Manuskript
Unter Manuskript oder Handschrift versteht man in der Bibliothekswissenschaft oder Editionsphilologie handgeschriebene Bücher, Briefe oder andere Publikationsformen (von lateinisch manu scriptum ‚von Hand Geschriebenes‘).
Eher umgangssprachlich werden heute auch maschinenschriftliche Druckvorlagen (eigentlich: Typoskripte) als Manuskript bezeichnet.
Wenn Fernseh- und Radiobeiträge in gedruckter Form zur Verfügung gestellt oder zum Herunterladen im Internet angeboten werden, spricht man von Sendemanuskript oder einer Zeitung.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bis zur Erfindung des Buchdrucks waren Handschriften die einzige Form schriftlicher Publikation. Im engeren Sinne versteht man darunter nur mit Tinte und ähnlichen Farben auf Papyrus, Pergament oder Papier gebrachte Werke und nicht z. B. Tontafeln oder in Stein gemeißelte Inschriften. Die Literatur der Antike und des Mittelalters ist fast ausschließlich handschriftlich auf Papyrus, Pergament und Papier überliefert.
Texte des Mittelalters sind oft in Sammelhandschriften zusammengefasst. Die Vorstellung vom Einzelbuch als typische Existenzform eines „Werkes“ als Monographie existierte in der heutigen Form noch nicht. Der Kodex war eine materielle Aufbewahrungs- und Schmuckform von diversem Geschriebenem. Zuweilen war es wohl auch das Bestreben der Besitzer solcher Codices, das Material oder „Wissen“ zu einem bestimmten Gegenstand oder Thema (z. B. höfische Ritterliteratur) möglichst vollständig zu versammeln. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Ambraser Heldenbuch vom Beginn des 16. Jahrhunderts. Ein Beispiel aus der Mitte des 14. Jahrhunderts ist die Sammelhandschrift mit der Signatur Ms. germ. quart. 284 der Staatsbibliothek zu Berlin, die unter anderem zwei Texte des Tristan-Stoffes überliefert: Den Tristan des Dichters Gottfried von Straßburg und Ulrichs von Türheim Tristanfortsetzung.<ref>Eine vollständige Übersicht aller in der Handschrift enthaltenen Texte bietet der Eintrag im Handschriftencensus; ausführlicher zu Provenienz und Textprogramm: Renate Schipke: Gottfried von Straßburg: Tristan u. a., in: Aderlaß und Seelentrost. Die Überlieferung deutscher Texte im Spiegel Berliner Handschriften und Inkunabeln, hg. von Peter Jörg Becker und Eef Overgaauw (Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Ausstellungskataloge N.F. 48), Mainz 2003, S. 70–73 (Nr. 28).</ref> Die Buchwissenschaft und die Kodikologie erforschen die verschiedenen konzeptionellen oder zufälligen Anlageprinzipen von Mischhandschriften und Sammelhandschriften.
Berühmte Handschriften
Historisch
- Ambraser Heldenbuch, 16. Jahrhundert
- Carte Manuscripts, 18. Jahrhundert
- Codex Manesse, um 1300
- Manasses-Chronik, zwischen 1345–1347
- Codex Nuttall, 14. Jahrhundert (Mixtekisch)
- Donaueschinger Handschrift (Nibelungenlied), um 1220
- Rotes Buch von Hergest, 14. Jahrhundert (walisisch)
- Voynich-Manuskript, um 15. Jahrhundert, unbekannte Sprache
- Hausbuch (Schloss Wolfegg), nach 1480
Religiös
- Akilattirattu Ammanai, 19. Jahrhundert
- Arul Nool, 19. Jahrhundert
- Buch des Armagh, 9. Jahrhundert
- Book of Kells, 9. Jahrhundert
- Codex Alexandrinus, 5. Jahrhundert
- Codex Argenteus, 6. Jahrhundert
- Etschmiadsin-Evangeliar, 989
- Codex Sinaiticus, 4. Jahrhundert
- Codex Vaticanus, 4. Jahrhundert
- Schriftrollen vom Toten Meer, 3. Jahrhundert v. Chr. bis 1. Jahrhundert n. Chr.
- Faddan More Psalter, 7./8. Jahrhundert
- Fridolinsvita, 10. Jahrhundert
- Freisinger Denkmäler, 10./11. Jahrhundert
- Millstätter Handschrift 11./12. Jahrhundert
- Evangeliar Heinrichs des Löwen 12. Jahrhundert
- Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg, 12. Jahrhundert
- Nag-Hammadi-Schriften, 3./4. Jahrhundert
- Tetraevangeliar von Zar Iwan Alexander, 14. Jahrhundert
Wissenschaftlich
- Die Manuskripte Leonardo da Vincis, 15. bis 16. Jahrhundert
Standard-Manuskripte
Verlage verlangen von Autoren häufig die Einhaltung bestimmter formaler Richtlinien für die eingereichten Manuskripte. Eine Standard-Manuskriptseite hat zum Beispiel 30 Zeilen mit je 60 Anschlägen (auch Leerzeichen) und sollte 1,5-fachen oder doppelten Zeilenabstand und eine 12-Punkt-Schriftart verwenden. Ein nach diesen Vorgaben geschriebenes Manuskript enthält in etwa 1800 Zeichen pro Seite, was je nach Schrifttyp variiert.
Diese strengen formalen Vorgaben für Typoskripte werden allmählich von genauen Angaben der Zeichenzahl und vorbereiteten elektronischen Formatvorlagen für Autoren abgelöst.
Siehe auch
Literatur
- Handschrift. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 8, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/ Wien 1885–1892, S. 114.
- Lonni Bahmer: Redemanuskript. In: Gert Ueding (Hg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Darmstadt: WBG 1992ff., Bd. 10 (2011), Sp. 1029–1039 (behandelt auch das Typoskript).
- Peter Jörg Becker und Eef Overgaauw (Hrsg.): Aderlass und Seelentrost. Die Überlieferung deutscher Texte im Spiegel Berliner Handschriften und Inkunabeln. Mainz 2003
- Joachim Kirchner: Germanistische Handschriftenpraxis. Ein Lehrbuch für die Studierenden der Deutschen Philologie, 2. Aufl. München 1967
Verzeichnisse
- http://www.manuscripta-mediaevalia.de Manuscripta Mediaevalia (mit Digitalisaten)
- http://www.handschriftencensus.de Handschriftencensus
- Mediaevum.de
- Virtual Library: Handschriftendatenbanken, Kataloge und Verzeichnisse
- Hilfsmittel zu österreichischen Handschriftenbeständen
- Bibliotheca Neerlandica Manuscripta (BNM)
- Medieval Manuscripts in Dutch Collections
Weblinks
- Zeichen – Bücher – Netze, virtuelle Ausstellung des Deutschen Buch- und Schriftmuseums, unter anderem mit einem Themenmodul zu mittelalterlicher Handschriftenkultur
Einzelnachweise
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