Nationalkonservatismus
Nationalkonservatismus oder auch Nationalkonservativismus ist ein politischer Begriff zur Beschreibung einer vor allem in Europa verbreiteten Variante des Konservatismus, welche nationale Empfindungen sowie die kulturelle und ethnische Identität betont.<ref name="Longchamp">Claude Longchamp: Der nationalkonservative Protest in der Schweiz. Eine Analyse der Nationalratswahlen 1999 aufgrund von Vor- und Nachbefragungen. Modifizierte Fassung1 des Buchbeitrages für Fritz Plasser (Hrsg.): Wahlen in Österreich 1999. Wien 2000. Abgerufen am 22. September 2011. </ref>
Nationalkonservativen gemeinsam ist eine skeptische bis ablehnende Haltung gegenüber der Zuwanderung und der europäischen Integration,<ref>Richard Stöss: Der rechte Rand des Parteiensystems, in: Oskar Niedermayer (Hrsg.): Handbuch Parteienforschung. VS Springer, Wiesbaden 2013, S. 563–618 </ref> sowie eine Tendenz zum Wertkonservatismus und traditionellen Moralvorstellungen.<ref name="Grimm">Markus Grimm: Die Alleanza Nazionale - Postfaschistisch oder rechts-konservativ? In: Institut für Politikwissenschaft der Justus-Liebig Universität Gießen. 2009, abgerufen am 22. September 2011 (PDF; 1,7 MB). </ref> Sie verstehen den Konservatismus als Korrektiv zu Modernismus und Fortschrittsgläubigkeit und stellen die Gemeinschaft vor das Individuum.<ref name="Grimm" /> Nicht selten geht der Nationalkonservatismus auch Verbindungen zu konservativen religiösen Strömungen ein.<ref>Claude Longchamp: Wahlforschung in Theorie, Empirie und Praxis. In: Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich. 2009, abgerufen am 22. September 2011. </ref> Ökonomisch werden hingegen sowohl sozial-marktwirtschaftliche als auch laissez-faire Ansichten vertreten.
Dem heutigen Nationalkonservatismus ist ebenso zu eigen, dass er die direkte Demokratie als „Hort gegen die internationale Verflechtung“ preist und so die populistische Stimmungslage zwischen dem „einfachem Volk“ und der „classe politique“ einfängt.<ref name="Longchamp" /> Übergänge zum Rechtspopulismus können insofern fließend sein. Für den Nationalkonservatismus hat sich in der Literatur in synonymer Verwendung teilweise auch der Begriff „Rechtskonservatismus“ eingebürgert,<ref name="Grimm" /> jedoch wird der Nationalkonservatismus abweichend davon auch als besonderer Unterfall des Rechtskonservatismus definiert.<ref>Richard Stöss: Der rechte Rand des Parteiensystems, in: Oskar Niedermayer (Hrsg.): Handbuch Parteienforschung. VS Springer, Wiesbaden 2013, S. 563–618, hier S. 578; </ref> In dem Fall sollen rechtskonservative Parteien insofern sie eher „nationale Belange“ in den Mittelpunkt stellen, als „nationalkonservativ“ bezeichnet werden.<ref>Richard Stöss: Der rechte Rand des Parteiensystems, in: Oskar Niedermayer (Hrsg.): Handbuch Parteienforschung. VS Springer, Wiesbaden 2013, S. 563–618, hier S. 578; </ref>
Die Verwendung des Begriffs in den Sozialwissenschaften ist widersprüchlich: Während in der Geschichtswissenschaft der Begriff verwendet wird, um völkisch orientierte Parteien wie die DNVP zu charakterisieren<ref>Heinrich August Winkler: Ganz gewöhnliche Antisemiten Der Spiegel, 17. November 2003</ref> und eine ähnliche Verwendung für antidemokratische Vorstellungen auch in der politikwissenschaftlichen Diskussion um die Neue Rechte aufzeigbar ist<ref> vgl. Wolfgang Gessenharter: Im Spannungsfeld. Intellektuelle Neue Rechte und Verfassung. In: Wolfgang Gessenharter (Hrsg.): Die Neue Rechte. Eine Gefahr für die Demokratie?, S. 31–51., hier S.32; und ders.: Brüder im neurechten Geiste. Was Jörg Haider und Ronald Schill eint – aber auch trennt, Text auf der Seite Wolfgang Gessenharters an der Helmut-Schmidt-Universität, gekürzt erschienen in der Frankfurter Rundschau, 12. Juli 2003 </ref>, wird andererseits in neuerer Literatur der Parteienforschung der Begriff benutzt, um gerade nicht völkisch oder antidemokratisch orientierte Parteien des rechten konservativen Spektrums zu charakterisieren und von Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus abzugrenzen.<ref>Richard Stöss: Der rechte Rand des Parteiensystems. In: Oskar Niedermayer (Hrsg.): Handbuch Parteienforschung. VS Springer, Wiesbaden 2013, S. 563–618, hier S. 578.</ref>
In Deutschland werden Die Republikaner sowie die 2013 gegründete Alternative für Deutschland von Politikwissenschaftlern als nationalkonservativ eingeordnet. <ref>Nikolaus Werz: „Neopopulismos en Europa.“ Tagung der Fundación Pablo Iglesias und der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 25. bis 26. März 2015 in Madrid. In: Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft, Juli 2015 (online), 15. Juli 2015, o.S. doi:10.1007/s12286-015-0245-x</ref>
Land | Partei | Logo | Parteichef | Stimmen in % (letzte Wahl) |
Platzierung bei letzter Wahl |
Sitze im Parlament |
Regierungs- beteiligung |
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Russland Russland | Einiges Russland | 40px | 50px Dimitri Medwedew |
49,3 (2011) |
1. | 238 von 450 | Ja (absolute Mehrheit) |
Ungarn Ungarn | Fidesz – Ungarischer Bürgerbund | 40px | 50px Viktor Orbán |
44,9 (2014) |
1. | 133 von 199 | Ja (absolute Mehrheit) |
Polen Polen | Recht und Gerechtigkeit (PiS) | 40px | 50px Jarosław Kaczyński |
37,6 (2015) |
1. | 235 von 460 | Ja (absolute Mehrheit) |
Kroatien Kroatien | Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) | 40px | 50px Tomislav Karamarko |
33,5 (2015) |
1.</br>im Wahlbündnis angetreten | 59 von 151 | Nein |
Schweiz Schweiz | Schweizerische Volkspartei (SVP) | 40px | 50px Toni Brunner |
29,4 (2015) |
1. | 65 von 200 | Ja |
Italien Italien | Fratelli d'Italia - Alleanza Nazionale | 50px Giorgia Meloni |
2,0 (2013) |
2.</br>im Wahlbündnis angetreten | 8 von 630 | Nein |
Literatur
- Richard Stöss: Der rechte Rand des Parteiensystems. In: Oskar Niedermayer (Hrsg.): Handbuch Parteienforschung. VS Springer, Wiesbaden 2013, S. 563–618.
Weblinks
- Thomas Assheuer: Was heißt hier deutsch? Der Nationalkonservativismus definiert seine „Leitkultur“. In: Die Zeit. Abgerufen am 22. September 2011.
Einzelnachweise
<references />