Carl Thiersch
Carl Thiersch (* 20. April 1822 in München; † 28. April 1895 in Leipzig) war ein deutscher Chirurg und Hochschullehrer.
Inhaltsverzeichnis
Familie
Thiersch war Sohn des Philologen Friedrich Thiersch und seiner Frau Amalie geb. Löffler (1794–1878). 1885 heiratete er Johanna Liebig, Tochter von Justus von Liebig. Seine Schwägerin Agnes Liebig heiratete den Schriftsteller und Philosophen Moriz Carrière. Aus Thierschs Ehe gingen vier Töchter und zwei Söhne hervor:
- Amalie (1858–1938) ∞ 1879 Adolf von Harnack Theologe
- Justus (1859–1937), Bezirksarzt ∞ Marie von Hoffmann (* 1864), Tochter des Ministers Karl von Hofmann
- Johanna (1861–1957) ∞ 1885 Hermann Rassow, (1858–1931), Dr.phil., Geh. Studienrat, Oberstudiendirektor in Potsdam
- Agnes (1863–1954) ∞ 1884 Friedrich Louis Hesse (1849–1906) Dr.med., Professor, Zahnarzt
- Lina (1864–1943) ∞ 1884 Hans Delbrück Historiker
- Friedrich (* 1868) ∞ Luise Patzki (* 1870)
Leben
Nach dem Abschluss am (heutigen) Wilhelmsgymnasium München 1838<ref>Max Leitschuh: Die Matrikeln der Oberklassen des Wilhelmsgymnasiums in München, 4 Bde., München 1970–1976.; Bd. 4, S. 13</ref> und einem zweijährigen vorbereitenden Kurs (Biennium) nahm Thiersch in München das Studium der Medizin auf. Der Chirurg Louis Stromeyer gehörte zu seinen Lehrern. 1843 beendete Thiersch das Studium erfolgreich und promovierte mit einer arzneiwissenschaftlichen Arbeit, die naturphilosophisch beeinflusst war.<ref>Dissertation: Zur Lehre von der Arzneiwirkung</ref> Anschließend begab er sich zur weiteren Ausbildung nach Berlin an die Klinik des Chirurgen Johann Friedrich Dieffenbach (1792–1847) und nach Wien, wo er die Klinik von Josef von Škoda besuchte. 1844 bis 1846 absolvierte Thiersch seine Assistentenzeit bei Franz Christoph von Rothmund (1801–1891) am allgemeinen städtischen Krankenhaus in München und wurde 1845 als Arzt approbiert. Den Abschluss dieser Ausbildungsphase bildete ein Studienaufenthalt in Paris.
Seit 1847 Prosektor an der LMU, habilitierte Thiersch sich 1849 mit einer Arbeit über Wundeiterung.<ref>Habilitationsschrift: Pathologisch-anatomische Beobachtungen über Pyämie</ref> Für den pathologisch-anatomischen Unterricht führte er das Mikroskop ein. 1850 nahm er mit seinem Lehrer Stromeyer am Schleswig-Holsteinischen Krieg teil, um kriegschirurgische Erfahrungen zu sammeln. Nach der Rückkehr nach München wurde Thiersch 1853 zum a.o. Professor ernannt.
Erlangen
1854 nahm er einen Ruf als o. Professor für Chirurgie und Augenheilkunde an die Universität Erlangen an. 1861/62 war er Rektor der FAU.<ref name="RR" /> Er widmete sich dem Hautkrebs und der Wundheilung. Seine histologische Technik und seine Injektionsmethode erlaubten die Herstellung mustergültiger Präparate, die auch im Ausland sehr geschätzt wurden.
Leipzig
1867 wurde er als Nachfolger Gustav Biedermann Günthers auf den Lehrstuhl der Chirurgie Universität Leipzig berufen. 1876/77 war er auch in Leipzig Universitätsrektor.<ref name="RR">Rektoratsreden (HKM)</ref> Hier machte er sich auch um den Neubau des städtischen Krankenhauses im Pavillonstil und um die Verbesserung der Krankenpflege und -ernährung verdient. Im Deutsch-Französischen Krieg diente er als konsultierender Generalarzt des XII. (I. Königlich Sächsischen) Armee-Korps. 1871 gründete er mit Carl Reinhold August Wunderlich das Klinikum St. Georg Leipzig. Bis zu seinem Tode blieb Thiersch akademischer Lehrer an der Universität Leipzig.
Bedeutung
Thiersch war einer der bedeutendsten Chirurgen des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Seine erste wissenschaftliche Arbeit, die von der Pariser Akademie preisgekrönt wurde, beschäftigte sich mit der Übertragbarkeit der Cholera, wobei er während der Choleraepidemie in München 1854 getrocknete Choleradärme an Mäuse verfütterte und somit die Kontagiosität des Cholerastuhls nachwies.
Seine Arbeit über Hautkrebs wies entgegen der Auffassung von Rudolf Virchow (1821–1902) nach, dass die bösartige Erkrankung aus Haut-, Schleimhaut- und Drüsenepithel entstehen kann, und schlug die Exzision der Krebsgeschwüre mit deutlichem Abstand vom sichtbaren kanzerösen Infiltrat vor. Mit Hilfe experimenteller Untersuchungen demonstrierte Thiersch grundlegende Vorgänge der Wundheilung („plasmatische Circulation“). Er führte als einer der ersten die Antisepsis nach Joseph Lister (1827–1912) in Deutschland ein und verwendete seit 1874 zu diesem Zweck statt Karbolsäure (Phenol) die ungiftigere Salicylsäure.
Bahnbrechende chirurgische Behandlungsverfahren bei Missbildungen des Urogenitalapparates (Epi-, Hypospadie, Blasenektopie) stammen gleichfalls von Thiersch. Im Gegensatz zu Jacques Louis Reverdin (1842–1929), der dicke Hautstücke auf granulierende Flächen aufbrachte, erzielte Thiersch 1886 mit sehr dünnen Hauttransplantaten große Behandlungserfolge. Als weiterer Fortschritt in der operativen Chirurgie kann die Nervenextraktion (Neurexhärese) gelten, die er 1889 vorstellte.
Ehrungen
Es fehlen alle Orden
- Geheimer Medizinalrat
- Straßenbenennungen in Erlangen, München und Leipzig
Werke
- Infektionsversuche an Tieren mit dem Inhalt des Choleradarmes. München 1865.
- Der Epithelialkrebs, namentlich der Haut. Eine anatomische-klinische Untersuchung. Leipzig 1865.
- Die feineren anatomischen Veränderungen nach Verwundung der Weichteile, in: Theodor Billroth, Franz von Pitha (Hg.): Handbuch der allgemeinen und speciellen Chirurgie., Bd. 1/2. 1867.
- Klinische Ergebnisse der Listerschen Wundbehandlung und über den Ersatz der Karbolsäure durch Salizylsäure. Sammlung klinischer Vorträge. 1875, S. 84–85.
- Über Hautverpflanzung. XV. Chirurgischer Kongress. Bd. 1. 17, 1886; XVII. Chirurgischer Kongress. Band 1. 66, 1888.
- Über Nervenextraktion, mit Vorzeigung von Instrumenten und ausgezogenen Nerven. XVIII. Chirurgischer Kongress. Bd. 1. 44, 1889.
Einzelnachweise
<references />
Literatur
- Justus Thiersch: Thiersch, Karl. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 55, Duncker & Humblot, Leipzig 1910, S. 255–663.
- Julius Pagel (Hg.): Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des 19. Jahrhunderts. Berlin 1901, S. 1704–1705.
- August Hirsch (Hg.): Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker. Band 5. Berlin 1929–1934, S. 556.
- H. Tillmanns: Zur Erinnerung an Carl Thiersch. In: Berliner Klinische Wochenschrift 32 (1895), S. 421–423.
- A. v. Bardeleben: Karl Thiersch. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift 21 (1895), S. 311–312.
- A. Landerer: Carl Thiersch. In: Münchner Medizinische Wochenschrift 42 (1895), S. 472–475.
- Heinrich Helferich: Karl Thiersch. In: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 41 (1895), S. 617
- Wilhelm His: Karl Ludwig und Karl Thiersch. Akademische Gedächtnisrede. Leipzig 1895.
- o.V.: Nekrolog Karl Thiersch. Virchows Archiv 143 (1896), S. 679.
- Justus Thiersch: Carl Thiersch. Sein Leben. Leipzig 1922.
- Christian Schwokowski: Erinnerungen an Carl Thiersch – zum 100. Todestag. Zentralblatt für Chirurgie 121 (1996), S. 426–429.
- Beatrice Hesse: Lebenssituationen und wissenschaftliches Werk von Carl Thiersch. Dissertation. Leipzig 1998
- G. Dohm: Geschichte der Histopathologie. 2001, S. 555–561
- Dietrich von Engelhardt (Hg.): Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner. Bd. 2. 2002, S. 626.
Weblinks
- Literatur von und über Carl Thiersch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Übersicht der Lehrveranstaltungen von Carl Thiersch an der Universität Leipzig (Wintersemester 1867 bis Sommersemester 1895)
- Carl Thiersch im Professorenkatalog der Universität Leipzig
- Carl Thiersch auf GoogleBooks
- Familienarchiv Carrière-Liebig
- Der Nachlass befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek
- Thiersch, Johanna. Hessische Biografie. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
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Personendaten | |
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NAME | Thiersch, Carl |
ALTERNATIVNAMEN | Thiersch, Karl |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Chirurg und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 20. April 1822 |
GEBURTSORT | München |
STERBEDATUM | 28. April 1895 |
STERBEORT | Leipzig |