Atlantic City, USA


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Filmdaten
Deutscher TitelAtlantic City, USA
OriginaltitelAtlantic City
ProduktionslandFrankreich, Kanada
OriginalspracheEnglisch
Erscheinungsjahr1980
Länge104 Minuten
AltersfreigabeFSK 16
Stab
RegieLouis Malle
DrehbuchJohn Guare
ProduktionDenis Héroux,
John Kemeny
MusikMichel Legrand
KameraRichard Ciupka
SchnittSuzanne Baron
Besetzung

Atlantic City, USA herablassend zu sein, und zwar wegen der verschrobenen Zuneigung, mit der Malle und Guare ihre Hauptcharaktere betrachten. Der Film setzt kaum einen falschen Akzent.“<ref name="Southern"/>

Edgar Wettstein urteilte im film-dienst, die Figuren seien „vorzüglich gespielt“, der Film habe aber „einen Zug von glatter Routine“, da ihm „die zupackende Kraft und das Engagement, das auch den Zuschauer miteinbeziehen würde“, fehle.<ref>film-dienst Ausgabe 25/1980.</ref>

Die amerikanische Presse zeigte sich ebenfalls wohlwollend und sagte ein gutes Abschneiden bei den Oscars voraus. Bruce Williamson schrieb im Playboy zum Film: „Als Gegenpart zu Sarandon legt Burt Lancaster seine beste schauspielerische Leistung seit Jahren hin […]. Guares scharfzüngige Dialoge […] haben den größten Anteil am Erfolg von Atlantic City als verquerer, amoralischer Komödie […]. Ganz schön seltsam, aber auf Dauer einfach unwiderstehlich.“<ref name="Southern"/>

David Danby äußerte sich differenzierter. Atlantic City sei „süß, lustig und liebenswert, aber es ist nicht viel erzählerischer oder poetischer Schwung drin […]. Guare hat die Tendenz, seine Leitthemen immer wieder zu wiederholen, als ob sie besonders gewichtig oder lustig wären, und der Humanismus des Films wird nach einer Weile […] etwas nervtötend.“<ref name="Southern"/>

Filmanalyse

Der Film als Sozialmärchen

Die vordergründigste Sicht des Films ist die eines Sozialmärchens, als einer Fantasie, dass Wünsche wahr werden können: Lou wird zum echten Gangster, wie er es sich immer gewünscht hat. Sally macht ihren Traum wahr und entflieht in eine bessere Welt. Grace überwindet ihr Selbstmitleid und wird zur Gangsterbraut an Lous Seite.<ref name="Southern"/> Sie träumen alle den amerikanischen Traum, der aber aus Sicht des europäischen Filmemachers auf das alte Europa zurückprojektiert wird: Für Sally ist Frankreich das Ziel ihrer Träume und Wünsche.<ref name="Jansen"/>

Selbstmystifizierung

Analog zur Situation der Stadt Atlantic City, ist die Selbstmystifizierung ein Thema des Films. So wie die Stadt lediglich vorgab, eine Mondänität wie europäische Seebäder zu besitzen, wie sie als Bühne der Selbstdarstellung für ihre Besucher diente, so gibt Lou Pascal vor, etwas zu sein, was er nicht ist. Lou stilisiert sich zum Gangsterkollegen von Capone, Lansky und Siegel hoch, doch nichts davon ist wahr. Erst im Laufe des Films entdeckt Lou, dass dieses vorgebliche Selbst wirklich in ihm steckt, dass er stark genug ist, seine Vorstellungen, wie er zu sein habe, wirklich ausleben zu können.<ref name="Southern"/> Frey sieht den Film als „akkurate und durchdachte Studie der psychologischen Obsession des Protagonisten mit Geschichte“. Lou leide an einem Fehler in seiner Vergangenheit, indem er die Heldenrolle nicht ausfüllen konnte, als ein Freund in einer Schießerei starb und er unfähig war, im zu helfen. Er durchlebe dieses Drama der Vergangenheit erneut und besiege seine Minderwertigkeitskomplexe, indem er dieses Mal Sally vor den Bedrohungen retten könne.<ref>Frey: S. 109.</ref>

Europäische Sichtweisen

Was Atlantic City von amerikanischen Krimigrotesken unterscheidet, ist die durch europäische Filmkunst geprägte Zeichnung von Figuren und Handlung. Die Erzählstruktur bricht zwar aufgrund von Guares Drehbuch, das sich durch eine sorgfältig durchkomponierte, vom Theater kommende Gestaltung auszeichnet, mit dem freien, von cinematischen Mitteln geprägten Erzählen von Malles früheren Filmen<ref name="Southern"/>, aber typisch für Malle bietet der Film kein linear abgeschlossenes Handlungsmodell, sondern das Ende bleibt offen: Was mit Sally und was mit Lou nun passiert, bleibt der Vorstellungskraft des Zuschauers überlassen.<ref name="Jansen"/>

Die Figur Lou, die sich kindlich freut, als sie ihren ersten Mord nun endlich begangen hat, hat keine Entsprechung in der Historie des amerikanischen Films, vielmehr ist sie eine typische Malle-Figur, der kindliche Anarchie gerne zum Thema seiner Filme machte.<ref name="Jansen"/>

Auch indem Malle den Aspekt des Voyeurismus in den Vordergrund stellt, grenzt er sich von konventionellen amerikanischen Krimihandlungen ab. Susan Sarandon erklärt dazu: „ Was es für Louis interessant machte, war der […] Voyeurismus […]. Hier kam der französische Blickwinkel ins Spiel […], die europäische Sensibilität, wogegen es wohl ein ganz normaler Heist-Krimi geworden wäre, hätte ein Amerikaner den Film gemacht.“<ref name="Southern"/> Dabei entgehen Regisseur und Hauptdarsteller der Gefahr, Lou als Voyeur lediglich auf einen dirty old man zu beschränken. Lous Verehrung für Sally hat eher die Züge einer Heiligenverehrung, was durch die weihevolle Opernmusik und die fast madonnenartige Inszenierung Sarandons im Gegenlicht am Fenster betont wird.<ref name="Southern"/>

Die Stadt als Hauptdarstellerin

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Atlantic City in seiner Glanzzeit in den 1920ern

Das Seebad Atlantic City, das seine Glanzzeiten in den 1920er und 1930er-Jahren hatte, stand Ende der 1970er an einem Umbruch: Durch die Legalisierung des Glücksspiels kamen Investoren wie Donald Trump in die Stadt, um die heruntergekommenen Überreste der vergangenen Zeit ohne Rücksicht auf geschichtliche Werte abreißen zu lassen und Casinos und Hotels zu erbauen. Diese neu entstehende Struktur gründete nicht auf planerischen Überlegungen für eine funktionierende Stadt, sondern nur auf Profithoffnungen und wird in ihrer Darstellung im Film von Malle als visionär für die kommenden 1980er-Jahre in Amerika bewertet.<ref name="French"/>

Malle und Guare waren in ihrer Sicht der Stadt Atlantic City beeinflusst von Robert Altmans Film Nashville. Wie dort wollten sie verschiedene Erzählstränge vor den unterschiedlichen Szenarien einer Stadt voranbringen, um sie zum Ende hin zusammenprallen zu lassen. Hinter den städtebaulichen Strukturen sollten in einer, so Frey, „quasi-soziologischen Untersuchung“<ref>Frey: S. 20.</ref> die verschiedenen Sozialstrukturen und der Wandel, dem sie simultan zum Wandel der Stadt unterliegen, deutlich gemacht werden.<ref name="Southern"/> „Von der ersten bis zur letzten Minute besteht nicht der leiseste Zweifel, dass Atlantic City die Hauptrolle […] spielt.“<ref name="French"/> bestätigt Malle.

Hommage an den Film noir

Atlantic City ist in Inhalt und Bildsprache eine Hommage an den amerikanischen Gangsterfilm, insbesondere den Film noir. Der typische Figurenfundus der Straßenkriminalität wird ebenso bedient wie die Erwartungshaltung des Zuschauers nach einer großen Verfolgungsszene, die hier in einem bizarren Parkhaus, das aus lauter Aufzügen besteht, inszeniert wird.

Lancaster, der seine erste Filmrolle in dem klassischen Film noir Rächer der Unterwelt spielte, kann hier die Gangsterrolle in ironischer Weise umkehren: war er in seinem ersten Film ein ehrlicher Kerl, den die Umstände dazu zwingen, gegen seinen Willen ein Gauner zu werden, so ist er hier die gescheiterte Figur, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ein echter Krimineller zu sein.<ref name="Southern"/>

Gleichzeitig wird die Hommage mit der Sicht des europäischen Filmemachers aber auch unterlaufen: Steht im klassischen Gangsterfilm das Streben nach Geld gleichbedeutend mit dem nach Glück, ist bei Malle das Geld nur das Mittel zur Selbstverwirklichung und lediglich der Anstoß, der es den Figuren ermöglicht, sich zu verändern.<ref name="Jansen">Jansen/Schütte S. 108–113.</ref>

Filmische Mittel

Halbdokumentarischer Stil

Malle war durch seinen Hintergrund als Dokumentarfilmer bestrebt, möglichst viel vom städtebaulichen Wandel der Stadt in seinen Film einzubringen. „Der Film handelt von der Stadt und was mit ihr passiert.“ sagte Malle dazu, „So gesehen war es ein Dokumentarfilm über Amerika […] Ich war besessen von dem Gedanken, Atlantic City in jedem Moment präsent zu haben und soviel wie möglich draußen zu drehen.“ Während der Dreharbeiten improvisierte Malle daher und suchte seine Locations immer dort, wo gerade ein Gebäude abgerissen wurde, um das echte Geschehen als Hintergrund seiner Spielhandlung verwenden zu können.<ref name="French"/>

Ton und Musik

Die Musik in Atlantic City besteht ausschließlich aus Quellenmusik, das heißt aus Jazz- und Popsongs, die thematischen Bezug zur Stadt haben und sich aus der jeweiligen Szene als Hintergrundmusik in Casinos, Cafes usw. ergeben. Zum Abspann des Films, in dem man sieht, wie eine Abrissbirne ein altes Gebäude in Atlantic City zertrümmert, sind diese Lieder zum Takt der Birne nochmals als Reprise zu hören. Der Komponist Michel Legrand hatte einen kompletten symphonischen Soundtrack vorbereitet, doch Malle entschloss sich, darauf zu verzichten, um den dokumentarischen Charakter des Films zu betonen. In der Szene, als Dave im Parkhaus verfolgt wird, setzt er nur auf die Toneffekte der quietschenden und brummenden Aufzugmotoren, um die nötige Spannung zu erzeugen.

Die Bellini-Arie aus Norma, die bei Sallys Waschritual erklingt, war während der Dreharbeiten ursprünglich die berühmte Aufnahme mit Maria Callas, doch die Lizenzgebühren dafür waren so hoch, dass die Arie von Elizabeth Harwood zusammen mit dem London Philharmonic Orchestra für den Film neu eingesungen wurde.<ref name="French"/>

Auszeichnungen

Atlantic City gewann 1980 den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig, ex aequo mit Gloria, die Gangsterbraut von John Cassavetes.

Bei der Oscarverleihung 1982 war der Film für fünf Academy Awards nominiert: Bester Film, Beste Regie, Bester Hauptdarsteller (Burt Lancaster), Beste Hauptdarstellerin (Susan Sarandon) und Bestes Originaldrehbuch, gewann jedoch keinen der Preise. Malle ist sicher, dass Lancaster in seiner Kategorie gewonnen hätte, wenn Henry Fonda zum Zeitpunkt der Preisverleihung nicht im Sterben gelegen hätte.<ref name="French"/> Die Jury verlieh ihm für seine Rolle in Am goldenen See den Preis.

Der Film gewann insgesamt über 20 Preise. 1981 erhielten Anne Pritchard, Susan Sarandon und Kate Reid je einen Genie Award. 2003 wurde Atlantic City aufgrund seiner kulturellen Bedeutung in das National Film Registry aufgenommen.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

<references />

24px Dieser Artikel wurde am 6. Januar 2007 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.