Neues Jerusalem
Das Neue Jerusalem (auch „Himmlisches Jerusalem“ genannt) entspringt einer Vision aus dem neutestamentlichen Buch der Offenbarung des Johannes, Kapitel 21, wonach am Ende der Apokalypse eine neue Stadt, ein neues Jerusalem entstehen wird. Dies geschieht, nachdem der alte Himmel und die alte Erde vergangen sind.
So beschreibt Offb 21,1–2 EU, dass bei der Apokalypse, dem letzten Gericht und dem Endkampf zwischen Gott und dem Teufel, letzten Endes Gott als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen wird. Daraufhin werden die Erde und der Himmel erneuert und eine Stadt wird aus dem Himmel herabfahren: das neue Jerusalem. In der Wirkungsgeschichte dieser Vision bildet oft der Berg Zion ein pars pro toto für das eigentliche Jerusalem, und zwar seit den Kreuzzügen bis hin zu pietistischen Bestrebungen, mit Ausläufern bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.
Inhaltsverzeichnis
Aussehen der Stadt
In Offb 21,11–15 EU folgt eine detaillierte Beschreibung der Stadt. Sie soll von gleißendem Licht strahlen, aus glasartigem Gold und von würfelförmiger Gestalt sein. Auf jeder der vier Seiten existieren jeweils drei Stadttore innerhalb der Stadtmauer, auf denen wiederum insgesamt zwölf Engel stehen. Zusätzlich sollen auf den Toren selbst die Namen der zwölf Stämme Israels vermerkt sein. Tore und Mauern sind mit Juwelen und Edelsteinen geschmückt.
Des Weiteren wird die Größe der Stadt mit einer Seitenlänge von 12.000=12×1000 Stadien beschrieben, ihre Gebäude sollen ebenso hoch sein. Umgeben ist sie von einer 144=12² Ellen hohen Mauer. Rechnet man ein Stadion mit 185 m, ergibt sich eine Kantenlänge von 2.220 Kilometern. Ob diese Zahlen wörtlich zu nehmen sind, ist umstritten. Manche vertreten die Ansicht, dass aufgrund der in der Bibel häufig anzutreffenden Zahlensymbolik eher von einer den Zahlenangaben innewohnenden inneren Botschaft auszugehen sei. So ist etwa die Höhe der Mauer 3 × 4 × 12. Dabei steht die Drei für eine sehr große Gewissheit, die Vier für die vier Himmelsrichtungen und damit die gesamte Erde und die Zwölf für die zwölf Stämme und damit das ganze Volk Israel. Die hier häufig genannte Zahl 12 hat auch eine mathematische Bedeutung, die wir noch heute vom Dutzend oder den 12 Stunden her kennen.
Geschichtliche Rezeption
Besonders während der Zeit der Kreuzzüge war die Vorstellung weit verbreitet, dass die Befreiung des irdischen Jerusalems von den „ungläubigen“ islamischen Herrschern die Bedingung wäre, dass das Himmlische Jerusalem kommen könne. Ein Beispiel für die künstlerische Rezeption dieses Gedankens ist der sogenannte Barbarossaleuchter in der Pfalzkapelle des Aachener Doms, ein Radleuchter.
Die Täufer nannten das von ihnen in den 1530er Jahren beherrschte Münster „Neues Jerusalem“, siehe Täuferreich von Münster.
Das Himmlische Jerusalem findet im letzten Abschnitt des Requiem, In paradisum, gleichsam als Synonym für das Paradies Erwähnung:
In paradisum deducant te Angeli: |
Ins Paradies mögen dich Engel geleiten: |
Im katholischen Gotteslob von 2013 beschließt die Rubrik Die himmlische Stadt (Nr. 549–554) den Hauptteil Gesänge, darin das ursprünglich lutherische Lied Jerusalem, du hochgebaute Stadt.
Literatur
- Christoph Auffarth: Himmlisches und irdisches Jerusalem. Ein religionswissenschaftlicher Versuch zur „Kreuzzugseschatologie“ (1). In: Zeitschrift für Religionswissenschaft. Bd. 1, Nr. 1, 1993, S. 25–49, doi:10.1515/0018.25; Himmlisches und irdisches Jerusalem. Ein religionswissenschaftlicher Versuch zur „Kreuzzugseschatologie“ (2). Bd. 1, Nr. 2, 1993, S. 91–118, doi:10.1515/0019.91.
- Claus Bernet: „Gebaute Apokalypse“. Die Utopie des Himmlischen Jerusalem in der Frühen Neuzeit (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Mainz. Bd. 215). von Zabern, Mainz 2007, ISBN 978-3-8053-3706-9 (Zugleich: Halle (Saale), Universität, Dissertation, 2005).
- Claus Bernet: Neues zum Neuen Jerusalem: Aktuelle Arbeiten zu einem 2.000-jährigen Bildmotiv. In: Das Münster. Bd. 66, Nr. 2, 2013, ISSN 0027-299X, S. 129–135.
- Martin Hengel, Siegfried Mittmann, Anna Maria Schwemer (Hrsg.): La Cité de Dieu. = Die Stadt Gottes (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 129). Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-16-147200-4.
- Robert Konrad: Das himmlische und das irdische Jerusalem im mittelalterlichen Denken. In: Clemens Bauer, Laetitia Boehm, Max Müller (Hrsg.): Speculum Historiale. Geschichte im Spiegel von Geschichtsschreibung und Geschichtsdeutung. (Johannes Spörl aus Anlass seines 60. Geburtstages dargebracht von Weggenossen, Freunden und Schülern). Alber, Freiburg u. a. 1965, S. 523–540.
- Bianca Kühnel: From the Earthly to the Heavenly Jerusalem. Representations of the Holy City in Christian Art of the First Millennium (= Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte. Supplementheft. 42). Herder, Rom u. a. 1987, ISBN 3-451-20881-4.
- Peter Kurmann: Zur Vorstellung des Himmlischen Jerusalem und zu den eschatologischen Perspektiven in der Kunst des Mittelalters. In: Jan A. Aertsen, Martin Pickavé (Hrsg.): Ende und Vollendung. Eschatologische Perspektiven im Mittelalter (= Miscellanea mediaevalia. Bd. 29). de Gruyter, Berlin 2002, ISBN 3-11-017214-3, S. 293–300.
- William W. Reader: Die Stadt Gottes in der Johannesapokalypse. Göttingen 1971, (Göttingen, Universität, Dissertation, 1971).
- Maria Luisa Gatti Perer (Hrsg.): La dimora di Dio con gli uomini (Ap 21,3). Immagini della Gerusalemme celeste dal III al XIV secolo. = La Gerusalemme celeste. Vita e Pensiero, Mailand 1983, (Ausstellungskatalog).
- "Heavenly Jerusalem" in jüdischer Sicht
Weblinks
- Beate Ego: Jerusalem, himmlisches (AT). In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff.