Heidenchristen
Als Heidenchristen werden Christen nichtjüdischer Herkunft in der frühen Kirche des 1. Jahrhunderts bezeichnet. Christen jüdischer Tradition in dieser Zeitperiode werden Judenchristen genannt.
Inhaltsverzeichnis
Ursprung der Heidenchristen
Das Urchristentum bestand vor allem aus Christen jüdischer Herkunft, den später so genannten Judenchristen. Jesus von Nazaret, seine Jünger und die urchristlichen Gemeinden im Raum Palästinas waren Juden und lebten als Randgruppe in der Tradition des Judentums.<ref>„Sie [Anmk.: die älteste christliche Gemeinde] gehört in den jüdischen Gesamtbereich ganz so hinein, wie andere Gruppen, welche dieser damals umschloß, wie etwa die Essener auf der einen und die Sadduzäer auf der anderen Seite. Die Gedanken und die Hoffnungen, die sie hegt, sind durchaus jüdische; sie will nur das jüdische Leben haben, und sie hat auch nur den jüdischen Horizont.“ Leo Baeck in: 'Die Lehren des Judentums nach den Quellen', Bd. III, 3. Die Auseinandersetzung mit dem entstehenden Christentum, S.56; Verband der Deutschen Juden (Hrsg.), Gustav Engel Verlag, Leipzig, 1930 (Neue und erweiterte Ausgabe, Knesebeck Verlag, München, 1999)</ref>
Schon für die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts ist anzunehmen, dass auch Menschen aus dem hellenistischen Kulturkreis zum Glauben an Jesus Christus fanden. Allerdings lassen sich für diese Zeit keine unabhängigen Quellen finden.<ref>Hans Conzelmann: Geschichte des Urchristentums. Vandenhoeck und Rupprecht, Göttingen 1976, ISBN 3-525-51354-2, S. 54ff.</ref> Die Ausbreitung des Christusglaubens erfolgte entlang der großen Verkehrsachsen des römischen Reiches, sodass in erster Linie die großen Städte erreicht wurden.<ref>Karl Suso Frank: Grundzüge der Geschichte der alten Kirche. 3. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-09044-6, S. 1.</ref> Im späten 1. Jahrhundert erfolgte eine verstärkte Missionierung und Aufnahme auch nicht-jüdischer, heidnischer Menschen in das Urchristentum, die nicht mehr die jüdischen Speisegebote, Reinheits- und Schabbatgebote und das Gebot der Beschneidung erfüllen mussten.
Die vorherige Religionszugehörigkeit dieser Menschen umfasste den weiten Bereich der im römischen Reich verbreiteten Religionen und Philosophien. Es gab Anhänger der Götter des griechischen und römischen Pantheon oder des ostpersischen Mithras-Kultes. Philosophische Lehren dieser Zeit waren unter anderem der Platonismus, die Sophistik und der Epikureismus. Die soziale Zugehörigkeit der Heidenchristen umfasste hauptsächlich den weiten Bereich von Randgruppen, sozialer Unterschicht, Sklaven, Entrechteten, aber auch reichen römischen Witwen und gebildeten Vollbürgern.
Auseinandersetzung mit dem Judentum
Judenchristen behielten ihre jüdischen Traditionen und Vorschriften wie die Beschneidung und die Speisegebote bei.
Heidenchristen lebten zwar in Nachbarschaft zu jüdischen Religionszentren, hatten jedoch meist keinen praktischen Bezug zu deren jüdischen Bräuchen. Die frühe Kirche durchlief deshalb eine Phase der Spannung und Spaltung, bezüglich der Frage, ob die Heidenchristen auch die jüdischen Vorschriften einhalten müssten. Konkret wurde das Problem mit den Missionsreisen des Paulus, in dessen Folge zahlreiche heidenchristliche Gemeinden in Kleinasien entstanden.
Diese Spannung wurde nach biblischer Überlieferung auf einem Apostelkonzil in Jerusalem gelöst. Hier wurde die Position des Paulus, nach der Heidenchristen nicht allen jüdischen Vorschriften unterworfen waren, angenommen. Dies ging einher mit der Zerstörung des jüdischen Staatswesens im 1. Jahrhundert durch das römische Reich und mit der zweiten Diaspora des Judentums. Die paulinische Theologie gewann allgemeine Akzeptanz im entstehenden Christentum, das sich vom Judentum trennte. Die letzten Belege von Spannungen zwischen Judenchristen und Heidenchristen finden sich in den Ignatiusbriefen aus dem frühen 2. Jahrhundert.
Ein eigenständiges Judenchristentum überdauerte noch einige Zeit. Es ist gekennzeichnet durch einen jüdischen Glauben, der Jesus als den Messias oder den im Alten Testament angekündigten Endzeitpropheten anerkannte, jedoch nicht verlangte, Jesus als Gott den Herrn anzubeten, sondern nur den einen ungeteilten Gott.<ref>Karl Suso Frank: Grundzüge der Geschichte der alten Kirche. 3. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-09044-6, S. 15f.</ref>
Unterschiede zum Judentum
Obgleich sich das Christentum ursprünglich vom Judentum und der mosaischen Tradition herleitete und eine lange Zeit judenchristliche Neben- oder Unterströmung hatte sowie die jüdische Bibel als eigene Interpretation in griechischer und lateinischer Übersetzung in ihre heiligen Schriften integrierte, bleibt der christliche Glaube mit dem Judentum und dem spätantiken Judenchristentum unvereinbar. <ref name="LdJndQ-V 69">Leo Baeck: II. Abweichungen der christlichen Religionen vom Judentum in den Grundgedanken. In: Verband der deutschen Juden, Walter Homolka (Hrsg.): Die Lehren des Judentums nach den Quellen. Band 5, Knesebeck, München 1999, ISBN 3-89660-058-3, S. 69.</ref> „Das Judentum hat die Menschwerdung der Gottheit aufs entschiedenste abgelehnt.“<ref name="LdJndQ-V 109">Seligman Pick: II. Abweichungen der christlichen Religionen vom Judentum in den Grundgedanken. In: Verband der deutschen Juden, Walter Homolka (Hrsg.): Die Lehren des Judentums nach den Quellen. Band 5, Knesebeck, München 1999, ISBN 3-89660-058-3, S. 109.</ref> Zudem ist dem „Judentum (…) die christliche [Glaubens-]Lehre vom ‚Gottessohn‘ immer als ein unversöhnlicher Widerspruch mit dem Monotheismus erschienen.“<ref name="LdJndQ-V 74">Seligman Pick: II. Abweichungen der christlichen Religionen vom Judentum in den Grundgedanken. In: Verband der deutschen Juden, Walter Homolka (Hrsg.): Die Lehren des Judentums nach den Quellen. Band 5, Knesebeck, München 1999, ISBN 3-89660-058-3, S. 74.</ref> Auch hat der „(…) strenge Monotheismus des Judentums (…) den heiligen Geist nicht zur Gottheit (zur göttlichen Person) emporgehoben.“<ref name="LdJndQ-V 87">Seligman Pick: II. Abweichungen der christlichen Religionen vom Judentum in den Grundgedanken. In: Verband der deutschen Juden, Walter Homolka (Hrsg.): Die Lehren des Judentums nach den Quellen. Band 5, Knesebeck, München 1999, ISBN 3-89660-058-3, S. 87.</ref> Dabei hat das Heidenchristentum den neuen Glauben an die drei göttlichen Personen in ihrer dreieinigen Gottheit angenommen „(…) und ist dabei von der Absicht erfüllt, die Einheit Gottes zu retten. (…) Das Judentum lehrt (…) in seinem Schrifttum den einzigen Gott, den strengsten Monotheismus."<ref name="LdJndQ-V 94">Seligman Pick: II. Abweichungen der christlichen Religionen vom Judentum in den Grundgedanken. In: Verband der deutschen Juden, Walter Homolka (Hrsg.): Die Lehren des Judentums nach den Quellen. Band 5, Knesebeck, München 1999, ISBN 3-89660-058-3, S. 94.</ref> Vielmehr ist Glaube selbst kein religiöses Konzept des Judentums.<ref name=Lohse>„Emuna (auch: Emunah) wird meist unzureichend aber gemeinhin mit ‚Glaube‘, ‚Zuversicht‘ oder ‚Vertrauen in Gott‘ übersetzt.“ Aus: Ulrich Michael Lohse, Mauricio Manuel Dessauer: Was Sie schon immer über das Judentum wissen wollten … und nicht zu fragen wagten. Pelican Publ., Fehmarn 2006, ISBN 978-3-934522-13-8, S. 46.</ref>
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
<references />