Ilias


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25px Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Ilias (Begriffsklärung) aufgeführt.
Datei:Iliad VIII 245-253 in cod F205, Milan, Biblioteca Ambrosiana, late 5c or early 6c.jpg
Handschrift F 205 der Biblioteca Ambrosiana in Mailand (Ilias Ambrosiana) mit Text und Illustration der Verse 245–253 des achten Buches der Ilias aus dem späten 5. oder frühen 6. Jahrhundert
Datei:Kupferstich von John Flaxman 1793 zur Ilias.jpg
Kupferstich 18,8 x 34,3 cm 1793 nach einer Zeichnung von John Flaxman
Datei:Wrath of Achilles2.jpg
Auf dem Bild La Colère d’Achille („Der Zorn des Achilleus“), mit dem Michel-Martin Drolling 1810 den Prix de Rome gewann, ist der Moment der von Achilleus berufenen Heeresversammlung zu sehen, in dem Athene ihn hindert, gegen Agamemnon und dessen Beleidigung vorzugehen. Es befindet sich heute in der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris.

Die Ilias (griechisch Ἰλιάς Iliás), eines der ältesten schriftlich fixierten Werke Europas, schildert einen Abschnitt des Trojanischen Krieges. Eine zeitliche Einordnung ist schwierig, heutzutage datiert man die Entstehung ins 8. oder 7. Jahrhundert v. Chr. Das Epos umfasst 24 Bücher bzw. Gesänge, wie diese Abschnitte seit der Übersetzung durch Johann Heinrich Voß bezeichnet werden. Die Ilias beruht auf frühgeschichtlichen Mythen und Erzählungen und wird Homer zugeschrieben (zur Verfasserschaft, auch hinsichtlich der Odyssee, siehe homerische Frage). Die Ilias-Darstellung der Olympischen Götter dürfte erheblich zur Entwicklung einer nationalen griechischen Religion beigetragen haben und prägt bis in die Gegenwart die europäische Kunst- und Geisteswissenschaft.

Gegenstand ist der bereits zehn Jahre währende Trojanische Krieg zwischen Troja und der griechischen Allianz der Achaier. Zentrales Thema der Ilias ist der Zorn, der innerhalb ihres nur 51-tägigen Handlungsverlaufs immer weitere Kreise zieht und dabei Heroen wie auch Götter als unentrinnbares Schicksal ereilt. Den Anfang setzen die Entehrung des Gottes Apollon durch den Raub der Chryseïs und seine Rache an den Achaiern. Als schließlich dem Apollon-Priester Chryses die Tochter zurückgegeben wird, fordert Agamemnon, Oberbefehlshaber der Achaier, Ersatz für seine Beute und gerät so in Konflikt mit Achilleus, der sich in der Folge ebenfalls entehrt sieht und sich aus den Kämpfen zurückzieht. Der „Zorn des Achilleus“ wird zur Klammer des Epos, findet zum Ende hin aber eine neue Ursache. So wendet Achilleus im 19. Gesang die endgültige Niederlage der Achaier durch die öffentliche Versöhnung mit Agamemnon und seinen Wiedereintritt ins Kampfgeschehen ab, um dafür nun dem Zorn auf Hektor nachzugeben, der zuvor seinen besten Freund und Kampfgefährten Patroklos getötet hat. Eine Mäßigung findet Achilleus’ Zorn erst im letzten bzw. 24. Gesang, als er Hektors Leichnam nach 12-tägiger Schändung dessen Vater Priamos zur Bestattung überlässt.

Mythischer Ausgangspunkt für den Trojanischen Krieg ist das Urteil des Paris und dessen Entführung von Agamemnons Schwägerin Helena. Beides wird in der Kypria beschrieben. Die Kenntnis darum wird in der Ilias vorausgesetzt und daher nur einmal kurz angedeutet. Von der List des Odysseus (Trojanisches Pferd) und dem Ende des Trojanischen Krieges wird dann nicht in der Ilias, sondern unter anderem in der Iliu persis des sogenannten Epischen Zyklus erzählt.

Die Ilias zählt zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur.

Werktitel

Altgriechisch Ἰλιάς (Iliás) ist eine feminine Adjektivbildung zu Ἴλιος (Ílios), einem Alternativnamen für Troja; es bedeutet also „zu Troja gehörig, mit Troja verbunden, trojanisch“. Substantiviert kann es auch die Landschaft um Troja, die Troas, oder eine aus Troja stammende Frau bezeichnen. Die Verwendung als Titel für das noch heute so genannte Werk findet sich zuerst in Herodots Historien (2, 116). Diesem Gebrauch muss eine (nirgendwo belegte) Verbindung wie Ἰλιὰς ποίησις (Ilias poíesis „die sich mit Troja beschäftigende Dichtung“) vorausgegangen sein.<ref>LSJ, S. 828</ref> Eine syntagmatische Verwendung des Namens findet man vor Herodot schon bei Aischylos, Simonides von Keos und Euripides<ref group="P">Vgl. Ergänzungen mit χώρη „Immer der Beste und den Anderen überlegen sein“), indem er jedes Wagnis im Krieg eingeht, sich tugendhaft verhält oder durch Reden hervortut, und darf dennoch Gefühle zeigen.<ref group="I">Zum Spruch vgl. 11, 783–784; 1, 348–351; 9, 442–443.410–416 (Achilleus entscheidet sich schließlich für den unsterblichen Ruhm); 18, 115–116; 22, 365–366.435–436 u. 24, 3–11.</ref><ref group="P">Vgl. dagegen Hom. Od. 8, 83–86, hier will Odysseus nicht erkannt werden.</ref><ref>Vgl. Seeck (2004) S. 62.</ref><ref>Zur Tugend vgl. Peter Stemmer, Tugend, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 10, Basel 1998, Spalte 1532–1548 u. Snell (1965) S. 31.</ref> Dabei ist er nicht lebensmüde und versucht, dem Tod zu entgehen, indem er den eindeutig stärkeren Gegner meidet und bei einer Siegeschance den Kontrahenten angreift.<ref>Hektor flüchtet vor Achilleus – Hom. Il. 22, 135–136; zum Vergleich von Odysseus’ Flucht vor den Ungeheuern in der Odyssee mit Herakles’ Kämpfen vgl. Seeck (2004) S. 21; vgl. Bröcker (1975) S. 17.</ref> Des Weiteren kann man Ruhm durch vornehme Reden erlangen – wer gegen diese Kriterien zum Ehrgewinn handelt, wird dafür getadelt und sogar geschlagen.<ref group="I">1, 286; 2, 265–269 u. 18, 105.</ref><ref>Vgl. Snell (1965) S. 17.32–33; zum Umgang mit Sklaven vgl. Sklaverei im antiken Griechenland.</ref> Die adligen Menschen berufen sich zwar darauf, von den Göttern abzustammen, sind aber keine Halbgötter wie die Helden vor ihrer Zeit und werden nicht kultisch verehrt.<ref group="I">Zu Halbgöttern vgl. 1, 260–274; einzige Ausnahme für die Bezeichnung der Achaier als Halbgötter in 12, 17–24, vgl. Hes. erg. 156–160 u. Bryan Hainsworth, The Iliad. A Commentary, Vol. III, Book 9–12, Cambridge 1993.</ref><ref>Vgl. Bröcker (1975) S. 32 u. Stoevesandt (2000) S. 27 mit Anm. 2.</ref> Den Personen wird dabei gemäß ihrer Königlichkeit auch die Schönheit zugeschrieben – einfache Menschen werden so weniger schön skizziert.<ref group="I">Zum Vergleich der Königlichkeit mit der Schönheit vgl. 2, 211–219 u. 3, 161–180.</ref><ref>Vgl. Seeck (2004) S. 103.</ref> Es gibt auffallend viele Statisten und Personennamen, die nur einmal im Werk auftauchen; alle Statisten werden aber dennoch namentlich erwähnt. In der Ilias passiert es dabei nur einmal, dass eine vormals gestorbene Person, Pylaimenes, später noch einmal lebt.<ref group="P">Hor. ars 359.</ref><ref>Zu homerischen Personennamen vgl. Hans von Kamptz, Homerische Personennamen. Sprachwissenschaftliche und historische Klasse, Göttingen/Zürich 1982 (= Dissertation Jena 1958).</ref> Die starke Charakterzeichnung der Figuren, vor allem ihre Probleme, die es in derselben Art und Weise auch heute noch gibt, sind eine der Hauptursachen, weshalb die Ilias über Jahrtausende hinweg aktuell blieb und den Leser bewegte.

Kriegsparteien

Auf trojanischer Seite, die mit ungefähr 50.000 Personen angesetzt wird,<ref name="Vgl. Hasper 1867 S. 28">Vgl. Hasper (1867) S. 28.</ref> kämpfen neben den Trojanern (Τρῶες ), mal Danaer (Δαναοί in wichtigen Augenblicken eine erhöhte Bedeutsamkeit.“<ref>Vgl. Kullmann (1955) S. 256 (= Kullmann (1992) S. 41)</ref> Auf trojanischer Seite stehen vor allem Aphrodite, Apollon und Ares, auf griechischer Athene, Hera, Hephaistos und Poseidon. Typisch für die Ilias sind Personifikationen von Dingen wie Schlaf, Traum, Tod usw., aber auch von Flüssen, Winden und Ähnlichem.<ref>Für Überblick über die Personifikationen in der Ilias vgl. Graf (2000) S. 126–131.</ref>

Sprache und Stil

Erzähltechniken

Obwohl nur 15 Tage und 5 Nächte vom Beginn des zehnten und letzten Kriegsjahres ausführlich dargestellt werden, geht der Erzähler auch auf die vorherigen und nachfolgenden Ereignisse ein. Der Rezipient der Werke war wohl mit dem Rahmen des Epos vertraut und musste nur durch einzelne Hinweise daran erinnert werden.<ref group="I">2, 330–332.</ref> Er retardiert die Geschichte durch Erzählungen (wie von Familienstammbäumen und Lebensgeschichten), hinzugefügte Hintergrundinformationen oder Alternativgeschichten.<ref group="I">Bspw. 11, 218–231; 16, 698–701 u. 22, 466–472.</ref><ref>Vgl. de Jong (2008) S. 159–162 u. Kullmann (1968) S. 17–19 (= Kullmann (1992) S. 222–223).</ref>

Zurückliegende Ereignisse können über Berichte der Menschen oder Götter nachgereicht werden, so wird unter anderem im ersten Buch der Ilias von Zeus’ Plan zur Reduzierung der Menschheit berichtet.<ref group="I">Vgl. 1, 5 mit 2, 110–118; 9, 17–25; 11, 52–55; 12, 13–19; 17, 645–647; 19, 270–274 u. 20, 20–25; vgl. dagegen 8, 470–472 u. 13, 347–350.</ref> Ebenso werden zurückliegende Ereignisse per Analepse in die späteren Kriegsjahre vorverlegt.<ref>Vgl. Fränkel (1976) S. 26; zur Analepse bei Homer vgl. Nünlist/de Jong (2000) S. 159.</ref> So finden beispielsweise die Verkündung vom Eintreffen des größten Heeres aller Zeiten und die Teichoskopie<ref group="I">2, 798–799 u. 3, 161–244.</ref> – die Mauerschau, in der Trojas König Priamos das griechische Heer zum ersten Mal herankommen sieht – sicherlich nicht erst im zehnten Kriegsjahr statt.<ref>Vgl. Latacz (2000c) S. 155, der von einer Analepse von Buch Zwei bis einschließlich Sieben ausgeht; Alfred Heubeck, Studien zur Struktur der Ilias. Retardation – Motivübertragung, in Gymnasium Fridericianum. Festschrift zur Feier des 200jährigen Bestehens des Humanistischen Gymnasiums Erlangen 1745–1945, Erlangen 1950, S. 17–36 u. Joachim Latacz, Homer. Der erste Dichter des Abendlands, Düsseldorf ³1997.</ref>

Nachfolgende Ereignisse werden zum Teil in Prophezeiungen per Prolepse verkündet<ref>Vgl. Georg Eckel Duckworth, Foreshadowing and Suspense in the Epics of Homer, Apollonius, and Vergil, Princeton 1933; Brigitte Hellwig, Raum und Zeit im homerischen Epos, Hildesheim 1964; Irene de Jong, Narrators and Focalizer. The Presentation of the Story of the Iliad, Amsterdam 1987, S. 81–90; Scott Richardson, The Homeric Narrator, Nashville (Tennesse) 1990, S. 132–139 u. Michael Reichel, Fernbeziehungen in der Ilias, Tübingen 1994, S. 47–98, Internetquelle; für weitere Beispiele vgl. de Jong (2008) S. 159–160.</ref> – so zum Beispiel das Ende des Zornes vom Gott Apollon. Auch sterbende oder gestorbene Personen können Vorankündigungen tätigen – so verkünden kurz vor ihrem Tod Patroklos Hektors nahen Tod und Hektor Achilleus’ Ende am Skäischen Tor vor Ilios.<ref group="I">16, 851–854 u. 22, 358–360; vgl. 17, 201–208; dabei rufen sie die Göttern an. In der Odyssee ist dies nicht der Fall, vgl. Kullmann (1985) S. 8 (= Kullmann (1992) S. 249).</ref> Patroklos begegnet nach seinem Tod Achilleus im Traum und berichtet ihm, dass er bald sterben werde.<ref group="I">23, 80–81.</ref> Bezüge auf den Untergang Ilios’ sind eng mit Hektors Tod verbunden.<ref>Für Untergangsbezüge vgl. bspw. 4, 164–165; 6, 448–449 u. 7, 399–402 u. 24, 723–746.</ref> Insgesamt gibt es über 60 solcher Verweise der Ilias auf den Rahmen des epischen Kyklos.<ref>Vgl. Wolfgang Kullmann, Die Quellen der Ilias. Troischer Sagenkreis, Wiesbaden 1960, 5–11 u. Latacz (2000c) S. 156–157.</ref>

Unklar bleibt dennoch, wieso das Epos in solch kurzer Zeit im zehnten Kriegsjahr dargestellt wird. Die Ilias ist im Gegensatz zur mehrere Erzähllinien verschränkenden Odyssee eher linear aufgebaut: Es wird nur ein einziges Motiv, der „Zorn des Achilleus'“, gewählt – dies ist für das frühgriechische Epos einzigartig. Die eingeschobenen Rückblicke treten dabei vorwiegend in der ersten Hälfte des Epos’ auf, Vorausblicke im zweiten Teil.<ref>Vgl. Seeck (2004) S. 60 u. Kullmann (1968) S. 16–18 (= Kullmann (1992) S. 220.222).</ref>

Epische Kunstsprache

Die Sprache der Ilias wurde niemals im Alltag gesprochen und war für den Hörer und Leser nicht leicht verständlich.<ref>Vgl. Rudolf Wachter (2000) S. 63–67 u. Fränkel (1976) S. 2.27–28.</ref> Sie wurde wohl mündlich mit formelhaften Wendungen und Wiederholungen konzipiert, um den Inhalt besser in den Hexameter einpassen zu können. Dafür waren metrische Lizenzen wie die metrische Dehnung, metrische Zerdehnung oder Synizese (Verschmelzung zweier Vokale zu einem einzigen gesprochenen) notwendig, üblich sind auch Enjambements.<ref>Bspw. wird bei der metrischen Dehnung ὄνομα und zwei kurze Silben „Groll, Zorn“.<ref group="P">Vgl. Hor. ars 140–152.</ref><ref>Vgl. Seeck (2004) S. 41; zum Zorn des Achilleus’ vgl. Leonard Charles Muellner, The anger of Achilles: Menis in Greek epic, Ithaca 1996; zuletzt Raoul Schrott: „Übersetzungsfehler der 'Ilias': Homers Göttin singt nicht“, FAZ, 27. Oktober 2015.</ref> Der Anfang der Ilias lautet:<ref>Auch andere Anfänge sind überliefert, vgl. Fränkel (1976) S. 24–25; eine neoanalytische Interpretation findet sich bei Kullmann (1955) S. 167–192 (= Kullmann (1992) S. 11–35) u. Wolfgang Kullmann, Ein vorhomerisches Motiv im Iliasproömium, in: Philologus, Band 99, Berlin 1955, S. 167–192 u. Kullmann (1956) S. 132–133 (= Kullmann (1992) S. 36–37).</ref>

Altgriechisch Umschrift Internationales Phonetisches Alphabet
Μῆνιν ἄειδε, θεά, Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος
οὐλομένην, ἣ μυρί' Ἀχαιοῖς ἄλγε' ἔθηκε,
πολλὰς δ' ἰφθίμους ψυχὰς Ἄϊδι προΐαψεν
ἡρώων, αὐτοὺς δὲ ἑλώρια τεῦχε κύνεσσιν
οἰωνοῖσί τε πᾶσι, Διὸς δ' ἐτελείετο βουλή,
ἐξ οὗ δὴ τὰ πρῶτα διαστήτην ἐρίσαντε
Ἀτρεΐδης τε ἄναξ ἀνδρῶν καὶ δῖος Ἀχιλλεύς.
Menin aeide, thea, Peleïad(e)o Akhileos
oulomenen, he muri’ Akhaiois alge’ etheke,
pollas d’ iphthimous psukhàs Aϊdi proϊapsen
heroon, autous de heloria teukhe kunessin
oionoisi te pasi, Dios d’ eteleieto boule,
eks hou de ta prota diasteten erisante
Atreϊdes te anaks andron kai dios Akhilleus.
/mɛ̌ː̂nin ǎei̯de tʰeǎ | pɛːlɛːiǎde͜ɔ akʰilɛ̌ː̂os
ʊːloměnɛːn | ʰɛː muːrǐ akʰai̯ǒî̯s | ǎlge ětʰɛːke |
pollaːs dipʰtʰiː̌ mʊːs p͜sukʰaːs | ǎidi proǐap͜sen
hɛːrɔː̌ɔːn | au̯tʊːs de ʰelɔː̌ria | těû̯kʰe kǔnessin
oi̯ɔːnǒî̯sǐ te pǎː̂si | dios deteleǐ̯eto bʊːlɛː̌ |
ek͜s hʊ̌ː̂ dɛː ta prɔ̌ː̂ta | diastɛː̌tɛːn erǐsante
atreǐdɛːs te ǎnak͜s andrɔ̌ː̂n | kai̯ dǐː̂os akʰilleǔ̯s/
Singe, Göttin, den Zorn des Peleussohnes Achilleus(1) –
den Verderben bringenden –, der unzählige Schmerzen den Achaiern bereitete,
und viele Seelen von starken Helden(2) dem Hades vorwarf,
sie selbst(3) aber zur Beute den Hunden und allen(4) Vögeln
machte; und so erfüllte sich der Ratschluss des Zeus,
von dem an zuerst sich streitend beide entzweiten,
der Atreide – der Herr der Männer – und der göttliche Achilleus.

(1) Noch näher an der Wortstellung des Originals wäre „Zorn besinge, Göttin, – (den) des Peleïaden Achilleus“.
(2) Der eigentliche Bezug lautet: „viele starke Seelen von Helden“, hier liegt aber die Stilfigur der Enallage vor.
(3) Gemeint sind ihre Körper.
(4) In der Lesart δαῖτα „in der Aristie des Diomedes“, vgl. Fränkel (1976) S. 13–14; zu den Zuschauern vgl. Plat. Ion 535d, vgl. Seeck (2004) S. 19–20.44–45; zum Rezitieren aus dem Gedächtnis vgl. Hom. Od. 11, 328–331; 17, 512–520 u. 22, 345–349; Hes. Op. 654–657, vgl. Hermann Koller, Das kitharodische Prooimion: Eine formgeschichtliche Untersuchung, in: Philologus, Band 100, Berlin 1956, S. 159–206 u. Fränkel (1976) S. 9–17.20–24; zum Aufbau eines Vortrages siehe S. 15 Anm. 15; Latacz (2000a) S. 3; zu den Musikinstrumenten vgl. Hagel (2008) S. 106–111.</ref> – in der Ilias ist dies nur einmal, hier zur eigenen Unterhaltung bezeugt.<ref group="I">9, 185–189; vgl. Fränkel (1976) S. 10.</ref> Für das Panathenäenfest ist die Rezitation der Ilias seit Hipparchos um 520 (wohl 522) v. Chr. belegt.<ref group="P">Plat. Hipparch. 228b; Lykurg. Oratio in Leocratem 102 u. Diog. Laert. 1, 57; dagegen Plut. Pericles 13; vgl. West (2008) S. 182 u. Martin Litchfield West, Geschichte des Textes, in: Joachim Latacz (Hrsg.), Homers Ilias. Gesamtkommentar. Prolegomena, München/Leipzig 2000, S. 29 u. Martin Litchfield West, Die Gesch. des Textes, in: J. Latacz und Mitarbeiter, Homer, Ilias. Ein Gesamtkomm., I 2, 1999</ref> Alle vier Jahre wurden die Epen komplett, vermutlich an drei bis vier Tagen vorgetragen<ref>Vgl. West (2008) S. 183; zur Frage des Publikums vgl. Frederick M. Combellack, Homer the Innovator, in: Classical Philology, Band 71, Chicago 1976, S. 44–55 u. Ruth Scodel, Pseudo-Intimacy and the Prior Knowledge of the Homeric Audience, in: Bruce Heiden, Arethusa, Band 30.2 (The Iliad and Its Context), 1997, S. 201–219.</ref> und wurden schließlich als Schullektüre aufgenommen<ref group="P">Xenophanes fr. VS 21 B 10; vgl. Aristoph. Daitales fr. 233 K.-A.; Plat. Prot. 338 6–8; Plat. rep., Buch 10, 606e–607a u. Xen. symp. 3, 5; vgl. Llewelyn Morgan, Patterns of Redemption in Virgil’s Georgics, Cambridge 1998; Ineke Sluiter, Commentaries and the didactic tradition, in: Glenn W. Most (Hrsg.), Commentaries – Kommentare, Göttingen 1999; Greg Horsley, Homer in Pisidia: aspects of the history of Greek education in a remote Roman province, in: Antichton, Band 34, Perth 2000, S. 46–81; Raffaella Cribiore, Gymnastics in Mind, Princeton 2001; Fränkel (1976) S. 29 u. Latacz (2000a) S. 3–4.</ref> – inwiefern die athenischen Bürger die Möglichkeit hatten, bei Grammatiklehrern zu lernen, ist dabei allerdings ungewiss.<ref>Vgl. Lamberton (1997) S. 42.</ref>

Verschriftlichung

Ebenso wie die Verfasserschaft und Datierung umstritten sind, ist die Forschung auch über die Verschriftlichung uneinig<ref>Die Einführung der griechischen Schrift wird heute allgemein auf circa 800 v. Chr. gesetzt, vgl. Deger-Jalkotzky (2008) S. 99; Gregory Nagy, An Evolutionary Model for the Making of Homeric Poetry: Comparative Perspectives, in: Jane Burr Carter, Sarah P. Morris und Emily Vermeule (Hrsgg.), The Ages of Homer. A Tribute to Emily Townsend Vermeule, Austin 1995, S. 163–179, Internetquelle; Rudolf Wachter: Alphabet. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 1, Metzler, Stuttgart 1996, ISBN 3-476-01471-1, Sp. 536–547.</ref> – möglicherweise gab es im 8. Jahrhundert v. Chr. noch keinen geeigneten Stoff, um die Ilias festzuhalten, möglicherweise nutzten die Rhapsoden Notizzettel mit einem Überblick über die Epen für ihren Vortrag.<ref>Vgl. Lilian H. Jeffery, Writing, in: Alan Wace (Hrsg.), A Companion to Homer, London 1963, S. 555–559; dagegen Latacz (2000a) S. 2; für Notizen vgl. Seeck (2004) S. 46.</ref> Für das Diktieren des Textes sprechen zum Beispiel Albert Lord, für eine eigenhändige Verschriftlichung Joachim Latacz,<ref>Zum Diktieren vgl. Albert Lord, Homer’s Originality: Oral Dictated Texts (1953), in: Albert Lord, Epic Singers and Oral Tradition, 1991, S. 38–48</ref> Richard Janko<ref>Richard Janko, The Iliad: A Commentary. Band 4. Bücher 13–16, Cambridge 1992, S. 37–38</ref> und Uvo Hölscher.<ref>Uvo Hölscher, in: Gnomon 39, München 1967, S. 444; zur unitarischen Verschriftlichung Joachim Latacz, Hauptfunktionen des ant. Epos in Ant. und Moderne, in: AU 34(3), 1991, 12–13</ref> Aufgekommen ist die Ablehnung der Schriftlichkeit zuerst bei Christian Gottlob Heyne im Jahre 1789.<ref>Vgl. Albert Leitzmann (Hrsg.), Wilhelm von Humboldts Werke, Band 7.2: Paralipomena, Berlin 1908, S. 550–553.</ref> Heitsch fasst die Situation wie folgt zusammen: „Für alle ist uns deren Arbeit erhalten – gesammelt wurden diese von Hartmut Erbse und Helmut van Thiel.<ref>Vgl. Hartmut Erbse, Scholia Graeca in Homeri Iliadem, Berlin 1969–1983 und Helmut van Thiels online zugängliche Arbeit; vgl. Latacz (2000a) S. 11.</ref>

Die Arbeit wurde vor allem von Aristonikos (über die kritischen Zeichen, die Aristarchos und seine Vorgänger zur Markierung des Textes verwandten<ref>So verwandte zum Beispiel schon Zenodotos den Obelos, Aristophanes von Byzanz führte nach unserem Kenntnisstand weitere Zeichen der Textkritik (wie den Asteriskos) und die altgriechischen diakritischen Zeichen ein; vgl West (2000) S. 31–32.</ref>), Didymos Chalkenteros („Über die Aristarchosausgabe ), im englischsprachigen Raum der Kommentar von Walter Leaf (1886), der auf Ameis-Hentze(-Cauer)s Kommentar basiert.<ref>Zu Ameis-Hentze(-Cauer)s Kommentar vgl. Latacz (2000a) S. 17.19–22; zu Leafs Kommentar vgl. Latacz (2000a) S. 15.17.</ref> Letzterer wurde von einem Kommentar von Geoffrey Stephen Kirk und Kollegen (1985 bis 1993 für die Ilias) abgelöst, der den heutigen Forschungsstand präsentiert. Aufgrund der Spaltung zwischen der englisch- und deutschsprachigen Homerkommentierung nach den Arbeiten von Parry und Lord beschränkt sich dieser Kommentar vorwiegend auf die englischsprachige Forschung.<ref>Vgl. Latacz (2000a) S. 17–18; siehe „Oral-poetry-Theorie“.</ref> Um auch die deutschsprachige Homer- und vor allem Iliasforschung aktuell zu halten, erarbeiten Joachim Latacz und Kollegen den sogenannten Basler Homer-Kommentar.<ref>Vgl. Latacz (2000a) S. 22–26.</ref> Nach der noch heute zuverlässigen Textedition von Arthur Ludwich (Leipzig 1902–1907, Nachdruck Stuttgart/Leipzig 1995), ist Tomas W. Allens editio maior („Hauptedition“, Oxford 1930) hervorzuheben, in der viele Handschriften, zum Teil aber nur auszugsweise zitiert werden.<ref>Vgl. West (2000) S. 38.</ref> Neben dieser editio maior gehören Allens Ausgabe mit David Binning Monro (1902), sowie die 1995 von Helmut van Thiel und die 1998/2000 von Martin Litchfield West erschienenen zu den verbreitetsten modernen Ausgaben.<ref>Die letzten beiden vergleicht West (2008) S. 193–194; vgl. auch West (2000) S. 35–37.</ref>

Datei:Schliemann Trojanische Altertümer EA.jpg
Titelbild von Heinrich Schliemanns Trojanische Alterthümer. Bericht über die Ausgrabungen in Troja, Leipzig 1874

Hauptfragen der Forschung

Lokalisierung von Ilios

Im 19. Jahrhundert war sich die archäologische Forschung einig, dass der historische Hintergrund des Trojanischen Krieges nicht mehr fassbar sei,<ref>Vgl. Seeck (2004) S. 30.</ref> Archäologen stellten Vermutungen über zentralgriechische Orte, aber zum Beispiel auch Bunarbaschi oder Bali-Dagh auf.<ref>Für ersteres vgl. Jean Baptiste Le Chevalier, Description of the Plain of Troy, Edinburgh 1791; für zweiteres vgl. Hasper (1867).</ref> Erst Heinrich Schliemanns Ausgrabungen ab 1870 in Hissarlik änderten die philologische Ansichten – Franz Kauffer und Edward Daniel Clarke hatten zuvor (1787 bzw. 1801) den Ort bestimmt, John Brunton und Frank Calvert mit Ausgrabungen begonnen. Die Grabungen wurden nach Schliemanns Tod durch Wilhelm Dörpfeld, Carl Blegen und Manfred Korfmann fortgeführt. Während Blegen die Zerstörung von Troia VIIa noch um 1260 v. Chr. datierte, schwanken aktuellere, nach neueren Keramikuntersuchungen vorgenommene Datierungen zwischen dem frühen 12. Jahrhundert und dem frühen 11. Jahrhundert v. Chr.<ref>Siehe Übersichtstabelle bei Dietrich Koppenhöfer: Troja VII – Versuch einer Zusammenschau einschließlich der Ergebnisse des Jahres 1995. In: Studia Troica. Bd. 7, 1997, S. 341–47, bes. S. 346 Tabelle 4. Die nach Blegen vorgenommenen Einschätzungen für das Ende von Troja VIIa liegen 1185 v. Chr. und dem Übergang der Stufe SH III C Mittel zu SH III C spät (= ca. 1100/1080 v. Chr.). Koppenhöfer selbst nimmt 1180 v. Chr. an, geht in seiner Argumentation aber nicht darauf ein, wie er damit die in Schicht VIIa vorkommende SH III C-Keramik in Einklang bringen will, wegen derer damaliger möglichen Existenz – die mittlerweile als gesichert gilt – Sanders ihre Datierung 1185 v. Chr. unter Vorbehalt eines späteren Endes von Troja VIIa stellte, wie Koppenhöfer selbst (ebenda, S. 432) vorher ausführte.</ref> Einige Forscher meinen, Troia VIIa könnte das iliadische Troja sein. Mittlerweile wird aber auch wieder für möglich gehalten, dass Troia VIh, das nach heutigen Forschungsstand um 1300 oder in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts sein Ende fand, das homerische Ilion gewesen sein könnte<ref>Penelope A. Mountjoy, Mycenaean Pottery – An introduction, 2. Auflage 2001, S. 23f.</ref>, wie bereits Dörpfeld vertreten hatte. Dass das Thema auch heute noch hinterfragt wird, zeigt die Troja-Debatte aus dem Jahre 2001.<ref>Für einen Überblick vgl. Lesky (1968) S. 750–757.</ref> Als neuer Ort für Ilios’ Lokalisierung wird Wilusa aufgrund der Ähnlichkeit zu Ilios (ursprünglich Ϝίλιος Die dritte Einschränkung gibt die Gefahr, daß man bei der Untersuchung leicht einem subjektiven Urteil folgt. Das Urteil des Einzelnen über das sich Einpassen der Stelle ist verschieden.“<ref>Vgl. Diehl (1938) S. 15; vgl. Wolfgang Schadewaldt, Iliasstudien, Darmstadt ³1966, S. 32.</ref> Dennoch war im 19. Jahrhundert trotz Einsprüchen von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin und Friedrich Gottlob Welcker diese Homertheorie vorherrschend.<ref group="P">Vgl. Brief Goethes an Schiller vom 17. Mai 1795, in dem Wolfs Kritik an Homer als „Verwüstung“ dargestellt wird; vgl. Friedrich Gottlieb Welcker, Der epische Cyclus oder die homerischen Dichter, Bonn 1865–1882, Internetquelle, kommentiert von Kullmann (1986) S. 105–130 (= Kullmann (1992) S. 373–399) u. Eichhorn (1971) S. 7.</ref> Wegweisend war Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs Die Ilias und Homer aus den Jahren 1916/²1920 (sowie später Karl Reinhardts Die Ilias und ihr Dichter), in der Wilamowitz-Moellendorff schreibt: „Das Einzelgedicht, das einem Vortrage genügt, war vor der Ilias die herrschende Form und ist es neben und nach ihr geblieben.“<ref>Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Die Ilias und Homer, Berlin 1916/³1966, S. 322.</ref> Wilamowitz-Moellendorff versucht jedoch nicht, diese Einzellieder zu entdecken (und zu entfernen), sondern die Funktion dieser Lieder für die Ilias zu suchen.<ref>Zu späteren Analytikern vgl. West (2008) S. 192–193.</ref> Des Weiteren nimmt die „Analyse“ weitere schriftliche Ergänzungen am Text an – so fährt Wilamowitz-Moellendorff fort: „ mehr Schaden als Nutzen gestiftet, weil Homer zwar Formeln verwendet, aber inhaltlich nicht mit Formeln, sondern mit Motiven arbeitet“ und „Voll stimmen wir grundsätzlichen Vorbehalten gegen die Parry-Schule zu, wo diese dazu neigt, den originalen Dichter über dem mit Formeln arbeitenden Aoiden zu vergessen.“<ref>Vgl. Seeck (2004) S. 55 u. Lesky (1968) S. 789; vgl. auch Arie Hoekstra, Homeric Modifications of Formulaic Prototypes, Amsterdam 1965.</ref> In den letzten Jahren wird mit computergestützten Auswertungen versucht, die Formelhaftigkeit der homerischen Epen zu relativieren.<ref>Vgl. Franz Xaver Strasser. Zu den Iterata der frühgriechischen Epik, Königstein im Taunus 1984.</ref> Ernst Heitsch resümiert: „Es ist „Gegen die Dichtung Homers“.</ref> und der sich Aristoteles kritisch widmete.<ref group="P">Vgl. Arist. poet. 25; 40 erhaltene Fragmente des fünfbändigen Werkes Homerprobleme (das wohl rund 400 Ilias- und Odysseestellen betrachtete), welches das Kapitel der Poetik mglw. zusammenfasste, vgl. Barbara Breitenberger, in: Hellmut Flashar (Hrsg.), Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung 20 I, Berlin 2006, S. 305–311.371–430 u. Olof Gigon (Hrsg.), Librorum Depertitorum Fragmenta = Aristotelis Opera, Band 3, Berlin 1987, S. 366–404.</ref><ref>Vgl. Latacz (2000a) S. 7–9.</ref> Letzterer gibt wieder, dass ein Dichter nicht das Geschehen so erzählen muss, wie es war, sondern was hätte geschehen können,<ref group="P">Vgl. Aristot. poet. 9, 1451 a 36–38.</ref> und nahm einen einzigen Autor für die Ilias an (den einzig legitimen Epiker<ref group="P">Vgl. Aristot. poet. 23, 1460a5–9 u. 24, 1460a19.</ref>), was erst durch das Aufbegehren gegen dessen Analyse im 18. Jahrhundert in Frage gestellt wurde.<ref>Vgl. Latacz (2000c) S. 1497.</ref> Aristoteles benennt in der Poetik wie zuvor schon Platon in der Politeia die Ilias und Odyssee als Ursprünge der Tragödie<ref group="P">Vgl. Plat. rep. 607a u. Aristot. poet. 1448b 34–40.</ref> und vergleicht in De anima verschiedene Ausdrücke für den gleichen Sachverhalt in der Ilias.<ref group="P">Vgl. Aristot. an. 404a u. 427a.</ref><ref>Für Homerzitate in Aristoteles vgl. George Edwin Howes, Homeric quotations in Plato and Aristotle, in: Harvard Studies in Classical Philology, Band 6, Harvard 1895, S. 153–237.</ref>

Hellenismus

Im sogenannten Froschmäusekrieg (Batrachomyomachia) wird der Trojanische Krieg, sowie Sprache und Stil der Ilias anhand von Zwistigkeiten zwischen Fröschen und Mäusen karikiert. Hekataios von Abdera verfasste eine Abhandlung über Homer und Hesiod, Demetrios von Skepsis über den Trojanerkatalog.<ref name="ReferenceA" /> Die hellenistischen Philosophierichtungen Stoa<ref>Vgl. Phillip DeLacy, Stoic Views of Poetry, in: American Journal of Philology, Band 69, Baltimore 1948, S. 241–271.</ref> und Epikureismus sahen die archaischen Dichtungen weniger als Literatur, denn als ethnographisches Material an<ref>Vgl. Anthony A. Long, Stoic Readings in Homer, Lamberton/Keaney 1992, S. 64–65 u. Glenn W. Most, Cornutus and Stoic Allegoresis: A Preliminary Report, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, Band 2.36.3, Berlin 1989, S. 2014–2065.</ref> – Zenon von Kitions Homerische Probleme ist vollständig verloren. Poseidonios sah in Ilias und Odyssee wissenschaftliche Quellen und verglich sie mit Aratos von Solois Werken in der Schrift Vergleichende Untersuchungen über Arat und Homer in mathematischen Fragen. Laut Marcus Tullius Cicero legt die Stoa die Homer zugeschriebenen Werke so allegorisch aus, dass auch Homer schon Stoiker gewesen sein müsse.<ref group="P">Vgl. Cic. nat. 1, 41.</ref> – wie auch die Sophisten Homer als ersten Sophisten ansahen. Dabei ist aber anzumerken, dass nur wenige stoisch-interpretierende Iliaskommentierungen überliefert sind<ref>Vgl. Lamberton (1997) S. 51.</ref>

Der Dichter und alexandrinische Bibliothekar<ref>Für die Tätigkeit anderer Alexandriner siehe „#Alexandriner und spätantike Überlieferung“.</ref> Kallimachos hasst die kyklischen Epen und empfiehlt das Schreiben von kürzeren Werken – er verfasst dabei neben anderen Werken auch Hymnen, die den Homer zugeschriebenen ähneln.<ref>Für Kallimachos und die Ilias vgl. Hans Herter, Kallimachos und Homer. Ein Beitrag zur Interpretation des Hymnos auf Artemis, in: Xenia Bonnensia, Bonn 1929, S. 50–105; Antonios Rengakos, Homerische Wörter bei Kallimachos, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik, Band 94, Köln 1992, S. 21–47 u. Antonios Rengakos, Der Homertext und die hellenistischen Dichter, Stuttgart 1993.</ref> Entgegen der Empfehlung<ref>Lamberton (1997) S. 49 u. Bierl (2008) S. 213 widersprechen dem.</ref> schreibt Apollonios von Rhodos in seiner Argonautika in vier Bücher und rund 6100 Versen die Argonautensage im Stile der Ilias und Odyssee nach<ref>Vgl. John Frederick Carspecken, Apollonius Rhodius and the Homeric epic, in: Yale Classical Studies, Band 13, Yale 1952, S. 33–143; Malcolm Campbell, Echoes and Imitations of Early Epic in Apollonius Rhodius, Leiden 1981; Virginia Knight, The Renewal of Epic. Responses to Homerin the Argonautica of Apollonius, Leiden 1995; Antonios Rengakos, Der Homertext und die hellenistischen Dichter, Stuttgart 1993 u. Antonios Rengakos, Apollonios Rhodios und die antike Homererklärung, München 1994.</ref> und wandelt dabei die (hier noch häufigeren) Gleichnisse und die Szenerie um. Er bereichert seinen Stoff um wissenschaftlich-technische und geo- und ethnographische Themen.<ref>Vgl. Apollonios von Rhodos, Die Fahrt der Argonauten. Griechisch/Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Paul Dräger, Stuttgart 2002, S. 585–586.</ref> Er achtet dabei neben der Genauigkeit des Textes auch auf Humor. Die an der Zahl häufigeren Anlässe stehen dabei dem Leitmotiv der Ilias, dem Zorn, gegenüber.<ref>Vgl. Apollonios von Rhodos, Die Fahrt der Argonauten. Griechisch/Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Paul Dräger, Stuttgart 2002, S. 586–587.</ref>

Römische Republik und Kaiserzeit

In römischer Zeit wurde in der Schule Griechisch anhand von Ilias und Odyssee gelernt.<ref>Vgl. Lamberton (1997) S. 45 u. S. 45 Anm. 20.</ref> Livius Andronicus (unter anderem in den Tragödien Achilles und Equos Troianus des Iliasproömiums. S. 36–37 (ursprünglich erschienen in Philologus. Band 100, Berlin 1956, S. 132–133)

  • Die Probe des Achaierheeres in der Ilias. S. 38–63 (ursprünglich erschienen in Museum Helveticum. Band 12, Basel 1955, S. 253–273)
  • Die Töchter Agamemnons in der Ilias. S. 64–66 (ursprünglich erschienen in Gymnasium. Band 72, Heidelberg 1965, S. 200–203)
  • Vergangenheit und Zukunft in der Ilias. S. 219–242 (ursprünglich erschienen in Poetica. Band 2, München 1968, S. 15–37)
  • Gods and Men in the Iliad and the Odyssey. S. 243–263 (ursprünglich erschienen in Harvard Studies in Classical Philology. Band 89, Harvard 1985, S. 1–23)
  • Deutung und Bedeutung der Götter bei Euripides. S. 319–338 (ursprünglich erschienen in Mythos, Deutung und Bedeutung. Innsbrucker Beitrage zur Kulturwissenschaft, 1987, S. 7–22)
  • Einige Bemerkungen zum Homerbild des Mittelalters. S. 353–372 (ursprünglich erschienen in Michael Borgolte u. Herrad Spilling : Friedrich Gottlob Welcker. Werk und Wirkung. Stuttgart 1986, S. 105–130)
  • Joachim Latacz: Homeros. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 5, Metzler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01475-4, Sp. 686–699.
  • Joachim Latacz (Hrsg.): Homers Ilias. Gesamtkommentar. Prolegomena. Saur, München/Leipzig 2000, ISBN 3-598-74300-9; darin
    • Joachim Latacz: Zur Homerkommentierung. Von den Anfängen bis zu diesem Kommentar. S. 1–26.
    • Martin Litchfield West: Geschichte des Textes. S. 27–38.
    • Joachim Latacz: Formelhaftigkeit und Mündlichkeit. S. 39–59.
    • Rudolf Wachter: Grammatik der homerischen Sprache. S. 61–108.
    • René Nünlist: Homerische Metrik. S. 109–114.
    • Fritz Graf: Zum Figurenbestand der Ilias: Götter. S. 115–132.
    • Magdalene Stoevesandt: Zum Figurenbestand der Ilias: Menschen. S. 133–143.
    • Joachim Latacz: Zur Struktur der Ilias. S. 145–157.
    • René Nünlist & Irene J. F. de Jong: Homerische Poetik in Stichwörtern. S. 159–171.
  • Joachim Latacz, Thierry Greub, Peter Blome & Alfried Wieczorek (Hrsg.): Homer. Der Mythos von Troia in Dichtung und Kunst. München 2008, ISBN 978-3-7774-3965-5; darin
    • Joachim Latacz: Warum Homer? S. 15–17.
    • Peter Jablonka: Der Schauplatz der Ilias. S. 81–89.
    • Sigrid Deger-Jalkotzy: Die vorhomerische Epik – Indizien und Wahrscheinlichkeiten. S. 99–105.
    • Stefan Hagel: Die Sänger aus musikarchäologischer Perspektive. S. 106–111.
    • Ernst-Richard Schwinge: Die Großstruktur der Epen. S. 151–156.
    • Irene J. F. de Jong: Homers Erzählkunst. S. 157–163.
    • Arbogast Schmitt: Gott und Mensch bei Homer. S. 164–170.
    • Martin Litchfield West: Geschichte der Überlieferung. S. 182–194.
    • Peter Blome: Die Rezeption der Homerischen Dichtung in der griechischen Bildkunst. S. 196–207.
    • Anton Bierl: Die Rezeption der Homerischen Dichtung in der griechischen Literatur. S. 208–214.
    • Hellmut Flashar: Die Rezeption Homers durch die Philosophen. S. 215–220.
    • Henriette Harich-Schwarzbauer: Homer in der römischen Literatur. S. 245–250.
    • Carolina Cupane: Die Homer-Rezeption in Byzanz. S. 251–258.
    • Thierry Greub: Nähe und Ferne zu Homer: Die künstlerische Rezeption Homers in der Neuzeit. S. 265–275.
    • Bernd Seidensticker: Die literarische Rezeption Homer in der Neuzeit. S. 276–282.
    • Martin M. Winkler: Nenne mir, Muse, den Vater der Massenkultur: Homer in Kommerz und Kino. S. 283–289.
  • Dietrich Mülder: Ilias. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IX,1, Stuttgart 1914, Sp. 1000–1057.
  • Albin Lesky: Homeros. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Supplementband XI, Stuttgart 1968, Sp. 687–846.
  • Ian Morris & Barry Powell (Hrsg.): A new companion to Homer. Leiden 1997, ISBN 90-04-09989-1; darin
  • Gustav Adolf Seeck: Homer. Eine Einführung. Stuttgart 2004, ISBN 978-3-15-017651-1
  • Bruno Snell: Dichtung und Gesellschaft. Hamburg 1965, ISBN 978-3-546-48557-9, S. 30–55
  • Martin Litchfield West: The Date of the Iliad. In: Museum Helveticum. Band 52, Basel 1995, S. 203–219 (ISSN 0027-4054)
  • Weitere wichtige Fachliteratur

    Weblinks

    Portal Portal: Griechische Antike – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Griechische Antike
    Wikisource Wikisource: ΙΛΙΑΣ – Quellen und Volltexte (ελληνικά)
    Commons Commons: Iliad – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienVorlage:Commonscat/Wartung/P 2 fehlt, P 1 ungleich Lemma

    Einzelnachweise

    Iliasstellen, zitiert nach Wolfgang Schadewaldts Iliasübertragung

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    Weitere Primärliteratur, abgekürzt nach Liste der Abkürzungen antiker Autoren und Werktitel

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    Weiterführende Anmerkungen und Literatur, sowie interne Verweise

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