Gesundheitssystem in Österreich
Inhaltsverzeichnis
Gesetzliche Grundlagen
Krankenanstalten (intramuraler Bereich)
Für Spitalsangelegenheiten obliegt die Grundsatzgesetzgebung dem Bund. Die Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung sind Angelegenheiten der Länder.
Vereinbarungen zwischen Bund und den Ländern verfolgen neben der Sicherstellung des Finanzierungserfordernisses auch das Ziel, österreichweit ein gleichwertiges Niveau der Gesundheitsversorgung mit hoher Qualität sicherzustellen. Vereinbart ist auch eine über die Ländergrenzen hinausgehende Abstimmung. Auf Bundesebene ist dazu ein Strukturfonds eingerichtet. Dieser wird von einer Kommission geleitet, die sich aus Vertretern der mit dem Spitalswesen befassten Stellen zusammensetzt (Bund, Länder, Sozialversicherung, Städte- und Gemeindebund, Bischofskonferenz, Evangelischer Oberkirchenrat, Ärztekammer, Patientenanwaltschaften). Die Strukturkommission hat die Grundlagen für das Krankenanstaltenfinanzierungssystem festzulegen und weiterzuentwickeln.
Die Länder sind verpflichtet einen Krankenanstaltenplan zu erlassen, der im Rahmen des Österreichischen Strukturplan Gesundheit Vorgaben für die Fondskrankenanstalten enthält.
Extramuraler Bereich
Der extramurale Bereich ist größtenteils Bundesgesetzgebung (z.B. Ärztegesetz, Psychologengesetz, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz). Große praktische rechtliche Bedeutung haben neben Verordnungen der jeweiligen Bundesministerien auch die sogenannten Richtlinien des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie die Satzungen und Krankenordnungen der Sozialversicherungsträger.
Im Zuge der § 15a-Vereinbarung für die Jahre 2008 bis 2013 wurden sogenannte regionale Strukturpläne Gesundheit (je ein RSG pro Bundesland) vorgesehen, welche sowohl den intra- als auch den extramuralen Bereich umfassen sollen. Zuständig für die Beschlussfassung über diesen RSG ist die jeweilige Landesgesundheitsplattform des Bundeslandes.
Versicherung
In Österreich besteht die Pflichtversicherung für alle unselbständig Erwerbstätigen, eine Wahl des Versicherungsträgers ist nicht möglich. Der zuständige Versicherungsträger ist abhängig vom Beschäftigungsort bzw. vom Arbeitgeber.
Bei selbständig Erwerbstätigen besteht ebenfalls die Pflichtversicherung. Je nach Kammerzugehörigkeit kann eine Wahl des Versicherungsträgers möglich sein (Versicherungspflicht).
Der Beginn der Versicherung erfolgt für unselbständig Erwerbstätige durch die Aufnahme der Beschäftigung, dem Arbeitgeber obliegt unabhängig vom Entstehen der Versicherung die entsprechende Meldeverpflichtung gegenüber dem zuständigen gesetzlichen Krankenversicherungsträger. Bei Gewerbetreibenden entsteht die Versicherung durch das Anmelden des Gewerbes. Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sind automatisch versichert. Familienmitglieder wie nicht erwerbstätige Ehepartner und Kinder werden mitversichert.
Durch die Aufnahme verschiedener Erwerbstätigkeiten kann es zu einer Mehrfachversicherung kommen. Die Höhe der Versicherungsbeiträge ist für das Jahr durch die Höchstbeitragsgrundlage gedeckelt. Darüber hinausgehende Beitragszahlungen müssen bei der Mehrfachversicherung vom Versicherungsnehmer aktiv zurückgefordert werden.
Finanzierung
Finanzströme im österreichischen Gesundheitswesen
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Privatversicherung |
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Krankenkassen (Pflichtvers.) |
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PRIKRAF |
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Aufwandsdeckung
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(praktizierender) Arzt |
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(Fin) Finanzministerium verteilt das Budget für das Gesundheitsministerium; Diagramm nach Ziniel (2005)<ref>Wiedergegeben in:Ch. Herber; J. Weidenholzer (Hrsg.):Beurteilungsansatz der Umsetzung der Gesundheitsreform 2005. Linz 2007, S. 133 (pdf, ooegkk.at, abgerufen 20. Juli 2014) – dort „Ziniel (2005)“ ohne nähere Angabe.</ref>
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Die Finanzierung des Gesundheitssystems erfolgt für den extramuralen Bereich überwiegend durch Krankenversicherungsbeiträge und Selbstbehalte, zuletzt vermehrt auch durch Steuermittel. Der intramurale Bereich wird überwiegend durch Länder und Sozialversicherung finanziert.
Krankenversicherungsbeiträge
Bei unselbständig Erwerbstätigen besteht der Krankenversicherungsbeitrag aus einem Dienstnehmer- und einem Dienstgeberanteil. Der Dienstnehmeranteil wird direkt vom Gehalt abgezogen und vom Arbeitgeber mit der Sozialversicherung verrechnet.
Dienstnehmeranteil an der KV | 3,825 % bei Angestellten bzw. 3,95 % bei Arbeitern |
Dienstgeberanteil an der KV | 3,825 % bei Angestellten bzw. 3,7 % bei Arbeitern |
Höchstbeitragsgrundlage der gesamten Sozialversicherung (PV (10,25 %) + KV (3,83 - 3,95 %) + AIV (3 %)) Dienstnehmer monatlich<ref>Quelle zu Höchstbeitragsgrundlage: Kundmachung des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz und der Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend über die Aufwertung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz und dem Beamten- Kranken- und Unfallversicherungsgesetz für das Kalenderjahr 2009 (BGBl. II Nr. 346 vom 30. September 2008)</ref> | 4.020€ |
Bei Gewerbetreibenden wird der Krankenversicherungsbeitrag durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) ermittelt.
Beitragssatz | 9,1 % |
Höchstbeitragsgrundlage monatlich | 4.235€ |
Selbstbehalte
Selbstbehalte existieren in verschiedensten Formen:
- Selbstbehalte bei Medikamenten (Rezeptgebühr)
- Selbstbehalte bei Heilbehelfen
- Selbstbehalte bei Arztbesuchen bei einzelnen Sozialversicherungsträgern (Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB), Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB))
- Selbstbehalte bei stationären Behandlungen in Krankenanstalten
- e-card-Gebühr (bei den meisten Trägern)
- Früher: Krankenscheingebühr (mit der Einführung der E-Card abgeschafft)
- Früher: Ambulanzgebühr (aufgrund mangelnder öffentlicher und allgemeiner politischer Akzeptanz zuerst mit zahlreichen Ausnahmen versehen und danach u.a. wegen zu großen Verwaltungsaufwandes nach kurzer Zeit wieder abgeschafft)
Ambulante Versorgung
- Durchschnittliche Ärztedichte
Durchschnittlich kommt auf 213 Einwohner je ein berufsausübender Arzt. Im Vergleich der letzten 10 Jahre gab es eine Zunahme um 26,3 %.
- Kosten in diesem Bereich
Für die ambulante Gesundheitsversorgung haben private Haushalte und ihre Versicherungsunternehmen im Jahre 2004 ca. 2 Mrd. Euro ausgegeben. Zwischen 1997 auf 2004 sind diese Ausgaben durchschnittlich um 3,3 % jährlich gestiegen.
- Nicht eingeschlossen: betriebsärztliche Leistungen
Krankenanstalten
Für öffentlich allgemeine Krankenanstalten, öffentliche Sonderkrankenanstalten und private gemeinnützige allgemeine Krankenanstalten existiert eine öffentliche Finanzierung (2002: ca. 150 Fondskrankenanstalten für 72 % der gesamtösterreichischen Spitalsbetten bzw. 85 % der stationär versorgten Patienten).
Seit 1997 wird das System der Leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung angewandt. Es besteht aus zwei Finanzierungsebenen.
1. Der Kernbereich. Hier wird bundeseinheitlich je stationärem Aufenthalt eine Punkteanzahl vergeben, die sich aus der Leistungskomponente (abh. von der Diagnose) und der Tageskomponente (Aufenthaltsdauer, Dauer der Intensivbetreuung) zusammensetzt.
2. Der Steuerungsbereich. Hier kann landesspezifisch auf den Versorgungsauftrag der Krankenanstalten eingegangen werden.
Die auf Landesebene verwalteten Fonds zur Finanzierung der Fondskrankenanstalten beziehen ihre Beiträge aus folgenden Quellen:
Quelle | Finanzierungsanteil |
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Sozialversicherung | ca. 51 % |
Umsatzsteueranteile (Bund, Land, Gemeinden) | ca. 8 % |
Zusätzliche Mittel des Bundes | ca. 2 % |
Beihilfen nach dem Gesundheits u. Sozialbereich-Beihilfengesetz | ca. 6 % |
Landesmittel | ca. 15 % |
Gemeindemittel | ca. 10 % |
Ausgleichsmittel | ca. 2 % |
Sozialhilfe | ca. 1 % |
Beiträge, Refundierungen u. ähnl. | ca. 1 % |
Ausländische Patienten | ca. 3 % |
- Strukturfonds
Der Strukturfonds erhält seine Mittel aus einem Anteil des Aufkommens an der Umsatzsteuer und sonstigen Bundesbeiträgen.
Strukturfond | 2001 |
Anteil des Umsatzsteueraufkommens | 236 Mio. € |
sonstige Bundesbeiträge | 242 Mio. € |
Der Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds ist die Ausgleichstelle für die Leistungen der Privat-Krankenanstalten, für die eine Leistungspflicht der sozialen Krankenversicherung besteht.
Statistiken
Österreich
Krankenanstalten (2011)<ref name="STAT 2011">Statistik Austria: Jahrbuch der Gesundheitsstatistik 2011</ref> | 273 | davon mit Öffentlichkeitsrecht | 45,8 % |
Bettenanzahl in Krankenanstalten (2011)<ref name="STAT 2011"/> | 64.417 | Betten pro 100.000 Einwohner (Bettendichte) | 765 |
Niedergelassene Ärzte bzw. Ordinationen (2012)<ref name="Ärzte 2013 17">Österreichische Ärztekammer: Wahrnehmungsbericht 2011 und 2012 – Gesundheitswesen unter der Lupe, Wien Februar 2013, Abschnitt Anzahl der in Österreich tätigen Ärztinnen und Ärzte (Strukturanalyse Dezember 2012), S. 17 (pdf, 2,1 MB, lbg.at).</ref> | 16.673 | Einwohner je Arztpraxis | (1) | 508
Apotheken (2011)<ref name="Apotheke 2014 6">Österreichische Apothekerkammer: Apotheke in Zahlen 2014. o.n.A., Kapitel 1.1 Apotheken in Österreich: 1. Tabelle, S. 6 (pdf, 2,1 MB, apotheker.or.at).</ref> | 1.292 (+ 24 Filialen) | Einwohner je Apotheke | 6518 |
Gesundheitsministeriums und Wissenschafts- und Forschungsministeriums in
Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer, Pressekonferenz, 20. Juli 2012, Pressezentrum Sozialministerium, Abschnitt Bestandsanalyse, S. 4 (pdf, bmg.gv.at).</ref>Bundesland | Bettendichte |
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Wien | 797 |
Kärnten | 891 |
Salzburg | 918 |
Steiermark | 875 |
Oberösterreich | 730 |
Tirol | 690 |
Niederösterreich | 697 |
Vorarlberg | 597 |
Burgenland | 539 |
Bereich | 2011 | Veränderung zu 2010 |
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Gesamteinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung | 14.949 Mio. € | 2,1 % |
davon Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern | 12.318 Mio. € | 3,3 % |
Aufwand der gesetzlichen Krankenversicherung | 14.657 Mio. € | 2,7 % |
Aufgliederung | in Mrd. Euro | in % |
---|---|---|
Ärztliche Hilfe | 4,568 | 30,1 |
Anstaltspflege | 4,446 | 29,3 |
Verwaltungsaufwand | 0,430 | 2,8 |
Arzneimittel | 3,005 | 19,8 |
Heilbehelfe | 0,240 | 1,6 |
Sonstige Ausgaben | 2,500 | 16,5 |
Ausgaben gesamt | 15,189 | 100,0 |
Quellen: Sozialversicherungen, Österreichische Apothekerkammer<ref name="Apotheke 2014 41">Österreichische Apothekerkammer: Apotheke in Zahlen 2014, Kapitel 6.1 Krankenkassenausgaben, Tabelle Aufgliederung der Ausgaben S. 41 (pdf, 2,1 MB, apotheker.or.at).</ref> |
Internationaler Vergleich
In Internationalen Vergleich – und auch europaweit – stellt sich das österreichische Gesundheitssystem als eines der teuersten dar,<ref name="OECD 2007"/> wird aber auch als eines der besten beurteilt.<ref name="WHO 2000"/>
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Siehe auch
Literatur
- Michaela Seiser: Zwei-Klassen-Medizin bei flächendeckender Versorgung, FAZ, 4. Juli 2006
- Christoph Böhmdorfer: Die ewige Reform, Datum, März 2009
- Jahrbuch der Gesundheitsstatistik (inkl. CD-ROM) 2004. ISBN 3-902479-53-1 Download (PDF 3,5 MB)
- WHO - Gesundheitssysteme im Wandel - Österreich Download (PDF 4,7 MB)
Weblinks
- Bundesministerium für Gesundheit
- Österreichische Sozialversicherung (sozialversicherung.at)
- Sozialrechtsdokumentation (sozdok.at)
- Statistik Austria: Gesundheit – Statistiken
- Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG)
Kassen:
- Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK)
- Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB)
- Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA)
- Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA)
Anmerkungen und Einzelnachweise
<references />