Digitales Kino
Das digitale Kino (Digital Cinema, D-Cinema) ist eine Kinotechnik, die die vorher übliche mechanische und photochemische Speicherung und Verbreitung von Filmen auf Filmrollen durch digitale Verfahren ersetzt. Sie umfasst 2D- und 3D-Wiedergabe. In den Jahren 2006 und 2007 wurden weltweit rund 5.000 Kinosäle von Film auf digitale Projektion umgestellt, im Jahr 2009 dagegen schon über 15.000 Kinos auf digitale Projektion umgerüstet. Gemäß der Planung der großen US-Ketten wie AMC Theatres oder Regal sollte damit bereits 2011/2012 der größte Teil der Kinovorstellungen in den USA digital erfolgen. Bedingt durch die Kamera- und Projektionstechnik wirkt das digitale Kinobild allerdings (im Vergleich zum analogen) auch 2013 noch teilweise schärfer, dafür aber auch blasser und steriler, was aus ausschließlich profitinteressierten Gründen in Kauf genommen wird.
Im weiteren Sinne bezeichnet „digitales Kino“ die Digitalisierung der gesamten Produktionskette von den Filmaufnahmen über die Postproduktion bis hin zu Archivierung, Distribution und Vorführung von Kinofilmen.
Der Artikel digitale Kinokamera gibt eine detaillierte Übersicht über die Kameras für digitale Kinoproduktionen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Obgleich digitale Aufzeichnung rasant an Marktanteil gewinnt, wurden einst in der Filmindustrie die meisten Filme auf Filmmaterial fotografiert, nahezu alle Filmproduktionen werden aber bereits digitalisiert und per Digital Intermediate gefertigt. Die Nachbearbeitung erfolgt dann ausschließlich am Computer. Mit dem digitalen Kino werden vor allem die ersten Schritte – die Filmaufnahmen – und die letzten Schritte der Filmproduktion, das Kopieren, Verteilen und Aufführen bzw. die Wiedergabe auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Insbesondere aus drei Gründen: Zum einen verringert sich die Bildgüte bei Ausbelichtung auf Film und anschließender mechanischer Aufführung und kann nie die volle Bildgüte des digitalen Masters erreichen. Zum anderen ist die digitale Distribution von Filmen ökologisch, ökonomisch und logistisch deutlich vorteilhafter. Schließlich verschleißt Film beim Aufführen; Filmkopien, die oft eingesetzt werden, verlieren erheblich an Qualität.
Der entscheidende Schritt dazu war die Gründung der Digital Cinema Initiatives (DCI) durch sämtliche Major Hollywood-Studios (Disney, Fox, MGM, Paramount, Sony Pictures Entertainment, Universal und Warner Bros.) im März 2002. Ihre Aktivitäten haben inzwischen einen Standard für digitales Kino geschaffen.
In Asien wird das Konzept schon lange umgesetzt, am 31. Januar 2002 wurde mit The Missing Gun der erste digitale Kinofilm aus China veröffentlicht. Indien folgte am 18. April 2003 mit Hero – Love story of a spy und Singapur mit After School am 22. November 2003. Bis 2007 wurden allein in Indien durch eine einzige Firma über 800 digitale Kinos eingerichtet.
In Europa startete am 12. November 2004 das Projekt European DocuZone in 8 Ländern und 182 Kinos, davon 112 in Deutschland. Die teilnehmenden Länder sind Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Spanien und Großbritannien. Dieses Projekt wird durch die Filmförderung und EU-Mittel unterstützt und fokussiert sich dabei ganz bewusst darauf, die Auswertungssituation von kleinen Filmen in kleinen Kinos mit kleinen Leinwänden zu verbessern. European DocuZone legt seinen Schwerpunkt vor allem auf den Dokumentarfilm. Die hierbei verwendete Technik entspricht nicht den DCI-Standards, was zeigt, dass für die Festlegung zukünftiger Standards die Besitzer der Filmrechte ein erhebliches Wort mitzusprechen haben.
Nach der Verabschiedung der DCI-Spezifikationen sind bis Anfang 2009 weltweit über 10.000 Leinwände umgestellt worden, und es kommen tausende jährlich hinzu. In Deutschland ist die Entwicklung erst in geringem Ausmaß bei den Multiplexketten angekommen, im Ausland hingegen läuft die Umstellung bereits großflächig. Die deutschen Multiplexketten bieten DCI-Projektion typischerweise nur an ihren besten Standorten an, und dort meistens nur in einigen Kinos, vor allem um 3D-Filme zeigen zu können.
Ein weiterer Faktor, der die Verbreitung des digitalen Kinos fördert, ist das Angebot der Kamerahersteller – alle weltweit führenden Kamerahersteller und Verleiher haben zwischenzeitlich Kameras zur digitalen Kinoproduktion im Angebot, so bspw. die 1080p-Kameras (1920 × 1080 Bildpunkte)
- P+S Technik / Silicon Imaging – SI-2K (bspw. Danny Boyle – Slumdog Millionär, Guy Ritchie – Sherlock Holmes: Spiel im Schatten)
- Panavision – Genesis (bspw. Bryan Singer – Superman Returns, Mel Gibson – Apocalypto),
- Grass Valley – Viper (bspw. David Fincher – Zodiac – Die Spur des Killers, Michael Mann – Miami Vice),
- Sony – 750/900/950 HDCAM (bspw. George Lucas – Star Wars Episode III, Robert Altman – A Prairie Home Companion, Robert Rodriguez – Sin City).
- Arriflex D-20
und die neueren 4K-Kameras wie bspw.
Die digitalen Kinokameras machen, anders als bei der digitalen Fotografie, weiterhin eine teure Investition aus.
Neue Möglichkeiten
Für die Kinobetreiber ergeben sich Folgekosten, wenn die bestehenden Filmprojektoren erweitert oder durch Digitaltechnik ersetzt werden. Dafür bietet die Digitaltechnologie aber auch neue Möglichkeiten sowohl bei der Automatisierung als auch bezüglich der Filminhalte. So werden in Deutschland und Österreich bereits live spezielle Vorstellungen aus der Metropolitan Opera oder der Berliner Philharmoniker <ref> the developed countries’ level. (Lit.: Freeman, 2004)
Die chinesische Regierung plant, als Pilotprojekt 100 DLP-Projektoren in Kinos zu installieren. Als einer der größten Weltmärkte der kommenden Jahrzehnte ist China aber auch für Hollywood interessant. Einer der Gründe, warum Hollywood einen möglichst hochqualitativen Standard für D-Cinema fordert, ist die Angst, dass China diesen Standard sonst als minderwertig erachten und eigene Standards schaffen könnte. (Lit.: Freeman, 2004)
Internationale Standardisierungsgremien
Ein Gremium ist die Arbeitsgruppe ITU-R SG 6 der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), welche eine UN-Einrichtung ist. Die ITU vertritt die Broadcastseite und hat unter anderem den HDTV-Standard erarbeitet. Die ITU versucht, den HD-Standard 1080p als Grundlage für D-Cinema zu etablieren. Ein Vorhaben, das die Verleihe zurückgewiesen haben, da die Bildqualität von HD nicht für die Kinoprojektion ausreiche. Gegenwärtig spielt die ITU-R SG 6 eine Randrolle:
- We think that movie people know the most about the movies, not broadcast people. We’re asking the ITU to step back and let the international cinema standards groups decide the best standards for cinema. (Wendy Aylsworth von Warner Bros, verantwortlich für die Kommunikation zwischen ITU und DCI, Februar 2003) (Lit.: FFA-Studie, 2003)
Das European Digital Cinema Forum (EDCF) soll ebenfalls standardisierend tätig werden. Allerdings ist seine wirtschaftliche und politische Macht sehr gering im Gegensatz zur SMPTE-Arbeitsgruppe. Die Statusreports des EDCF lassen auf wenig Fortschritte schließen.<ref>digitalcinema-europe.com</ref> Ein allgemein verbindlicher Standard wird aus diesen Gründen kaum vom EDCF kommen.
Die SMPTE DC 28 ist die D-Cinema Arbeitsgruppe der Society of Motion Picture and Television Engineers. Diese Vereinigung ist in den USA die maßgebende Standes- und Standardisierungsorganisation im Film- und Fernsehbereich. Wegen des internationalen Einflusses der amerikanischen Unterhaltungsindustrie haben die Standards der SMPTE auch in Europa Bedeutung. Die SMPTE DC 28 erarbeitet momentan Standards für die digitale Verwertungskette. Sowohl die Produktionsseite, als auch die Verleihe sind in diesem Gremium vertreten, so dass die Entscheidungen der Arbeitsgruppe mit großer Wahrscheinlichkeit allgemein angenommen werden.
Überraschend großen Einfluss auf den Standardisierungsprozess nimmt allerdings die Digital Cinema Initiatives (DCI), ein Zusammenschluss der sieben großen Hollywoodstudios Disney, 20th Century Fox, MGM, Paramount, Sony, Universal und Warner Bros. Im Februar 2002 gegründet hat die DCI inzwischen eine Spezifikation vorgelegt, die die Anforderungen der Verleihe an die Digitaltechnik beschreibt. Dieses Dokument ging als „Ankündigung“ an die SMPTE DC 28, womit die DCI explizit die SMPTE DC 28 als Standardisierungsgremium stärkt. Im April 2007 wurde Version 1.1 der DCI System Requirements and Specifications for Digital Cinema veröffentlicht.<ref>dcimovies.com</ref>
Produktion
Für die Filmproduzenten hat die Digitalisierung mittel- bis langfristige Vorteile. Lucasfilm gibt bei Star Wars III die Einsparung an Filmmaterialkosten gegenüber der verwendeten Digitaltechnik (Sony hdcam sr) mit 1,8 Millionen Dollar an, bei einem Gesamtbudget von 113 Millionen Dollar. Ansonsten wird die Arbeit am Set eher komplizierter, es werden kalibrierte Monitore und div. andere Messgeräte (Vectroscop etc.) nötig. Der Belichtungsspielraum der lichtempfindlichen Chips ist kleiner als bei Film, besonders in den Lichtern (hellen Bildstellen) besteht die Gefahr des Clippings, das heißt es muss noch sorgfältiger geleuchtet werden. Beispielsweise bedeutet es bei „Tag außen“ Szenen mit wolkenlosem Himmel deutlich mehr Aufwand, den Motivkontrast in Grenzen zu halten. Bei Low-Budget-Produktionen fällt die Rechnung anders aus, das heißt die Produktionen, die sowieso auf Video drehen mussten, können jetzt mit modernen, relativ preiswerten digitalen Kameras (z. B. RED One) mit deutlich besserer Qualität drehen. In der Weiterverarbeitung ändert sich nichts, inzwischen wird praktisch immer das Kameranegativ als erstes digitalisiert und mit diesen Daten weitergearbeitet.
Ein Vorteil ist, hochaufgelöste Muster sofort am Set zu haben anstatt am nächsten Tag. Bei einer Filmproduktion können Fehler in der Aufnahme nicht sofort erkannt werden, sondern frühestens am nächsten Tag, sofern hierfür ein Etat, eine Position im Stab und ein Labor in der Nähe zur Verfügung stehen.
Filmschaffende
Einige Filmschaffenden stehen der Technologie skeptisch gegenüber, andere befürworten sie massiv – ein bekannter Ausspruch George Lucas diesbezüglich ist „I will probably never ever shoot another film on film“.
Einige Beispiele für entschiedene Befürworter des digitalen Kinos sind:
- Bryan Singer: Superman Returns
- Mel Gibson: Apocalypto
- David Fincher: Zodiac – Die Spur des Killers
- Michael Mann: Miami Vice, Collateral
- Steven Soderbergh: Che – Revolución, Che – Guerrilla
- Sidney Lumet: Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead
- Anthony Hopkins: Slipstream
- Andy Wachowski und Lana Wachowski: Speed Racer
- Francis Ford Coppola: Jugend ohne Jugend
- George Lucas: Star Wars Episode II und III
- Robert Altman: A Prairie Home Companion
- Lee Tamahori: Next
- Robert Rodriguez: Sin City, Grindhouse
- Tony Scott: Déjà Vu – Wettlauf gegen die Zeit
- Lars von Trier: Dogville, Manderlay
- Michael Moore: Bowling for Columbine
- Sylvester Stallone: Rocky
- David Zucker: Scary Movie 4
- Peter Jackson: Crossing the line
- James Cameron: Die Geister der Titanic, Aliens of the Deep, Avatar
- Robert Zemeckis: Polar Express, Die Legende von Beowulf
- David Lynch: Inland Empire
Neutrale Vertreter, die sowohl die Digitale Kinokamera und 35-mm-Film einsetzten:
Die größten Vorteile der Digitaltechnik sind
- sofortige Kontrolle des Ergebnisses vor Ort möglich
- geringere Produktionskosten pro Aufnahmezeit
Technikausstatter
Die Technikanbieter für das digitale Kino kommen aus zwei verschiedenen Bereichen.
Die klassischen Filmtechnik-Hersteller wie Panavision oder ARRI mussten sich den neuen Anforderungen der digitalen Filmtechnik stellen, um den Markt weiter bedienen zu können. Dabei können sie auf langjährige Vertriebserfahrung, hohe Qualität und eine starke Kundenbindung zurückgreifen. Andererseits haben deutlich größere Konzerne wie beispielsweise Sony aber auch finanzstarke Einsteiger wie RED bereits extrem hohe Stückzahlen verkaufen können – beispielsweise hat Sony bereits über 30.000 HDCAM-Geräte im Markt, während ARRI erst hunderte ausliefern konnte.
Panavision, der in USA marktbeherrschende Kameraverleiher, hat durch Sony eine 1080p-Kamera entwickeln lassen, die Genesis, und verleiht diese erfolgreich. Deutlich weiter verbreitet sind die D-Cinema Kameras Viper von Grass Valley, und die HDCAM-Kameras 900 und 750 von Sony. Mit der Viper und Sony HDCAM 900 wurde bspw. Collateral gedreht, mit den Sony-Kameras bspw. Star-Wars Episode III. Arri bietet die D21, noch höhere Auflösung bieten vom Hersteller RED die ONE.
Elektronikunternehmen wie Sony drängten ab dem Jahr 1999 als Pioniere auf den Digital-Cinema-Markt. Sie verfügen über großes Know-how in Sachen Datenverarbeitung, -filterung, -kompression und -speicherung. Momentaner Stand der Technik ist das 1080p-Format, welches mit einer Auflösung von 1920 × 1080 Bildpunkten den derzeitigen Löwenanteil aller digitalen Kinoproduktionen der US-Majors darstellt.
Das digitale Kino ist für Kinobetreiber eine erhebliche Investition: Ein digitaler Kinoprojektor kostet noch über 50.000 Euro, ein Filmprojektor hingegen nur rund 5.000 Euro. Jedoch wächst der Konkurrenzdruck durch das Heimkino, wo das HDTV-Format mit bis zu 2 Millionen Bildpunkten beginnt sich durchzusetzen.
Verleihe
Für die großen Filmverleihe ist die Digitalisierung Segen und Fluch zugleich. Durch den Verzicht auf Filmkopien können sie über eine Milliarde Dollar pro Jahr einsparen. Andererseits müssen die Verleihe befürchten, ihr Oligopol zu verlieren, da Filmproduzenten nun auch ohne einen Verleih ihre Filme in die Kinos bringen können.
- Die Erleichterungen für die Verleihfirmen gehen so weit, dass sich die Frage nach deren Existenzberechtigung als Mittler zwischen Rechteinhabern und Kinobetreibern stellt.<ref>Stefan Schäfer: Digitalisierung und Internet: Konsequenzen für die Filmbranche</ref>
Außerdem besteht bei digitalen Kopien eine viel höhere Gefahr, dass diese an Raubkopierer und Tauschbörsen gelangen. Trotzdem erwarten die Verleihe gewaltige Einsparungen und treiben die Entwicklung des D-Cinema voran. In der Digital Cinema Initiatives haben sich die sieben großen Hollywoodstudios Disney, Fox, MGM, Paramount, Sony, Universal und Warner Bros. zusammengeschlossen, um die Interessen der Verleihe zu vertreten. Wie oben erwähnt bringt sich die DCI aktiv in den Standardisierungsprozess ein.
Ein wenig anders sieht es aus bei kleineren Independent- und Filmkunstverleihen. Die digitale Technik böte ihnen, wenn sie flächendeckend verbreitet wäre, die Möglichkeit, mit ihrem Film in möglichst vielen Kinos gleichzeitig an den Start zu gehen. Durch die Kosten der 35-mm-Kopien werden sie heute oftmals daran gehindert, einheitliche Werbemaßnahmen durchzuführen, da die wenigen Kopien oft monatelang durch das Land geschickt werden. Maßnahmen bei der Veröffentlichung eines Films können somit zentraler gesteuert und auch mit weniger Personalaufwand gemeistert werden.
Die digitale Technik scheint also von Vorteil für Independent-Filmer zu sein. Allerdings ist es heute so, dass auch von Blockbustern nur eine begrenzte Zahl von Kopien für die Kinos gefertigt wird. Kleinere Kinos haben daher nicht die Chance, aktuelle Blockbuster zu bekommen. Sie müssen daher oft Independent-Programm anbieten. Wenn alle Kinos digitalisiert sein sollten, können die kleinen Kinos auch Blockbuster spielen. Den Independent-Filmern droht daher auch ein Verlust von Abspielstätten.
Kinos
Während die Verleihe enorme Einsparungen erwarten, kommen auf die Kinobetreiber ebenso enorme Investitionen zu. Nach der letzten großen Investitionswelle für Surround-Systeme, wie Dolby Digital, DTS oder SDDS, die in den 1990er Jahren abgeschrieben wurden, stehen hier nun Investitionen für digitale Projektionstechnik an.
Während ein 35-mm-Projektor bereits für 5.000 Euro zu kaufen ist, kosten selbst kleinere D-Cinema-Systeme (inkl. Server) wie bspw. die von DCS (digital cinema services GmbH) eingesetzten schon erheblich mehr, während große 4K Systeme sogar bis über 100.000 Euro kosten können. Viele Kinobetreiber wünschen von den Verleihen finanzielle Unterstützung bei der Umrüstung. In Deutschland ist dies auch bereits insofern geschehen, als über das europäische Digitalkinonetzwerk CinemaNet Europe europäische Fördergelder in das Projekt beantragt wurden. Ebenso ist in Deutschland im Gegensatz zu den USA die Filmbranche noch mehr unter dem „Kulturlabel“ zu suchen, so dass sich zumindest in Deutschland auch zahlreiche Filmförderanstalten an der Cofinanzierung dieser Kinoausstattungen beteiligt haben.
Neue Einnahmequellen könnten dennoch durch E-Cinema erschlossen werden. Mit den digitalen Projektoren können Konzerte, Sportereignisse oder Computerspielturniere gezeigt werden. Auch kontextsensitive Kinowerbung – abhängig von Uhrzeit oder Publikum des Hauptfilms – ist möglich und würde der Kinowerbung eine neue Dynamik verleihen.
Die einen Kinos stellen auf Digitaltechnik um, während andere schließen, so etwa in den Jahren 2012 und 2013 alleine in der Stadt Salzburg drei Kinos, zuletzt das 109 Jahre laufende Mozartkino, weil es dem Kino-Betreiber schon schwerfiel, aktuelle Filme überhaupt noch auf Analogfilm zu bekommen.<ref>http://salzburg.orf.at/news/stories/2600658/ Mozartkino sperrt nach 109 Jahren zu, ORF.at, vom 29. August 2013</ref> Das Mozartkino wurde nach über einem Jahr Spielpause im November 2014 wieder eröffnet, die Anschaffungskosten der Digital-Projektoren wurden vom Altstadthotel Kasererbraeu und dem Land Salzburg getragen.
Intermediäre
Verleihe und Kinos stehen nun vor dem Henne-Ei-Problem. Die Verleihe können die Einrichtung des Vertriebsnetzes und die Ausrüstung der Kinos ebenfalls nicht aus der eigenen Tasche zahlen. Hinzu kommt, dass weder Verleihe noch Kinos Erfahrung in der Übertragung von digitalen Daten haben. Hier treten die Intermediäre auf die Spielfläche. Intermediäre finanzieren und bauen die Distributionsinfrastruktur und vermieten diese an Kinos und Verleihe. Dabei bieten sie meist eine komplette Prozesskette von der Produktion bis zur Projektion an. Dazu gehört auch der Betrieb von Playoutcentern, die das digitale Filmmaster an die Kinos ausliefern. Besonders aktive Akteure in diesem Bereich sind die deutsche Media Broadcast, Technicolor und Boeing Digital Cinema sowie die europäische Ymagis oder XDC-Initiative. (Lit.: Slansky, 2004)
Ausblick
Inzwischen werden nahezu keine mechanischen Projektoren verkauft und hergestellt, und die Verkaufszahlen von D-Cinema Systemen haben seit 2005 die mechanischen Projektionssysteme übertroffen. Insbesondere die durch die DCI realisierte Standardisierung und Entwicklung, die durch Firmen wie AccessIT oder AAM bereitgestellte Finanzierung in Milliardenhöhe und das Einschwenken klassischer Kinotechnikanbieter wie Kodak, Technicolor und Christie auf digitale anstelle mechanischer Technik waren hierfür ausschlaggebend. Die durch das D-Cinema ermöglichten beträchtlichen Einsparungen und Qualitätssteigerungen sind für die Kinoindustrie relevant, und so werden, insbesondere in den USA, derzeit mehrere Tausend Leinwände pro Jahr von 35 mm auf digital umgestellt. Deutschland war hierbei zunächst weniger weit entwickelt: Während in den USA seit 2005 300 bis 400 Leinwände monatlich umgestellt werden, waren Stand Sommer 2008 in Deutschland erst rund 150 Kinos digital.
Im Laufe des Jahres 2009 hat sich jedoch die Anzahl digital bespielter Leinwände weltweit sehr stark erhöht, wobei es Europa gelang, einen Teil seines bisherigen Rückstandes aufzuholen. Insbesondere im Vorfeld des Kinostarts von James Camerons stereoskopischem Blockbuster Avatar – Aufbruch nach Pandora wurde hier von manchen Kinoketten ein großer Teil der Spielstätten und Säle umgerüstet, so dass insgesamt eine Verdreifachung der Verbreitung digitaler Kinostätten zu verzeichnen war:
Den Statistiken [des europäischen Film-Promoters] MEDIA Salles zufolge ist die Zahl der Kinosäle in Europa, die mit DLP-Projektoren oder SXRD/LCoS-Technologie ausgerüstet sind, bis zum 31. Dezember 2009 auf 4.693 gestiegen – ein Zuwachs von 206,9 % gegenüber 2008. […] Die meisten digitalen Kinos [Europas] befinden sich nach wie vor in Westeuropa. […] Die Länder mit den höchsten Zuwächsen sind gleichzeitig auch die Länder, in denen es die größte Zahl digitaler Kinoleinwände gibt [(Frankreich, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Italien, Spanien)]. Der Marktanteil [der digitalen Kinos an allen Kinos in Europa] war somit im Dezember 2009 auf 13 % gestiegen – gegenüber 4,1 % im Jahr zuvor. […] In Europa sind es vor allem die großen Kinoketten, die verstärkt auf die digitale Technologie setzen. […]<ref>www.kino-zeit.de/news/3d-filme-lassen-digitale-kinoleinwande-boomen, zugegriffen am 9. Oktober 2010</ref>
Tirol hatte bis 2011 als erstes Bundesland Österreichs alle Kinos auf digitale Projektion umgestellt.<ref>Tiroler Kinos rüsteten für Blockbusterjahr kräftig auf, Tiroler Tageszeitung, 6. Januar 2012, abgerufen am 12. Januar 2012.</ref>
Weitere Vor- und Nachteile
Bei einem Filmprojektor sind einige mechanische Bauteile notwendig, die einen absolut ruhigen Bildstand verhindern. So werden zum Beispiel durch das Malteserkreuz und die Schaltrolle Kräfte auf den Film ausgeübt. Diese Kräfte bewirken, dass sich der Film je nach Projektor, Wartung der Maschine oder der Qualität der Filmkopie vor dem Bildfenster mehr oder weniger stark bewegt.
Bei der digitalen Projektion hingegen gibt es prinzipbedingt weniger mechanische Einflüsse. Während bei der DLP- Technik ein Farbrad hinter dem DLP- Chip rotiert und dieser selbst bewegliche Spiegel verwendet, gibt es bei Projektoren, die LCoS- Technik verwenden, keine mechanischen Bauteile. Derzeit setzt nur Sony auf diese Technik.
Literatur
- Peter C. Slansky (Hrsg.): Digitaler Film – digitales Kino. Uvk Verlag, 2004, ISBN 3-89669-431-6.
- Beate Hundsdörfer, Inga von Staden: FFA-Studie „Majors planen digital rollout“. 2003 (PDF-Datei; 451 KB).
- Alma Freeman: The Digital Divide. In: In Focus. August/September 2004.
- Hahn, Philipp: Mit High Definition ins digitale Kino. Entwicklung und Konsequenzen der Digitalisierung des Films, 128 S., Marburg: Schüren, 2005,ISBN 3-89472-401-3.
- Robert A. Gehring: Digital Cinema Initiatives und Digital Rights Management. In: FKT. 60. Jg., Nr. 4, 2006, S. 179–184.
- Sebastian Richter: Digitaler Realismus: Zwischen Computeranimation und Live-Action. Die neue Bildästhetik in Spielfilmen (Broschiert), Bielefeld: Transcript, 2008, ISBN 3-89942-943-5.
- Barbara Flückiger: Visual Effects: Filmbilder aus dem Computer [Illustriert] (Broschiert): Marburg: Schüren, 2008, ISBN 3-89472-518-4.
Weblinks
- Textsammlung zur Digitalität im Film – stetig wachsende Datenbank bei drippink
- Digitales Kino 2009 – Eine aktuelle Betrachtung 23. April 2009, Filmförderungsanstalt
- Digitales Kino
- Die Studios auf dem Weg zum Digital-Kino
- Filmformate vom analogen Camcorder bis zum digitalen Kinofilm
Technik
- Powerpoint-Präsentation zum JPEG2000-Format für Digitales Kino (PPT; 468 kB)
- Technischer Statusreport 2004 des European Digital Cinema Forums (EDCF) (PDF)
- Spezifikation für digitales Kino der Digital Cinema Initiatives (DCI) und ein Kommentar dazu in der taz
Einzelnachweise
<references />