Metamerie (Farblehre)


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Mit Metamerie oder Metamerismus (griechisch meta für nach, mitten unter und griechisch meros für Teil, also „aus mehreren Teilen bestehend“) wird der Sachverhalt bezeichnet, dass verschieden zusammengesetzte Lichtspektren beim Menschen dennoch die gleiche Farbvalenz besitzen, also den gleichen Farbeindruck hervorrufen können. Es gilt umgekehrt auch, dass eine Änderung der Beurteilungsbedingungen sowie ein Wechsel des „Normalbeobachters“ zu unterschiedlichen Farbwahrnehmungen führen kann. Zu den relevanten Beurteilsbedingungen gehört etwa die Lichtfarbe der Beleuchtung und die gewählte Lichtart.

Paare von Farben, die dieses Verhalten zeigen, heißen metamer oder bedingt gleich. Das hat insbesondere bei Körperfarben die praktische Folge, dass deren Farbstoffe oder Pigmente nicht monochrom sind und einen (relativ) breiten Spektralteil des Umgebungslichtes reflektieren.

Die unterschiedlichen Farbeindrücke solcher bedingt gleicher Körperfarben unter unterschiedlicher Beleuchtung werden mit Hilfe des Metamerie-Indexes quantitativ beschrieben, als Normal wird Tageslicht oder eine künstliche Lichtquelle, deren Licht dem Tageslicht ähnlich ist, genutzt.

Definition

Datei:Metamerie.jpg
Mit zwei metameren (bedingt gleichen) Farben lackierte Blechhälften
gleicher Farbeindruck unter tageslichtähnlicher Lichtart D65 (links); unter Lichtart A (Mitte) erscheint die obere Blechhälfte röter, unter Lichtart TL84 (rechts) die untere Blechhälfte

Als metamer oder bedingt gleich werden zwei Proben bezeichnet, die unter bestimmten Bedingungen die identische Farbvalenzen erzeugen, jedoch unterschiedliche spektrale Reflexions- oder Transmissionskurven haben. Proben mit gleicher spektraler Reflexions- oder Transmissionskurve sind nie metamer.<ref>DIN 6172: Metamerie-Index von Probenpaaren bei Lichtartwechsel. Beuth Verlag</ref><ref name="Li">Zhaojian Li, Roy S. Berns: Comparison of Methods of Parameric Correction for Evaluating Metamerism. In: www.art-si.org. Munsell Color Science Laboratory, 24. August 2006, abgerufen am 1. Februar 2012 (pdf; 1,2 MB, english).</ref>

Korrekterweise ist der Begriff „Metamerie“ nur anwendbar, wenn die erzeugten Farbvalenzen beider Proben unter bestimmten Bedingungen exakt gleich sind. Ist dies nicht der Fall, sondern nur innerhalb der jeweiligen Toleranzgrenzen, wird das Probenpaar als paramer bezeichnet. Letzteres ist häufiger der Fall, da zwei Proben nur selten die exakt gleiche Farbvalenz erzeugen, sondern sich leicht unterscheiden. Im deutschen Sprachraum wird selten zwischen Paramerie und Metamerie unterschieden, sondern beides unter dem Begriff Metamerie zusammengefasst.<ref name="Li" />

Arten der Metamerie

Nach der Ursache lassen sich fünf Arten der Metamerie unterscheiden.

Beleuchtungsmetamerie
Der praktisch am häufigsten anzutreffende Fall der Metamerie ist die Beleuchtungsmetamerie. Diese bezeichnet die Übereinstimmung zweier Farben unter einer Bezugslichtart und Abweichung unter anderen Lichtarten. Die Ursache der Metamerie sind hier die unterschiedlichen Lichtspektren der jeweiligen Lichtarten.<ref name="Klein"> Georg A. Klein: Farbenphysik für industrielle Anwendungen. 1 Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg 2004, ISBN 9783540406129, S. 96.</ref>
Beobachtergeometriemetamerie
Bei dieser Art der Metamerie stimmen die Farben unter einer Beobachtergeometrie, etwa dem 10°-Normalbeobachter überein, nicht aber unter einer anderen Beobachtergeometrie. Dies wird durch die ungleichmäßige Verteilung von Stäbchen und Zapfen im Auge verursacht.<ref name="Klein" />
Beobachtermetamerie
Diese Art der Metamerie tritt zwischen individuellen Beobachtern auf. Ursächlich ist, dass die Wahrnehmung unterschiedlicher Beobachter nie exakt gleich ist.<ref name="Klein" />
Geometriemetamerie
In diesem Fall tritt Metamerie beim Wechsel des Blickwinkels auf, wird also durch Oberflächeneffekte verursacht. Diese Metamerieart wird als Silking-Effekt bezeichnet.<ref name="Klein" /><ref> Hans G. Völz: Industrielle Farbprüfung. 1 Auflage. VCH, Weinheim 1990, ISBN 9783527280834, S. 96.</ref>
Gerätemetamerie
Diese Variante tritt zwischen unterschiedlichen Farbmessgeräten auf und wird durch Unterschiede in den verbauten Komponenten erzeugt.<ref name="Klein" />

Beispiele der Auswirkung

Ein Kleiderstoff kann, wenn er unter einer anderen Lichtquelle betrachtet wird, einen anderen Farbeindruck geben. Ursache ist zumeist, dass das die andere Beleuchtung bestimmte Wellenlängen, die von den textilen Färbemitteln reflektiert würden, nicht enthält. Solche Unterschiede bestehen zum Beispiel zwischen Beleuchtung mit Glühlampen und Sonnenlicht. In der Summe entsteht ein vom vorherigen abweichender Farbeindruck, der umgekehrt auch abweichend ist, wenn zusätzliche Wellenlängen vorhanden sind und reflektiert werden (zum Beispiel im Tageslicht). Ein typischer Fall ist es, wenn der Verkäufer den Farbton zweier Stoffe statt unter Kaufhallenlicht mit dem Gang vor die Ladentür im Tageslicht vorführt. Im Modehandel heißt dieser Effekt: Abendfarbe.

Ein anderer Fall von Metamerie ist die Reparaturlackierung einer Auto-Karosserie. Die neu lackierten Blechteile sehen beim Ausfahren nicht mehr gleich aus, obwohl der ausgewählte Lack im Kunstlicht der Werkstatt zum gleichen Farbeindruck führte. Dass beide Blechteile außerhalb der Lackierhalle anders aussehen können stört, wenn sie sich nebeneinander befinden. Die Ursache ist, dass der bei Werkstattlicht ausgewählte oder gemischte Lack nicht die gleiche Pigmentmischung wie der Originallack enthält, auch wenn er bei der dortigen Beleuchtung zum gleichen Farbeindruck führte. Von den im Tageslicht enthaltenen Wellenlängen werden Anteile vom Original- oder vom Reparaturlack reflektiert, die aber bei beiden Lacken nicht die gleiche Verteilung haben.

Eine gewollte Nutzung der Geometriemetamerie ist der Flip-Flop-Lack, der häufig im Auto-Tuning-Bereich Anwendung findet und trotz Lackierung des ganzen Fahrzeugs mit dem gleichen Lack dazu führt, dass sich an unterschiedlich gewinkelten Flächen eine andere Farbwahrnehmung ergibt.

Physiologische Grundlagen

Der Mensch nimmt Licht der Wellenlängen von etwa 380 nm bis etwa 780 nm als verschiedene „Farben“ wahr. Der Farbeindruck entspricht einerseits einer definierten Wellenlänge des Lichts oder einem schmalen Bereich des Spektrums, also die Spektralfarben. Andererseits kann ein Licht mit kurzwelligeren und langwelligerem Anteil den gleichen Farbeindruck wie ein Licht mit einer Wellenlängenverteilung dazwischen liegender Wellenlänge hervorrufen. Theoretisch ist dieser Farbeindruck durch beliebig viele Kombinationen von Lichtquellen mit kleinerer und größerer Wellenlänge und damit eine große Zahl bedingt gleicher Farbreize möglich.

Die Ursache liegt in der Netzhaut des Auges auf der die Rezeptoren (Zapfen) nicht einzelne Wellenlängen identifizieren. Die drei vorhandenen Zapfentypen sind in sich überlappenden Licht-(also Wellenlängen-)Teilbereichen empfindlich. Lediglich die maximale Empfindlichkeit wird mit einer Wellenlänge charakterisiert. Die Verteilungsbreite der Wellenlängenintensitäten des sichtbaren Lichts wird aus der Summe von Signalen, die wenigstens von zwei verschiedenen Zapfentypen empfangen werden, interpretiert.

Dieses Prinzip des Farbsehens lässt keine Unterscheidung zwischen Signalsummen mit gleichem Wert, aber verschiedener Zusammensetzung, beziehungsweise zwischen den bedingt gleichen oder metamer genannten Farben zu. Andererseits ist die technisch bedeutende Additive Farbmischung gerade erst wegen dieses prinzipiellen „Mangels“ möglich. Das Auge kann veranlasst werden, alle Farben des Spektrums zu sehen, obwohl ihm nur Kombinationen dreier farbiger Lichter zugeführt werden brauchen.

Bei Tierexperimenten konnte nachgewiesen werden, dass für Menschen metamere Farben für andere Lebewesen nicht gleichfalls metamer sein müssen und umgekehrt. Dies liegt an einer anderen Zahl von Farbrezeptoren, beispielsweise bei Säugetieren meist zwei, bei Vögeln oft vier, oder abweichenden Empfindlichkeitskurven der Farbrezeptoren bei anderen Lebewesen. Dadurch unterscheiden sich die zur Farbempfindung notwendigen Gewichtungen der Signale der Zapfen.

Verhalten metamerer Farben bei subtraktiver Farbmischung

Datei:SubMischMetam.svg
Die metamere Farbe Cyan (unten, aus Blau und Grün bestehend) wird nach dem Passieren eines Gelb-Filters zu Grün.
Die reine Farbe Cyan passiert ein solches Filter annähernd unbeschränkt (mitte).

Die verschiedenen spektralen Anteile metamerer Farben werden bei subtraktiver Farbmischung nicht in gleichem Maße subtrahiert. So kann das reine Cyan (der Cyan genannte Spektralbereich) einen Gelbfilter annähernd unbeschränkt passieren. Ein metameres Cyan, aus je einem Blau und Grün genannten schmalen Spektralbereich, wird beim Passieren eines Gelbfilters in Grün verwandelt, denn der blaue Anteil wird herausgefiltert (siehe nebenstehende Abbildung).

Metamerie-Index

Als Metamerie-Index wird der Farbabstand Delta E verwendet. Das ist der Abstand zwischen den Farborten, die den beiden Farbeindrücken in einem dreidimensionalen Farbraum, üblicherweise in einem Lab-Farbraum zugeordnet sind. Der seit 1976 verwendete Cielab-Farbraum aus dem CIE-Normvalenzsystem ging 1999 als weiter entwickelter Cielab-Farbraum unter der Kurzbezeichnung DIN99-Farbraum in DIN 6176 ein.<ref name="DIN6172">DIN 6172: Metamerie-Index von Probenpaaren bei Lichtartwechsel. Beuth Verlag</ref>

Als metameriefrei gilt eine Farbe, deren Delta E bezüglich zweier vereinbarter Lichtquellen nicht größer als 0,5, für ungeübte Beobachter nicht größer als 1,0 ist.

Praktischer Umgang mit metameren Farben

Textilindustrie

Der Käufer soll die Kombinierbarkeit von Kleidungsstücken bei Tageslicht beurteilen, weil er sie meistens bei Tageslicht trägt.

Zur Herstellung werden Färbemittel gesucht, die ein möglichst schmales Band des Lichtspektrums reflektieren. Metamerie wird ausgenutzt, so dass gewebte, gewirkte oder gestrickte Muster erst bei besonderer Beleuchtung zum Vorschein kommen. Als Farben für das Muster oder den Hintergrund oder für beides werden bewusst nur bedingt gleiche Farben gewählt.

Lackindustrie

Die Farbe von Lacken wird von den in ihnen enthaltenen Farbpigmenten bestimmt. Davon gibt es eine sehr große Zahl, die in noch mehr möglichen Kombinationen eine sehr ausgedehnte Farbpalette ermöglicht. Weil diese Möglichkeit ausgenutzt wird, um ein neues Produkt zusätzlich noch mit einer möglichst neuen Farbe in den Handel zu bringen, werden mehr und mehr nur bedingt farbgleiche Lacke produziert. Teilweises Neulackieren eines solchen Produkts - häufig eine Autokarosserie - führt nur zu gleichem Farbeindruck, wenn der Reparaturlack die identische Pigmentkombination enthält. Der Lacklieferant des Autoherstellers hält diese aber geheim.<ref>Lackindustrie und Metamerie</ref> Die farblichen „Nachstellungen“ eines Lackes durch andere Lackhersteller haben nur mehr oder weniger gleiche Pigmentkombinationen wie der originale Lack. Der reparierende Lackierer sollte davon ausgehen, dass der von einem anderen Hersteller stammende Lack problematisch sein kann und ihn erst verwenden, wenn die Nachlackierung bei Tageslicht nicht vom Originalblech abweicht (siehe nebenstehende Abbildung). Ein möglicher unterschiedlicher Farbeindruck bei Kunstlicht ist das kleinere Übel.

Einzelnachweise

<references />

Literatur

  • Günter Wyszecki, W.S. Stiles: Color Science: Concepts and Methods, Quantitative Data and Formulae. 2nd Edition. John Wiley & Sons, New York 1982.