Fluch
Ein Fluch ist ein Spruch (gelegentlich auch mit einer zugehörigen Gestik verbunden), der ursprünglich auf ritualisierte (magische<ref>Andreas Dorschel, 'Entwurf einer Theorie des Fluchens', Variations 23 (2015), § 13, S. 167-175, S. 170.</ref>) Weise einer Person oder einem Ort Unheil bringen oder zur Sühne bewegen bzw. zwingen soll. Zorn oder der Wunsch zu strafen oder sich zu rächen können ihn begründen. Wer wirksam verflucht wird, muss dabei weder anwesend sein, noch von dem Fluch wissen. Sein Gegenteil ist der Segen.
Umgangssprachlich finden sich zahlreiche abgesunkene Flüche, die dann mehr der Beschimpfung anderer (z. B. Hol dich der Teufel!) oder der Abfuhr eigener Wut dienen (z. B. das in Deutschland beliebte Fluchwort Scheiße! oder in neuerer Zeit das aus dem Englischen übernommene Fuck!).
Inhaltsverzeichnis
Definition
Im ursprünglichen Sinn war ein Fluch eine ernsthafte soziale Sanktion, solange geglaubt wurde, er wirke, selbst über die Absicht des Verfluchenden hinaus.
Nach Maximilian Oettinger, der den Fluch in jüdischer und christlicher Tradition untersuchte, gibt es fünf Elemente, die in einem Fluch zu beobachten sind:
- Der Zweck eines Fluchs ist die Strafe. Ausgangspunkt ist ein geschehenes Unrecht, der Fluch ist eine Reaktion des Opfers gegen den Täter.
- Der Fluchende glaubt sich dem Täter ohnmächtig ausgeliefert. Er sieht alle Rechtsmittel ausgeschöpft, ohne dass eine angemessene Vergeltung für das Unrecht erfolgt wäre. Der Fluch ist die höchste Strafe und zugleich die letzte Waffe, nachdem alle anderen Mittel versagt haben.
- Die Ohnmacht erzeugt eine affektive Spannung, die sich im Fluch entlädt. Hier zeigt sich die Verwandtschaft des Fluches zur Rache.
- Für einen wirksamen Fluch muss eine Fluchgemeinschaft bestehen, das heißt, der Fluchende muss überzeugt sein, dass auch sein Umfeld und insbesondere der Verfluchte an die Wirksamkeit des Fluches glaubt. Die jüdischen und christlichen Flüche waren öffentliche Sprechakte. Sie wurden vor Zeugen ausgesprochen, verbreitet und dem Verfluchten kundgetan.
- Als Unterstützer und Vollstrecker des Fluches werden Gott beziehungsweise höhere Mächte angerufen.<ref>Maximilian Oettinger: Der Fluch. Vernichtende Rede in sakralen Gesellschaften der jüdischen und christlichen Tradition. Hartung Gorre Verlag Konstanz, 2007, S. 11f., ISBN 3-86628-118-8.</ref>
Geschichte
Die ärgste Steigerung war der Vaterfluch; der älteste überlieferte Fluch eines Menschen in der Bibel ist ein solcher, nämlich der des Noach über seinen Enkel Kanaan, der Sohn Hams. Doch hat nach jüdischer und christlicher Lehre zuallererst Gott die Schlange und dann den Erdboden verflucht (Gen 3,14.17 EU). In den Evangelien findet sich ein Strafwunder Jesu, die Verfluchung des Feigenbaums.
Der Fluch in den Künsten
Im Sinne einer Sanktion kommen Flüche von Zauberwesen oder Menschen auch im Märchen vor. Sie können oft nicht aufgehoben, sondern nur gemildert werden, wie bei Dornröschen. Oft erscheinen dort Verfluchungen als Verwünschungen, vermöge derer der Verwunschene sich nachhaltig ändert (Beispiele: Verlust des Gedächtnisses oder charakterlicher Eigenschaften, unerwecklicher Schlaf, Verwandlung in ein Tier oder einen Stein, Siechtum und Tod).
Namentlich in der Mythologie (s. Abb.) und in der Belletristik taucht das Motiv nicht selten auf. Ein klassisches Beispiel ist die Verwünschung des Nils Holgersson (der in einen kleinen Wicht verwandelt wurde, um so das Leiden der Tiere verstehen zu lernen) im Kinderbuch Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen oder die Roman-Trilogie von Selma Lagerlöf: Der Ring des Generals (1925), Charlotte Löwensköld (1925) und Anna, das Mädchen aus Dalarne (1928), wo eine generationenüberspannende psychische Konstellation den sie Durchlebenden wie die Folge eines alten Fluches erscheint.
Siehe auch
- Anathema
- Buchfluch
- Fluchtafel
- Schadenzauber
- Sühne
- Tantalidenfluch
- Des Sängers Fluch (Ludwig Uhland, 1814)
- Fluch des Pharao
- Vulgärsprache
Weblinks
Anmerkungen
<references />