Aberkennung eines akademischen Grades


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Akademische Grade werden durch Hochschulen nicht nur verliehen, sondern können auch in bestimmten Fällen aberkannt werden. Die Kriterien zur Aberkennung eines akademischen Grades, insbesondere die Aberkennung des Doktorgrades, werden in den Studien- und Promotionsordnungen der Universitäten als auch in den Hochschulgesetzen festgelegt.

Eine Aberkennung kann rechtmäßig erfolgen, falls in einer wissenschaftlichen Arbeit zur Erlangung eines akademischen Grades der Bewerber sich einer Täuschung schuldig gemacht hat<ref>Beispiel: Promotionsordnung für die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth vom 27. November 1979 in der Fassung der Fünften Änderungssatzung vom 30. März 2000, Universität Bayreuth (PDF; 62 kB)</ref> (dies ist in der Regel dann ein Plagiat); in seltenen Fällen auch, wenn sich eine Person durch ihr Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat. Unrechtmäßige Aberkennungen können auch aus politischen Gründen erfolgen, wie zahlreiche Fälle aus dem Dritten Reich belegen.

Aberkennung wegen Plagiats

Bei einem wissenschaftlichen Plagiat maßt sich der Bewerber bei der Abschlussarbeit fremde Urheberschaft bewusst an. Ein Wissenschaftsplagiat setzt voraus, dass es sich um Wissenschaft und nicht nur um reine Beobachtungen ohne irgendwelche eigenständigen Wertungen handelt, die – wenngleich nur in besonderen Fachkreisen – von jedermann beobachtet werden können. Laut der deutschen Rechtsprechung muss zu der reinen Beobachtung wenigstens eine „kommentierende Stellungnahme abgegeben“ (Hessischer VGH, 1989)<ref name="vgh-hessen-1989" /> werden, „eine eigene Auseinandersetzung“ (Hessischer VGH, 1989)<ref name="vgh-hessen-1989" /> oder eine „Auswertung“ (VG Berlin, 2009)<ref name="berlin-2009" /> erfolgen. Es müssen „Gedanken und Schlussfolgerungen (...) als eigene ausgegeben“ (VG Darmstadt, 2011)<ref name="Darmstadt-2011" /> werden, es sich um eigene „gedankliche und geistige Leistung“ (VG Frankfurt, 2007)<ref name="frankfurt-2007" />, „Gedankengang“ (VG Frankfurt, 2007)<ref name="frankfurt-2007" /> oder eine „Gedankenführung“ (Hessischer VGH, 1989)<ref name="vgh-hessen-1989" /> handeln, die eine „wissenschaftliche Tiefe“ (VG Berlin, 2009)<ref name="berlin-2009" /> besitzen. So handelt es sich beispielsweise bei der reinen, nicht wertenden Darstellung des Inhaltes eines Gerichtsurteils, Gesetzes, Vertragswerks etc. noch nicht um „Wissenschaft“, da erst eine systematische Zusammenstellung unterschiedlicher Gerichtsurteile und Literaturstimmen in Bezug auf ein Themenkomplex eine geistige Leistung darstellen kann (Hessischer VGH, 1989).<ref name="vgh-hessen-1989" /> Wenn nach diesen Kriterien Wissenschaftsplagiate vorliegen, ist in einem zweiten Schritt ist zu beurteilen, die Verstöße erheblich sind. Hierzu ist zwischen der Qualität und der Quantität möglicher Plagiate zu unterscheiden.

In Österreich kann die Note der Promotion den Plagiator retten. Der Doktorgrad ist nur dann abzuerkennen, wenn „wesentliche Teile“ in Täuschungsabsicht abgeschrieben wurden. Wesentlich bedeutet, dass die Dissertation mit wahrheitsgemäßen Zitatnachweisen den Prüfern weniger originell erschienen und schlechter benotet worden wäre.<ref>http://www.lto.de/recht/studium-referendariat/s/plagiat-oesterreich-handhabung-doktortitel/</ref>

Ein Plagiat kann auch strafrechtliche Konsequenzen auf Veranlassung der ursprünglichen Verfasser nach sich ziehen. Wenn der Grad benutzt wurde, um eine Stellung zu erhalten, die ohne den Grad nicht möglich geworden wäre oder die Urheber klagen, kann die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung strafrechtliche Folgen im öffentlichen Interesse nach sich ziehen.

Zu den Experten für die Feststellung von Plagiaten bei Dissertationen zählt unter anderem der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber.<ref>http://www.zeit.de/studium/hochschule/2011-09/portraet-weber</ref> Er ist Mitbegründer der Initiative Transparente Wissenschaft, auf deren Seite Dissertationen kollaborativ diskutiert werden können.<ref>http://de.antiplagaustria.wikia.com/wiki/Initiative_Transparente_Wissenschaft_Wiki</ref>

Fälle

Aufsehen erregte in den 1970ern der Fall von Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen, des Urenkels von Kaiser Wilhelm II. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entschied 1973, Prinz von Preußen den akademischen Grad des „Dr. phil.“ zu entziehen, der von ihm 1971 erworben worden war.<ref>AFFÄREN – Still behandelt DER SPIEGEL 31/1973. Abgerufen 1. Juli 2011.</ref><ref>Der Hochadel und das wissenschaftliche Arbeiten – Die zwei Dissertationen des Doktor Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen. Peter Mühlbauer, Februar 2011, Website Telepolis. Abgerufen 1. Juli 2011.</ref>

Im Fall des CDU-Politikers Andreas Kasper im Juni 2009 kam es aufgrund besonderen öffentlichen Interesses neben der Aberkennung auch zu strafrechtlichen Konsequenzen in Höhe von 9.000 Euro, wegen weiterer Plagiate noch einmal 10.000 Euro.<ref>Andreas Kasper: Der Absturz eines Überfliegers in: Neue Westfälische vom 8. Juni 2009. Abgerufen am 6. Juli 2011.</ref><ref>Noch eine Geldbuße für den Ex-Büroleiter in: Hessische/Niedersächsische Allgemeine vom 28. Juni 2010. Abgerufen am 6. Juli 2011.</ref>

Im Februar 2011 begann die Guttenberg-Affäre. Die Internetplattform GuttenPlag Wiki hatte eine Untersuchung der Doktorarbeit des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angestoßen. Zu Guttenberg trat im März 2011 von seinen Ämtern zurück, die Uni Bayreuth erkannte ihm im Mai 2011 den Grad ab.<ref>Uni Bayreuth erkennt Guttenberg Doktortitel ab in: Die Zeit vom 24. Februar 2011. Abgerufen am 6. Juli 2011.</ref> Ferner kam es zu einer Geldstrafe.

In den darauffolgenden Monaten wurden im Internet weitere Doktorarbeiten vor allem von Politikern auf der Plattform VroniPlag Wiki auf Plagiate untersucht. Dies führte beispielsweise zur Aberkennung der Doktorgrad des FDP-Bundestagsabgeordneten Georgios Chatzimarkakis,<ref>Wissenschaftliches Fehlverhalten – Philosophische Fakultät entzieht Georgios Chatzimarkakis den Doktorgrad. Universität Bonn, 13. Juli 2011, abgerufen am 13. Juli 2011.</ref><ref>http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/jorgo-chatzimarkakis-bleibt-ohne-doktortitel-a-1025388.html</ref> der FDP-Europaabgeordneten und ehemaligen Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Silvana Koch-Mehrin<ref>Silvana Koch-Mehrin – Universität Heidelberg beschließt die Entziehung des Doktorgrades. Universität Heidelberg, 15. Juni 2011, abgerufen am 15. Juni 2011.</ref> und des CDU-Politikers Matthias Pröfrock.<ref>Universität Tübingen entzieht Matthias Christoph Pröfrock den Doktorgrad: Pressemitteilung der Dekanin Prof. Dr. Barbara Remmert, Eberhard-Karls-Universität Tübingen. (online, abgerufen 11. Juli 2011)</ref><ref>Eine kritische Auseinandersetzung mit der Dissertation von Matthias Pröfrock: Energieversorgungssicherheit im Recht der Europäischen Union/ Europäischen Gemeinschaften Website VroniPlag – Dissertation Matthias Pröfrock. Abgerufen 13. Juli 2011.</ref><ref>Pröfrock ist seinen Doktortitel los. Stuttgarter Zeitung, 6. Juli 2011, abgerufen am 6. Juli 2011.</ref> Weitere Fälle sind Bijan Djir-Sarai (FDP) und Margarita Mathiopoulos (FDP), die vor dem Verwaltungsgericht Köln<ref>Cicero (online)</ref> und bei der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht NRW in Münster <ref>http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/plagiatsfall-doktorarbeit-mathiopoulos-scheitert-mit-berufung-a-1067172.html</ref> unterlag.

Im Februar 2013 war die damalige Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU) betroffen.<ref>Eilmeldung Aberkennung des Doktortitels Frankfurter Allgemeine</ref><ref>Eilmeldung Aberkennung des Doktortitels Kölner-Stadt-Anzeiger</ref><ref>Pressemitteilung der Heinrich Heine Universität Düsseldorf</ref> Im Februar 2015 wurde dem hessischen Staatssekretär Wolfgang Dippel (CDU) der Doktorgrad aberkannt.<ref>http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/plagiatsvorwurf-staatsekretaer-wolfgang-dippel-verliert-doktortitel-a-1018901.html</ref>

Aberkennung wegen Nichterfüllung „wissenschaftlicher Mindeststandards“

Im Mai 2011 wurden Vorwürfe gegen Gundolf Keil laut, nach denen er an der Universität Würzburg eine „universitäre Doktorfabrik“ betrieben habe.<ref>Universität Würzburg: Promotionsskandal Bizarr dünne Arbeiten, „stramm rechter“ Professor. In: Süddeutsche Zeitung, 1. Juni 2011 (online)</ref> Die Universität Würzburg leitete eine Überprüfung der von Keil betreuten Dissertationen ein und stellte in Aussicht, Doktorgrade abzuerkennen, weil sie „wissenschaftliche Mindeststandards“ nicht erfüllten.<ref>Entziehung des Doktortitels Ramschware Dr. med.. In: FAZ, 26. Oktober 2011 (online)</ref> Im November 2012 wurden in zwei Fällen Doktorgrade entzogen.<ref name="zeit2012">Daniel Müller: Würzburger Doktorfabrik. Ein Professor für Medizingeschichte soll über Jahre hinweg Dissertationen gegen Spenden selbst verfasst haben. In: Die Zeit, Nr. 47, 15. November 2012 (online)</ref><ref>Uni nimmt zwei Doktoren Titel ab. 20 Arbeiten in der Medizin unter Plagiatsverdacht – Anwalt fordert Unterlassung. In: Mainpost, 7. November 2012(online)</ref><ref>Plagiatsaffäre zieht weiter Kreise - Zwei Doktoren sollen nun ihren Titel verlieren. In: Südwest Presse, 9. November 2012 (online)</ref>

Aberkennung auf Grund unwürdigen Verhaltens

Insbesondere der Doktorgrad kann auch durch Fehlverhalten nach der Verleihung wieder entzogen werden.

Die rechtlichen Hürden für eine derartige Aberkennung sind jedoch durch die aktuelle Rechtsprechung ausgesprochen hoch; als exemplarisch gilt der Fall Jan Hendrik Schön: Dieser wurde 1998 an der Universität Konstanz promoviert.<ref>Presseinformation Nr. 163 Universität Konstanz (online)</ref> In seinen späteren Publikationen wurden Schön wiederholt Manipulationen nachgewiesen; 2004 versuchte daraufhin die Universität Konstanz den Doktorgrad zu entziehen.<ref>Fälschungsskandal: Physiker wird Titel aberkannt. In: ORF (online)</ref> Schön legte Widerspruch ein. Im September 2010 entschied das Verwaltungsgericht Freiburg, Schön dürfe den Grad weiterhin führen, da die Begründung der Universität für eine solche Maßnahme nicht ausreiche.<ref>Streit um Doktortitel. In: Die Welt, Online, 29. September 2010 (online)</ref> Die Universität ging daraufhin in Berufung; der Verwaltungsgerichtshof Mannheim stellte dabei fest, dass im „Interesse einer funktionstüchtigen Wissenschaft“ die Aberkennung zu Recht erfolgt sei.<ref>Ex-Spitzenforscher bleibt „unwürdig“ für Doktortitel. In: Spiegel online, 14. September 2011 (online)</ref> Das Urteil wurde vom Bundesverfassungsgericht 2014 bestätigt.<ref>http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/jan-hendrik-schoen-verliert-doktortitel-wegen-unwuerdigkeit-a-994852.html</ref>

In Nordrhein-Westfalen blieb das Gesetz über die Führung akademischer Grade aus dem Jahr 1939 bis 1987 in Kraft, aufgrund dessen der Grad entzogen werden kann, wenn sich der Inhaber durch „späteres Verhalten der Führung eines akademischen Grades unwürdig erwiesen hat“.<ref>http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/doktortitel-wie-die-ehre-verloren-geht-a-662557.html</ref>

Aberkennung aus rassischen oder politischen Gründen und Wiederverleihungen

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde mehr als 2000 jüdischen Akademikern der Doktortitel aberkannt.<ref name="gelsenzentrum">Gelsenzentrum (online)</ref> Deren Rehabilitierung ist noch nicht abgeschlossen. Einige Hochschulen haben die Betroffenen rehabilitiert, darunter Hamburg 1991, Frankfurt am Main 1995, die Universität Bonn 1998, die Humboldt-Universität Berlin, Münster 2000, Marburg 2002, Gießen 2006.<ref name="gelsenzentrum" />

Die Zahl der Depromotionen an der Universität Leipzig umfasste mindestens 73 Betroffene in der Zeit von 1933 bis 1944, wie Burkhard Boemke in einer Feierstunde am 30. April 2007 zur Aufhebung erklärte.<ref>Unwirksamkeit der Aberkennung von Doktorgraden 1933–1945 Rede des Dekans der Juristenfakultät der Universität Leipzig Prof. Dr. Burkhard Boemke am 30. April 2007 anlässlich der Feierstunde zur Aufhebung der Aberkennung von Promotionen jüdischer Akademiker durch die Juristischen Fakultät der Universität Leipzig von 1933 bis 1945 im Rahmen der 17. Jahrestagung der DIJV/IDJV im Bundesverwaltungsgericht Leipzig. Universität Leipzig, 2007 (online; PDF; 51 kB)</ref>

Die Universität Würzburg erkannte zwischen 1933 bis 1945 insgesamt 184 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Doktorwürde ab. Vor allem Wissenschaftler jüdischer Herkunft sollten damit herabgewürdigt werden. In Einzelfällen wurde die Aberkennung auf Antrag der Betroffenen nach der Zeit des Nationalsozialismus widerrufen. Nach einer länger andauernden Aufarbeitung dieser Depromotionen durch eine Kommission im Jahr 2010 hat die Universität alle Betroffenen, zu einem großen Teil posthum, in einem Festakt am 30. Mai 2011 wieder in ihre akademische Würden eingesetzt.<ref>Die geraubte Würde. (online)</ref><ref>Titel-Raub der Nazis: „Es war die absolute Perversion“. In: Der Spiegel, 31. Mai 2011 (online)</ref>

An der Universität Wien setzte sich das Projekt „Akademische ‚Würde‘ – Aberkennungen und Wiederverleihungen akademischer Grade an der Universität Wien“ mit den Aberkennungen und Wiederverleihungen akademischer Grade zwischen 1845 und 2005 auseinander. Es ging aus einer Studie hervor, die sich 2003 bis 2004 mit der „Nichtigerklärung von Aberkennungen“ aus der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt hatte. Im Rahmen einer Gedenkveranstaltung an der Universität Wien im März 2004 wurden 31 Aberkennungen aus der Zeit des Nationalsozialismus für nichtig erklärt: etwa die von Otto Abeles, Bruno Bettelheim, Paul Stefan, Otto Stern und Stefan Zweig.<ref>Herbert Posch: Akademische ‚Würde’ – Aberkennungen und Wiederverleihungen akademischer Grade an der Universität Wien. Abstract. Universität Wien, o.J. (online; PDF; 135 kB)</ref>

Aberkennung in der Zeit des Nationalsozialismus wegen Verurteilung in einem Strafverfahren

Nach einer Verurteilung in einem Strafverfahren oder wenn einem Universitätsabsolventen vom Gericht die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt wurden, konnte die in Kenntnis gesetzte Universität auch die Universitätsdiplome entziehen. Insbesondere für die Zeit nach 1933 ist es im Nachhinein schwer feststellbar, in welchen Fällen unter den degradierten Akademikern auch gewissenlose Ärzte, Brandstifter, Sexualstraftäter und Devisenbetrüger waren, oder ob ihre strafrechtliche Verurteilung aus politischen Gründen erfolgte.<ref>Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren, München 2007, S. 112f</ref>

Beispielsweise „die Schwangerschaftsabtreibung war schon vor 1933 ein Straftatbestand, der als hinreichend galt, dem ausführenden Arzt den Doktortitel zu entziehen“.<ref>Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren, München 2007, S. 110</ref> Nach 1933 kam straferschwerend hinzu, dass der Schwangerschaftsabbruch auch der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik widersprach. An der Münchener Universität gab es in der Zeit von 1933 bis 1945 dreizehn Aberkennungen mit dieser Begründung.

Nachdem 1935 der Paragraf 175 RStGB von den Nationalsozialisten grundlegend revidiert worden war, waren nun alle sexuellen Handlungen zwischen Männern, die als „unzüchtig“ gewertet werden konnten, strafbar. In München wurde nach der strafrechtlichen Verurteilung in fünf Fällen der Doktorgrad durch den Universitätsausschuss aberkannt.<ref>Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren, München 2007, S. 111</ref>

Aberkennung auf Wunsch der Inhaber

Frau R. mit einem Doktorat der Universität Wien war Hausfrau und verheiratet mit einem Mann, der als Hauptschullehrer arbeitete und zwar naturwissenschaftlich arbeitete - über Flechten und Moose seiner Region in Oberösterreich - und mit Universitätsprofessoren im Austausch stand, doch keinen akademischen Titel führte. Er litt darunter. Immerhin konnte eherechtlich in Österreich damals ein Mann von seiner Ehefrau verlangen, keinem Beruf nachzugehen. Um ihre Ehe zu retten, beantragte die Akademikerin von ihrer Universität den Titel aberkannt zu bekommen. Die Uni versagte ihr diesen Wunsch nach Einholung eines Rechtsgutachtens der juridischen Fakultät, da keine Rechtsgrundlage für eine solche Aberkennung bestand und mit dem Doktorat auch Pflichten verbunden sind. Als sich die Rechtssituation in den 1960er Jahren änderte, beantragte die Frau die Aberkennung erneut und diese erfolgte dann.<ref>Marlene Nowotny: Ein Blick zurück und hinter die Kulissen. Akademische Kulturen im Wandel, Dimensionen - die Welt der Wissenschaft, Radiosendung Ö1, ORF.at 2. April 2015</ref>

Siehe auch

Literatur

  • Volker Rieble: Das Wissenschaftsplagiat. Vom Versagen eines Systems. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt/Main 2010, ISBN 978-3-465-04101-6.
  • Stefanie Harrecker: Degradierte Doktoren. Die Aberkennung der Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München während der Zeit des Nationalsozialismus (= Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München, Band 2) Utz, München 2007, ISBN 978-3-8316-0691-7. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  • Thomas Henne (Hrsg.): Die Aberkennung von Doktorgraden an der Juristenfakultät der Universität Leipzig 1933 - 1945. Leipzig : Leipziger Univ.-Verlag 2007

Einzelnachweise

<references> <ref name="vgh-hessen-1989">Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20. Juni 1989, Az. 6 UE 2779/88, Juris Rdn. 16 = DVBl. 1989, S. 1277 ff.</ref> <ref name="frankfurt-2007">Verwaltungsgericht Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2007, Aktenzeichen 12 E 2262/05, Juris Rdn. 14 = WissR 2007, S. 448 (online)</ref> <ref name="berlin-2009">Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 25. Juni 2009, Az. 3 A 319.05, Juris Rdn. 42</ref> <ref name="Darmstadt-2011">Verwaltungsgericht Darmstadt, Urteil vom 14. April 2011, Az. 3 K 899/10, Juris Rdn. 38, Urteilsbegründung</ref> </references>