Gau


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25px Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Gau (Begriffsklärung) aufgeführt.

Gau war die Bezeichnung für eine landschaftlich geschlossene und von naturräumlichen Grenzen bestimmte politische Siedlungsgemeinschaft der Germanen. Das Wort diente als allgemeine Bezeichnung von Regionen als Landschaft oder Verwaltungseinheit.

Etymologie

Die Etymologie des althochdeutschen Wortes gouwe, gouwiLandstrich“ konnte noch nicht abschließend geklärt werden. Das Wort ist im Gotischen, im Althochdeutschen, im Altfriesischen und im Altenglischen als Neutrum bezeugt. Lange Zeit wurde die Herkunft aus germanisch *ga-agwia „das am Wasser gelegene [Land]“ mit einer Bedeutungserweiterung „Offenlandschaft, Ackerbaugegend, Siedlungslandschaft“ vermutet. Der Duden legt das germanische Wort *awjo in der Bedeutung „Insel, Au, zum Wasser gehörig“ zugrunde, aus dem die gemeingermanische Kollektivbildung *gaawja „Land am Wasser“ hervorging.<ref>Das Herkunftswörterbuch, im Duden Band 7, Mannheim 1989</ref> Dem entspricht die weitgehend an Flussnahmen orientierte Benennung frühmittelalterlicher Gaue bzw. entsprechender Grafschaften.

Gegenwärtig stehen zwei neue Vorschläge zur Diskussion:

  • die Herleitung von der urindogermanischen Wurzel *ghew „gähnen, klaffen“ mit einer Bedeutungsentwicklung zu „freier Raum, Gegend, Landschaft“;
  • die Rückführung auf urgermanisch *ga-aw-ja (die Gesamtheit der Wohnungen oder Dörfer), eine Kollektivbildung zu germanisch *awja „Wohnung, Dorf“ mit einer althochdeutschen Ableitung inouwa „Wohnung, Wohnsitz“.

Die Bezeichnung der Gau für eine bestimmte Landschaft bzw. Region wurde von Historikern des 17. bis 19. Jahrhunderts wiederbelebt. Durch die Aufnahme in die Terminologie des Dritten Reiches geriet sie in Misskredit, lebt allerdings in den (als Ortsnamenzusätze auch offiziellen) Bezeichnungen der Salzburger Bezirke weiter.

Die Umlautform das Gäu (seltener die Gäu) ist in deutschen Mundarten und auch in der Namensüberlieferung gebräuchlich, zum Beispiel im zusammengesetzten Wort Allgäu. Der Umlaut erklärt sich durch den alten Lokativ (Ortsfall): ahd. gewi (im Gau). In den bayerischen und alemannischen Dialekten gibt es den Ausdruck ins Gei gehn für „aufs Land fahren“ oder „in der ländlichen Gegend herumfahren“.

Begriffsgeschichte

Gaugrafschaft im Mittelalter

Es gibt keine Hinweise für die Annahme, dass das Wort Gau schon in germanischer Zeit einer Verwaltungsgliederung entsprochen hätte. Hierbei dürfte es sich um eine Fehldeutung der historischen Forschung des 18. und 19. Jahrhunderts handeln.<ref name="Finger">Jürgen Finger: Gau, Abschnitt Gau, in der historischen Forschung des 18. und 19. Jahrhunderts, Historisches Lexikon Bayerns, 2008</ref>

Karl der Große etablierte nach der Niederwerfung der einheimischen Bevölkerung des Südostens seines Reiches dort das Grafschaftsprinzip, übernahm aber wohl vorhandene Regionalkonzepte. Der neue Zentralherrscher setzte Grafen als seine Stellvertreter vor Ort ein. Zur Abstützung seiner Herrschaft führte er das Römische Recht ein, das zentrale Macht und zentrale Gerichtsbarkeit legitimierte. Im Fränkischen Reich bezeichnete der comitatus im Wesentlichen den Amtsbezirk eines Grafen (comes, grafio), des so genannten Gaugrafen. Dieser war gleichzeitig oberster Richter und Führer eines Heerbanns. Dem Gau zugeordnet waren Zentmarken oder Hundertschaften, die oft durch Zentgrafen verwaltet wurden. Im Zent(grafen)gericht fungierten diese als Schöffen. Den süddeutschen Zentgerichten entsprachen in Norddeutschland die Gogerichte.

Auch die lateinische Bezeichnung pagus, die spätestens mit der Spätantike zu einem festen Bestandteil der römischen Regionalverwaltung geworden ist, wird traditionell mit Gau wiedergegeben. Diese Gleichsetzung geht bereits auf die merowingisch-fränkische Verwaltungspraxis zurück (als Beispiel: 768 pagus Aregaua, heutiger Kanton Aargau).

Gaue als Bezirke der NSDAP

Datei:Grossdeutsches Reich NS Administration 1944.png
Parteigaue (hellbraun), Reichsgaue (dunkelbraun) und Generalgouvernement, Mai 1944

Die Bezirke der NSDAP im Deutschen Reich 1925–1945 waren in Gaue gegliedert, geführt von einem Gauleiter, siehe Struktur der NSDAP. Die dem Deutschen Reich zwischen 1938 und 1939 eingegliederten Gebiete Österreichs (→ Ostmarkgesetz), des Sudetenlandes und Westpolens wurden als Reichsgaue verwaltet.

Heutige Verwendung des Begriffs

Ortsnamensbestandteile

In Flur- und Siedlungsnamen ist die Etymologie eines Wortendes ...gau unklar, weil es sich auch um eine Zusammensetzung mit -au (Aue) handeln kann:

  • Burgau, aus Burg-Gau (Verwaltungsraum eines Burgherrn) oder Burg-Aue (dem nahen Burgherrn gehörendes Auland)
  • Lengau in Oberösterreich, möglicherweise entstanden aus ahd. *bi zuo demo langin/lengin gouue „im langgestreckten Gau(ort)“ oder aber ahd. *bi zuo dero langin/lengin ouwa „in der langgestreckten Au“<ref> Elisabeth Bertol-Raffin, Peter Wiesinger: Die Ortsnamen des politischen Bezirkes Braunau am Inn. Wien 1989., Band 1, S. 49; nach Vorlage:Internetquelle/Wartung/Zugriffsdatum nicht im ISO-FormatUte Maurnböck-Mosser: Altheim. In: Die Haus- und Hofnamen im Gerichtsbezirk Mauerkirchen. 2002, abgerufen am 24. Juli 2008 (Diplomarbeit).</ref>, Pfongau(Salzburg)

Landschaftsnamen

In folgenden Staaten hat sich -gau, -gäu als Teil von Bezeichnungen für Landschaften erhalten:

Salzburg: (historisch)Salzburggau
Salzburg: Flachgau, Tennengau, Pongau, Pinzgau, Lungau (die zugleich Verwaltungbezirke sind).
Vorarlberg: Walgau
Historisch: Traungau<ref>Ludwig Edlbacher: Die Entwicklung des Besitzstandes der bischöflichen Kirche von Passau in Oesterreich ob und unter der Enns vom 8. bis zum 11. Jahrhundert. In: Neunundzwanzigster Bericht über das Museum Francisco-Carolinum. Eigenverlag, Linz 1870. S. 14 (Online; PDF; 3,3 MB)</ref>
Historisch: Augstgau, Buchsgau, Frickgau, Sisgau, Züri(ch)gau

Regionalgruppen von Vereinen

Turnerbünde (siehe Turngau), Gruppen der Bündischen Jugend und der Pfadfinderbewegung, Trachtenverbände und Schützenbünde (zum Beispiel bei Gaumeisterschaften) verwenden den Begriff. Auch beim ADAC findet er Verwendung für die Regional-Clubs gem. Satzung von 2012 in § 8).<ref>Satzung des ADAC, eingesehen am 26. August 2013 (PDF; 130 kB)</ref> In Österreich hat der Österreichische Turnerbund (ÖTB) teilweise eine Gliederung in Turngaue, der Deutsche Turner-Bund spricht von Gau. Der Schwäbische Albverein ist seit 1894 in Gaue aufgeteilt.<ref>Zur Geschichte des Schwäbischen Albvereins</ref>

Bezirke

Die Bezirke des Bundeslandes Salzburg heißen zwar offiziell nach ihrem Standort, allgemein werden sie aber nach ihrer alten Bezeichnung Gaue genannt, etwa Gebirgsgaue für das Innergebirg (Pongau, Pinzgau, Lungau, aussergebirg den Flachgau, Tennengau). Früher gab es zB aussergebirg nur den Salzburggau, der Gebiete das damals Salzburg zugehörigen nun bairischen Rupertiwinkels mitumfasste. Diese Bezeichnungen werden auch als Unterscheidungszusatz im offiziellen Ortsnamen für mehrfach vorkommende Namen verwendet, wie beispielsweise bei St. Johann im Pongau.

Gau für fremdsprachliche Begriffe

Das Wort wird auch für folgende fremdsprachliche Begriffe verwendet:

Für Margaret Carroux, die erstmals Herr der Ringe ins Deutsche übersetzte, war der „Gau“ zwar die eheste Übersetzung von The Shire (engl. „die Grafschaft“), der Heimat der Hobbits, aufgrund der Verwendung von „Gau“ im Nationalsozialismus wählte sie jedoch die Übersetzung „Auenland“.

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Kollektivbildung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Gau – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

<references />