Zerspanen


aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Wechseln zu: Navigation, Suche
Logo des Deutschen Instituts für Normung DIN 8589
Bereich Fertigungsverfahren
Titel Spanen
Kurzbeschreibung:
Letzte Ausgabe 2003-09
ISO

Zerspanen (trennend), nach DIN 8580 auch Spanen (formgebend) genannt, bezeichnet alle mechanischen Bearbeitungsverfahren, bei denen das Material in die gewünschte Form gebracht wird, indem überflüssiges Material in Form von Spänen abgetragen wird. Die Fertigungsverfahren der Gruppe Spanen sind in Deutschland in der DIN 8589 definiert. Zu den wichtigsten und bekanntesten Verfahren gehören Drehen, Fräsen, Bohren, Sägen und Schleifen. Das Spanen gehört zusammen mit dem Zerteilen, dem Abtragen und weiteren Gruppen, zur Hauptgruppe des Trennens.

Der Begriff Spanen (Zerspanen) wird heute meist im Zusammenhang mit der Metallbearbeitung gebraucht, obwohl auch die spanende Bearbeitung aller anderen festen Werkstoffe wie Holz und Kunststoff dazu gehört. Dazu hat die Industrialisierung und die damit einhergehende Entwicklung der Massenfertigung entscheidend beigetragen. Aus den Maschinenarbeitern in der Metallindustrie entwickelte sich das Berufsbild des Zerspanungsfacharbeiters bzw. Zerspanungsmechanikers. Aber auch die manuellen spanenden Formgebungsverfahren gehören zum Spanen.

Das Grundprinzip des Spanens beruht auf dem Eindringen einer keilförmigen Werkzeugschneide in die Oberfläche des Werkstücks und anschließendem Abschälen einer dünnen Materialschicht, des Spans. Das Werkzeugmaterial muss dabei stets härter sein als der bearbeitete Werkstoff. Zur Bearbeitung relativ weicher Werkstoffe genügen einfache Stähle als Werkzeugmaterial. Bei härteren Materialien werden spezielle Werkzeugstähle, Hartmetall, Sinterwerkstoffe, Schneidkeramik, Korund oder Diamant als Schneidstoffe eingesetzt. Die Schneide kann eine exakt definierte Schneidengeometrie aufweisen, wie beispielsweise beim Drehen und Bohren (spanende Bearbeitung mit geometrisch bestimmter Schneide), oder unregelmäßig geformt sein wie beim Schleifen und Läppen (spanende Bearbeitung mit geometrisch unbestimmter Schneide).

Geschichte

Das Spanen gehört zu den ältesten Bearbeitungsmethoden der Menschheit. Bereits in der Altsteinzeit konnten einfache Sägen, Bohrer und Werkzeuge zum Kratzen und Schaben hergestellt werden. In der Antike wurden die Werkzeuge dann aus Bronze bzw. ab etwa 700 v. Chr. aus Eisen gefertigt. Mit dem Einsetzen der Industrialisierung wurden mit Hilfe von Werkzeugmaschinen immer häufiger Werkstücke aus Stahl, statt aus dem bis dahin vorherrschenden Holz bearbeitet. Im 19. Jahrhundert wurde begonnen, industrielle Fertigungsverfahren systematisch zu untersuchen und weiter zu entwickeln, was gegen Ende des Jahrhunderts zu neuen Schneidstoffen, wie dem Schnellarbeitsstahl, führte.

Im 20. Jahrhundert wurden Schneidkeramiken entwickelt, die härter sind als Schneidstoffe aus Stahl. Später kamen sogenannte superharte Schneidstoffe wie kubisches Bornitrid und Diamant hinzu. Auch die Werkzeugmaschinen wurden immer präziser und leistungsfähiger, sodass das Spanen bis heute eine weit verbreitete Gruppe von Fertigungsverfahren ist, die vor allem sehr flexibel einsetzbar ist hinsichtlich des zu bearbeitenden Werkstoffs, der Werkstückgeometrie und der zu bearbeitenden Stückzahlen.<ref>Wilfried König, Fritz Klocke: Fertigungsverfahren 1: Drehen, Bohren, Fräsen. 8. Auflage. Springer 2008, ISBN 978-3-540-23458-6, S. ff.</ref>

Definition und Einteilung nach DIN 8580

„Trennen, bei dem von einem Werkstück mit Hilfe der Schneide eines Werkzeugs Werkstoffschichten in Form von Spänen zur Änderung seiner Form und / oder Werkstückoberfläche mechanisch abgetrennt werden.“<ref>Hiersig (Hrsg.): Lexikon der Produktionstechnik' Verfahrenstechnik. VDI-Verlag, Düsseldorf, 1995.</ref>

Spanen mit geometrisch bestimmter Schneide

So werden Bearbeitungen genannt, wenn die Schneidenanzahl, die Form der Schneidkeile und ihre Lage zum Werkstück bekannt und beschreibbar sind.

Spanen mit geometrisch unbestimmter Schneide

So werden Bearbeitungen genannt, wenn Schneidenanzahl, Form der Schneidkante und Lage zum Werkstück nur über statistische Kenngrößen beschreibbar sind. Weitere Unterteilungen sind: Spanen mit gebundenem Korn z. B. Schleifen und Spanen mit ungebundenem Korn z. B. Läppen.

Bewegungen

Hauptartikel: Spanungsbewegung

Die Relativbewegung zwischen Werkstück und Werkzeug (Wirkpaar) ist Ursache für die Spanabnahme. Die Schnittbewegung sorgt für die Spanabnahme während einer Umdrehung (Drehen, Fräsen, Bohren,...) oder während eines Hubes (Hobeln, Stoßen). Sie wird auch Hauptbewegung genannt. Die Vorschubbewegung sorgt für eine kontinuierliche Spanabnahme, beim Fräsen ist es die Verfahrbewegung des Fräsers, beim Bohren das Eindringen in die Bohrung.

Die Resultierende aus Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit ist die Wirkgeschwindigkeit. Der Winkel zwischen Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeit heißt Vorschubrichtungswinkel. Er kann entweder konstant 90° betragen oder während einer Umdrehung variieren. Der Winkel zwischen Schnitt- und Wirkgeschwindigkeit heißt Wirkrichtungswinkel.<ref>Wilfried König, Fritz Klocke: Fertigungsverfahren 1: Drehen, Bohren, Fräsen. 8. Auflage. Springer 2008, ISBN 978-3-540-23458-6, S 41f.</ref>

Geometrien am Werkzeug

Datei:Flaechen am Schneidkeil.svg
Flächen am Drehmeißel, der auch in allen Normen als Referenz herangezogen wird

Der idealisierte Schneidkeil besteht aus zwei Flächen - der Spanfläche und der Freifläche - die sich in der Schneide treffen. Der Winkel zwischen beiden ist der Keilwinkel. Des Weiteren wird zwischen Haupt- und Nebenschneide unterschieden. An der Nebenschneide liegen die Span- und Nebenfreifläche. Die Werkzeug-Bezugsebene liegt senkrecht zur angenommenen Schnittrichtung und liegt im betrachteten Punkt der Schneide. Sie bildet zusammen mit der Werkzeug-Schneidenebene und der Werkzeug-Orthogonalebene ein rechtwinkliges Koordinatensystem. Die Werkzeug-Schneidenebene enthält die Schneide und liegt senkrecht zur Werkzeug-Bezugsebene. Die Werkzeug-Orthogonalebene schneidet die beiden anderen im rechten Winkel und verläuft auch durch den betrachteten Punkt der Schneide. In diesen Ebenen sind weitere Winkel definiert, unter anderem der Werkzeug-Einstellwinkel und der Spanwinkel.<ref>Wilfried König, Fritz Klocke: Fertigungsverfahren 1: Drehen, Bohren, Fräsen. 8. Auflage. Springer 2008, ISBN 978-3-540-23458-6, S 43f.</ref>

Kräfte, Leistungen und Energieumwandlung

Die auf das Werkzeug wirkende Kraft wird als Zerspankraft bezeichnet. Sie setzt sich aus drei Komponenten zusammen: der Schnittkraft Fc in Richtung der Schnittrichtung, sowie der Vorschubkraft Ff in Vorschubrichtung und der Passivkraft Fp, die mit den anderen beiden jeweils einen rechten Winkel bildet. Bei den meisten Verfahren ist die Schnittkraft deutlich größer als die anderen beiden, sodass oftmals nur sie betrachtet wird.

Aus der allgemeinen Formel für Leistung P = Fv ergeben sich entsprechende Leistungen der Komponenten. Die Schnittkraft ergibt zusammen mit der Schnittgeschwindigkeit vc die Schnittleistung Pc, die der Motor abgeben muss.<ref>Böge: Zerspantechnik in: Böge (Hrsg.): Handbuch Maschinenbau. Springer, 21. Auflage, 2013, N6-N8</ref>

Die mechanische Energie wird fast vollständig in Wärme umgewandelt. Dies geschieht zum einen durch Reibung zwischen Werkzeug und Werkstück, zum anderen durch die Verformung des Spans. Der größte Teil der Wärme (ca. 95 %) verbleibt im Span selbst, sodass die Erwärmung des Werkzeugs und des Werkstücks vergleichsweise gering ausfällt. Da die verschiedenen Reibungen und Verformungen äußerst komplex sind, ist es bisher noch nicht gelungen, ein theoretisches Modell zu entwickeln, mit dem sich die entstehende Wärme vorausberechnen ließe. Die bisherigen Erkenntnisse beruhen auf Messungen.<ref>Alfred Herbert Fritz, Günter Schulze (Hrsg.): Fertigungstechnik. 10., neu bearb. Auflage. Springer, Berlin 2012, ISBN 978-3-642-29785-4, S. 276.</ref>

Späne

Hauptartikel: Metallspan

Spanbildung

Der Werkstoff wird zunächst am Werkzeug angestaucht, wodurch sich die Schubspannungen erhöhen bis die Fließgrenze erreicht ist. Es bildet sich ein Span aus, der über die Spanfläche des Schneidteils abläuft.<ref>Alfred Herbert Fritz, Günter Schulze (Hrsg.): Fertigungstechnik. 10., neu bearb. Auflage. Springer, Berlin 2012, ISBN 978-3-642-29785-4, S. 271 ff.</ref>

Spanarten

Selbst bei gleichem zu zerspanendem Werkstoff können durch Verändern der Prozesskenngrößen unterschiedliche Spanarten entstehen:<ref>Wilfried König, Fritz Klocke: Fertigungsverfahren 1: Drehen, Bohren, Fräsen. 5. Auflage. Springer 1997, S 69f.</ref>

  • Fließspan: Ein gleichmäßiger Span. Diese Spanart ist meist die gewünschte, da das Werkzeug gleichmäßig belastet wird.
  • Scherspan: In der Scherzone getrennte Spanteile, die sich teilweise wieder zusammen verschweißen. Schuppiger Span.
  • Reißspan: Auch Bröckelspan. Ein Span, der abgerissen wird und nicht abgeschnitten, was eine schlechte Oberflächenqualität zur Folge hat.

Spanformen

Die Spanform beschreibt die Form des Spans nach Verlassen des Werkzeugs. Sie reichen von langen Band- und Wirrspänen über Spiralspäne bis hin zu kurzen Bruchspänen und hängt von der Geometrie der Schneide, Vorschub- und Schnittgeschwindigkeit ab. Lange Späne sorgen für eine gleichmäßige Belastung der Schneide, können sich aber in der Maschine verheddern und somit das Werkstück zerkratzen oder auch die Bediener gefährden. Kurze Späne lassen sich leicht abtransportieren, sorgen aber durch die ungleichmäßige Werkzeugbelastung (Entlastung bei Spanbruch, Belastung bei erneuter Spanbildung) für einen erhöhten Werkzeugverschleiß.<ref>Wilfried König, Fritz Klocke: Fertigungsverfahren 1: Drehen, Bohren, Fräsen. 5. Auflage. Springer 1997, ISBN 978-3-540-23458-6, S 225f</ref><ref>Eberhard Pauksch: Zerspantechnik, Vieweg, 1996, 11. Auflage, S. 37-39</ref>

Kühlschmierstoffe

Hauptartikel: Kühlschmierstoff

Kühlschmierstoffe sollen durch Schmierung Wärmeentstehung vermeiden, heiße Späne abtransportieren und heiße Werkzeuge/-stücke kühlen, um eine zu große Wärmeausdehnung der Werkstücke bzw. Temperaturbelastung der Werkzeuge zu vermeiden. Sie ermöglichen dadurch ein hohes Leistungsniveau zahlreicher Fertigungsprozesse.<ref>Wilfried König, Fritz Klocke: Fertigungsverfahren 1: Drehen, Bohren, Fräsen. 8. Auflage. Springer 2008, ISBN 978-3-540-23458-6, S. 239.</ref>

Zerspanbarkeit

Hauptartikel: Zerspanbarkeit

Zerspanbarkeit ist die Eigenschaft eines Werkstückes oder Werkstoffes, sich unter gegebenen Bedingungen spanend bearbeiten zu lassen. Sie richtet sich nach<ref>Wilfried König, Fritz Klocke: Fertigungsverfahren 1: Drehen, Bohren, Fräsen. 8. Auflage. Springer 2008, ISBN 978-3-540-23458-6, S. 259.</ref>

  • der erzielbaren Oberflächengüte
  • dem Werkzeugverschleiß
  • der Form der Späne
  • und geringe Zerspankräfte

Schneidhaltigkeit ist die Fähigkeit eines Werkzeuges, seine Schneidfähigkeit während des Zerspanens beizubehalten. Schneidfähigkeit ist die Fähigkeit eines Werkzeuges, ein Werkstück oder einen Werkstoff unter gegebenen Bedingungen zu bearbeiten (DIN 6583). Das Standvermögen ist die Fähigkeit eines Wirkpaares (Werkzeug und Werkstück), einen bestimmten Zerspanvorgang durchzustehen (DIN 6583). Es wird von der Qualität des Werkzeugs und der Zerspanbarkeit des Werkstoffs beeinflusst.

Werkzeugmaterialien

Hauptartikel: Schneidstoff und Schleifmittel

Das Werkzeugmaterial beim Spanen mit geometrisch bestimmter Schneide wird als Schneidstoff bezeichnet, dasjenige bei geometrisch unbestimmter Schneide meist als Schleifmittel, gelegentlich ebenfalls als Schneidstoff.

An Schneidstoffe werden verschiedene Anforderungen gestellt, die sich nicht alle gleichermaßen verwirklichen lassen. Zu den wichtigsten zählen:

  • Härte und Druckfestigkeit
  • Zähigkeit und Biegefestigkeit
  • Warmfestigkeit

Um das Spanen wirtschaftlich zu gestalten, werden einerseits hohe Schnittgeschwindigkeiten angestrebt, was die Bearbeitungszeit möglichst gering hält. Bei hohen Geschwindigkeiten ist allerdings die Temperaturbelastung hoch, was zu erhöhtem Verschleiß und geringerer Härte des Werkzeugs führt. Andererseits kann der Vorschub erhöht werden, was zu einem größeren Spanungsquerschnitt und somit zu größeren Kräften führt.

Wichtige Schneidstoffe, grob sortiert nach aufsteigender Härte und Warmfestigkeit und abnehmender Zähigkeit und Biegefestigkeit, sind:

Beim Spanen mit geometrisch unbestimmter Schneide kann das Werkzeugmaterial entweder gebunden vorliegen (Schleifscheiben und Honsteine) oder lose (Pasten beim Läppen und Polieren).<ref>Alfred Herbert Fritz, Günter Schulze (Hrsg.): Fertigungstechnik. 10., neu bearb. Auflage. Springer, Berlin 2012, ISBN 978-3-642-29785-4, S. 276ff und S. 317</ref>

Maschinen zum Zerspanen

Zerspanwerkzeuge

Rattern

Rattern bezeichnet eine dynamische Instabilität des Zerspanungsprozesses auf Grund von auftretenden Schwingungen beim Zerspanen. Dies kann resultieren aus

  • zu schlanker Werkzeuggestalt, also zu geringe dynamische Steifigkeit
  • zu hohen Schnittparametern
  • treffen einer Eigenfrequenz der Maschine
  • falsch eingespannten Werkstücken (z. B. beim Drehen: fliegend eingespannt, also nur auf einer Seite (wenn die freie Länge größer ist als der dreifache Werkstückdurchmesser))

Rattern beeinträchtigt die Oberflächengüte des bearbeiteten Werkstücks und die Standzeit des Werkzeuges und kann im Extremfall zum Bruch der Werkzeugschneide oder des Werkzeuges führen.

Einzelnachweise

<references />

Literatur

  • Wilfried König, Fritz Klocke: Fertigungsverfahren 1 : Drehen, Fräsen, Bohren. 8. Auflage. Springer, Berlin 2008, ISBN 978-3-540-23458-6.
  • Wilfried König, Fritz Klocke: Fertigungsverfahren 2 : Schleifen, Honen, Läppen. 4. Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-23496-9.
  • Industrieverband Massivumformung (Hrsg.): Massivumformteile wirtschaftlich spanen. Inforeihe Massivumformung, April 2010, ISBN 978-3-928726-23-8.