Guardia di Finanza


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Guardia di Finanza
– GdF –
200px
Wappen der Guardia di Finanza
Aufstellung 5. Oktober 1774
Land ItalienItalien Italien
Typ Finanzpolizei -
Teilstreitkraft für Grenzsicherungsaufgaben im Verteidigungsfall
Grobgliederung Generalkommando
  • Territoriale Organisation
  • Spezialisierte Verbände
  • See- und luftgestützte Verbände
  • Ausbildungskommando
Stärke 68.000 Sollstärke
61.000 Iststärke (2010)
Unterstellung Finanzministerium
Hauptsitz des Generalkommandos Viale XXI Aprile 51, Rom
Spitzname La Finanza;
Le Fiamme Gialle
Schutzpatron Matthäus
Motto Nec recisa recedit
Farben Gelb, Grün; Anthrazit
Marsch Marcia d'ordinanza GdF
Maskottchen Greif
Leitung
Generalkommandant der GdF Generalleutnant
Saverio Capolupo

Die Guardia di Finanza (dt. „Finanzwache“, „Finanzwacht“, „Finanzpolizei“) ist eine spezialisierte italienische Polizeitruppe, die dem Ministerium für Wirtschaft und Finanzen in Rom untersteht. Sie ist vor allem für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zuständig. Die Guardia di Finanza ist militärisch organisiert und übernimmt im Verteidigungsfall im Rahmen der Streitkräfte Grenzsicherungsaufgaben. Ihre derzeit rund 61.000 Angehörigen haben Kombattantenstatus.

Aufgaben

Die Guardia di Finanza ist eine Finanz- und Zollpolizei und als solche für die Bekämpfung des gesamten Spektrums der Wirtschaftskriminalität zuständig (Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Geldwäsche, Wucher, Betrug, illeg. Glücksspiel, Geldfälschung, Schmuggel, Drogenhandel, Produktpiraterie, Urheberrechtsvergehen, unlauterer Wettbewerb, organisierte Wirtschaftskriminalität, Terrorismusfinanzierung usw.). Zu unterscheiden ist in diesem Zusammenhang besonders die allgemeine Steuer- und Zollverwaltung (Agenzia delle Entrate, Agenzia delle Dogane) und die separate Steuer- und Zollfahndung, die in der Guardia di Finanza zusammengefasst ist. Eine der Hauptaufgaben liegt in der Überwachung der Zollgrenze. Damit einher gehen Aufgaben des allgemeinen Grenzschutzes. Wegen der langen Küstenlinie verfügt die Guardia di Finanza über eine große Flotte an bewaffneten Patrouillenbooten und Hubschraubern, sowie über einige Seeaufklärungsflugzeuge vom Typ ATR 42MP. Im Verteidigungsfall können diese Kräfte als integraler Bestandteil der Streitkräfte verwendet werden. Zusammen mit Polizei und Carabinieri kann sie nach Weisung des Innenministeriums (das für die Koordinierung aller Polizeien in Italien zuständig ist) auch allgemeine Polizeiaufgaben übernehmen. Die Notrufnummer ist 117.

Geschichte

Die Guardia di Finanza ist als offiziell älteste italienische Polizeitruppe eng mit der Geschichte des italienischen Nationalstaates und seiner Keimzelle, dem Königreich Sardinien-Piemont verwoben. Fast alle italienischen Institutionen sind älter als der italienische Nationalstaat selbst, da sie piemontesischen Ursprung haben (Bsp.: Carabinieri, gegr. 1814 im Piemont; Staatspolizei, gegr. 1852; usw.) Nach offizieller Darstellung wurde die Guardia di Finanza (bzw. deren Vorläuferorganisation) am 5. Oktober 1774 von König Viktor Amadeus III. als Legione Truppe Leggere („Legion leichte Truppen“) aufgestellt und mit der Bewachung der Grenzen, insbesondere mit der Bekämpfung des Schmuggels beauftragt (Zölle waren damals eine der wichtigsten Einnahmequellen der europäischen Staaten). In den 1820er Jahren wurde die Legione Truppe Leggere in die allgemeinen Revolten gegen die Restauration verwickelt und aufgelöst. Ihre Aufgaben wurden von einem neuen bewaffneten Ableger der zivilen Zollverwaltung (corpo dei preposti doganali) übernommen. Etwa ein Jahrzehnt danach gab Österreich seiner Zoll- bzw. Finanzwache in der Lombardei und in Venetien den italienischen Namen „Guardia di Finanza“, der auch schon während der napoleonischen Zeit in Italien Verwendung gefunden hatte.

Nach der Einigung Italiens konnten die Zolldienste der anderen italienischen Staaten auf Grund sehr unterschiedlicher Strukturen nicht ohne weiteres in die piemontesische Verwaltung eingegliedert werden. Mit den vorhandenen Ressourcen baute man eine neue Zollverwaltung auf und stellte 1862 das Corpo delle Guardie Doganali auf, weshalb dieses Jahr eher als Gründungsjahr bezeichnet werden kann. Bereits 1881 wurde die Truppe unter Bezugnahme auf frühere Modelle in Corpo della Regia Guardia di Finanza („Königliches Finanzwachtkorps“) umbenannt, weil zu den Zollfahndungsaufgaben bereits andere finanzpolizeiliche Aufgaben hinzugekommen waren. Auch unter Berufung auf die Legione Truppe Leggere erhielt die Guardia di Finanza 1907 den Status einer militärisch organisierten Polizei und nahm somit auch am Ersten Weltkrieg und am Zweiten Weltkrieg, sowie an einigen Kolonialkriegen teil. Ihren endgültigen Namen erhielt die Truppe 1946. Mit der Abschaffung der Monarchie entfiel die Bezeichnung „Königliches“ (Finanzwachtkorps), doch behielt die Guardia di Finanza ihre militärische Ausrichtung, trotz mancher Reformvorschläge der radikalen Partei bei. Traditionell wurde die Position des Comandante Generale (Chef der GdF) extern mit einem Drei-Sterne-General des Heeres besetzt. Seit 2000 (im Zug der Konstituierung der Carabinieri als vierter Teilstreitkraft) hat auch der kommandierende General der Guardia di Finanza vier Sterne und kann aus den eigenen Reihen kommen.

Seit dem Amtsantritt eines Kabinetts von parteilosen Experten unter Mario Monti im November 2011 führt die Guardia di Finanza überall in Italien verstärkt Kontrollen durch. Das gemessene bzw. besteuerte Durchschnittseinkommen der Italiener lag 2011 bei 19.250 Euro. Fast die Hälfte der Steuerzahler, darunter Selbstständige wie Gastwirte und Einzelhändler, verdienten angeblich weniger als 15.000 Euro. 2012 werden die gemeldeten Einkommen unter dem Druck der Ermittlungen vermutlich steigen.<ref>zeit.de 6. April 2012: Macht die Krise Italien depressiv?</ref>

Organisation

Datei:Bozen 1 (268).JPG
Dienststellenschild der GdF in Südtirol

Das Comando Generale (Oberkommando) der Guardia di Finanza hat seinen Sitz in Rom. Dem Comandante Generale, einem Generalleutnant in besonderer Dienststellung (mit viertem funktionalem Stern), unterstehen vier Bereiche (Stand 2012):

  • Territoriale Organisation: 6 überregionale, von Drei-Sterne-Generalen geführte Kommandos mit Sitz in Mailand, Venedig, Florenz, Rom, Neapel und Palermo
    • 20 Regionalkommandos in den Hauptstädten der italienischen Regionen. Diesen Kommandos unterstehen unmittelbar die regionalen Steuerpolizeieinheiten (Nucleo Regionale di Polizia Tributaria) sowie Spezialeinheiten zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und des Drogenhandels.
    • ca. 100 Provinzkommandos in den Provinzen. Sie bilden die wichtigste operative Führungsebene, denen eine unterschiedliche Anzahl von Kompanie- und Stationskommandos unterstehen. Die Kommandos führen auch die Steuerpolizeieinheiten auf Provinzebene (Nucleo Provinciale di Polizia Tributaria). Einige Provinzkommandos verfügen auch über Einheiten zur Bergrettung.
    • 14 Regionale Einheiten zur See (Reparto Operativo Aeronavale - ROAN) in Ancona, Bari, Cagliari, Civitavecchia, Como, Genua, Livorno, Neapel, Palermo, Pescara, Rimini, Triest, Vibo Valentia, Venedig (Hochsee- und Fliegereinheiten siehe unten)
  • Sondereinheiten (Rom, Drei-Sterne-General):
    • Kommando für den Schutz der öffentlichen Finanzen
      • Steuerhinterziehung (Nucleo Speciale Entrate)
      • Staatsausgaben, Betrugsbekämpfung (Nucleo Speciale Spesa Pubblica e Repressione Frodi Comunitarie)
      • Korruptionsbekämpfung in der Öffentlichen Verwaltung (Nucleo Speciale Pubblica Amministrazione)
    • Kommando für die Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskriminalität
      • Finanz- und Wirtschaftskriminalität (Finanzmärkte, Intermediäre, Geldwäsche, Kapitalverkehr, Terrorfinanzierung) (Nucleo Speciale Polizia Valutaria)
      • Organisierte Kriminalität (SCICO - Servizio Centrale di Investigazione sulla Criminalità Organizzata)
    • Dienststellen für Sonderaufgaben
      • Unterstützung parlamentarischer Untersuchungen (Nucleo Speciale Commissioni Parlamentari d'Inchiesta)
      • Unterstützung des Datenschutzamtes (Nucleo Speciale Privacy)
      • Computerkriminalität (GAT/NSFT - Nucleo Speciale Frodi Telematiche)
      • Rundfunk- und Verlagswesen (Nucleo Speciale per la Radiodiffusione e l'Editoria)
      • Wirtschaftskriminalität (Fälschungen, Wettbewerb, Kartelle) (Nucleo Speciale Tutela Mercati)
    • Unterstützung (Technik, Logistik, Verwaltung) (Reparto Tecnico Logistico e Amministrativo dei Reparti Speciali)
  • Rekrutierung, Aus- und Fortbildung (Rom, Dreisternegeneral)
    • Akademie der Guardia di Finanza in Bergamo und Rom (Castelporziano)
    • Unteroffiziersschule in L’Aquila
    • Ausbildungskommando für Mannschaften in Bari mit Schulen in Bari (Land), Predazzo (Gebirge) und Gaeta (See)
    • Steuerpolizeischule in Ostia
    • Sonderausbildungszentrum in Orvieto
    • Sportzentrum in Rom-Castelporziano
    • Zentrales Rekrutierungszentrum in Rom

Personalstruktur

Das Personal der Guardia di Finanza gliedert sich in Offiziere (höherer Dienst), Unteroffiziere mit Portepee (gehobener Dienst), sowie in Unteroffiziere ohne Portepee und Mannschaften (mittlerer Dienst). Das Äquivalent des einfachen Dienstes besteht nach Einführung der neuen, gehobenen Unteroffizierslaufbahn nicht mehr. In diese neue Laufbahn können Abiturienten direkt einsteigen, wobei in der Ausbildungszeit ein dreijähriges Studium (Bachelor) zu absolvieren ist.

Nachstehende Angaben zur Personalstärke beziehen sich auf das Jahr 2010.

Dienstgradgruppe Sollstärke Iststärke
Offiziere 3.221 2.725
Unteroffiziere mit Portepee 23.602 22.506
Unteroffiziere ohne Portepee 13.500 9.847
Mannschaften 27.807 26.208
Gesamt 68.130 61.286

Ausstattung

Nachstehend eine Auswahl der wichtigsten Ausrüstungsgegenstände:

Luftfahrzeuge

(Servizio aereo della Guardia di Finanza; Stand 2011)

Seefahrzeuge

Anders als beim deutschen Zoll liegt der Schwerpunkt der seegehenden Einheiten auf sehr schnellen Booten (30-70 Knoten), vorwiegend für Tageseinsätze, die hauptsächlich zur Bekämpfung des Schmuggels an der langen Küstenlinie dienen. Die Levriero-Klasse ist mit 70 Knoten Höchstgeschwindigkeit eines der schnellsten Behördenboote in Europa.<ref>Guardia di Finanza - Vedetta Velocissima Classe V.6000 Levriero</ref> Aufgebrachte Schmugglerboote werden bei gutem Zustand in den Bestand der Behörde überführt; diese sind in der Klasse V.1600 zusammengefasst. Auch die Corrubia-Klasse, die derzeit die größte Zahl von seegehenden Guardacoste, d.h. Patrouillenbooten mit längerer Einsatzzeit stellt, hat für eine für ihre Größe von 94 Tonnen beachtliche Maximalgeschwindigkeit von 42 Knoten. Alle größeren Schiffe sind mit Kanonen ausgestattet.

Die Zahlen geben an, wie viele Boote einer Klasse beschafft wurden oder in Dienst sind (in Klammern Verdrängung in Tonnen, Höchstgeschwindigkeit in Knoten und Bordwaffen; Stand 2013, nach <ref>GdF: La flotta navale</ref>).

  • 1 Schulschiff Giorgio Cini (54 m, 770 t, 14 kn, 2 MG)
  • 1 Segelboot (GRIFONE III, 18,5 m Länge, 250 m² Segelfläche, ehemaliges aufgebrachtes Schmugglerboot)
  • 3 Pattugliatori der Zara-Klasse (51 m, 320 t, 35 kn, 30 mm-Kanone, 2 MG)
  • 2 Pattugliatori der Mazzei-Klasse (35 m, 116 t, 38 kn, 30 mm-Kanone, 1 MG; Ausbildung)
  • 26 Guardacoste der Corrubia-Klasse (27 m, 94 t, 42 kn, 30 mm-Kanone, 2 MG)
  • 12 Guardacoste der Bigliani-Klasse (27 m, 90 t, 43 kn, 30 mm-Kanone, 2 MG; weitere bestellt)
  • 42 Guardacoste der Meattini-Klasse (20 m, 40 t, 35 kn, 1 schweres MG; in Ausmusterung)
  • 13 Vedette der Levriero-Klasse (16 m, 16 t, 70 kn)
  • 40 Vedette der V.1600-Klasse (eingezogene Boote verschiedener Bauart, bis 70 kn)
  • 22 Vedette der V.5000-Klasse (16 m, 27 t, 52 kn, 1 MG)
  • 82 Vedette der V.5500-Klasse (12 m, 8 t, 33 kn, 1 MG; in Ausmusterung)
  • 12 Vedette der Drago-Klasse (13 m, 7 t, 47 kn; 8 Boote an Albanien)
  • Zahlreichere kleinere Boote
  • 56 V.2000-Klasse (bestellt)

Sonstiges

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Offizieranwärter in ihrer traditionellen Uniform. Die gelben Kragenspiegel sind deutlich zu erkennen.

Die wörtliche deutsche Übersetzung der italienischen Bezeichnung Guardia di Finanza lautet „Finanzwache“. Die österreichische Zollwache trug von 1843 bis 1920 die Bezeichnung „Finanzwache“, die italienische Guardia di Finanza nannte sich von 1862 bis 1881 Guardia Doganale, also „Zollwache“. In Südtirol lautet die deutsche Eigenbezeichnung der Guardia di Finanza heute „Finanzpolizei“, der Terminus „Finanzwache“ ist jedoch weiterhin geläufig.

Im Volksmund und auch in der italienischen Presse wird die Guardia di Finanza und ihre Angehörigen auch als fiamme gialle oder gelbe Flammen bezeichnet. Der Grund hierfür sind die gelben Kragenspiegel (in Flammenzungenform) an den Uniformen. Letztere hatten bis 2011 einen hellgrauen Farbton, seither sind sie Anthrazit, also etwas dunkler.

Weblinks

Commons Commons: Guardia di Finanza – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />