Zivildienst
Der Zivildienst ist die häufigste Form des Wehrersatzdienstes bzw. der Wehrdienstverweigerung. Der Zivildienstleistende (ZDL, im österreichischen Sprachgebrauch Zivildiener, umgangssprachlich im gesamten deutschen Sprachraum auch Zivi) lehnt aus Gewissensgründen den Wehrdienst mit der Waffe ab und leistet stattdessen den Zivildienst. Streng genommen erfüllt dieser die Kriterien der Zwangsarbeit. Als Wehrersatzdienst ist der Zivildienst allerdings vom Verbot der Zwangsarbeit durch die Europäische Menschenrechtskonvention ausgenommen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Als erstes Land führte Dänemark im Jahr 1917 einen Wehrersatzdienst, der für soziale Aufgaben herangezogen wurde, ein; es folgten kurz darauf Länder wie Schweden und die Niederlande 1920, Norwegen 1921 und Finnland 1931.
Dauer
Land | Grundwehrdienst | Zivildienst |
---|---|---|
Österreich | 6 | 9 |
Schweiz | 8,5 (260 Tage) |
12,8 (390 Tage) |
Finnland | 6 |
12 (362 Tage) |
Griechenland | 12<ref>https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/gr.html</ref> | 15<ref> http://www.griechenland-blog.gr/2010/wehrersatzdienst-in-griechenland-um-zwei-monate-gekuerzt/2303/</ref> |
Russland | 12 | 21 |
Zivildienst in Europa
Österreich
In Österreich kann der Wehrdienst seit 1975 aus Gewissensgründen verweigert werden. Der Zivildienst umfasst in der Regel Tätigkeiten im sozialen Umfeld, wie etwa im Rettungswesen, in der Sozial- und Behindertenhilfe, in der Altenbetreuung, in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, in der Landwirtschaft oder im Straßenverkehr als Schülerlotsen<ref>Bundesministerium für Inneres: 35 Jahre Zivildienst in Österreich (zuletzt abgerufen am 2. Dezember 2015)</ref>. Der ordentliche Zivildienst dauert neun Monate, etwa ein Drittel (2009 waren es 13.122) aller Männer leisten ihren Staatsdienst als Wehrersatzdienst ab. Seit 1992 ist auch ein einjähriger Auslandsdienst möglich.
Schweiz
In der Schweiz sieht die Verfassung seit 1992 einen zivilen Ersatzdienst anstelle der Militärdienstleistung vor. Der Zivildienst dauert das 1,5-fache des noch zu leistenden Militärdienstes (derzeit total 260 Tage), also maximal 390 Tage. Geleistet wird er schwerpunktmäßig im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Umweltschutzbereich. Zudem sind Auslandseinsätze in der Entwicklungszusammenarbeit möglich. Die Einsätze werden selbständig ausgesucht und vereinbart, die Vollzugsstelle des Zivildienstes erstellt daraufhin das Aufgebot.
Finnland
In Finnland dauert der Zivildienst 12 Monate, während der Militärdienst nur sechs Monate dauert. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wurde erstmals 1931 eingerichtet, beschränkt sich aber bis heute nur auf Friedenszeiten. Bei der Einführung des Zivildienstgesetzes 1987 dauerte der Zivildienst noch 16 Monate, was aber zu vielen Totalverweigerern führte. Die Dienstzeit wurde 1992 zu 13 Monaten verkürzt, seit 2008 ist die Dienstzeit 12 Monate. Der Antrag zur Kriegsdienstverweigerung wird ungeprüft genehmigt. Die Zahl der Verweigerer vervierfachte sich in den 1990er-Jahren auf 2.500 und stellt das Zivildienstsystem auch heute noch vor das Problem, dass es zu wenig Plätze für die Verweigerer gibt.
Russland
In Russland gibt es seit 2004 die Möglichkeit, Zivildienst zu leisten und dieser dauert 21 Monate. Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen und der langen Dauer entscheiden sich jedoch nur wenige Russen gegen den Militärdienst. Im Frühling 2005 meldeten sich nur 346 von rund 170.000 Wehrpflichtigen für den Zivildienst und angeblich sind die Zahlen rückläufig.<ref name="mdz">Kira Frenk: Ein bisschen kürzer wäre nicht schlecht. In: Moskauer Deutsche Zeitung (MDZ), 23. September 2005. (zuletzt abgerufen am 22. März 2007)</ref><ref>DW World (Hrsg.): Zivildienst in Russland: Keine echte Alternative (zuletzt abgerufen am 22. März 2007)</ref> In Russland gilt eine allgemeine Wehrpflicht von 12 Monaten für wehrfähige Männer ab 18 bis maximal 27 Jahren.
Länder mit abgeschafftem oder ausgesetztem Zivildienst
Deutschland
In Deutschland konnte der Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen verweigert werden. Bis zum Jahr 2010 musste das Recht auf Wehrdienstverweigerung unter Darlegung der Gewissensgründe beantragt werden. Wurde der Antrag angenommen, was seit den 1980er Jahren die Regel war, musste man als Ersatz für den Wehrdienst den Zivildienst leisten. Dieser Ersatzdienst dauerte anfänglich mit bis zu 20 Monaten meist länger als der Grundwehrdienst, da die Reserveübungen von Wehrdienstleistenden entfielen; vor der Aussetzung der Wehrpflicht dauerte der Zivildienst ebenso wie dieser nur noch 6 Monate. Zivildienstleistende wurden in der Regel für Tätigkeiten im sozialen Bereich eingesetzt, wie etwa in Krankenhäusern, Jugendhäusern, Altenheimen, im Rettungsdienst bzw. Krankentransport sowie in der Behindertenbetreuung. Sie leisteten Pflege- und Fahrdienste sowie Betreuung. Bis zum Jahr 2010 verweigerten viele 10.000 Männer jährlich den Wehrdienst. Die Zahl stieg dabei im Laufe der Jahrzehnte deutlich an. Während dies 1968 noch knapp 12.000 waren, lag die Zahl der Wehrdienstverweigerer 1990 bei 74.569.<ref>KRIEGSDIENSTVERWEIGERUNG UND ZIVILDIENST IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND auf mgfa-potsdam.de, abgerufen am 3. Dezember 2015</ref> Der Jahresdurchschnitt lag bis 2010 bei 62.000 Männern.<ref>1. Juli: Bundesfreiwilligendienst löst Zivildienst ab auf bpb.de, abgerufen am 3. Dezember 2015</ref> Wegen der Aussetzung des Wehrdienstes zum 1. Juli 2011 wurden ab Oktober 2010 Zivildienstleistende nur noch auf eigenen Wunsch einberufen. Diese freiwillige Art der Einberufung war nur bis zum 1. Juli 2011 möglich, sodass auch bei freiwillig längerer Dienstverpflichtung die letzten Zivildienstverhältnisse am 31. Dezember 2011 endeten. Als Ersatz für den ausgesetzten Zivildienst wurde 2011 der Bundesfreiwilligendienst (BFD) eingeführt, der alle bestehenden Freiwilligendienste ergänzt.
Italien
In Italien wurde der Zivildienst im Jahr 1972 eingeführt. Die Zivildienstzeit war nach der damaligen gesetzlichen Regelung acht Monate länger als die Militärdienstzeit. Dies und die strengen Prüfungen der vorgebrachten Gewissensgründe bewirkten, dass sich die Zahl der Wehrdienstverweigerer auf einem sehr geringen Niveau bewegte. 1989 erklärte das italienische Verfassungsgericht einige Teile der bisherigen rechtlichen Regelung für verfassungswidrig. In den Jahren danach stieg die Zahl der Zivildienstleistenden sprunghaft an und übertraf schließlich die der Wehrdienstleistenden. 1998 trat nach langer Diskussion ein zeitgemäßeres Gesetz über den Zivildienst in Kraft, das auch den inzwischen allgemein anerkannten Leistungen der Zivildienstleistenden für die Gesellschaft Rechnung trug. Im Jahr 2005 wurde in Italien die Wehrpflicht (und damit auch die Ersatzdienstpflicht) ausgesetzt und zugleich für Männer und Frauen die Möglichkeit eingeführt, einen freiwilligen einjährigen Wehrdienst in der italienischen Armee abzuleisten. Auch das italienische Zivildienstamt<ref>Italienisches Zivildienstamt</ref> bietet einen freiwilligen einjährigen Zivildienst an, der bei besonderem Bedarf auch im Ausland durchgeführt werden kann. Für den Zivildienst können sich junge Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren bewerben. 2009 waren zwei Drittel der Zivildienstleistenden Frauen. Jährlich stehen in der Regel nicht mehr als 50.000 Stellen zur Verfügung.
Schweden
In Schweden gab es schon in den 1920er-Jahren waffenfreie Dienste. Ab 1995 gab es die sogenannte Totalförsvarsplikt, die sowohl waffenfreie Dienste (Civilplikt) wie auch bewaffnete Dienste (Värnplikt) beinhalteten. Man hatte das Recht, einen waffenfreien Dienst abzuleisten, wenn man der Überzeugung war, keine Waffe gegen einen anderen Menschen anwenden zu können. Die dann erfolgende Zuteilung zur Civilplikt (Zivilpflicht) bedeutete aber nicht notwendigerweise einen sozialen Dienst, sondern konnte auch eine Ausbildung für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur (Wasser, Strom etc.) im Kriegsfall bedeuten, d. h. operative und Reparaturtätigkeiten.
In der Vergangenheit wurden die waffenfreie Dienste daher u. a. beim Rettungsdienst, Flugplatzfeuerwehren und der Eisenbahn durchgeführt. Vor der Aussetzung der Wehr- und Zivildienstpflicht gab es allerdings nur noch drei Ausbildungen im Rahmen der Civilplikt, die alle bei Svenska Kraftnät, dem Betreiber des schwedischen Stromnetzes, stattfanden.
In der Realität spielte der Zivildienst in Schweden aber nur eine untergeordnete Rolle. Schon aus Kostengründen wurden nicht alle Männer zur Musterung einberufen, wobei die Auswahl nach einem Vortest getroffen wurde, in dem auch die Motivation zum Wehrdienst abgefragt wurde. Über 90 % derer, die zur Musterung einberufen wurden, haben Interesse am Wehrdienst geäußert und waren damit in der Regel keine Kandidaten für einen waffenfreien Dienst. Die Beantragung eines waffenfreien Diensts war daher vielfach gar nicht notwendig.
Nur rund ein Viertel der Gemusterten wurde letztendlich auch zum Wehrdienst einberufen, wovon sich dann nur ein Bruchteil für den waffenfreien Dienst entschieden hat. Im Jahr 2006 wurden von 41.720 gemusterten Männern 10.990 Männer zum Wehrdienst und 133 zum waffenfreien Dienst eingezogen. Im Jahr 2010 hat Schweden als erstes neutrales Land die Wehr- und Zivildienstpflicht abgeschafft.
Siehe auch
- Anderer Dienst im Ausland
- Bundesfreiwilligendienst
- Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
- Entwicklungspolitischer Freiwilligendienst
- Freiwilliges Soziales Jahr
- Freiwilliges Ökologisches Jahr
- Kriegsdienstverweigerung
- Pflichtjahr
- Service Civil International
- Soziales Pflichtjahr
- Totalverweigerer
- Wehrgerechtigkeit
Einzelnachweise
<references />
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