Antikes Griechenland
Die Geschichte des antiken Griechenlands, das die Entwicklung der europäischen Zivilisation maßgeblich mitgeprägt hat, umfasst etwa den Zeitraum vom 8. Jahrhundert v. Chr. (u. a. Entstehung der homerischen Epen) bis 146 v. Chr. (Integration Griechenlands ins Römische Reich mit Fortdauer bis in die Spätantike).
Auf das Ende der mykenischen Palastzeit folgten die sogenannten „dunklen Jahrhunderte“ (ca. 1200 bis 800 v. Chr.), bevor das archaische Zeitalter begann (ca. 800–500 v. Chr.). In der archaischen Zeit etablierte sich das Polissystem und es kam zur griechischen Kolonisation des Mittelmeerraums. Die folgende klassische Periode (ca. 500–336 v. Chr.) war eine Zeit großer kultureller Entfaltung, die ein Fundament für das Abendland legte. Dabei wurden auch zentrale politische Begriffe geprägt, beispielsweise im Zusammenhang mit der Entwicklung der attischen Demokratie.<ref>Im politischen Bereich entstanden neue Denkweisen, für die die Entdeckung des Politischen und eines Könnens-Bewußtseins durch die Griechen charakteristisch sind. Vgl. Christian Meier: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen. Frankfurt am Main 1980 (zum „Könnens-Bewußtsein“ ebd. S. 435 ff.).</ref> Zu den Leistungen der antiken griechischen Kultur zählen, um nur einige Beispiele zu nennen: architektonische Monumente wie auf der Athener Akropolis, bedeutende Skulpturen, zentrale Werke der Dichtkunst (wie die Ilias und die Odyssee), die Philosophie der Antike und bedeutende prosaische Geschichtswerke (beginnend mit Herodot und Thukydides, die spätere Geschichtsschreiber noch in Byzanz beeinflussten), außerdem maßgebliche Erkenntnisse auf dem Gebiet der Mathematik, der Physik und Formen friedlichen sportlichen Wettstreits wie die Olympischen Spiele.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Griechenland in der archaischen Zeit (ca. 800–500 v. Chr.)
- 2 Griechenland in klassischer Zeit (um 500–336/323 v. Chr.)
- 2.1 Demografie
- 2.2 Städtebau
- 2.3 Wirtschaft
- 2.4 Gesellschaft
- 2.5 Die griechische Geschichtsschreibung
- 2.6 Die athenische Demokratie
- 2.7 Geschichte
- 2.7.1 Ionischer Aufstand, Perserkriege und Athens Entwicklung zur Demokratie
- 2.7.2 Athen zur Zeit der Attischen Demokratie
- 2.7.3 Machtkämpfe zwischen Perserkriegen und Peloponnesischem Krieg
- 2.7.4 Der Peloponnesische Krieg
- 2.7.5 Thebens Aufstieg und Kampf mit Sparta um die Hegemonie
- 2.7.6 Aufstieg Makedoniens
- 3 Griechenland in hellenistischer Zeit (336–30 v. Chr.)
- 4 Teil des Römischen Reiches bis zum Ausgang der Antike
- 5 Siehe auch
- 6 Literatur
- 7 Weblinks
- 8 Anmerkungen
Griechenland in der archaischen Zeit (ca. 800–500 v. Chr.)
Homer und Hesiod
Die archaische Zeit brachte in vielerlei Hinsicht Grundlagen für die klassische Zeit des antiken Griechenlands hervor. Am Anfang standen nach dem „Dunklen Zeitalter“ die als frühes Bindeglied der Hellenen so wichtigen homerischen Epen, die Ilias und die (etwas später entstandene) Odyssee, die wohl um 700 v. Chr. in schriftlicher Form niedergelegt wurden (Zeitpunkt in der Forschung umstritten, siehe homerische Frage). Ebenso entstanden die für Mythologie und Weltanschauung bedeutsamen Dichtungen des Hesiod. Diese Werke bildeten in der Folgezeit einen wichtigen Kanon der antiken griechischen Kultur.
Die Polis
In dieser Zeit formierte sich in Griechenland ein neues Staatensystem, dessen Ausbildung möglicherweise schon im 12. Jahrhundert v. Chr. - eventuell reichen die Wurzeln des Begriffs sogar bis in frühmykenischer Zeit zurück<ref>Sigrid Deger-Jalkotzy: Mykenische Herrschaftsformen ohne Paläste und die griechische Polis., Aegaeum 12-2, 1995, S. 367-377 (online)</ref> -, spätestens aber in geometrischer Zeit (etwa 900–700 v. Chr.) beginnt: Die Polis (Stadtstaat) wurde die beherrschende Staatsform (außer in Teilen Nordgriechenlands und Teilen der Peloponnes). Der Adel, der zunächst noch kein Geburtsadel war, gewann an Einfluss, gleichzeitig wurde dadurch bedingt die Königsherrschaft immer mehr zurückgedrängt und verschwand größtenteils. So traten unter anderem verstärkt Oligarchien auf, während in anderen Stadtstaaten die Bevölkerung stärker an der Regierung beteiligt war. Die entwickelte Demokratie (siehe auch Isonomie, das Prinzip der Rechtsgleichheit) wie im Falle Athens entstand jedoch erst in klassischer Zeit. Vollbürger waren in der Polis berechtigt, am politischen Leben teilzunehmen. Der Grad der Mitbestimmung war freilich von Stadt zu Stadt unterschiedlich abgestuft. Oft hatten Poleis nur ein eng begrenztes Umland (Chora). Große Poleis mit weitläufiger Chora, wie Athen und Sparta, waren die Ausnahme. In der Regel verfügte jede Polis über eine Akropolis sowie eine Agora, den Marktplatz, der als wirtschaftliches und politisches Zentrum diente.
Die große Kolonisation
Bereits Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. sollen Griechen an Orte an der kleinasiatischen Küste übergesiedelt sein.<ref>Milet z. B., der Überlieferung nach, die archäologische Stütze durch Funde submykenischer und früh-protogeometriescher Keramik erfährt, 1053 v. Chr. durch Ionier gegründet, vorher jedoch bereits Jahrhunderte mykenisch besiedelt; oder Smyrna (Besiedlung in so früher Zeit jedoch bisher nicht nachgewiesen)</ref> Im Zeitraum von ca. 750–550 v. Chr. kam es dann zur Großen Kolonisation, in deren Verlauf in weiten Teilen des Schwarzmeergebiets und in vielen Gegenden des Mittelmeerraums Tochterstädte gegründet wurden. Hier wurden vor allem in Unteritalien und auf Sizilien – nach Thukydides z. B. 735 v. Chr. Naxos und 730 v. Chr. Syrakus – viele Kolonien gegründet (Magna Graecia). Gründe waren neben Überbevölkerung und der Sicherung von Handelswegen auch innenpolitische Gegensätze und Unruhen innerhalb einer Polis. Dabei ist der Begriff der Kolonisation nicht nach modernen Maßstäben auszulegen. Die neu gegründeten Städte waren unabhängig von der Mutterstadt und die Ansiedlung geschah in der Regel dort, wo mit keinem ernsthaften Widerstand durch Einheimische zu rechnen war.
Die griechische Besiedlung erstreckte sich damit über den gesamten Mittelmeerraum – mit der Ägäis als Zentrum. Ab 700 v. Chr. verstärkte sich der Einfluss orientalischer Elemente auf die Griechische Kunst, wobei zunächst Städte auf Euböa, bald darauf das mächtige Korinth eine wichtige Vermittlerrolle spielten. Die Griechen hatten schon zuvor das Alphabet der Phönizier übernommen und für ihre Zwecke umgestaltet.
In diesem sich weitenden Horizont entstand auch die ionische Philosophie. Zu ihren herausragenden Vertretern zählen u. a. der Naturphilosoph Thales von Milet, der musikverbundene Mathematiker Pythagoras von Samos und der „dunkle“ Dialektiker Heraklit von Ephesos.
Argos und Sparta
Auf dem griechischen Festland rivalisierten währenddessen verschiedene Poleis um eine Vormachtstellung und bekriegten einander oftmals. Auf der Peloponnes war zunächst Argos lange Zeit führend; doch gelang es Sparta, zur führenden Militärmacht Griechenlands zu werden – nach der Eroberung Messeniens in mehreren erbittert geführten Kriegen (bis 640 v. Chr.) sowie auf der Grundlage innerer Reformen. Längst hatte sich das Militärmodell der Hoplitentaktik durchgesetzt. Um 550 v. Chr. gründete Sparta schließlich den Peloponnesischen Bund und zementierte damit seinen Herrschaftsanspruch.
Die Tyrannis
Im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. verbreitete sich die Regierungsform der Tyrannis. Das geschah zunächst in Korinth, wo die Kypseliden um 660 v. Chr. an die Macht kamen und damit die früheste Tyrannis in Griechenland einrichteten, sowie danach in Sikyon und Samos, später auch in Athen. Der Begriff Tyrannis stammte aus Kleinasien und bezeichnete zunächst ohne Wertung eine Alleinherrschaft. In der Regel übernahm ein mächtiger Aristokrat die Führung innerhalb einer Polis, sicherte seine Macht militärisch ab und suchte zudem Unterstützung bei anderen Tyrannen. Es bestand also keine rechtliche Grundlage, sondern eine rein machtpolitische. Auch im westlichen Mittelmeerbereich kamen in späterer Zeit Tyrannen an die Macht, wobei die Entwicklung auf Sizilien recht spektakulär verlief (siehe Gelon, Agathokles). Im griechischen Kernland stellte sich aber vor allem Sparta dieser Regierungsform entgegen und bekämpfte sie energisch.
Gemeinschaftsstiftende Faktoren
Die antike griechische Welt kannte kein „Nationalgefühl“. Jede Polis, mochte sie noch so klein sein, wachte streng über die eigene Autonomie und war nicht bereit, diese freiwillig aufzugeben. Dadurch bedingt war der Krieg im antiken Griechenland eher der Normalzustand (siehe die Kämpfe zwischen Sparta und Argos oder zwischen Athen und Ägina).
Großereignisse, zu denen Griechen aus den verschiedenen Poleis zusammenströmten und bei denen sie ihr Zusammengehörigkeitsbewusstsein zum Ausdruck brachten, gab es vor allem in Gestalt der Panhellenischen Spiele, deren berühmteste die Olympischen Spiele waren. Hieran nahmen beispielsweise auch Griechen aus Unteritalien teil. Von ähnlicher panhellenischer Bedeutung war außerdem das Orakel von Delphi.
Von grundlegender gemeinschaftsstiftender Wirkung war aber vor allem der aus den homerischen Epen bekannte Götterkanon, auf den sich in archaischer Zeit die ersten Tempelbauten bezogen. Die antiken griechischen Poleis waren stark religiös geprägt. Zwar handelte es sich um keine Buchreligion – die Religion wurde durch Mythen und Heroengeschichten bestimmt –, doch wurden fast alle öffentlichen und privaten Handlungen von Anrufungen an die Götter begleitet.
Ein gewisses Gemeinschaftsgefühl, das auch politisch zum Ausdruck kam, entwickelte sich erst am Vorabend der Perserkriege. 510 v. Chr. wurde die Tyrannis in Athen endgültig beseitigt. Bereits zuvor war Athen zur Vormacht in Attika geworden; Theben strebte später die Vormachtstellung in Böotien an, während die bedeutendste Macht in Griechenland noch Sparta war. In Kleinasien kam es schließlich zum Ionischen Aufstand (500–494 v. Chr.), einem Ereignis, das Weltgeschichte schreiben sollte.
Griechenland in klassischer Zeit (um 500–336/323 v. Chr.)
Demografie
Was die Größe der Bevölkerung betrifft, gibt es nur äußerst grobe Schätzungsversuche. Für den Zeitpunkt, an dem die Bevölkerungszahl ihren Höhepunkt erreichte, schätzt man für das gesamte antike Griechenland 4 Millionen Menschen (davon 2 Millionen in den Kolonien).<ref>Scheidel: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World. Cambridge University Press, 2007, S. 44.</ref> Die Polis Athen erstreckte sich über ganz Attika auf 2600 Quadratkilometer und hatte im Jahr 435 v. Chr. grob geschätzte 250.000 bis 300.000 Einwohner (darunter 100.000 Sklaven und 60.000 männliche erwachsene Bürger), im Jahr 325 v. Chr. nur noch etwa 150.000 bis 250.000 Personen (darunter 50.000 Sklaven und 20.000 männliche erwachsene Bürger).<ref>Scheidel: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World. Cambridge University Press, 2007, S. 45. Rachel Sargent gibt für das 5. und 4. Jh. v. Chr. eine Zahl von 100.000 bis 150.000 Freien in Athen an (Rachel L. Sargent: The size of slave population at Athens during fifth and fourth centuries before Christ, Greenwood Press, Westport, 1924, S. 114), Der Neue Pauly spricht von 21.000 bis 30.000 erwachsenen männlichen Bürgern im 4. Jh. v. Chr. in Athen (Wiesehöfer in: Der Neue Pauly: Artikel „Bevölkerung, Bevölkerungsgeschichte“).</ref> Die Region Attika hatte die höchste Bevölkerungsdichte Griechenlands, nämlich zwischen 45 und 80 Einwohner pro Quadratkilometer<ref>Scheidel: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World. Cambridge University Press, 2007, S. 46.</ref> (im Jahr 2005 waren es 3812). Insgesamt kann man von ca. 1000<ref>Scheidel: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World. Cambridge University Press, 2007, S. 75. In der Geschichte der Antike wird geschätzt, dass es über 800 Poleis gab; vgl. Funke in: Geschichte der Antike (2000), S. 98.</ref> griechischen Poleis im Mittelmeerraum und am Schwarzen Meer ausgehen, von denen weniger als die Hälfte mehr als 2000 Einwohner hatte und nur 15 % mehr als 5000.<ref>Scheidel: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World. Cambridge University Press, 2007, S. 77.</ref>
Die Lebenserwartung war sehr niedrig. Nur knapp über 50 % aller Menschen überlebten ihr 5. Lebensjahr, nur ca. 40 % wurden mindestens 30 Jahre alt und nur knapp über 20 % starben mit 50 oder mehr Jahren. Das 75. Lebensjahr erreichten nur mehr unter 5 % aller Menschen.<ref>Scheidel: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World. Cambridge University Press, 2007, S. 40.</ref> Die hohe Sterblichkeit vor allem unter den Jungen ging Hand in Hand mit einer hohen Geburtsrate. Es wird geschätzt, dass jede Frau ca. 5,5 Kinder zur Welt gebracht haben muss.<ref>Scheidel: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World. Cambridge University Press, 2007, S. 41.</ref>
Städtebau
Zwar waren die Poleis untereinander sehr verschieden, einiges hatten aber alle gemeinsam. Zu fast jeder der ca. 1000 Polis gehörte erstens eine von einer Stadtmauer umgebene Stadt und zweitens ein landwirtschaftlich geprägtes Umland (die chora). Innerhalb der Stadtmauer mit ihren Toren und Türmen gab es Straßen, Häuser und meist auch größere Tempel. Der wohl wichtigste und zentrale Platz dürfte die Agora gewesen sein. Die Agora war ein öffentlicher Platz, auf dem in den demokratischen Poleis auch die politischen Versammlungen und Abstimmungen stattfanden. Direkt an der Agora befanden sich meist auch wichtige öffentliche Gebäude, wie das Rathaus (Buleuterion) und das Prytaneion.
Wirtschaft
Die antike griechische Gesellschaft war keine wohlhabende Gesellschaft. Die meisten Menschen lebten vermutlich in Armut oder knapp darüber.<ref>Zum Beispiel Hahn in: Der Neue Pauly: Artikel „Armut“.</ref> Darüber hinaus wurde das Wenige, das über das Selbstversorgungsniveau erwirtschaftet werden konnte, nicht selten von gesellschaftlichen Eliten konsumiert statt investiert.<ref>Scheidel: The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World. Cambridge University Press, 2007, S. 62.</ref>
Landwirtschaft
Die antike Gesellschaft war unumstritten eine Agrargesellschaft.<ref>Zum Beispiel Gehrke (1986), S. 18.</ref> Man schätzt die Bauern auf 67 %<ref name=Pauly>Alonso-Núñez in Der Neue Pauly (1996–2007): Artikel „Wirtschaft“.</ref> bis 80 %<ref>Funke in Geschichte der Antike (2000), S. 140 und Der Neue Pauly (1996–2007): Artikel „Arbeit“ und Gehrke (1986), S. 18.</ref> aller Erwerbstätigen. Es besteht ein breiter Konsens, dass die Technik allgemein, also auch die landwirtschaftliche, während der klassischen Periode auf einem niedrigen Niveau war und das – trotz leichter Fortschritte – auch blieb.<ref>Zum Beispiel die Landwirtschaft betreffend: Lexikon der Antike (1990): Artikel „Landwirtschaft“.</ref> Die Landwirtschaft war kleinteilig organisiert, das gilt sowohl für die Landparzellierung wie auch für die Betriebsstruktur. So gab es hauptsächlich Kleinbauern mit kleinen Äckern und – im Gegensatz zur römischen Antike – nur sehr selten Großgrundbesitzer. Die Kleinbauern waren Selbständige (auturgoi), die meist kaum mehr erwirtschafteten, als sie selbst verbrauchten (Subsistenzwirtschaft), die wenigen Großgrundbesitzer waren Aristokraten, die oft in Städten lebten und ihre Güter von Aufsehern verwalten ließen.<ref>Lexikon der Antike (1990): Artikel „Landwirtschaft“ und Funke in Geschichte der Antike (2000), S. 140 und Gehrke (1988), S. 23.</ref> Aufgrund der angeführten Faktoren, zu denen noch die relativ schlechten geographisch-klimatischen Bedingungen für die Landwirtschaft kommen, ist anzunehmen, dass die landwirtschaftlichen Erträge vor allem mit anstrengender körperlicher Tätigkeit erwirtschaftet wurden. Dazu zählte die Kultivierung des Bodens, die Weinlese, die Ernte des Getreides und die der Oliven.<ref>Gehrke (1988), S. 21</ref>
Handwerk, Bauwesen und Bergbau
Bis auf Schmiede, Töpfer und ähnliche Hersteller von erstens nachgefragten und zweitens Spezialisierung erfordernden Produkten waren Handwerker hauptsächlich in den Städten angesiedelt. Wie die Landwirtschaft bestanden auch das Bauwesen und vor allem das Handwerk aus vielen kleinen und selbständigen Betrieben, die kaum technische Neuerungen hervorbrachten und nur selten über den lokalen Bedarf hinaus produzierten.<ref name=Pauly /> Größere Arbeitsstätten kamen selten vor, noch seltener waren Unternehmer, die von Einkünften aus Manufakturen leben und vielleicht auch noch ein Vermögen anlegen konnten.<ref>Burford-Cooper in Der Neue Pauly (1996–2007): Artikel „Handwerk“ und Funke in Geschichte der Antike (2000), S. 141 f.</ref> Der Bergbau (in Attika vor allem Silber und Eisen) nimmt in mancherlei Hinsicht (Massensklaverei, Masseneinsatz von Arbeitskräften) eine Sonderstellung ein.
Handel und Finanzwesen
Aus der Tatsache, dass im dominierenden Wirtschaftszweig, der Landwirtschaft, kaum Überschüsse erwirtschaftet wurden (Subsistenzwirtschaft), ergibt sich schon, dass der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten ebenfalls beschränkt blieb. Diese wurden auf lokalen Märkten verkauft und nur selten über weitere Strecken transportiert. Eine Ausnahme bildete der wegen der geografisch-klimatischen Verhältnisse Attikas notwendige ständige Getreideimport Athens (aus Sizilien, Ägypten und dem Schwarzmeergebiet), der zum Beispiel über den Silberabbau in den Bergwerken bei Laureion finanziert wurde. Über weite Strecken gehandelt wurden neben Getreide, Edelmetallen und anderen Rohstoffen auch seltene oder wertvolle Güter wie Wein, Gewürze, Olivenöl und Vasen.<ref>Funke in Geschichte der Antike (2000), S. 144.</ref> Fernhandel wurde selten über Land, sondern meist, was um ein Vielfaches billiger war, über das Meer betrieben. Groß- und Zwischenhandel gab es höchstens in städtischen Zentren. Mit der Zeit entwickelte sich in Athen ein regelrechtes Handelszentrum. Als Folge daraus und wegen der sogenannten Seedarlehen (verzinste Darlehen, mit denen kostenintensiver Seehandel vorfinanziert wurde) wurde Athen außerdem – soweit man in der Antike von so etwas sprechen kann – zum Bankenzentrum.<ref name=Pauly /> Das Münzwesen entstand im 6. Jh. v. Chr. und breitete sich in den folgenden Jahrhunderten vor allem in den Städten weiter aus.<ref>Funke in Geschichte der Antike (2000), S. 143.</ref>
Gesellschaft
Man nimmt an, dass in etwa zwei bis drei Prozent der Gesamtbevölkerung zur besitzenden Klasse gehörten. Diese bestand aus Großgrundbesitzern, Bergwerkspächtern, Besitzern großer Werkstätten (mit 20-50 Sklaven), Geldverleihern sowie aus Schiffsbesitzern, Haus- oder Wohnungsvermietern und größeren Händlern. Den überwiegenden Teil der Bevölkerung bildete aber eine großteils ärmliche Mittelschicht, die wiederum überwiegend aus Bauern, vor allem aus Kleinbauern bestand. Des Weiteren gehörten ihr Handwerker, kleinere Händler und die Metöken an. Zur „unteren Schicht“ gehörten die Lohnarbeiter (ungelernte Arbeiter auf Baustellen, in Betrieben usw.; Söldner; kleine Besitzer eines Esels, Karrens, Ochsens, Maultiers, Wagens, Kahns usw.) und die Zwangsarbeiter (Sklaven; Leibeigene wie die Heloten in Sparta; Schuldknechte, die aber beispielsweise in Athen per Gesetz verboten waren).<ref>Dieser Abschnitt zur Gesellschaftsstruktur folgt: Geoffrey de Ste. Croix: The Class Struggle in the Ancient Greek World. From the Archaic Age to the Arab Conquests, Duckworth, London 1981.</ref>
Die griechische Geschichtsschreibung
In der Zeit um 500 v. Chr. entwickelte sich die antike griechische Geschichtsschreibung.<ref>Vgl. einführend etwa Otto Lendle: Einführung in die griechische Geschichtsschreibung. Darmstadt 1992; Klaus Meister: Die griechische Geschichtsschreibung. Kohlhammer, Stuttgart 1990.</ref> Impulse gingen sowohl von dem erweiterten geografischen Horizont als auch von der ionischen Philosophie aus. Hekataios von Milet, die sogenannten Logographen sowie die Historien Herodots stehen am Beginn der überaus reichen griechischen Geschichtsschreibung, die bedeutende Prosawerke hervorbrachte und thematisch äußerst vielfältig war. Herodot und Thukydides stellten den Maßstab dar, an dem sich viele folgende antike griechische Geschichtsschreiber bis in die ausgehende Spätantike orientierten. Die von diesen Autoren behandelten Themen reichten etwa von der Universal- und Zeitgeschichte über spezialisierte Schriften (wie die Persika und Indika), historisch-geographischen Werken bis zu Lokalhistorien. Allerdings ist ein Großteil der antiken Literatur und damit auch der griechischen Geschichtsschreibung verloren gegangen und oft nur in Zitaten und Auszügen erhalten (Die Fragmente der griechischen Historiker).
Die athenische Demokratie
Athen war nicht die einzige demokratische Polis. Hier soll die athenische Demokratie also bloß als Beispiel herangezogen werden, da zu ihr deutlich mehr historische Quellen als zu anderen Poleis vorliegen, wodurch ein besseres Gesamtbild möglich wird.<ref>Die auf Athen beschränkte Darstellung griechischer Geschichte bezeichnet Millet als „Athenocentricity“ (Millet 1990, S. 18).</ref> Die wichtigsten Institutionen der demokratischen athenischen Polis waren erstens die regelmäßigen Volksversammlungen der männlichen erwachsenen Bürger, die „gültige, auch die Beamten und die Ratsorgane bindende Beschlüsse“ fasste; zweitens ein oder mehrere Räte mit „festen, in der Regel vorberatenden, geschäftsführenden und kontrollierenden Funktionen“; und drittens permanente Ämter, „mit festen, funktional differenzierten sachlichen Zuständigkeiten, deren Inhaber nach bestimmten Regeln periodisch neu bestellt“ wurden.<ref>K.-J. Hölkeskamp in Geschichte der Antike (2000), S. 65</ref> Dazu kommt als juristische Institution das für die Rechtsprechung zuständige Volksgericht. Diese demokratischen Institutionen wurden in einem Zeitraum von etwa 150 Jahren ständig verbessert, ihre endgültige Gestalt erreichten sie etwa in der Mitte des 5. Jhs. v. Chr.<ref>Zur Eigenwahrnehmung der Athener: „Athenians of the later fifth century and the fourth century had differing views about the beginning of the democracy. Some even traced the origins back to their legendary king Theseus, but for most, Solon, the lawgiver of the late 590s, was a key figure.“ Sinclair (1988), S. 1.</ref>
Volksversammlung
Die Versammlung (ekklesia) war die seit Solon und Kleisthenes ständig weiter entwickelte Hauptinstitution der Demokratie. Teilnahme-, Antrags-, Rede-, und Stimmrecht hatte jeder männliche Bürger nach Vollendung des 18. Lebensjahres.<ref name=Funke148>Funke in Geschichte der Antike (2000), S. 148.</ref> Ihre Kompetenzen waren uneingeschränkt, sie fällte sämtliche Entscheidungen. Die Versammlung war u. a. verantwortlich für die Gesetzgebung, Beschlüsse über Krieg und Frieden, Staatsverträge, alle Fragen der öffentlichen Ordnung und die Wahl: der Strategen, der Schatzmeister, der nicht durch Losentscheid ausgewählten Beamten.<ref name=Funke148 /> Die Tagesordnung war vom Rat festgelegt und die zur Abstimmung kommenden Themen mussten zwingend zuerst von ihm vorbereitet werden. Ein Antrag zur Vorbereitung eines Abstimmungspunktes konnte aber jederzeit von jedem männlichen erwachsenen Bürger eingebracht werden.<ref>Rhodes in Der Neue Pauly. (1996–2007): Artikel „Ekklesia“.</ref> Auch für Einberufung, Ablauf und Leitung der Versammlung war der Rat zuständig. Die Versammlung trat regelmäßig zusammen (seit dem 4. Jh. 40-mal pro Jahr); abgestimmt wurde (zu Beginn durch Lautstärke der Zurufe, dann) durch Handzeichen oder geheim, mit Stimmkarten; eine Mehrheit setzte sich gegen eine Minderheit durch (Mehrheitsprinzip).<ref>K.-J. Hölkeskamp in Geschichte der Antike (2000), S. 69 f.</ref> Die Teilnahme für männliche erwachsene Bürger, die bis zu 70 Kilometer vom Versammlungsort entfernt wohnten, war durch diese geographische Gegebenheit deutlich erschwert, immerhin wurde aber seit ca. 400 v. Chr. ein Tagegeld für alle Teilnehmer gezahlt. Grundlegende Beschlüsse waren an ein Quorum von 6000 Stimmen (ca. 20 % aller Stimmberechtigten) gebunden.<ref name=Funke148 />
Rat
Der Rat (bule), von Solon geschaffen (Rat der Vierhundert) und von Kleisthenes weiterentwickelt (Rat der Fünfhundert), übernahm wichtige Funktionen innerhalb der antiken Demokratie. Seit Kleisthenes waren die männlichen erwachsenen Bürger ganz Attikas proportional ausgewogen vertreten, womit für einen Ausgleich der Interessen der Gesamtbürgerschaft wie auch der verschiedenen Regionen gesorgt war. Die Amtszeit der gewählten Mitglieder (buleutai) des Rats der Fünfhundert betrug 1 Jahr,<ref>E. Stein-Hölkeskamp in Geschichte der Antike. (2000), S. 95</ref> die Hauptaufgabe des im Rathaus (buleuterion) tagenden Rats (bule), war es, die Volksversammlungen vorzubereiten und durchzuführen, welche nur über vom Rat vorbearbeitete Themen (probuleuma) abstimmen durfte.<ref>Lexikon der Antike (1990): Artikel „Bule“.</ref> Innerhalb des Rats war jede Phyle mit einer 50 Mann starken Phylensektion (prytaneia) vertreten. Jede dieser 10 Prytanien leitete für ein Zehntel des Jahres den Rat und die Volksversammlung. Im 4. Jh. v. Chr. wurde diese Leitung allerdings – zur besseren Kontrolle – auf ein Kollegium von 9 Vorsitzenden (prohedroi) aus den gerade nicht geschäftsführenden Prytanien übertragen.<ref>Rhodes in Der Neue Pauly (1996–2007): Artikel „Bule“.</ref> Weitere Aufgaben des Rats waren die Finanzkontrolle und die Überwachung der Beamten. Da der Rat alle männlichen erwachsenen Bürger gleichmäßig vertrat, war es ihm übrigens in manchen Punkten möglich, „quasi stellvertretend für all diejenigen Bürger , Das klassische Griechenland [Davies] und Die hellenistische Welt [Walbank]; sehr empfehlenswert als Einstiegslektüre.)
(Knappe, problemorientierte Darstellung mit Forschungsteil und umfassender Bibliographie.)
(Recht umfassende und aktuelle Gesamtdarstellung, mit einem Schwerpunkt auf der politischen Geschichte.)
Weiterführende Literatur
- Alain Bresson: Making of the ancient Greek economy. Institutions, markets, and growth in the city-states. Princeton University Press, Lawrenceville 2015, ISBN 978-0-691-14470-2.
- Vinzenz Brinkmann (Hrsg.): Zurück zur Klassik. Ein neuer Blick auf das alte Griechenland. Hirmer, München 2013, ISBN 978-3-7774-2008-0.
- Paul Cartledge: Kulturgeschichte Griechenlands in der Antike. Stuttgart 2000.
- Geoffrey de Ste Croix: The Class Struggle in the Ancient Greek World. From the Archaic Age to the Arab Conquests. Duckworth, London 1982, ISBN 0-7156-1701-X (Studie aus marxistischer Perspektive).
- Moses Israel Finley: The Ancient Economy. University of California Press, Berkeley/Los Angeles 1973.
- Hellmut Flashar, Friedrich Ueberweg (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. 4 Bde. Schwabe, Basel 1983–1998.
- Jonathan M. Hall: A History of the Archaic Greek World. Blackwell, Oxford u. a. 2007.
- Simon Hornblower: The Greek world 479–323 BC. 4. Auflage. Routledge, London/New York 2011, ISBN 978-0-415-60292-1.
(Empfehlenswerte Darstellung der klassischen Zeit.) - Simon Hornblower (Hrsg.): Greek Historiography. Oxford 1994.
- Christian Meier: Kultur, um der Freiheit willen: Griechische Anfänge – Anfang Europas? Siedler, München 2009.
- Christian Meier: Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte. Siedler, Berlin 1993.
(Sprachlich hervorragende Darstellung, aber ohne wissenschaftlichen Apparat.) - Christian Meier: Die Entstehung des Politischen bei den Griechen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980.
- Klaus Meister: Die griechische Geschichtsschreibung. Kohlhammer, Stuttgart 1990.
- Robin Osborne: Greece in the Making. Routledge Ancient History, London/New York 1996.
- Thomas Paulsen: Geschichte der griechischen Literatur. Ditzingen 2005.
- Rosa Reuthner: Wer webte Athenes Gewänder? Die Arbeit von Frauen im antiken Griechenland. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-593-38029-2
- Peter J. Rhodes: A History of the Classical Greek World. 478–323 BC. Blackwell, Malden Mass./Oxford 2006.
(Gesamtdarstellung der klassischen Zeit mit hilfreichen Quellenangaben.) - Graham Shipley: The Greek World after Alexander. Routledge, London/New York 2000.
(Mit die beste neuere Überblicksdarstellung bezüglich der hellenistischen Zeit.) - Michael Stahl: Gesellschaft und Staat bei den Griechen. 2 Bde., Paderborn 2003.
(Gut lesbare, problemorientierte Darstellung.) - Lawrence A. Tritle (Hrsg.): The Greek world in the fourth century. From the fall of the Athenian Empire to the successors of Alexander. London u. a. 1997.
- Karl-Wilhelm Welwei: Das klassische Athen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1999.
- Karl-Wilhelm Welwei: Sparta. Klett-Cotta, Stuttgart 2004.
Weblinks
- Perseus – antike Texte in englischer Übersetzung
- Artikel aus der Encyclopædia Britannica 1911 (teilweise veraltet, aber dennoch lesenswert)
- Materialsammlung bei Livius.org
- Gottwein.de
Anmerkungen
<references />