Fahrradfahren


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Datei:Military cyclists in pace line.jpg
Radrennfahrer nahe Aviano in Italien

Der Ausdruck Fahrradfahren – auch Radfahren – bezeichnet die Fortbewegung auf einem Fahrrad, sei es als Verkehrsmittel im Radverkehr oder als Sportart Fahrradfahren, die als Freizeitbeschäftigung, zur Erhaltung der Gesundheit oder als sportlicher Wettkampf bis hin zum Leistungssport betrieben wird.

Ohne Eingriffe durch den Fahrer würde ein Rad innerhalb kürzester Zeit umfallen. Der Fahrer hält das System Fahrrad/Fahrer mit kleinen Lenkausschlägen im Gleichgewicht. Er wird dabei durch den Gyroskopischen Effekt unterstützt.

Geschwindigkeiten

Die Durchschnittsgeschwindigkeiten beim Fahrradfahren liegen für gewöhnlich bei 10 bis 20 Kilometer pro Stunde (km/h). Ein Fahrrad mit limitierter Tretunterstützung unterstützt den Fahrer bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h (Pedelec). Bestimmte Modelle sogar bis 45 km/h (S-Pedelec). Bei der Tour de France liegt die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit eines Fahrers bei 41 km/h. Bei Abfahrten werden teilweise Geschwindigkeiten über 100 km/h erreicht. Ohne Höhenunterschiede werden höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten erreicht: Der Stundenweltrekord für normale Fahrräder liegt seit 2005 bei 50 km/h, mit besonders aerodynamischen Fahrrädern bei 56 km/h. Der Geschwindigkeitsweltrekord, der in Bergabfahrt auf einem speziell angefertigten Mountainbike ohne Hilfsantrieb erreicht wurde, liegt bei 223,3 km/h.<ref>Neuer Weltrekord: Eric Barone fährt 223,3 km/h mit dem MTB auf Schnee. MTB-News, abgerufen am 20. November 2015.</ref>

Das Fahrrad im labilen Gleichgewicht

Ein Fahrrad berührt den Boden an zwei Stellen – den Auflageflächen der Reifen. Eine auch nur geringe Neigung der senkrecht zur Fahrbahn stehenden Rahmenebene führt beim stehenden Fahrrad zum Umkippen. Sobald der Schwerpunkt nicht mehr über der die Auflageflächen umfassenden und verbindenden Unterstützungsfläche liegt, kippt das Rad um.

Durch extremes Einschlagen des Lenkers lässt sich die Unterstützungsfläche für den Schwerpunkt vergrößern. Nur geübte Menschen können auf einem stehenden Fahrrad für längere Zeit einen Sturz vermeiden. Da diese Probleme beim Geradeausfahren nicht bestehen, muss die Fahrdynamik dafür ausschlaggebend sein.

Das Gleichgewicht während der Fahrt

Einem Umkippen in eine Richtung während der Fahrt wird dadurch entgegengewirkt, dass der Lenker in die gleiche Richtung ausschlägt, eine kurze Kurve einleitet und das Fahrrad nun durch die Zentrifugalkraft zur anderen Seite aufgerichtet wird. Dabei lässt sich ein Überkippen kaum vermeiden, der Lenker muss wiederum in die andere Richtung gelenkt werden und so weiter.

Eine Geradeausfahrt kommt daher einem kaum merkbaren Pendeln um die Gleichgewichtslage zwischen Kippen und Wiederaufrichten gleich. Bei langsamer Fahrt äußert sich das Pendeln durch starke, abwechselnde Lenkausschläge.

Freihändig Fahren

Bei freihändigem Fahren bewirkt man durch das seitliche Neigen des Körpers eine Lenkbewegung. Je mehr man das Fahrrad neigt, desto mehr Lenkeinschlag wird entstehen, in einem gewissen Rahmen. Freihändiges Fahren ist bei langsamer Fahrt nahezu unmöglich. Erst der weiter unten beschriebene Nachlauf und die Kreiselkräfte ermöglichen dies, indem sie bei einer Radneigung einen kontrollierbaren Lenkeinschlag auslösen und so das Rad wieder in die gerade Fahrlinie zurückbringen, beziehungsweise eine stabile Kurvenfahrt ermöglichen. Kleinere, aber abrupte Höhenunterschiede (Schlaglöcher, Hügelchen bis 1 m Durchmesser) sind allerdings fatal beim freihändigen Fahren und führen in der Regel zum Umfallen des Fahrrads. Ist das Rad nämlich nicht seitlich geneigt, aber die Strasse, so wird beim freihändigem Fahren ebenfalls eine Kurve eingeleitet.

Felix Klein und Arnold Sommerfeld stellten 1897 fest, dass sich zwischen 16 und 20 km/h ein stabiler Bereich zum Freihändigfahren befindet. Unterhalb davon reicht der Lenkausschlag, den die Kreiselwirkung verursacht, nicht aus. Fährt man sehr viel schneller, werden keine Kreiselwirkungen mehr spürbar. Die Hinterradspur nähert sich so schnell der Vorderradspur an, dass sich beide zusammen wie ein starres System verhalten. Das Fahrgefühl gleicht dem Fahren in einer schmalen Schiene; das Lenken und damit das Aufrechtbleiben ist erschwert.

Der sich selbst einstellende Lenkeinschlag unterstützt auch das nicht-freihändige Fahren. Im Fall eines Schlaglochs oder einer seitlich schrägen Strasse ist er nicht erwünscht. Der Lenker muss dann stärker festgehalten werden.

Wichtige Gründe für die Drehung der Lenkung in die Kipprichtung sind wie gesagt der Nachlauf (die Fahrradgeometrie) und die Präzession (die Kreiselkraft).

Nachlauf

Datei:Bike-tilting and steering 3.svg
Kipplenkung durch Nachlauf: Der Fahrbahn-Berührungs­punkt O liegt jetzt auf einer Linie mit X und dem Hinterrad und hat damit die Lenkung gedreht
Datei:Bike-tilting and steering 2.svg
Kipplenkung durch Nachlauf: O, der Punkt an dem das Rad die Fahrbahn berührt, tendiert dazu, sich hinter X, der Lenkachse auszurichten

Die Stelle, an dem das Rad den Boden berührt, ist beim Geradeausfahren in der Reifenmitte. Neigt sich das Fahrrad nach rechts, ist sie rechts von der Mitte, der Reifen hat ja eine Dicke. Die Stelle tendiert aber dazu, sich wie bei einem Einkaufswagenrad hinter die Lenkdrehachse zu bewegen, genauer hinter den Durchstoßpunkt der Lenkungsdrehachse durch die Fahrbahnfläche. Da die bodenberührende Stelle aber nicht in der Reifenmitte ist, richtet sie das Rad und mit ihm die ganze Lenkung nicht gerade aus, sondern eben schief. Die Lenkung lenkt nach rechts.

Kürzere Nachläufe bewirken dabei bessere Kurveneigenschaften und schlechtere Geradeauslaufeigenschaften, bei größeren Nachläufen ist es umgekehrt.

siehe Abschnitt #Konstruktionsmerkmale eines Fahrrads, die das Fahren beeinflussen weiter unten

Kreiseleffekte – Stabilisation durch Präzession

Das Vorderrad stellt einen symmetrischen, nutationsfreien Kreisel dar; die Drehimpuls-, Rotations- und Figurenachsen sind identisch. Beim Versuch, auf einem Drehsessel ein solches sich drehendes Vorderrad um die Horizontale zu kippen, stellt man fest, dass sich der Sessel zu drehen anfängt. Um den Effekt allgemein zu formulieren, wird zuerst angenommen, ein solcher Kreisel dreht sich um die Rotationsachse, die zB. x heissen soll. Er bleibt fortan in Bewegung. Wird er dann im weiteren um eine Senkrechte y etwas gedreht, ohne sonstige Beeinflussung, dreht er sich auch etwas um die z-Achse. Der Effekt heisst Präzession (s. a. Gyroskopischer Effekt bei Zweirädern).

Datei:Bicycle precession experiment, tilted bike.ogg
Kippen des Fahrrads bewirkt eine Lenkerdrehung
Datei:Bicycle precession experiment, steered by handlebars.ogg
Lenken des Fahrrads bewirkt eine Kippbewegung

Das Modell kann auf 2 Arten auf das Vorderrad angewendet werden.

  • Angenommen die y-Achse sei die rote Längsachse und die z-Achse die im Bild blaue Vertikalachse. Kippt nun das Rad etwas um die rote Achse, dreht sich das Rad etwas um die blaue Achse. Ein Kippen des Vorderrads und damit des ganzen Fahrrads verursache eine Lenkung, der Lenker dreht sich in die Richtung der Neigung.<ref>Die Federung, Fahrwerk und Federung („Warum kippen wir mit einem einspurigen Fahrzeug eigentlich nicht einfach um?“), oelsumpfonline.de, 2004</ref>
  • Wird andererseits angenommen, die y-Achse des Kreisels stimmt mit der blauen Achse des Vorderrads überein und die z-Achse mit der roten, ergibt sich der zweite Zusammenhang. Dreht man mit dem Lenker das rotierende Vorderrad um die blaue Achse, kippt es um die rote Achse. Lenken verursacht das Kippen des Fahrrads in die entgegengesetzte Richtung.

Das Hinterrad präzediert nicht, trägt aber zur Kreiselwirkung bei, indem seine Neigung auf das Vorderrad übertragen wird, was zu einer Verstärkung der Kreiselwirkung führt und das Rad insgesamt stabilisiert.

Chaotisches Endverhalten

Aus der Sicht der Kreiseltheorie lässt sich vereinfacht dazu sagen, dass das System niemals durch den idealen Fall eines symmetrischen Kreisels (von den drei extremalen Trägkeitsmomenten sind zwei gleich), sondern durch einen realistischen Trägheitstensor mit drei verschiedenen Hauptträgheitsmomenten beschrieben wird.<ref name="Landau">Siehe alle Darstellungen der Theoretischen Mechanik, insbesondere die von Landau-Lifschitz</ref> Von Bewegungen um das „mittlere Trägheitsmoment“ ausgehend entwickeln sich Störungen bei Nicht-Eingreifen des Fahrers nach einer Zeit, die von den drei Hauptträgheitmomenten und von der „Störung“ abhängt, zu einer unkontrollierbaren Taumelbewegung.

Andere Beiträge zur Stabilität

Um zu beweisen, dass Kreiselkräfte und Nachlauf nicht die einzigen Faktoren sind, die beim Kippen durch selbstständigen Drehung der Lenkung zur Stabilisierung beitragen, wurde ein Modell gebaut, das ohne Kreiselkräfte und Nachlauf in gewissen Rahmen stabil fährt. Die Erbauer gehen davon aus, dass es eine Rolle spielt, dass der drehbare Lenkrahmen vor der Lenkachse schwerer ist und beim kippen schneller kippt.<ref>TMS bicycle, Andy Ruina explains how bicycles balance, Youtube Video und TMS Bicycle stable without gyros or trail, J. Kooijman., Delft University of Technology, 2011</ref>

Kurvenfahrt

Einleitendes Gegenlenken

Eine Kurve wird nicht direkt durch ein Drehen des Lenkers in die gewünschte Richtung eingeleitet. Radspuren auf Sand oder Schnee zeigen, dass zunächst eine leichte Lenkbewegung in die entgegengesetzte Richtung erfolgt. Schlüge man für eine Linkskurve einfach nach links ein, dann bewegte sich die Auflagefläche des Reifens nach links unter dem Schwerpunkt weg. Dies bewirkt eine Schräglage nach rechts, die im Folgenden durch die Schwerkraft noch verstärkt wird. Um eine Linkskurve zu fahren, ist aber grundsätzlich eine Neigung nach links notwendig, damit das Rad nicht nach außen kippt.

Zur Einleitung einer Rechtskurve muss es aus dem senkrechten Gleichgewicht in eine Schräglage nach rechts gebracht werden. Dies geschieht durch eine kurze Lenkbewegung nach links. Anschließend wird die Schräglage durch Lenkung nach rechts stabilisiert. Damit wird ein neues Gleichgewicht erreicht, in dem das Kippmoment durch die Zentrifugalkraft ausgeglichen wird.

Bestimmung des Neigungswinkels

Eine Kurve kann als Teil einer Kreisbahn betrachtet werden. Legt sich der Fahrer in die Kurve, ist der Neigungswinkel, bei dem er nicht stürzt, abhängig von Fahrgeschwindigkeit und Kurvenradius. Je schneller die Fahrt und je enger die Kurve, desto größer muss der einzunehmende Neigungswinkel sein. Dieser ist eindeutig bestimmbar: Die Verbindungslinie zwischen Schwerpunkt und Unterstützungsfläche muss nämlich in Richtung der Resultierenden von Fliehkraft und Anziehungskraft verlaufen. Für den Neigungswinkel <math>\alpha</math> zwischen der Resultierenden und der Senkrechten gilt daher:

<math>\tan \alpha = \frac{v^2}{r \, g}</math>

Dabei ist <math>v</math> die Geschwindigkeit, <math>r</math> der Kurvenradius und <math>g</math> die Schwerebeschleunigung.

Für einen ruhenden Beobachter wirkt auf das Fahrrad eine zum Kreismittelpunkt gerichtete Zentripetalkraft, die durch die Haftreibung der Laufräder aufgebracht wird. Der Haftreibungskoeffizient bestimmt nun den maximalen Neigungswinkel, dessen Überschreitung zum Wegrutschen des Vorderrades und zum Sturz führt. Vor engen Kurven und auf schmierigen, schotterigen oder glatten Bodenbelägen ist also ein Abbremsen notwendig, weil die Reibung sonst nicht ausreicht, die erforderliche Zentripetalkraft aufzubringen.

Fahrereinfluss bei Kurvenfahrten

Dem Fahrer ist beim Kurvenfahren die Feinabstimmung überlassen, ohne die eine kontrollierte Fahrt nicht möglich wäre. Beim sportlichen Radfahren (Radrennsport) sind zum erfolgreichen Durchfahren von Kurven weitere Techniken unerlässlich. Beispielsweise muss der Fahrer eine Körperspannung aufbauen, was durch Durchdrücken des fast gestreckten kurvenäußeren Beines (Pedale im tiefsten Punkt) bewirkt wird. Im Mountainbikesport hingegen, wo es eher um schnelle Verlagerung des Körperschwerpunktes aufgrund der Bodenbeschaffenheiten geht, hat sich eine Waagrechtstellung der Pedale als eher zweckmäßig erwiesen.

Überhöhung

Der Kurvenradius kann erheblich verkleinert werden, wenn die Fahrbahn nicht eben, sondern in Richtung Kurvenmittelpunkt nach unten geneigt ist (Überhöhung). Diese Hilfe machen sich sowohl Cyclo-Cross-Fahrer und Mountainbiker als auch Bahnradfahrer zunutze:

  • Im Cyclocross- und Mountainbike-Sport nutzt man z. B. ausgefurchte Kurven, die hierdurch eine Überhöhung aufweisen, um Kurven schneller zu durchfahren.
  • Im Bahnradsport weisen die Radrennbahnen grundsätzlich in den Kurven Überhöhungen zwischen 30 Grad (lange Freiluft-Zementbahnen mit größerer Haftreibung) und gewöhnlich 45 Grad Überhöhungswinkel auf (in Ausnahmefällen sogar darüber: die nicht mehr existierenden Bahnen in Münster und Frankfurt am Main hatten Überhöhungen von über 55 Grad).

Ausweichmanöver

Bei Kurven, die im Zuge von kurzen Ausweichmanövern gefahren werden, ist die Technik des Gegenlenkens, um das Kippen einzuleiten, nicht notwendig, wenn der Fahrer anschließend die Fahrt auf der ursprünglichen Fahrlinie fortsetzen möchte. Statt der beschriebenen Technik lenkt der Fahrer das Fahrrad an dem Hindernis vorbei, während sein Körperschwerpunkt sich fast geradeaus weiterbewegt. Demzufolge ist diese Technik auch nur zum Ausweichen vor bodennahen Hindernissen, Schlaglöchern usw. geeignet. Wird sie in der falschen Situation angewandt, führt sie zu schweren Stürzen. Die Entscheidung über die Technik trifft der Fahrer nicht bewusst, sondern in Zehntelsekundenschnelle intuitiv.

Konstruktionsmerkmale eines Fahrrads, die das Fahren beeinflussen

Datei:Masze-am-fahrrad.png
Fahrrad: Positiver Nachlauf, Radstand

Nachlauf

Als Nachlauf wird der Abstand zwischen dem Vorderradaufstandspunkt und dem Punkt, in dem die gedachte Verlängerung der Lenkachse den Boden trifft, dem so genannten Spurpunkt, bezeichnet. Geometrisch festgelegt wird der Nachlauf durch Laufradradius, Steuerkopfwinkel (zwischen Lenkachse und Boden) und der Gabelbiegung (senkrechter Abstand von Nabe zur Lenkachse). Der Name rührt daher, dass das Rad bei Lenkbewegungen dem Spurpunkt „hinterherläuft“. Ist der Nachlauf positiv, so befindet sich der Spurpunkt wie in der Abbildung dargestellt in Fahrtrichtung vor dem Aufsetzpunkt. Die Größe des Nachlaufs liegt meist zwischen fünf und siebeneinhalb Zentimeter.

Datei:Nachlauf Einkaufswagen 2.png
Negativer Nachlauf beim Einkaufswagen. Die Räder neigen beim Schieben zum „Flattern“.

Der Nachlauf ist wohl die wichtigste bauliche Unterstützung im Bemühen gegen das Umfallen während des Geradeausfahrens. Er wirkt auf folgende Arten:

  1. Droht ein Sturz, bewirkt die bei Radneigung in der Vorderachse angreifende Schwerkraft des Vorderrades einen Lenkereinschlag in Richtung der Neigung. Wie oben beschrieben greift nun die Fliehkraft ein und richtet das Rad auf. Dieser Effekt ist gut sichtbar, hält man den Sattel fest und neigt das Rad. Prompt dreht sich das Vorderrad.
  2. Die Richtkraft versucht das Rad in Radflucht auszurichten. Anschaulich ist dieser Effekt bei Teewagen oder Einkaufswagen, deren Radachsen nicht unterhalb der Lenkachsen liegen, sodass ein Kräftepaar auftritt. Lagerkraft und Rollwiderstand (Reibung) lassen das Rad auf der Stelle verharren. Bewegt sich z. B. der Einkaufswagen, rotieren die Räder zunächst auf der Stelle. Erst wenn ein positiver Nachlauf erreicht ist, folgt das Rad der Bewegung hinterher. Ohne den Nachlauf wäre diese Richtkraft nicht vorhanden.

Der Nachlauf ergibt sich aus dem Lenkwinkel und der Gabelvorbiegung; wie er sich aufs Fahrverhalten auswirkt, ist immer von diesen zwei Faktoren abhängig. Ein Nachlauf von 60 mm ergibt sich etwa bei einem Lenkwinkel von 74° und einer Gabelvorbiegung von 40 mm, ebenso jedoch bei 71° Lenkwinkel und 63 mm Vorbiegung. Beim ersten Beispiel (Kriteriumsrennrad) ergibt sich ein agiles Lenkverhalten, beim zweiten (Tourenrad) ist die Lenkung richtungsstabiler, allerdings auch empfindlicher beim Einspuren in Längsrillen.

Dass ein Fahren mit einem negativen Nachlauf nur schwer möglich ist, zeigt das Experiment des Chemikers David E. H. Jones. Er versuchte im Jahr 1970 ein Fahrrad zu konstruieren, das unfahrbar ist. Die meisten entwickelten Radtypen waren jedoch mehr oder weniger trotzdem nutzbar. Erst ein Rad mit negativem Nachlauf war „sehr knifflig“ zu steuern und besaß vernachlässigbare Selbststabilisierung.<ref name="Jones1970">David E. H. Jones: The Stability of the Bicycle. In: Physics Today 23 (April 1970) S. 34–40. (PDF, 9 MB, englisch).</ref>

Radstand

Datei:Radstand und Schwerpunktsweg.png
Radstand und Schwerpunktsweg

Ein Fahrrad mit zwei Laufrädern berührt den Boden in zwei Punkten. Der Abstand dieser Punkte heißt Radstand. In einer Kurve neigt sich das Rad in Kurvenrichtung, der Schwerpunkt wandert dabei in dieselbe Richtung. Je größer der Radstand, desto größer ist der Weg des Schwerpunkts bei der Gewichtsverlagerung und damit die Zeit, um die für eine Kurvenfahrt nötige Neigung zu erreichen. Das etwas träge Verhalten von Rädern mit langem Radstand, etwa Tandems, lässt sich hierdurch erklären.

Ein Fahrrad mit weit auseinanderstehenden Laufrädern ist weniger wendig, bleibt aber der Richtung treu. Mit nahe beieinanderstehenden Laufrädern reagiert es schneller auf Lenkbewegungen, dabei stellt sich aber ein eher nervöser Geradeauslauf ein. Seine Wendigkeit wird beim Rennrad genutzt.

Vor allem nicht betont sportlich konstruierte Fahrräder haben einen Radstand von deutlich über einen Meter, ein Tandem gar zwei. In Wettbewerben verwendete Rennräder weisen i. d. R. einen Radstand von 97 bis 100 Zentimeter auf.

Um den Radstand zu messen, misst man die Entfernung der Radmittelpunkte (Nabenachsenmittelpunkt) bei geradeaus ausgerichtetem Lenker, die die gleiche Entfernung haben wie die Aufstehpunkte am Boden, sofern Vorder- und Hinterrad den gleichen Radius besitzen.

Laufradgröße und -gewicht

Je größer im Durchmesser und schwerer die Räder sind, desto größer sind die Kreiselmomente. Bei einem normalen Gebrauchsrad (Laufraddurchmesser 60 cm, Masse 1 kg) sind die Kreiselwirkungen etwa fünfmal so groß wie bei einem Kinderrad (30 cm; 0,4 kg). Korrekterweise hängt das Kreiselmoment natürlich nicht von der Masse des Laufrades, sondern von der Verteilung der Masse im Laufrad (Trägheitsmoment bzgl. der Achse) ab; beispielsweise hat ein Laufrad mit einer „schweren“ Felge ein größeres Kreiselmoment als ein gleich schweres Laufrad mit einer „leichten“ Felge mit einer „schweren“ Nabenschaltung. Konstruiert werden Fahrräder aber eher unter dem Gesichtspunkt des Energiesparens und daher so leicht wie möglich.

Abrollfläche

Bei Geradeausfahrt entspricht die Form der Abrollfläche der Reifen einem Zylindermantel, bei einer Radneigung einem Kegel. Ein gerollter Kegel kreist um sein spitzes Ende. So ist ein Steuern durch Schräglage möglich, der Effekt ist jedoch gering. Bedeutend ist er, wenn freihändig mit „eingeschlagenem“ oder klemmend schwergängigem Steuerlager gefahren wird. Bei genügender Geschwindigkeit kann mit Hüftknick auf seitlich nicht geneigter Fahrbahn knapp ausreichend gelenkt und damit geradeaus balanciert werden.

Vorderradabsenkung

Einen sehr geringen Einfluss haben der Vorbau und Lenkkopf. In Geradeausstellung hat er die höchste Lage und damit größte potentielle Energie. Der Zustand niedrigster Energie wird angestrebt, daher werden Lenkeinschläge durch die Vorderradabsenkung verstärkt. Bei einem Lenkwinkel von 8° beträgt diese nur 0,15 Millimeter.

Sitzposition

Verlagert der Fahrer sein Gewicht auf das Hinterrad, sind geringere Lenkkräfte nötig. Dies führt allerdings zu Übersteuern und flatterigem Fahrverhalten aufgrund zu weiter oder zu schneller Richtungskorrekturen. Beugt man sich vor und belastet das Vorderrad, sind größere Lenkkräfte nötig. Man untersteuert und erreicht ein schwankendes Fahrverhalten wegen zu später und geringer Korrekturen.

Als Erfahrungswert gilt, dass ein ausgewogenes Fahrverhalten gewährleistet ist, wenn 55 bis 60 % des Gesamtgewichts von Fahrrad und Fahrer auf dem Hinterrad lasten.

Rahmengröße

Die optimale Rahmengröße ist ebenfalls entscheidend für das Fahrverhalten. Für jeden Fahrradtyp gibt es hierzu eigene Richtlinien, für die die eigene Schrittlänge zu beachten ist. Zu empfehlen ist bei sportlicher Fahrweise die Wahl eines kleineren, bei tourenorientierter Fahrweise die Wahl eines größeren Rahmens.

Medizinische Aspekte

In den letzten Jahren wurden durch die Zunahme des Radfahrens auch vermehrt die medizinischen Aspekte des Fahrradfahrens untersucht. Generell gilt Fahrradfahren als sehr gesund (Herz- und Kreislauftraining)<ref name="boston">Huang V, Munarriz R, Goldstein I., Institute for Sexual Medicine, Department of Urology, Boston University School of Medicine, 720 Harrison Avenue, Boston, MA 02118, USA., September 2005.</ref> und gelenkschonend.<ref name="orthopaede">http://www.orthopaede.com/klinik/bunte.html</ref><ref>http://www.mcgesund.de/fitness/sport/fahrrad-und-gesundheit/</ref> Dabei kommt es aber darauf an, eine gute Ergonomie für den gesamten Körper herzustellen. Nicht alle Arten des Radfahrens erreichen dies in gleicher Weise. Untersuchungen unter anderem des ADFC haben ergeben, dass die Haltung auf dem sogenannten Reiserad bei richtiger Rahmengröße und richtigem Sattel die Haltung ist, die der menschlichen Anatomie am stärksten entgegenkommt.<ref name="ADFC">http://www.fa-technik.adfc.de/Ratgeber/Sitzen/</ref> Wichtig ist, beim Fahrradfahren eine möglichst gleichmäßige Belastung der Kontaktpunkte des Fahrers mit dem Fahrrad gemäß der natürlichen Anatomie des Menschen zu erreichen.

Dabei trägt naturgemäß der Fuß mit dem Kontaktpunkt Pedale die größte prozentuale Last des Körpergewichtes, wobei der Fuß von Natur aus auch dafür geschaffen ist, die gesamte Körperlast zu tragen. Um die ergonomischste Rückenhaltung zu erreichen, sollte die Sitzhaltung idealerweise so sein, dass die imaginäre Linie zwischen Schulterblatt und höchstem Punkt des Pedals senkrecht ist.<ref name="ADFC" /> Um eine optimale Versorgung der Füße und eine möglichst geringe Belastung der Knie zu erreichen, sollte die Sattelhöhe so eingestellt werden, dass man beim Treten der Pedale am tiefsten Punkt das Bein immer noch leicht angewinkelt hat.

Als zweitgrößte Belastungszone ist der Kontakt zwischen Gesäß und Sattel anzusehen. Dieser Berührungspunkt kann insbesondere daher problematisch werden, da das menschliche Becken mit seinen Sitzbeinhöckern und dem Schambein (bzw. den Schambeinkufen, auch Schambeinkamm genannt) durch den Kippwinkel des Beckens Auswirkungen auf die Biegung der gesamten Wirbelsäule hat. Somit kann eine falsche Beckenhaltung (z. B. um Missempfindungen aufgrund des Sattels zu vermeiden) zu einer starken Belastung der Wirbelsäule führen.<ref name="ADFC" /> Gleichfalls problematisch wird ein falscher Beckenwinkel auf dem Sattel für den gesamten Beckenbereich, da dieser Bereich stark mit Blut- und Nervenbahnen durchzogen ist, die auf der Innenseite der Oberschenkel liegen und die die unteren Gliedmaße zu versorgen haben. Werden diese Versorgungsbahnen durch ein Aufliegen des Schambeins bzw. der Schambeinkufen / des Schambeinkamms auf dem Sattel längere Zeit eingeengt oder gar gequetscht, können dadurch Schädigungen der entsprechenden Gefäße und Versorgungsbahnen entstehen.<ref name="boston" /> Daher ist es notwendig, die Hauptbelastung dieses Kontaktpunktes auf die Sitzhöcker zu bringen und möglichst wenig Druck auf den Bereich der Schambeinkufen, des Damms, der Genitalien und der innenliegenden obersten Teile der Oberschenkel auszuüben.<ref name="orthopaede" /><ref name="boston" />

Schließlich bilden die Hände mit dem Lenker den dritten Kontaktpunkt zwischen Radfahrer und Fahrrad. Auch hier sind medizinische Aspekte zu beachten, um eine optimale Blut- und Nervenversorgung der Hände und Finger zu gewährleisten. Dabei spielt die Entfernung des Lenkers zum Gesäß des Radfahrers genauso eine wichtige Rolle wie die Lenkerform (Biegung) und die Höhe des Lenkers, der optimalerweise in gleicher Höhe wie die Mitte der Beckenknochen sein sollte. Die Arme sollten nicht gestreckt, sondern leicht angewinkelt sein,<ref name="ahano">http://www.ahano.de/gesundheit/gesundheitsmagazin/202-Gesunde-Bewegung-Fahrradfahren.html</ref> um Bodenunebenheiten besser abfedern zu können. Der Abstand zwischen beiden Händen (gemessen vom kleinen Finger der einen zum kleinen Finger der anderen Hand) sollte nur unwesentlich den Abstand der Schulterblätter übersteigen.<ref name="ahano" /> Die Hand sollte die gerade Verlängerung des Unterarms bilden und weder nach oben noch nach unten geknickt werden um so durch das Handgelenk eine permanente und ungehinderte Blutversorgung der gesamten Hand sicherzustellen. Wird das Gewicht gleichmäßig auf die drei Kontaktpunkte verteilt, entsteht ein zusätzlicher Druckpunkt an der Wirbelsäule zwischen den Schultern, dort wo die Arme ansetzen.

Als grobe Richtlinie sollten die imaginären Verbindungslinien der drei Kontaktpunkte und des Schulterblattes eine Raute darstellen, deren Seitenlängen möglichst etwa gleich lang sein sollten.<ref name="ADFC" />

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Rad fahren – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons Commons: Fahrradfahren – Sammlung von Bildern
Wikibooks Wikibooks: Fahrrad fahren lernen – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise

<references />

24px Dieser Artikel wurde am 28. August 2005 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.