Politischer Ikonoklasmus


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Politischer Ikonoklasmus (auch Denkmalsturz<ref>Rezension zu Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik</ref><ref>Denkmalsturz afrika-hamburg.de</ref>) bezeichnet die politisch motivierte Beseitigung oder Zerstörung von Herrschaftssymbolen oder Herrscherbildern, meist im Zusammenhang mit dem Sturz eines Herrschers oder dem Zusammenbruch eines politischen Systems. Das Ziel dabei ist, den Machtverlust symbolisch sichtbar zu machen beziehungsweise die Symbole einer untergegangenen Herrschaft dauerhaft aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen.

Begriff

Der politische Ikonoklasmus ist begrifflich angelehnt an den religiös bedingten Ikonoklasmus, stellt aber eine Abstraktion desselben dar. Das Verständnis politischer Ikonen ist weiter gefasst: So handelt es sich nicht ausschließlich um Ikonen im Sinne von Heiligenbildern, sondern meist um Bilder oder Abbilder, die mit einer bestimmten Darstellungsabsicht erzeugt oder inszeniert werden und dementsprechend verbreitet und rezipiert werden. Statuen von Herrschern oder beispielsweise monumentale Prunkbauten repräsentieren symbolhaft das Herrschaftssystem und dessen Macht. Im politischen Kontext ließe sich Ikonoklasmus auch synonym mit Bildersturm beschreiben. Häufig wird auch Vandalismus gleichbedeutend verwendet, was aufgrund der diesem Terminus immanenten Willkür des Zerstörungsaktes abzulehnen ist.<ref>Vgl. zu terminologischen Differenzierungen Gamboni, Dario: Zerstörte Kunst. Bildersturm und Vandalismus im 20. Jahrhundert, Köln 1998, S. 17 ff.</ref>

Geschichte

Altertum und Antike

Im alten Ägypten ließ Pharao Thutmosis III. den Totentempel seiner Stiefmutter Hatschepsut von Bildnissen und Zeugnissen ihrer Existenz befreien und ihren Namen durch den anderer Pharaonen ersetzen. Besonders im antiken Rom können ikonoklastische Handlungen im Zuge der damnatio memoriae als Mittel der Geschichtspolitik beobachtet werden. Hierbei wurden die Bildnisse der Herrschers beschädigt, vernichtet oder im Tiber versenkt.

Mittelalter

Für das Mittelalter spielt die politisch motivierte Bildzerstörung im Sinne des Denkmalsturzes keine so starke Rolle.<ref>Dolezych, Alexandra: „Herrscherbilder“, in: BPB Online (Hg.): Bilder in Geschichte und Politik, 2007.</ref> Exemplarisch lässt sich die 1312 von Heinrich VII. angeordnete Entfernung einer Statue Karls I. von Anjou in Piacenza anführen.

Neuzeit und Moderne

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Die Bastille in den ersten Tagen ihrer Zerstörung (Gemälde von Hubert Robert, 1789)

Der im Allgemeinen als Beginn der Französischen Revolution 1789 betrachtete Sturm auf die Bastille ist ein musterhaftes Beispiel des politischen Ikonoklasmus. Das als Burg errichtete und zuletzt als Gefängnis genutzte Bauwerk galt als Symbol königlich-absolutistischer Willkürherrschaft und dessen Repressionsmechanismen. Mit der Erstürmung und dem späteren Abriss der Bastille sollte der Umsturz des alten, verhassten Regimes (Ancien Régime) symbolisch besiegelt werden. Vergleichbar hierzu ist u.a. auch die Erstürmung des Winterpalais in St. Petersburg 1917.

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs

Nationalsozialistische Symbole nach 1945

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Sprengung des Hakenkreuzes auf der Zeppelintribüne des Reichsparteitagsgeländes durch amerikanische Truppen 1945

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Symbole des Nationalsozialismus, wie beispielsweise Hitlerbilder oder Hakenkreuze, fast überall aus dem öffentlichen Raum entfernt. In Deutschland ist die Verwendung solcher Symbole, mit wenigen eng definierten Ausnahmen, als Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe gestellt. In Österreich existiert mit dem Abzeichengesetz eine vergleichbare Regelung.

Siehe auch Hakenkreuz#Umgang mit Hakenkreuzdarstellungen seit 1945

Entfernung des sozialistischen Andenkens nach 1989/90

Ähnlich wie bei der Französischen Revolution kann auch der Fall der Berliner Mauer, bei dem die Menschen zum Teil mit Hammer und Meißel Teile des Bauwerks zerstörten, als symbolischer Sturz eines Monuments der sozialistischen Herrschaft angesehen werden.

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Abriss des Palasts der Republik 2008

Der Zusammenbruch des Sozialismus führte dazu, dass zahlreiche Denkmäler, aber auch Gebäude des alten Regimes entfernt wurden.<ref>Vgl. Calle, Sophie: Die Entfernung/The Detachment, Berlin 1996.</ref> Ein sehr prominentes Beispiel ist der Abriss des Lenindenkmals 1991 in Berlin-Friedrichshain, wobei symbolträchtig zunächst der Kopf entfernt wurde und zusammen mit den restlichen Teilen der Statue vergraben wurde. Auch der Palast der Republik als Ikone der sozialistischen Vergangenheit wurde abgerissen. Nach der Befreiung von Asbest und einer künstlerischen Nutzung in der Zwischenzeit wurde im Februar 2006 trotz anhaltender Kontroversen mit dem Abriss begonnen. An die Stelle des Palastes der Republik soll das sogenannte Humboldtforum als modifizierter Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses treten. Die Abrissarbeiten wurden über eine Webcam übertragen, man konnte den Denkmalsturz also ortsunabhängig in Echtzeit verfolgen.<ref>Webcam zum Rückbau des Palasts der Republik</ref>

Der Sturz Saddam Husseins

Im Rahmen der Operation Iraqi Freedom waren die USA sehr darum bemüht, den militärischen Einsatz als Befreiung darzustellen. Dementsprechend wurde – nicht zuletzt durch die embedded journalists – versucht, eine positiv konnotierte Visualisierung des Militäreinsatzes zu erreichen. Für den Erfolg der Operation Iraqi Freedom waren neben militärischen Erfolgen vor allem die Bilder der symbolischen Demontage des Saddam-Regimes wichtig. Diese Entmachtung erfolgte in mehreren Schritten. Zunächst fand eine symbolische Entmachtung durch das Erobern der Paläste sowie das Stürzen bzw. Schleifen der Statuen statt. Einen Zwischenschritt stellte die öffentliche Zurschaustellung der beiden in einem Feuergefecht getöteten Söhne Udai Hussein und Qusai Hussein vor der internationalen Presse dar. Den Abschluss bildeten die Festnahme Saddam Husseins und seine Hinrichtung.

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Die Zerstörung des Saddam-Hussein-Denkmals in Bagdad

Von entscheidender Bedeutung für die Krieg führende Koalition waren aber die Fotos im Vorfeld, die den Fall der Insignien des Systems darstellten. Die Eroberung bzw. Zerstörung der Symbole des Regimes von Saddam Hussein gehörte somit zu den primären Zielen der USA.<ref>Paul, Gerhard: Der Bilderkrieg. Inszenierungen, Bilder und Perspektiven der „Operation Irakische Freiheit“, S. 96 f.</ref> In einem ersten Schritt nahmen die Alliierten die Paläste Husseins in Basra ins Visier. Während der Eroberung Bagdads Anfang April 2003 besetzte die US-Armee am 7. April 2003 den Palast der Republik. Die Bedeutung der Vorgänge für die Strategen in Washington D.C. erwuchs aber erst durch die Pressebilder der Besetzung.<ref>Vgl. die Fotogalerie mit Fotos von John Moore, Terry Richards und Simon Walker: „Saddam’s Palaces“</ref> Ein weiterer, ganz entscheidender „Akt der symbolischen Entmachtung“<ref>Schmidt, Christopher: Friede den Hütten! Krieg den Palästen!, in: Sueddeutsche Zeitung, 9. April 2003.</ref> war der Sturz der Saddam-Statue am Bagdader Firdos-Platz am 9. April. Das bekannteste Foto vom Sturz der Statue, auf dem diese mit Seilen vom Sockel gezogen wird, suggeriert durch den Bildausschnitt, die irakische Bevölkerung hätte das Monument selbst zu Fall gebracht.<ref>Vgl. die Titelseiten diverser europäischer Zeitungen vom 10. April 2003: Medien und Krieg - Die Saddam-Inszenierung Teil 1: Wie der 'Sieg' gegen den Irak in Szene gesetzt wurde; Paul, Gerhard: Der Bilderkrieg. Inszenierungen, Bilder und Perspektiven der „Operation Irakische Freiheit“, S. 96 f.</ref> De facto aber gelang dies nicht, stattdessen wurde die Skulptur mithilfe eines amerikanischen Militärfahrzeugs heruntergestoßen.<ref>Vgl. Rageh Omaar: A Baghdad Diary, in: Beck, Sara/Downing, Malcom (Hrsg.): The Battle for Irak. BBC News Correspondents on the War Against Saddam, Baltimore 2003, S. 121-132.</ref> Um eine positive Berichterstattung und den gewünschten Eindruck in der Öffentlichkeit zu erhalten, wurde das Foto von Goran Tomasevic gewählt.<ref>Vgl. Paul, Der Bilderkrieg, S. 101; vgl. auch die Fotogalerie: USA Today: Saddam's statue comes down</ref> Dieses Bild wurde medial als „Ikone des amerikanischen Siegs“<ref>Großbölting, Thomas: Saddam Hussein. Der doppelte Tod des Diktators, in: Großbölting, Thomas/Schmidt, Rüdiger (Hrsg.): Der Tod des Diktators. Ereignis und Erinnerung im 20. Jahrhundert, Göttingen 2011, S. 303-317, S. 305.</ref> rezipiert, obwohl der Diktator erst bedeutend später ergriffen werden konnte.

Literatur

  • Sophie Calle: Die Entfernung/The Detachment. Ausstellungskatalog. Berlin 1996.
Ein Kunstprojekt über die Entfernung von Symbolen der Ex-DDR in Berlin. <ref> Public affairs, 28. August 2002. abgerufen am 7. Januar 2015 </ref>
  • Uwe Fleckner, Hrsg.: Handbuch der Politischen Ikonographie. München 2011.
  • Gamboni, Dario: Zerstörte Kunst. Bildersturm und Vandalismus im 20. Jahrhundert, Köln 1998.
  • Großbölting, Thomas/Schmidt, Rüdiger (Hrsg.): Der Tod des Diktators. Ereignis und Erinnerung im 20. Jahrhundert, Göttingen 2011.
  • Müller, Marion G.: Grundlagen der visuellen Kommunikation, Konstanz 2003.
  • Gerhard Paul: Der Bilderkrieg. Inszenierungen, Bilder und Perspektiven der „Operation Irakische Freiheit“, Göttingen 2005, S. 96-110.
  • Purdum, Todd S.: A Time Of Our Choosing. America's War In Iraq, New York 2004.
  • Winfried Speitkamp (Hg.): Denkmalsturz. Zur Konfliktgeschichte politischer Symbolik. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1997, ISBN 3-525-33527-X
  • Ulrich Tilgner: Der inszenierte Krieg. Täuschung und Wahrheit beim Sturz Saddam Husseins, Berlin 2003.
  • Martin Warnke: Bildersturm. Die Zerstörung des Kunstwerks. Frankfurt am Main, 1988.

Weblinks

Einzelnachweise

<references />

Siehe auch