana, Rom 2009, ISBN 978-88-209-8169-3 (Festschrift zum 80. Geburtstag)<ref>Armin Schwibach: Walter Brandmüller: Scripta maneant. In: Zenit. 7. Dezember 2009.</ref>
- Georg Denzler, Überraschungseminenz Brandmüller, in: Kirche In. Das internationale, christlich-ökumenische Nachrichtenmagazin, 25. Jahrgang, Nr. 1, 2011, S. 40-41.
Weblinks
- Literatur von und über Walter Brandmüller im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Walter Brandmüller auf catholic-hierarchy.org (englisch)
- Würdigung zum 85. Geburtstag mit Kurzbiografie im Domradio (von Thomas Jansen, Katholische Nachrichtenagentur, erschienen 5. Januar 2014, zuletzt abgerufen 30. Dezember 2014)
- Henryk M. Broder: Der Historiker Gottes In: Spiegel online. 5. Dezember 2006.
Einzelnachweise
<references />
Personendaten | |
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NAME | Brandmüller, Walter |
ALTERNATIVNAMEN | Brandmüller, Walter Kardinal (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher römisch-katholischer Geistlicher, Prälat, Hochschullehrer, Kirchenhistoriker, Erzbischof, Kardinal |
GEBURTSDATUM | 5. Januar 1929 |
GEBURTSORT | Ansbach |