Fremdbestäubung


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Als Fremdbestäubung oder Xenogamie (von altgr. ξένος xénos „Gast; Fremder“ und γάμος gámos „Hochzeit, Vermählung; Ehe“) bezeichnet man bei Pflanzen die Übertragung von Pollen einer Blüte auf die Narbe einer Blüte eines anderen Pflanzenindividuums.<ref name="Hess">Dieter Heß: Systematische Botanik Ulmer Verlag, Stuttgart 2005, (UTB; 2673) S. 92ff. ISBN 3-8252-2673-5</ref> Fremdbestäubung als Befruchtung mit Beteiligung von Pollen ist ein Teilbereich der Fremdbefruchtung oder Allogamie. Diese umfasst nicht nur Blütenpflanzen, sondern auch Pflanzen ohne Blütenbildung, die sich beispielsweise über Keimzellen oder Sporen vermehren, z. B. Algen und Farne.<ref>Botanik online der Uni Hamburg: Fortpflanzungsarten (Rekombinationssysteme), aufgerufen am 6. Februar 2012</ref><ref>Terra human: Befruchtung, Xenogamie und Allogamie, aufgerufen am 6. Februar 2012</ref> Bei der Fremdbefruchtung wird das Erbgut der Mutterpflanze und der Vaterpflanze neu kombiniert. Ziel der Fremdbestäubung ist es, die Wahrscheinlichkeit für eine solche Rekombination von Erbgut zu erhöhen. Die Fremdbestäubung wurde 1790 von dem Theologen und Botaniker Christian Konrad Sprengel unter anderem am Schmalblättrigen Weidenröschen entdeckt.

Abzugrenzen ist die Fremdbestäubung von der Nachbarbestäubung (Geitonogamie). Bei der Nachbarbestäubung werden Pollen von der Blüte einer Pflanze auf die Narbe einer Blüte derselben Pflanze übertragen. Die Nachbarbestäubung ist daher genetisch gleichwertig mit der Selbstbestäubung, da eine Verteilung und Neuanordnung genetischen Materials unterbleibt.<ref name="Hess"/>

Arten der Fremdbestäubung

Fremdbestäubung kann durch Tiere, Wind, Mensch und Wasser erfolgen.

Tierbestäubung

Die Tierbestäubung (Zoogamie) wird je nach Art des bestäubenden Tiers weiter untergliedert. Die im Gebiet am häufigsten anzutreffende Tierbestäubung ist die durch Insekten (Entomophilie). Die Insektenbestäubung kann weiter nach Fliegenblütigkeit (Myophilie), Bienenblütigkeit (Melittophilie), Tagfalterblütigkeit (Psychophilie) und weitere differenziert werden. In den Tropen besitzt die Bestäubung durch Vögel (Ornithophilie) und über Fledermäuse (Chiropterophilie) eine wichtige Bedeutung.<ref name="Hess"/>

Die Mittel, mit denen die Pflanzen ihre Bestäuber anlocken, sind vielfältig. Viele insektenbestäubten Pflanzen werden durch Nektar und/oder Pollen sammelnde Insekten wie Bienen, Hummeln, Schmetterlinge oder Schwebfliegen bestäubt. Angelockt werden diese gewöhnlich durch eine große und lebhaft gefärbte Blütenhülle. Häufig ist die Blüte dorsiventral gestaltet. Sind Nektar und Duftstoffe vorhanden, spricht man von Nektarblumen, fehlen diese wird die Pflanze als Pollenblume bezeichnet. In Anpassung an die Insektenbestäubung sind die Staubfäden oftmals kürzer ausgebildet sowie die Narben wenig geteilt. Auch hinsichtlich der Hauptbestäuber haben Pflanzen bestimmte Anpassungsmerkmale entwickelt. So befindet sich der Nektar bei von Schmetterlingen bestäubten Pflanzen oft am Grund langer Röhren, während bei Pflanzen, die überwiegend von Fliegen bestäubt werden, flache Nektarien dominieren.<ref name=roth2>Rothmaler: Exkursionsflora von Deutschland, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, Berlin, 20. Auflage 2011, S. 25 f., ISBN 978-3-8274-1606-3</ref> Typisch ist hier ein charakteristischer Pilz- oder Aasgeruch. Sind Nachtfalter die Hauptbestäuber, öffnen sich die Blüten häufig erst am Abend. Die Blüten sind meist unauffällig gefärbt, besitzen jedoch eine intensive Duftnote.

Besonders Orchideen haben spezielle Mechanismen entwickelt, um Bestäuberinsekten anzulocken. Manche Arten bieten keinen Nektar an, sondern imitieren durch Form und Färbung der Blütenhüllblätter Blüten anderer Pflanzen, die Nektar bieten. Einige Orchideenarten locken die Männchen bestimmter Insektenarten durch Pheromone an und veranlassen sie zur Kopulation (zum Beispiel die Ragwurz-Arten).

Kesselfallenblumen besitzen beispielsweise Aristolochia, Cypripedium und Arum. Durch den speziellen Aufbau der Blüte gelangen kleine Insekten in eine kesselförmige Erweiterung der Blüte oder bei Arum der Spatha und können diese durch Vorrichtungen wie Reusenhaare erst dann wieder verlassen, wenn die Bestäubung stattgefunden hat.<ref name=roth2/>

Blüten, die durch Vögel bestäubt werden, sogenannte Vogelblumen, sind oft auffällig rot gefärbt, da Insekten diese Farbe nicht sehen können.

Während die Tiere den Nektar einsammeln, werden sie von Pollen überpudert. Fliegen sie zur nächsten Blüte, bleibt der Pollen an deren Narbe hängen.

Windbestäubung

Bei der Windbestäubung (Anemogamie) werden die Pollen durch den Wind übertragen und fallen durch Zufall auf die Narbe einer anderen Blüte.

Windbestäubte Pflanzen besitzen oft unscheinbare Blütenhüllen, oder diese fehlen ganz. Nektar und Duftstoffe werden nicht produziert. Die Blüten stehen häufig in vielblütigen, oft eingeschlechtigen Blütenständen zusammen. Der reichlich vorhandene Pollen wird an oft langen und im Wind beweglichen Staubfäden produziert. Pollenkitt fehlt meist. Die Narben sind groß ausgebildet und stark zerteilt.<ref name=roth2/>

Typische Windbestäuber sind die Süßgräser, Weizen, Roggen und Mais. Die Pollen windbestäubender Pflanzen können Heuschnupfen verursachen.

Wasserbestäubung

Die seltene Wasserbestäubung (Hydrophilie oder Hydrogamie) kommt bei einigen Pflanzen vor, die untergetaucht oder auf der Wasseroberfläche wachsen. Der Pollen kann oberhalb oder unter der Wasseroberfläche transportiert werden.<ref name=roth2/>

Mechanismen zur Förderung der Fremdbestäubung

Bei vielen Pflanzenarten haben sich Vorrichtungen entwickelt, die eine Selbstbestäubung der Blüten verhindern sollen. Die verbreitetsten sind:

Vormännlichkeit

Bei der Vormännlichkeit (Proterandrie) entleeren die Staubbeutel den Pollen, bevor die Narbe derselben Blüte empfängnisbereit ist. Dies kommt zum Beispiel bei den Korbblütlern, dem Salbei, der Glockenblume und dem Mais vor.<ref name=roth2/>

Vorweiblichkeit

Bei der Vorweiblichkeit (Proterogynie) ist die Narbe schon einige Zeit vor der Entleerung der Staubbeutel empfängnisbereit. In dieser Zeit kann die Narbe nur von Pollen anderer Blüten bestäubt werden, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit für eine Fremdbestäubung erhöht. Die Vorweiblichkeit kommt zum Beispiel beim Wegerich vor.<ref name=roth2/>

Verschiedengriffeligkeit

Bei manchen Pflanzenarten gibt es Individuen, bei denen die Griffel lang sind und die Staubbeutel tief sitzend, und Individuen, bei denen die Griffel kurz sind und die Staubbeutel hoch sitzend. Es gibt also zwei verschiedene Typen von Blüten. Dies nennt man Verschiedengriffeligkeit bzw. Heterostylie. Bei anderen Arten mit zwei Staubblattkreisen gibt es sogar drei verschiedene Typen von Blüten, je nachdem, ob sich die Griffel auf der unteren, der mittleren oder der oberen Ebene befinden (Tristylie).

Eine Befruchtung erfolgt nur, wenn der Pollen von einer Ebene auf eine Narbe derselben Ebene gelangt. Beispielsweise müssen Pollen von kurzen Staubblättern auch auf die Narbe eines kurzen Griffels gelangen. Dies kann aber nicht innerhalb einer Blüte geschehen.<ref name=roth2/>

Beispiele sind die Primel mit zwei Ebenen, oder der Blutweiderich und die Sauerkleegewächse, bei welchen Tristylie vorkommt.<ref name=roth2/>

Herkogamie

Die Staubblätter und Narben einer Blüte sind in dieser räumlich getrennt. Ein Beispiel hierfür ist Iris.<ref name=roth2/>

Inkompatibilität

Fremdbestäubung wird auch durch eine physiologisch bedingte Unverträglichkeit zwischen Narbe und Pollen oder Griffelgewebe und Pollen des gleichen Individuums gefördert.<ref name=roth2/>

Ausbildung eingeschlechtiger Blüten

Einhäusig oder zweihäusig verteilte eingeschlechtige Blüten unterstützen ebenfalls Fremdbestäubung.<ref name=roth2/> Bei Einhäusigkeit sind weibliche und männliche Blüten auf einem Pflanzenexemplar vorhanden. Bei den zweihäusig verteilten Blüten existieren männliche und weibliche Individuen. Das einzelne Individuum besitzt folglich nur männliche oder weibliche Blüten. Zu dieser Gruppe von Pflanzen gehören der Sanddorn, die Salweide oder das Bingelkraut. Da männliche und weibliche Blüten auf unterschiedliche Individuen verteilt sind, ist Selbstbestäubung ausgeschlossen.<ref>Uni Greifswald: Geschlecht der Blüten</ref>

Funktion der Fremdbestäubung

Fremdbestäubung unterstützt die genetische Diversität einer Art, da während der Befruchtung Genotypen mit unterschiedlichen Allelen gemischt werden. Hierdurch wird die Wahrscheinlichkeit vermindert, dass nachteilige rezessiv vererbte Allele als Paar in einem Organismus zusammentreffen und so die schädliche Eigenschaft im Phänotypus zum Ausdruck kommt. Durch Fremdbestäubung wird auch die Anzahl genetischer Kombinationen innerhalb einer Population gesteigert. Treten beispielsweise Veränderungen der Umweltbedingungen auf, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass zumindest einige Exemplare der Population sich erfolgreich an die neuen Bedingungen anpassen können. Fremdbestäubung kann auch zur Entstehung von Hybriden führen, die in ihren Eigenschaften vitaler als die jeweiligen Elternpflanzen sein können.<ref name="Bot">Murray W. Nabors: Botanik. Pearson Studium, ISBN 978-3-8273-7231-4, S. 577 ff.</ref>

Belege

<references/>