Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung
Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) ist ein Verfahren der elektrischen Energieübertragung mit hoher Gleichspannung.
Rot: bestehende Leitungen
Grün: momentan in Bau befindliche Leitungen
Blau: geplante Leitungen
Inhaltsverzeichnis
Technischer Hintergrund
Elektrische Energie wird in Kraftwerken fast immer durch Synchron-Generatoren als Dreiphasenwechselstrom der Frequenz 50 Hz bzw. 60 Hz erzeugt. Die Übertragung großer Leistung, ab etwa 1000 MW aufwärts, über Entfernungen von einigen 100 km über finanzierbare und technisch handhabbare Leitungsdurchmesser erzwingt sehr hohe elektrische Spannungen von über 400 kV, damit die Stromstärke unter rund 2,5 kA bleiben kann. Traditionell wird diese Hochspannung bei Drehstrom im Kraftwerk mit sehr gutem Wirkungsgrad durch Leistungstransformatoren erzeugt. Am Ende der Freileitung wird sie in Umspannwerken auf niedrigere 3-Phasen-Wechselspannungen wie 110 kV bis 20 kV heruntertransformiert.
Bei der Drehstromübertragung ist eine der Grundvoraussetzungen, dass die Kapazität zwischen den Leitungen und Erdpotential klein bleibt, um die Blindleistung gering zu halten. Bei Freileitungen lässt sich das durch ausreichenden Abstand erreichen, bei Seekabeln über einigen 10 km Länge erlaubt die kapazitive Belastung keinen wirtschaftlichen Betrieb. In diesem Fall bringt die Übertragung mit Gleichstrom Vorteile, weil es dabei keine Blindleistung gibt.
Nachteilig ist der – im Vergleich mit einem Transformator – sehr hohe technische Aufwand für hochspannungstaugliche, aufwändige Stromrichter, die in der sogenannten Konverterhalle oder Stromrichterstation untergebracht sind.
Außerdem lassen sich Leistungsflüsse in vermaschten Gleichstromnetzen nur schlecht steuern. In vermaschten Wechselstromnetzen wie dem Verbundnetz wird die Steuerung der Lastflüsse in einzelnen Leitungen durch gezielte Phasenschiebungen und die Steuerung der Blindleistung gut beherrscht. Diese Möglichkeit fehlt bei der Gleichstromübertragung, die grundsätzlich nur Wirkleistung übertragen kann. Deshalb ist die HGÜ bis auf wenige Ausnahmen mit einfachen Abzweigungen nur auf direkte Verbindungen zwischen zwei Punkten beschränkt. Methoden und Techniken zur Realisierung von vermaschten Gleichstromnetzen werden derzeit studiert (CIGRE WG B4.52 u.a.).
Geschichte
Der erste Versuch einer Fernübertragung mit Gleichstrom fand 1882 von Miesbach nach München statt. Kleinere und eher der Mittelspannung zuzurechnende HGÜ-Anlagen entstanden ab den 1890er Jahren besonders in Italien und der Schweiz, beispielsweise St-Maurice–Lausanne (22 kV, 3,7 MW, 60 km; 1897). Die erste HGÜ-Anlage war das Lyon–Moûtiers-System mit einer 180 km langen Freileitung bei 100 kV bipolarer Spannung und 14,7 MW Übertragungsleistung im Endausbau. Die Anlage war von 1906 bis 1936 in Betrieb und funktionierte ohne Umrichtwerke. Die elektrische Energie wurde mittels in Reihe geschalteter Gleichstromgeneratoren direkt in einem Wasserkraftwerk in Pomblière bei Moûtiers erzeugt und von Gleichstrommaschinen in Lyon zum Betrieb der elektrischen Straßenbahn umgesetzt.<ref>Electrosuisse: René Thury (PDF; 31 kB)</ref>
Die erste deutsche HGÜ-Anlage war die ab 1941 begonnene, aber nie in Betrieb gegangene bipolare Kabelübertragung des Elbe-Projekts zwischen dem Braunkohle-Kraftwerk Vockerode (bei Dessau) und Berlin (symmetrische Spannung von 200 kV gegen Erde, maximale Übertragungsleistung 60 MW). Diese Anlage wurde von der sowjetischen Besatzungsmacht abgebaut und 1950 zum Aufbau einer 100 Kilometer langen, monopolaren Hochspannungsgleichstromleitung mit einer Übertragungsleistung von 30 MW und einer Betriebsspannung von 200 kV zwischen Moskau und Kaschira genutzt. Diese Leitung ist inzwischen stillgelegt.
1954 wurde eine HGÜ-Anlage zwischen der schwedischen Insel Gotland und dem schwedischen Festland in Betrieb genommen. Die älteste noch bestehende HGÜ-Anlage ist die Kontiskan 1 zwischen Dänemark und Schweden. Wesentliche Arbeiten zur Verbesserung der HGÜ-Technik wurden in den 1960er Jahren vom schwedischen Elektroingenieur Uno Lamm getätigt. Nach ihm ist die Auszeichnung Uno Lamm Award benannt, welche jährlich seit 1981 von der IEEE Power Engineering Society für wesentliche Arbeiten auf dem Gebiet der HGÜ-Technik vergeben wird.
1972 wurde im kanadischen Eel River die erste HGÜ-Anlage mit Thyristoren in Betrieb genommen und 1975 in England die HGÜ Kingsnorth zwischen dem Kraftwerk Kingsnorth und der Innenstadt von London mit Quecksilberdampfgleichrichtern. Am 15. März 1979 ging eine HGÜ-Übertragungsleitung zwischen Cahora Bassa in Mosambik und dem Ballungsraum Johannesburg in Südafrika (1420 km) mit ±533 kV und 1920 MW in Betrieb. Diese Leitung wurde von einem Konsortium aus AEG, BBC und Siemens gebaut. Das Fenno-Skan zwischen Schweden und Finnland wurde 1989 in Betrieb genommen.
In Deutschland entstand von 1991 bis 1993 die erste HGÜ-Anlage in Form der HGÜ-Kurzkupplung in Etzenricht. 1994 ging die 262 Kilometer lange Gleichstromleitung Baltic Cable zwischen Lübeck-Herrenwyk und Kruseberg in Schweden in Betrieb, der 1995 die 170 Kilometer lange vollständig verkabelte Kontek zwischen Bentwisch bei Rostock und Bjæverskov in Dänemark folgte.
Mit 580 Kilometern ist die Ende September 2008 eingeweihte NorNed genannte Verbindung zwischen Feda in Norwegen und Eemshaven in den Niederlanden derzeit (2009) längste Unterseeverbindung dieser Art. Die Betreiber sind die norwegische Statnett und die niederländische Tennet.<ref>NorNed inaugurated. In: fingrid.fi. 30. September 2008, abgerufen am 24. Juli 2009. </ref>
Die Anlage mit der derzeit höchsten Übertragungsspannung von ±800 kV und einer Übertragungsleistung von 8000 MW über 2200 km ist die Südliche HGÜ Hami–Zhengzhou zwischen dem autonomen Gebiet Xinjiang und der Stadt Zhengzhou in der Volksrepublik China. Der kommerzielle Betrieb wurde im Januar 2014 aufgenommen.<ref>Southern Hami — Zhengzhou UHVDC project is put into commercial operation. Internetseite der State Grid Corporation, abgerufen am 8. Mai 2014</ref>
Zu den größten Herstellern von HGÜ-Anlagen zählen die Firmen Asea Brown Boveri (ABB), Alstom und Siemens.
Anwendungen
Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung wird zur elektrischen Energieübertragung in verschiedenen und im folgenden dargestellten Anwendungsbereichen eingesetzt. In der Liste der HGÜ-Anlagen findet sich eine tabellarische Auflistung verschiedener realisierter und geplanter Anlagen.
Gleichstromkurzkupplungen
Beträgt die Übertragungslänge des Gleichstroms nur wenige Meter und sind beide Stromrichter im selben Gebäude bzw. in unmittelbar benachbarten Gebäuden untergebracht, spricht man von einer HGÜ-Kurzkupplung (Gleichstromkurzkupplung, GKK, englisch Back to back converter). Diese Form, technisch ein Zwischenkreis, dient dem direkten elektrischen Energieaustausch zwischen Dreiphasenwechselstromnetzen, die zueinander nicht mit synchroner Netzfrequenz betrieben werden und unterschiedlichen Regelbereichen zugeordnet sind. Beispiele dafür sind die von 1993 bis 1995 in Deutschland betriebene GKK Etzenricht oder in Kanada die Châteauguay-Gleichstromkurzkupplung der Hydro-Québec.<ref>Outaouais Gleichstromkurzkupplung, Hydro-Québec, technische Beschreibung (engl.)</ref> In Japan kann, bedingt durch zwei unterschiedliche Netzfrequenzen, zwischen den beiden Frequenzsystemen Leistung nur mittels HGÜ-Kurzkupplungen übertragen werden. Ein Beispiel dafür ist die Anlage in Shizuoka.
Energieübertragung über weite Entfernungen
Die HGÜ-Technik dient der Energieübertragung mittels Gleichstrom über weite Entfernungen – dies sind Entfernungen von rund 750 km aufwärts –, da die HGÜ ab bestimmten Entfernungen trotz der zusätzlichen Konverterverluste in Summe geringere Übertragungsverluste als die Übertragung mit Dreiphasenwechselstrom aufweist. Beispiele sind die unvollendete, bei Endausbau 2400 km lange HGÜ Ekibastus-Zentrum in Sibirien, die 1700 km lange HGÜ Inga-Shaba in Kongo und die über 1000 km lange HGÜ Québec–Neuengland zwischen Kanada und den USA. In Europa bestehen aufgrund der vergleichsweise engen räumlichen Verhältnisse bislang noch keine HGÜ-Anlagen in diesem Längenbereich.
Die bei großen Entfernungen wesentlichen Leitungsverluste ohne Konverterverluste betragen bei realisierten Anlagen wie der NorNed bei einer übertragenen Leistung von 600 MW (85 % der Nennleistung) und einer Leitungslänge von 580 km rund 3,7 %, was ca. 6,4 % relative Verluste auf 1000 km Leitungslänge entspricht.<ref name="abb1">Jan-Erik Skog, Kees Koreman, Bo Pääjärvi, Thomas Worzyk, Thomas Andersröd: The NorNed HVDC Cable Link. A Power Transmission Highway Between Norway And The Netherlands (PDF; 504 kB)</ref>
Energieübertragung mittels HGÜ-Seekabeln
Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung dient auch der Energieübertragung über vergleichbar kurze Distanzen von einigen 10 km bis zu einigen 100 km, weil das Übertragungskabel konstruktionsbedingt einen sehr hohen kapazitiven Belag aufweist. Ein Betrieb mit Drehstrom ist dann nicht wirtschaftlich, da dabei eine hohe Blindleistung zum ständigen Umladen der Kabelkapazität aufgebracht werden müsste. Bei der Verbindung von Stromnetzen und der Anbindung von Windparks über das Meer kommt fast immer nur ein Seekabel in Frage, weshalb sich auch HGÜ-Kabelsysteme fast ausnahmslos in diesem Anwendungsbereich finden. Europäische Beispiele sind das Seekabel NorNed zwischen Norwegen und den Niederlanden, das Seekabel Baltic Cable zwischen Schweden und Deutschland oder BritNed zwischen Großbritannien und den Niederlanden.
Zudem werden Anschlüsse von Offshore-Windparks, die in größerer Entfernung vor der Küste liegen, zumeist mittels HGÜ ans Netz angeschlossen. Bei diesen Anlagen geht man davon aus, dass HGÜ-Systeme ab ca. 55 bis 70 km Kabellänge wirtschaftlicher sind als eine herkömmliche Anbindung in HDÜ-Technik.<ref>Mikel De Prada Gil et al, Feasibility analysis of offshore wind power plants with DC collection grid. In: Renewable Energy 78, (2015), 467-477, S. 467, doi:10.1016/j.renene.2015.01.042.</ref>
Bei monopolaren Einleiter-HGÜ-Seekabeln gibt es eine Besonderheit: Die Polaritätsumschaltung kommt bei Richtungsänderung des Leistungsflusses vor, wo die Gestaltung der Erderanlagen auf eine fixe Stromrichtung ausgelegt ist. Bei Betrieb mit hoher Gleichspannung kommt es nach einiger Zeit zu einer Ansammlung von Raumladungen im Dielektrikum zwischen Innen- und Außenleiter. Dies ist Folge unterschiedlich hoher elektrischer Leitfähigkeit zufolge des radialen Temperaturgefälles vom Innenleiter zum kühleren Außenbereich. Bei einem schlagartigen Polaritätswechsel zur Richtungsumkehr des Leistungsflusses würde es durch die sich nur langsam abbauende Raumladungen im Dielektrikum zu starken Feldüberhöhungen kommen, die materialzerstörende Teilentladungen im Isolierstoff auslösen.<ref name="kuechler1"/> Aus diesen Grund muss bei monopolaren HGÜ-Seekabelanlagen (z.B. bei der HGÜ Italien-Griechenland) bei einer Richtungsumkehr des Leistungsflusses eine bestimmte Zeitspanne abgewartet werden, bis man die Leitung wieder verwendet. Je länger man wartet, desto mehr Raumladungen bauen sich ab.
Energieübertragung mittels HGÜ-Kabeln über Land
Von See an Land ankommende Kabel werden an Land als Erdkabel verlängert, insbesondere wenn der Endpunkt nur wenige Kilometer weit von der Küste entfernt ist. Bei einigen Off-Shore-HGÜ-Anbindungen ist die Landkabelstrecke auch länger als die zugehörige Seekabelstrecke.
Ein erstes europäisches Beispiel einer reinen HGÜ-Erdkabelverbindung ist der erste Teil der HGÜ-Verbindung SüdVästlänken zwischen Norwegen und Südschweden. Hiervon ist das Stück Barkeryd - Hurva überwiegend entlang der Autobahn E4 als VPE-Kunststoffkabel verlegt, mit einer Nennspannung von +-300 kV. Das System besteht aus zwei parallelen HGÜ-Erdkabelsystemen die zusammen eine Übertragungsleistung von rd. 600 MW aufweisen.
Sonderanwendungen
Daneben wird die Technik der HGÜ in kleinerem Umfang auch für spezielle Lösungen angewandt wie:
- im Rahmen von Flexible-AC-Transmission-System (FACTS), um mit der Technik Unified-Power-Flow-Controller (UPFC) auf einzelnen Leitungen in Dreiphasenwechselstromnetzen gezielte Lastflusssteuerungen mittels Quer- und Längsregelung vorzunehmen.
- zur Enteisung von Freileitungen wie bei dem Lévis-Enteiser in Kanada.
Ausführung
Stromrichteranlagen
An beiden Enden einer Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsanlage befindet sich eine Stromrichterstation, auch Konverterstation genannt. Sie enthält neben den Steuerungsanlagen im Wesentlichen die Stromrichter sowie meist im Außenbereich neben der Halle die Stromrichtertransformatoren, Glättungsdrosseln und Oberschwingungsfilter. Die verwendeten Stromrichter können im Regelfall in beide Richtungen sowohl als Gleich- als auch als Wechselrichter arbeiten und so beide Richtungen im Lastfluss erlauben. Es gibt auch spezielle HGÜ wie die Pacific DC Intertie an der Westküste der USA oder die HVDC Inter-Island Link in Neuseeland, die die elektrische Leistung im Normalbetrieb nur in einer Richtung übertragen.<ref>HVDC Inter-Island, Grid New Zealand (engl.)</ref>
Der Innenraum einer HGÜ-Stromrichterhalle mit dem Wechselrichter ist im Regelfall wegen der elektromagnetischen Verträglichkeit komplett metallisch vom Außenbereich geschirmt und kann im Betrieb nicht betreten werden. Als Stromrichter werden in modernen Anlagen in Zwölfpulsschaltung geschaltete Thyristoren und seit neuestem auch IGBTs verwendet. In alten Anlagen kamen Quecksilberdampfgleichrichter mit sehr großer Bauweise zum Einsatz. Um die erforderlichen Sperrspannungen von über 500 kV zu gewährleisten, werden jeweils mehrere dutzend Thyristoren/IGBT in Reihe geschaltet, da die Sperrspannung pro Thyristor/IGBT technologisch bedingt nur einige kV beträgt. Alle in Reihe geschalteten Thyristoren müssen fast gleichzeitig binnen einer Mikrosekunde durchschalten, um einen Schaden infolge ungleicher Spannungsaufteilung am Wechselrichter zu vermeiden.
Die Thyristoren oder IGBT werden wegen der starken elektromagnetischen Störungen im Innenraum der Halle nicht direkt elektrisch mittels Kupferkabeln, sondern mit Glasfaserlichtleitern angesteuert. Die Störungen sind Folge der hohen Änderungsrate der Spannung, gleichzeitig wird dabei eine Potentialtrennung zwischen Ansteuereinheit und den auf Hochspannungspotential befindlichen Thyristoren erreicht. Bei den heute nicht mehr im regulären Betrieb befindlichen Anlagen mit Quecksilberdampfgleichrichtern erfolgte die Übermittlung der Zündimpulse mittels Hochfrequenz.
Zur Abführung der Verlustleistung von den Thyristoren werden flüssige Kühlmittel wie reines Wasser verwendet, das in elektrisch isolierten Rohrsystemen durch die Konverterhalle zu den einzelnen Thyristoren gepumpt wird. Die Verlustwärme wird im Außenbereich der Halle in Form von Wärmetauschern an die Umgebungsluft abgegeben.
Die Glättungsspule am Gleichstromausgang dient dazu, die Restwelligkeit des Gleichstroms zu reduzieren. Sie kann als Luft- oder Eisendrossel ausgeführt sein. Ihre Induktivität beträgt ca. 0,1 H bis 1 H.
Mit den Transformatoren auf der Wechselspannungsseite wird nicht nur die hohe Spannung erzeugt, sie unterdrücken daneben mit ihrer Induktivität und Schaltungsweise (Serienschaltung von Dreieck- und Sternschaltung) auch bereits zahlreiche überlagerte Oberschwingungen des angelieferten Stromes. Die Oberschwingungsfilter auf der Drehstromseite unterdrücken ihrerseits weitere unerwünschte Oberschwingungen. Bei Anlagen in Zwölfpulsschaltung müssen sie nur die 11., die 13., die 23. und die 25. Oberschwingung unterdrücken. Hierfür reichen auf die 12. und 24. Oberschwingung abgestimmte Saugkreise aus.
Außerdem dienen sie auch zur Erzeugung der zur Kommutierung nötigen Blindleistung. Prinzipiell kann eine HGÜ auch ohne Oberschwingungsfilter realisiert werden, wie z.B. in der Station Wolgograd der HGÜ Wolgograd-Donbass.
Leitungsanlagen und Erder
Die Übertragung kann sowohl monopolar als auch bipolar erfolgen.
- Monopolar bedeutet in diesem Zusammenhang, dass eine Gleichspannung mit einem bestimmten Nennwert wie z.B. +450 kV vorliegt, wobei jeweils ein Pol an den beiden Leitungsenden geerdet ist und daher ein Leiterseil ausreicht (Erde als „Rückleiter“).
- Bipolar bedeutet, dass im Gegensatz zur monopolaren HGÜ zwei Leiter eingesetzt werden, wobei auf mittlerem Potential geerdet wird: ein Leiter, der gegenüber dem Erdpotential eine positive Spannung aufweist, und ein Leiter, der gegenüber dem Erdpotential eine negative Spannung aufweist, beispielsweise ±450 kV. In diesem Fall beträgt die Gleichspannung zwischen den beiden Leitern die doppelte Spannung wie zwischen einem Leiter und Erde, also in diesem Beispiel 900 kV.
Bei einer bipolaren Anlage dient die Erdung des Mittenpotentials dazu, Schäden an der Isolation wegen einer ungleichmäßigen Spannungsaufteilung zwischen den Leitern zu vermeiden, da die Isolation der beiden Leiter gegen Erdpotential erfolgt. Der Erder führt bei bipolaren Anlagen keinen Betriebsstrom, sondern nur einen kleinen Ausgleichstrom. Bei einer monopolaren HGÜ wird der Betriebsstrom der Anlage von einigen Kiloampere über den Erder geführt. Entsprechend großräumig, mit einer Ausdehnung von einigen Kilometern, muss die Erderanlage ausgeführt sein und gut leitfähig, beispielsweise in Küstennähe im Meer oder im Bereich von Flüssen, im Erdreich verankert sein. Wie bei jedem Erder ist für einen geringen Erdungswiderstand primär die Fläche und Form des Erders und die elektrische Leitfähigkeit in unmittelbarer Nähe des Erders bestimmend. Aufgrund der großen Querschnittsfläche spielt die elektrische Leitfähigkeit des restlichen Erdmaterials zwischen den beiden Erderelektroden der weit voneinander entfernten HGÜ-Konverteranlagen praktisch keine Rolle.
Bipolare Anlagen können auch so ausgelegt werden, dass bedarfsweise auch ein Betrieb als zwei parallelgeschaltete Monopole möglich ist. Dies wurde bei der HGÜ Inga-Shaba realisiert. Außerdem kommt es, da es sich um Gleichstrom handelt, je nach Stromrichtung und verwendetem Material zu einer elektrolytischen Zersetzung am Erder. Insbesondere die Anode unterliegt einem Zersetzungsprozess, ähnlich einer Opferanode, weshalb sie beispielsweise aus Petrolkoks oder in Form von Titannetzen ausgeführt sind. Kathoden können als große blanke Kupferringe ausgeführt sein. Zahlreiche bipolare Anlagen sind so ausgelegt, dass auch ein monopolarer Betrieb möglich ist. Wenn wie in diesen Fällen Elektroden sowohl als Kathode als auch als Anode dienen sollen, müssen alle korrosionsfest ausgelegt sein.
HG-Freileitungen besitzen meist zwei Leiterseile. Häufig werden monopolare Leitungen für einen späteren bipolaren Ausbau mit zwei Leiterseilen ausgestattet, die, solange der bipolare Ausbau nicht vollzogen wurde, parallelgeschaltet werden oder von denen eines als Niederspannungsleiter für die Erder dient. Fast immer wird die Ein-Ebenen-Anordnung der Leiterseile angewandt.
Der Leiter für die Erdungselektrode kann auch die Funktion als Erdseil übernehmen, da er über die Erdungselektrode sehr niederohmig geerdet ist. Er muss aber, um elektrochemische Korrosion der Masten zu vermeiden, an diesen isoliert befestigt sein. Zur Ableitung von Blitzströmen sind daher Funkenstrecken an den Isolatoren nötig.
Zur Vermeidung elektrochemischer Korrosion darf die Erdungselektrode nicht unmittelbar bei der Leitungs-Trasse liegen, sodass zumindest für das letzte Stück der Elektrodenleitung eine separate Trassenführung nötig ist. Diese kann, wie auch im Fall der nicht parallelen Verlegung der Elektrodenleitung zur Hochspannungstrasse, entweder als Freileitung (ähnlich wie eine Mittelspannungsleitung), als Erdkabel oder als Kombination von Freileitung und Erdkabel ausgelegt sein. Die Isolation der Elektrodenleitung ist meist für eine Betriebsspannung von ca. 10–20 kV (Mittelspannungsbereich) ausgelegt.
Vorteile
Bei den verbreiteten Dreiphasendrehstromnetzen sind stets Verbindungen mit mindestens drei Leitersträngen nötig. Demgegenüber kommt die Gleichstromübertragung mit zwei, bei Nutzung der Erde als zweitem Pol sogar nur einem einzigen Leiter aus. Dies spart sowohl beim Leitungsmaterial als auch der Freileitungsanlage (Masten und Isolatoren etc.) hohe Kosten. Darüber hinaus können HGÜ-Leitungen deutlich mehr Leistung übertragen als Wechselstromsysteme, sodass HGÜ-Trassen bei gleicher Übertragungsleistung um mehr als die Hälfte schmaler gebaut werden können.<ref>Clark W. Gellings, Let’s Build a Global Power Grid. In: IEEE Spectrum, 28. Juli 2015. Abgerufen am 29. Juli 2015.</ref>
Die HGÜ erlaubt eine Energieübertragung durch Unterseekabel über lange Strecken. Durch den prinzipbedingten Aufbau eines Kabels mit Außenabschirmung in Innenleiter hat ein Unterseekabel im Vergleich zu einer Freileitung einen hohen Kapazitätsbelag. Die Umladung dieser Kapazität erzeugt bei Wechselspannung Blindströme, die das Kabel zusätzlich belasten. Bei Drehstromleitungen ist eine Blindleistungskompensation der Leitung erforderlich, damit das Kabel etwa mit der natürlichen Leistung belastet wird. In gewissen Abständen müssen daher Kompensationsspulen entlang der Leitung installiert werden. Dies ist bei Seekabeln nur mit hohem technischen Aufwand möglich. Deshalb wird ab etwa 70 km Übertragungslänge unter Wasser die HGÜ eingesetzt. Die Unterschiede sind im nebenstehenden Bild gezeigt und werden anhand der Übertragung von 1500 MVA über eine Distanz von 500 km erläutert.
- Bei einer Freileitung beträgt die gesamte Blindleistung 500·3,8 MVA = 1900 MVA (induktiv). Diese ist also größer als die Wirkleistung, das System ist noch wirtschaftlich.
- Bei einem Kabelsystem beträgt die gesamte Blindleistung 500·8 MVA = 4000 MVA (kapazitiv). Da diese die Wirkleistung mehrfach übersteigt, ist das System sehr unwirtschaftlich.
- Bei einer HGÜ beträgt die gesamte Blindleistung 0 MVA.
Bei Gleichstrom tritt der Skin-Effekt nicht in Erscheinung, der bei Wechselstrom zur Stromverdrängung an die Ränder des Leitungsquerschnitts führt. Daher können die Leitungsquerschnitte besser ausgenutzt werden als bei einer vergleichbaren Wechselstromübertragung.
Bei Gleichspannung treten in der Kabelisolation keine dielektrischen Verluste auf, und Inhomogenitäten führen nicht zu Vorentladungen. Die Isolierung kann deshalb weniger aufwändig ausgeführt sein als für ein Drehstromkabel. Bei Freileitungen sind bei Gleichspannung die Verluste durch Koronaentladungen wesentlich geringer als bei einer gleich hohen Wechselspannung; sie erfordern bei Wechselspannung schon bei niedrigeren Spannungen über etwa 100 kV Bündelleiter, um die Feldstärke an der Leiteroberfläche zu verringern.
Während innerhalb eines Wechselstromnetzes zwingend eine Synchronisierung erforderlich ist, entfällt dies bei der Gleichstromübertragung. HGÜ wird auch manchmal auf Zwischenverbindungen in einem großen räumlich ausgedehnten synchronen Wechselstromnetz verwendet. Ein Beispiel einer solchen Strecke ist die HGÜ Italien-Griechenland innerhalb des synchronen europäischen Verbundnetzes zwischen dem italienischen Ort Galatina und dem ca. 300 km entfernten Ort Arachthos in Griechenland – allerdings ist hier HGÜ schon wegen der Länge des Seekabels nötig.
Darüber hinaus muss im Gleichstromnetz die Isolation nicht auf einen Spitzenwert von <math> \sqrt{2} \cdot U_\mathrm{nenn} </math> ausgelegt werden, da bei Gleichspannung die Spitzenspannung der Effektivspannung entspricht.
Nachteile
Die Stromrichterstationen sind im Vergleich zu Drehstromtransformatoren sehr teuer, technologisch aufwändig und nur wenig überlastbar. Die aus Sicherheitsgründen im Außenbereich der Stromrichterstation angebrachten Stromrichtertransformatoren erzeugen durch die Oberschwingungen mehr Lärm als vergleichbare Leistungstransformatoren in normalen Umspannwerken.
Bei kurzen Verbindungen sind die Verluste, die im Stromrichter entstehen, größer als die Verringerung der Verluste in der Leitung durch die Verwendung von Gleichstrom, weshalb die HGÜ für kurze Übertragungsstrecken nicht sinnvoll ist. Ausnahmen stellen die HGÜ-Kurzkupplungen dar, mit denen zueinander asynchrone Drehstromnetze mit entsprechend hohen Konverterverlusten verbunden werden können.
Im stationären Zustand ergeben sich bei hohen Gleichspannungen ab ca. 500 kV Probleme durch Verschmutzung und Benetzung durch Regenwasser (Freiluftanlagen) auf den Isolatoroberflächen und Leiterdurchführungen: Eine feuchte Schmutzauflage kann daher eine Verzerrung des elektrischen Feldes entlang des Isolators verursachen, die zu einem Überschlag längs des Isolierkörpers und zu dessen Ausfall führen kann. Aus diesem Grund werden bei HGÜ deutlich längere Isolatoren als bei Wechselstrom verwendet.
Ausblick
Als Alternative zur konventionellen HGÜ-Technik mit netzgeführten Stromrichtern mit Stromzwischenkreis kommen zunehmend Technologien mit selbstgeführten Stromrichtern mit Spannungszwischenkreis zum Einsatz. Dabei werden als schaltende Elemente zum Beispiel IGBTs genutzt. Solche Anlagen werden aber bisher nur für kleinere Leistungen eingesetzt.<ref>Bitte umschalten. In: Technologie Review, Heise Verlag, 14. Januar 2013, abgerufen am 17. Dezember 2013</ref>
Gleichspannungsleitungen mit mehr als zwei Stationen oder gar Gleichspannungsnetze bleiben fraglich. In der Theorie sind solche Anlagen realisierbar, bisher sind jedoch praktisch nur wenige solche Anlagen wie die SACOI (HGÜ Italien-Korsika-Sardinien) ausgeführt worden, weil hierfür ein hoher Aufwand nötig ist und sich auch leicht die Übertragungseigenschaften verschlechtern können. Bei erwogenen und bisher nicht realisierten Projekten wie Desertec oder dem Europäischen Supergrid wird bei einer 5000 km langen HGÜ-Leitung mit 800 kV von Leitungsverlusten um 14 % ausgegangen.<ref>Volker Quaschning, Regenerative Energiesysteme. Technologie - Berechnung - Simulation. München 2011, S. 162</ref> Dies entspricht rund 2,8 % relativen Leitungsverlusten auf 1000 km.
Im September 2011 berichteten die FAZ und Financial Times Deutschland, dass die deutschen Übertragungsnetzbetreiber drei Stromtrassen in HGÜ-Technik in Deutschland planen, mit denen insbesondere Strom aus Windenergie nach Süddeutschland transportiert werden solle. Demnach planen
- 50Hertz Transmission eine Trasse von Magdeburg ins Rhein-Main-Gebiet,
- TenneT eine u.a. entlang der Rheinschiene verlaufende Trasse von Schleswig-Holstein nach Bayern und
- Amprion und die EnBW-Tochter TransnetBW eine Ultranet genannte Trasse zwischen dem Rheinland und Baden-Württemberg.<ref>Neue Stromtrassen geplant. In: FAZ, 23. September 2011, abgerufen am 25. September 2011</ref><ref>Neue Leitungen braucht das Land. In: FAZ, 23. September 2011, abgerufen am 25. September 2011</ref><ref>Stromautobahnen befördern Siemens und ABB (Memento vom 25. September 2011 im Internet Archive). In: Financial Times Deutschland, 23. September 2011, abgerufen am 25. September 2011</ref>
Einzelnachweise
<references> <ref name="kuechler1">Andreas Küchler: Hochspannungstechnik: Grundlagen - Technologie - Anwendungen. 3. Auflage. Springer, 2009, ISBN 978-3-540-78412-8, S. 99, 100 und 428.</ref> </references>