Luftschlacht um England


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25px Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Eine Beschreibung des Films von 1969 findet sich unter Luftschlacht um England (Film).
Luftschlacht um England
Spitfires von Staffel 19, RAF
Spitfires von Staffel 19, RAF
Datum je nach Quelle: Mitte 1940 bis Anfang 1941
Ort Vereinigtes Königreich
Ausgang Abbruch von deutscher Seite
Folgen deutsche Invasion verhindert,
Briten behalten Luftherrschaft
Konfliktparteien
Deutsches Reich NSDeutsches Reich (NS-Zeit) Deutsches Reich
Italien 1861Königreich Italien (1861–1946) Italien
Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich und Commonwealth
Befehlshaber
Hermann Göring
Albert Kesselring
Hugo Sperrle
Hans-Jürgen Stumpff
Rino Corso Fougier
Hugh Dowding
Keith Park
Trafford Leigh-Mallory
Quintin Brand
Richard Saul
Truppenstärke
(zu Beginn)
1.576 Bomber,
809 einmotorige Jäger,
300 zweimotorige Jäger
(zu Beginn)
500 Bomber,
700 einmotorige Jäger,
96 zweimotorige Jäger
Verluste
1.014 Bomber,
873 Jäger
376 Bomber,
1.023 Jäger,
148 Seeflugzeuge

Die Luftschlacht um England war der Versuch der deutschen Luftwaffe, im Zweiten Weltkrieg zwischen Sommer 1940 und Anfang 1941 mit Bombeneinsätzen gegen das britische Militär und Angriffen gegen britische Städte die Kapitulation Großbritanniens zu erzwingen oder wenigstens die Invasion der Insel vorzubereiten. International bekannt als Battle of Britain, war die Luftschlacht eine Serie von Gefechten im britischen Luftraum, die von der deutschen Luftwaffe gegen die Royal Air Force (RAF) geführt wurde. Britische Historiker legen den Zeitraum der Schlacht vom 10. Juli bis zum 31. Oktober 1940 fest, da ab diesem Tag die Tagangriffe in größerem Ausmaß ausblieben. Manche Quellen und Statistiken beziehen sich auf einen Zeitraum bis zum Mai 1941, als die Kampfgruppen der Bombergeschwader der Luftwaffe für das Unternehmen Barbarossa abgezogen wurden.

Ziel des Oberkommandos der Wehrmacht in der Luftschlacht um England war die Erringung der Luftherrschaft über den britischen Luftraum durch die Vernichtung der Kampfkraft der RAF. Dies galt als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Invasion, deren Planung bereits im Dezember 1939 zwischen Hitler und Großadmiral Raeder besprochen wurde (Unternehmen Seelöwe). Hitler hoffte jedoch später, Großbritannien durch verstärktes Bombardement zu Friedensverhandlungen zwingen zu können; Ende September 1940 wurden die Invasionspläne intern auf unbestimmte Zeit verschoben, also faktisch aufgegeben.

Der Begriff Luftschlacht um England (eigentlich Battle of Britain) wurde vom britischen Premierminister Winston Churchill geprägt, der am 18. Juli 1940 in einer Rede vor dem Unterhaus erklärte:

„Die Schlacht, die General Weygand die Schlacht um Frankreich nannte, ist vorbei. Ich erwarte, dass jetzt die Schlacht um (Groß‑)britannien beginnen wird.“<ref>Walter Anger: Das Dritte Reich in Dokumenten. Sammlung Res publica. Band 7. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1957. S. 135.</ref>

Hintergrund

In den 1930er Jahren wurde die Rolle der Luftstreitkräfte in einem Krieg von Politikern ebenso wie von Militärs als entscheidend angesehen.

Diese Meinung stützte sich auf die Erfolge der im Ersten Weltkrieg von deutschen Luftschiffen und Bombern auf Großbritannien durchgeführten Bombenangriffe, die trotz der geringen Zahl eingesetzter Luftfahrzeuge und der kleinen abgeworfenen Bombenlasten die britische Rüstungsproduktion spürbar geschädigt hatten. Der Schaden an zerstörtem Gerät und der Ausfall der getroffenen Betriebe wurde dabei weit übertroffen durch den Produktionsausfall, der dadurch verursacht wurde, dass Fabrikarbeiter aus Furcht vor weiteren Bombenangriffen nicht am Arbeitsplatz erschienen. Diese Beobachtung machte in der Planung des Luftkrieges die Moral der Bevölkerung zu einem wichtigen Faktor.

Die Entwicklung der Luftfahrttechnik und der Verbrennungsmotoren-Technik (höhere Leistungsdichte) führte außerdem dazu, dass in den 1920er und 1930er Jahren größere und schnellere Bomber mit schwererer Bombenlast als im Ersten Weltkrieg gebaut werden konnten. Militärs und Politiker erwarteten daher, dass die Wirkung zukünftiger Bombenangriffe die im Ersten Weltkrieg beobachteten Effekte weit übertreffen würde.

Durch den geringen Leistungsvorsprung der in der Zwischenkriegszeit gebauten Jagdflugzeuge gegenüber den Bombern und das Fehlen eines funktionsfähigen Luftraumüberwachungssystems nahm man an, dass es den feindlichen Jagdflugzeugen selten gelingen würde, die Bomber überhaupt abzufangen. Sollten die Jagdflugzeuge doch einmal in Schussposition gelangen, wurde erwartet, dass die Bomber aufgrund ihrer verbesserten Abwehrbewaffnung bei gegenseitiger Feuerunterstützung im engen Formationsflug alle Angriffe von Jagdflugzeugen abwehren könnten.

Der einflussreiche britische Politiker Stanley Baldwin äußerte 1932: „Der Bomber wird immer “<ref>Walter Anger: Das Dritte Reich in Dokumenten. Sammlung Res publica. Band 7. Europ. Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1957. S. 138.</ref>

Ab dem 29. Oktober 1940 wurden die Großangriffe auf London bei Tage eingestellt. Vereinzelte Angriffe mit Bombern und Jagdbombern wurden jedoch weiterhin geflogen. Die Nachtangriffe wurden bis Mai 1941 weitergeführt.

Um auch effektive Nachtangriffe fliegen zu können, wurde das Knickebein-Funknavigationssystem entwickelt, bei dem einmal aus Norddeutschland und einmal aus Nordfrankreich Radiostrahlen gesendet wurden, die sich über dem Abwurfgebiet kreuzten. Die Briten nahmen die Geheimdienstberichte über dieses System zunächst nicht ernst. Als MI6-Agent Reginald Victor Jones die Existenz der Strahlen nachweisen konnte, wurden jedoch erfolgreiche Gegenmaßnahmen eingeleitet. Dazu wurden Störsignale und Strahlen gesendet, die das System unbrauchbar machten.

Datei:Bundesarchiv Bild 101I-344-0741-30, Frankreich, notgelandete Me 109.jpg
Notgelandete Bf 109 am Ärmelkanal in Frankreich, 1940

Die Angriffe auf die Stadt Coventry am 14. November 1940 und am 8. April 1941 waren die schwersten Bombenangriffe des Krieges bis dahin. Diese Angriffe prägten in der deutschen Propaganda den Begriff Coventrieren, der das Vernichten einer Stadt bedeutet, um die Moral des Feindes zu brechen. Diese Formulierung war indes eine propagandistische Übertreibung, da sich die Angriffe in erster Linie gegen militärische Produktionsstätten richteten. Die Opfer unter der Zivilbevölkerung betrugen 1236 Tote. Außerdem wurden viele tausend Wohnungen und zirka 75 % der Fabriken zerstört, was jedoch nicht zu nennenswerten Produktionsrückgängen führte. Die Flächenbombardements der Royal Air Force ab 1942, etwa gegen das Altstadtzentrum von Lübeck, galten anfangs als Rache für Coventry. Der Angriff auf London am 29. Dezember 1940 führte zu einem "zweiten Brand Londons" und kostete vielen Menschen das Leben.

Ausländische Unterstützung

Großbritannien

In der Royal Air Force flogen auch freiwillige Piloten fremder Nationen. Neben den freiwilligen Piloten stellten auch die Regierungen, die vor den deutschen Truppen nach Großbritannien geflohen waren, eigene Flugeinheiten auf, die unter dem Kommando der RAF an den Kämpfen teilnahmen. Besonders die tschechoslowakischen und polnischen Piloten erwiesen sich als effektiv. So hatten die polnischen Piloten (5 %) etwa 12 % der Abschüsse zu verzeichnen. An der Luftschlacht um England nahmen von den insgesamt 2927 Piloten zahlreiche Piloten anderer Nationen teil, nach einigen Angaben etwa ein Fünftel, darunter 147 polnische, 101 neuseeländische, 94 kanadische und 87 tschechoslowakische Piloten.<ref>The Battle of Britain, online auf: www.rogerdarlington.me.uk/...Section_IV, abgerufen am 9. April 2012</ref>

Deutsches Reich

Die deutsche Luftwaffe wurde gegen Ende der Luftschlacht von einem italienischen Geschwader, dem Corpo Aereo Italiano, unterstützt. Angeblich einer Bitte Benito Mussolinis folgend, wurden 80 Fiat BR.20 Bomber, unterstützt durch eine unbestimmte Zahl von Fiat G.50 und Fiat CR.42 Jagdflugzeugen, in Belgien stationiert.

Bei geringem eigenen Erfolg wurden dem Verband am 11. November durch Hurricanes der RAF schwere Verluste zugefügt.

Ergebnis

Opfer unter der englischen Zivilbevölkerung bis April 1941: 27.450 Tote, 32.138 Verletzte.

Verluste der RAF zwischen 10. Juli und 31. Oktober 1940: 544 Piloten gefallen, 1547 Flugzeuge zerstört, davon 915 im Luftkampf abgeschossen.<ref>Battle of Britain Historical Society: Battle of Britain.</ref>

Verluste der deutschen Luftwaffe im Luftkrieg gegen Großbritannien bis Mai 1941: 2000 Luftwaffenangehörige gefallen, 2600 Luftwaffenangehörige vermisst oder in Gefangenschaft, 2200 Flugzeuge zerstört, davon 1733 im Zeitraum vom 10. Juli bis 31. Oktober im Luftkampf abgeschossen.<ref>ZDF: Battle of Britain Historical Society.</ref>

Die Luftschlacht um England führte zu einer deutlichen Niederlage der deutschen Luftwaffe. Die Ursachen lagen unter anderem in verfehlten deutschen Vorstellungen über die Möglichkeiten eines strategischen Luftkrieges, schlechter Einsatztaktik des deutschen Oberkommandos, Fehlen strategischer Bomber und Langstreckenbegleitjäger, mangelhafter Geheimdienstarbeit sowie im leistungsfähigen, radargestützten britischen Jägerleitsystem.

Außerdem erlitt die deutsche Luftwaffe in der als Abnutzungskrieg geführten Luftschlacht größere Verluste, während die Briten ihre Verluste durch eine gesteigerte Produktion von Jagdflugzeugen, eine beschleunigte Pilotenausbildung und das Anwerben von Piloten aus fremden Nationen wettmachen konnten.

Winston Churchill bemerkte über die Bedeutung der Schlacht: „Nie zuvor in der Geschichte des kriegerischen Konflikts verdankten so viele so wenigen so viel“. Damit war der legendäre Ausdruck The Few (Deutsch: die Wenigen) als Synonym für die Piloten der Royal Air Force geprägt. Er spielte damit auch auf die zu Beginn der Operation wahrgenommene Unterlegenheit in Hinsicht auf die Anzahl der einsatzbereiten Kampfflugzeuge an.

Die britische Öffentlichkeit hatte über den Zeitraum von Herbst 1940 bis Frühjahr 1941 keine klare Wahrnehmung über das Ende der Schlacht und über ihren eigenen Sieg. Die Bedrohung aus der Luft war aufrechterhalten durch die Nachtangriffe, und die Bedrohung durch deutsche U-Boote, die verstärkt gegen Versorgungskonvois vorgingen, war alarmierend. Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Sieg in der (Luft)Schlacht um England bei einer großen Zeremonie in London gefeiert. Im Herbst 1940 kam es als Folge der Big-Wing-Kontroverse zur Ablösung Dowdings durch Charles Portal. Auch Keith Park wurde durch Trafford Leigh-Mallory abgelöst, der dann während der Invasion 1944 die gesamten alliierten Luftstreitkräfte leiten sollte.

Hitler versuchte noch im Oktober 1940, mit Franco (Spanien) und Pétain (Vichy-Frankreich) neue Verbündete im Kampf gegen Großbritannien zu gewinnen, scheiterte aber auch in diesem Ansinnen. Sogar mit der Sowjetunion wurden Verhandlungen über eine Anti-England-Koalition begonnen, die aber ebenfalls scheiterten.

Die deutschen Jägerpiloten wurden in der Folge von ihrem Oberkommandeur Hermann Göring der Feigheit bezichtigt. Göring erneuerte diesen Vorwurf im weiteren Verlauf des Krieges verschiedene Male, um Niederlagen der Luftwaffe zu erklären und von seinem eigenen Versagen als Befehlshaber abzulenken.

Propaganda

Die Zensur der privaten Post im Juni 1940 führte zu der Erkenntnis, dass unter der britischen Bevölkerung der Krieg nicht sehr „populär“ sei. Sozial schwächere Schichten hielten den Krieg für eine Unterstützung der Interessen der Privilegierten. Die plötzliche Erkenntnis, dass Großbritannien nach dem faktischen Ausscheiden Frankreichs aus dem Konflikt „alleine gegen Hitler“ kämpfte, und die energischen Reden Churchills vor dem britischen Unterhaus („[…] Ich habe nichts anzubieten außer Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß […]“) änderten die Stimmung.

Als deutsche Bombenangriffe massive Opfer in der Zivilbevölkerung forderten, erübrigte sich in Großbritannien jede Propaganda zur Erzeugung eines Feindbildes. Nun war Durchhalten gefragt, weswegen britische Abschusszahlen deutscher Flugzeuge bewusst überhöht angegeben wurden, und zwar bis zu einem Vierfachen der tatsächlichen deutschen Verluste. Filmmaterial wurde ganz im Gegensatz zu Deutschland nicht in großem Maßstab verbreitet. Plakate warnten vor gefährlicher Geschwätzigkeit und ermutigten zur Mitwirkung an Kriegsaktivitäten.

Zum Schutz gegen die verheerenden nächtlichen Bombenangriffe wurde die baldige Einsatzreife von Geheimwaffen verkündet. Damit waren Luftminenfelder, mit Präzisionsradar ausgerüstete Nachtjäger und zielsuchende Boden-Luft-Raketen gemeint. Keines dieser Projekte erreichte während des Krieges Einsatzreife.

Auf deutscher Seite konzentrierte man sich darauf, die Bevölkerung weiter auf die Person Adolf Hitlers einzuschwören. Die schnellen militärischen Erfolge im Westen, in Bild und Ton verbreitet durch „Die Deutsche Wochenschau“, dienten dazu hervorragend. Die regelmäßige und spektakuläre Darbietung von Filmmaterial von der Front zeigte Wirkung bei allen Altersgruppen. Der deutschen Bevölkerung war das Kriegsgeschehen am Ärmelkanal jedoch zu weit entfernt, um dafür eine besondere Leidenschaft zu entwickeln. Die zunehmenden Nachtangriffe durch britische Bomber wurden allerdings verwertet, um die Briten und vor allem Winston Churchill als Feindbild aufzubauen. Englands Propaganda gab die deutschen Verluste doppelt so hoch an wie sie tatsächlich waren; die NS-Propaganda etwa halb so hoch wie tatsächlich. Bis zum Angriff auf die Sowjetunion 1941 wurde die Invasionsdrohung gegenüber Großbritannien aufrechterhalten, um von den Vorbereitungen für das Unternehmen Barbarossa abzulenken. Ab dem Frühjahr 1941 fehlte der Luftwaffe - infolge der Verlegung zahlreicher Verbände in den Mittelmeerraum (siehe Afrikafeldzug), auf den Balkan (Balkanfeldzug (1941)) und in die östlichen Grenzgebiete - die Stärke zu einer solchen Invasion.<ref>Dissertation Stilla (2005), S. 83</ref>

Flugzeugtypen

Die wichtigsten eingesetzten Flugzeugtypen werden im Folgenden aufgelistet.

Luftwaffe

Royal Air Force

Literatur

  • Stephen Bungay: The Most Dangerous Enemy: a History of the Battle of Britain. Aurum Press, London 2001. ISBN 1-85410-801-8.
  • Richard Collier: Adlertag – Die Luftschlacht um England. Heyne, München 1978. ISBN 3-453-00189-3.
  • John Colville: Downing Street Tagebücher 1939–1945. Goldmann, München 1991. ISBN 3-442-12811-0.
  • Len Deighton: Luftschlacht über England. 2. Aufl. Heyne, München 1985. ISBN 3-453-01447-2. (Originaltitel: The Battle of Britain, 1983, ISBN 978-0698110335)
  • James Holland: The Battle of Britain: Five Months that Changed History. Bantam Press, London 2010, ISBN 978-0-593-05913-5.
  • Richard Overy: The Battle Of Britain: Myth and Reality. Penguin, London 2010, ISBN 978-1-84614-356-4.
  • Alfred Price: The Hardest Day, The Battle of Britain, 18 August 1940. Cassell, London 1998. ISBN 0-304-35081-8.
  • Percy E. Schramm (Herausgeber): Kriegstagebuch des OKW (Oberkommando der Wehrmacht). Eine Dokumentation. Weltbild, Augsburg 2005. ISBN 3-8289-0525-0.
  • Edward H. Sims: Jagdflieger – Die Großen Gegner von Einst. 11. Aufl., Motorbuch, Stuttgart 1985. ISBN 3-87943-115-9.
  • Theo Weber: Die Luftschlacht um England. Flugwelt-Verlag, Wiesbaden 1956.

Filme

Weblinks

Commons Commons: Luftschlacht um England – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references/>

24px Dieser Artikel wurde am 5. Oktober 2005 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen.