Wurzel Jesse
Die Wurzel Jesse (auch Jessebaum) ist ein verbreitetes Bildmotiv der christlichen Kunst vor allem des Mittelalters. Es stellt die Abstammung Jesu aus dem Hause König Davids als Lebensbaum dar, ausgehend von Jesse, dem Vater Davids, des Königs von Juda und Israel.
Inhaltsverzeichnis
Namensgebung
Die Wurzel Jesse geht auf eine Stelle aus dem Buch Jesaja zurück, in der dieser erste Prophet Israels einen zukünftigen Messias als gerechten Richter und Retter der Armen verheißt; dieser werde als Spross aus dem Baumstumpf Jesse wachsen (Jes 11,1-10 EU). Er werde Gottes Gericht, aber auch eine endzeitliche Wende zu universalem Frieden, Gerechtigkeit und Heil bringen.
Darstellung
Dargestellt wird der Stammbaum Jesu in Gestalt eines wirklichen Baumes, der herauswächst aus der Figur Jesses, des Vaters König Davids. Jesse wird dabei meist liegend und schlafend gezeigt. Als folgende Zweige erscheinen David und weitere Könige von Israel und Juda. Abschluss und Krönung des Baums ist eine herrscherliche Darstellung Marias mit dem Jesuskind.
Entstehungsgeschichte
Nach spärlichen Beispielen im 11. Jahrhundert findet sich im 12. und 13. Jahrhundert eine erste Blütezeit, der nach nur wenigen Beispielen im 14. Jahrhundert eine zweite in der Zeit von etwa 1460 bis 1530 folgt. In diesen Blütezeiten gibt es eine reiche Anzahl an Darstellungen in allen Bereichen der bildenden Kunst (Malerei, Buchmalerei, Skulptur). Die Darstellungen im Mittelalter sind vor allem in Perioden zu finden, in denen eschatologische Vorstellungen vom Ende der Zeiten verbreitet waren.
Deutung
Die Wurzel Jesse ist auch heute noch vor allem ein Motiv zur Veranschaulichung der Heilsgeschichte. Es sagt: Der Sohn Davids – ein messianischer Titel, mit dem Jesus in den Evangelien häufig angeredet wird – nimmt den gläubigen Betrachter in den Stammbaum des Gottesvolks auf; die gegenwärtige Glaubensgeschichte ist dessen ungebrochene Fortsetzung.
Des Weiteren konnte die Wurzel Jesse als Symbol einer königlichen Abstammung Jesu Christi gesehen werden, dem Christus als Herrscher im Himmel und auf Erden. Seine Abstammung ist auf das Gottesvolk Israel zurückzuführen und er ist der einzig mögliche Anwärter auf die Messiaswürde, der Retter, der kam und als König wiederkommen wird. Somit lässt sich das Motiv aus der Sicht des Mittelalters mit den ab dem 12. Jahrhundert und nochmals im 15. Jahrhundert in Europa im Volksglauben populären messianischen Vorstellungen einer bevorstehenden Wiederkunft verbinden.
Beispiele
- St. Michael's Church, Hildesheim - painted wooden ceiling.JPG
Deckengemälde in St. Michael, Hildesheim - Muenster Lamberti Wurzel Jesse.jpg
Skulptur an St. Lamberti, Münster - Ahnenreihe Jesu im Limburger Dom.jpg
Wandgemälde im Limburger Dom - Nürnberg St Jakob Chorfenster Süd 3.jpg
Glasfenster von 1497 in St. Jakob, Nürnberg
Kirchenlieder
Die Wurzel Jesse und das ihr entspringende Reis (mittelalterlich Ros) findet sich als Motiv auch in einigen Kirchenliedern:
- Es ist ein Ros entsprungen, Weihnachtslied aus dem 16. Jahrhundert
- Wie schön leuchtet der Morgenstern, Choraltext von Philipp Nicolai, 1599
- Maria durch ein Dornwald ging, Wallfahrts- und Adventslied, 1850
Siehe auch
Literatur
- Otto Böcher: Zur jüngeren Ikonographie der Wurzel Jesse. In: Mainzer Zeitschrift 67/68 (1972/73)
- Ursmar Engelmann: Wurzel Jesse. Buchmalerei des frühen 13. Jahrhunderts. Beuroner Kunstverlag, Beuron 1961.
- Gertrud Schiller: Ikonographie der christlichen Kunst, Band.1, Inkarnation, Kindheit, Taufe, Versuchung, Verklärung, Wirken und Wunder Christi. Gütersloh 1966