Adhocracy
Adhocracy ist eine Open-Source-Software zur Onlinebeteiligung für Organisationen und Institutionen. Es kann dazu dienen, das theoretische Konzept des direkten Parlamentarismus in die Praxis umzusetzen. Die freie Software wird seit dem Jahr 2009 vom Liquid Democracy e.V. weiterentwickelt.
Adhocracy | |
---|---|
Entwickler | Liquid Democracy e.V. |
Aktuelle Version | Adhocracy 1.1 |
Betriebssystem | unabhängig |
Programmiersprache | Python |
Kategorie | Meinungsbildung und Entscheidungsfindung über das Internet |
Lizenz | AGPLv3 |
Deutschsprachig | ja |
http://liqd.net |
Inhaltsverzeichnis
Funktion
Mit Adhocracy ermöglichen Organisationen und Firmen eingebundenen Personen die Partizipation an Entscheidungsfindungsprozessen mittels eines moderationsfreien Online-Diskurses.
Durch vielfältige Einstellungsmöglichkeiten kann die Software individuell an die Bedürfnisse und Strukturen einer Gruppe (z. B. Parteien, NGOs, Unternehmen oder staatliche Akteure) angepasst werden. Der Diskurs strukturiert sich dabei durch das Nutzerverhalten selbst und erfordert so keine Moderation jenseits des Löschens strafrechtlich relevanter Inhalte. Anders als in Foren können die Diskurse zu Abstimmungen führen, die – je nach Einstellung – zu verbindlichen Entscheidungen oder zu Handlungsempfehlungen führen.
Zusätzlich können sich durch die einmalige Eingabe der aktuellen Beschlusslage einer Organisation - beispielsweise der Satzung, eines Programms oder einer Zukunftsstrategie - als Normenbasis die Abstimmungen immer auf den aktuellen Status Quo der Organisation beziehen. Außerdem ist es möglich, dass Nutzer nach dem Prinzip des "Delegated Voting“ ihre Stimme themenspezifisch an andere Nutzer übertragen. Durch Berechtigungseinstellungen kann der Diskurs sowohl organisationsintern als auch –extern geführt werden.
Etymologie
Der engl. Begriff „adhocracy“ (dt. Adhokratie) leitet sich von lat. „ad hoc“ („aus dem Moment heraus“) und dem griech. „κρατεῖν“ („herrschen") ab. Adhokratie definiert das Gegenteil einer Bürokratie. Erstmals wurde das Wort 1970 von Alvin Toffler verwendet und nachfolgend spezifiziert von Henry Mintzberg in der Managementtheorie etabliert. In Bezug auf die Software soll der Begriff verdeutlichen, dass politische Entscheidungen von sich ad hoc zusammenfindenden Mehrheiten und nicht von auf Zeit gewählten Repräsentanten getroffen werden.
Geschichte
Die erste Version von Adhocracy wurde im Juli 2009 fertiggestellt. Seit Dezember 2009 wird Adhocracy im Liquid Democracy e.V. nach dem Prinzip des direkten Parlamentarismus weiterentwickelt. Im Juni 2010 startete der Mehr Demokratie e.V. die erste offizielle Adhocracy-Instanz für eine offene Strategiedebatte.
Technik
Adhocracy ist in der Programmiersprache Python geschrieben und wird vom Liquid Democracy e. V. weiterentwickelt. Die Software steht unter der AGPLv3-Lizenz.
Anwendung
- Deutscher Bundestag: Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft
- SPD
- Die Partei "Die Linke"
- Landeshauptstadt München: „Munich Open Government Day“ (MOGDy)
- Mehr Demokratie e. V.
- Landesjugendring Niedersachsen
- Tempelhofer Feld<ref>Tempelhofer Feld</ref>
Kritik
Der Politiker und E-Demokratie-Kritiker Stephan Eisel kritisiert, dass die Beteiligung an Onlineabstimmungen generell niedrig sei. Laut Eisel würden lediglich ein Fünftel der über 14-jährigen deutschsprachigen und in Deutschland lebenden Menschen das Internet „für unterschiedliche Aktivitäten im Sinn eines sozialen Netzes nutzen“.<ref name="eisel">Stephan Eisel: Wie Plebiszite im Internet scheitern. 13. Juni 2012, abgerufen am 30. November 2013. </ref>
Als Beispiel nennt Eisel unter anderem die Adhocracy-Plattform der Internet-Enquete-Kommission, auf der nach ihrem Start im Dezember 2011<ref>Axel E. Fischer: Wie Bürgerbeteiligung funktionieren kann. Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, 12. Dezember 2011, abgerufen am 30. November 2013. </ref> ein halbes Jahr später erst 2.881 Mitglieder angemeldet waren.<ref name="eisel"/> Bis zur Abschaltung der Registrierung am Ende der Enquete-Kommission im April 2013<ref>Axel E. Fischer: Die Zukunft hat begonnen. Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, 19. April 2013, abgerufen am 30. November 2013. </ref> wuchs die Mitgliederzahl auf 12.579 an.<ref>EnqueteBeteiligung. Liquid Democracy e.V., abgerufen am 30. November 2013. </ref> In einem Interview sagte Frederik Wegener vom Liquid Democracy e. V., dass die Plattform von der Politik „nur halb gewollt war“ und daher keine Werbung dafür gemacht wurde, was ein großes Problem darstellte.<ref>Merlin Münch: Interview mit Frederik Wegener über Adhocracy, offene Strukturen und erfolgreiche Teilhabe. Bundeszentrale für politische Bildung, 27. November 2013, abgerufen am 30. November 2013. </ref>
Ähnliche Systeme
Weblinks
Einzelnachweise
<references/>