Einiges Russland
Единая Россия Einiges Russland | |
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Parteivorsitzender Dmitri Medwedew | |
Parteivorsitzender | Dmitri Medwedew |
Gründung | 1. Dezember 2001 |
Hauptsitz | Moskau |
Ausrichtung | Zentrismus Nationalkonservatismus |
Farbe(n) | Weiß, Blau, Rot (Russische Trikolore) |
Parlamentssitze | 238/450 |
Mitgliederzahl | 2.073.772 (Stand: 1. Januar 2011) |
Website | er.ru |
Einiges Russland (russisch Единая Россия, Transkription Jedinaja Rossija; andere Übersetzungen: Geeintes Russland, Vereintes Russland, Vereinigtes Russland) ist die mitgliederstärkste Partei in der Russischen Föderation. Sie verfügt über die absolute Mehrheit im russischen Parlament, in dem sie die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie des Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew unterstützt.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltliches Profil
Einiges Russland hat keine ausgeprägte Ideologie, sondern versammelt Politiker und Beamte mit unterschiedlichen politischen Positionen und Überzeugungen, die die Regierung unterstützen.<ref name="Way_246f">Lucan Way: Resistance to Contagion. Sources of Authoritarian Stability in the Former Soviet Union. In: Democracy and Authoritarianism in the Postcommunist World. Cambridge University Press, New York 2010, S. 229–252, auf S. 246–247.</ref> Die Partei spricht in erster Linie unideologische Wähler an.<ref>Derek S. Hutcheson: Political marketing techniques in Russia. In: Global Political Marketing. Routledge, Abingdon (Oxon)/New York 2010, S. 218–233, auf S. 225.</ref> Sie wird daher von Politikwissenschaftlern als Catch-all-Partei<ref>Richard Sakwa: The Crisis of Russian Democracy. The Dual State, Factionalism and the Medvedev Succession. Cambridge University Press, Cambridge/New York 2011, S. 217–218.</ref><ref>Svetlana S. Bodrunova, Anna A. Litvinenko: New media and political protest. The formation of a public counter-sphere in Russia, 2008–12. In: Russia’s Changing Economic and Political Regimes. The Putin years and afterwards. Routledge, 2013, S. 29–65, auf S. 35.</ref><ref>Richard Rose: Understanding Post-Communist Transformation. A bottom up approach. Routledge, Abingdon (Oxon)/New York 2009, S. 131.</ref> oder „Partei der Macht“ bezeichnet.<ref>Thomas Remington: Patronage and the Party of Power. President—Parliament Relations under Vladimir Putin. In: Power and Policy in Putin's Russia. Routledge, 2013, S. 81–109, insbesondere S. 106.</ref><ref>Bryon J. Moraski: The Duma's electoral system. Lessons in endogeneity. In: Routledge Handbook of Russian Politics and Society. Routledge, Abingdon (Oxon)/New York 2012, S. 102–114, auf S. 109.</ref> Sich selbst sieht sie als Partei der politischen Mitte, die die „nationalen Interessen“ Russlands verfolge. Im Jahr 2009 erklärte sie „Russischen Konservatismus“ zu ihrer offiziellen Ideologie. Einige Beobachter der russischen Politik bezeichnen die Partei von ihrer Ausrichtung eher als nationalkonservativ.<ref>Hans-Henning Schröder: Wirtschaftswachstum, Sozialstaat und geistig-moralische Wende – Die innenpolitische Agenda der dritten Putin-Administration. In: Dossier Russland. Bundeszentrale für politische Bildung, 23. April 2013.</ref> Innerhalb Russlands verfolgt die Partei einen zentralistischen Kurs, bei dem die Stärkung der politischen Zentralgewalt von besonderer Bedeutung ist. Damit meint man der Schwächung der Russischen Föderation nach dem Zerfall der Sowjetunion erfolgreich entgegengewirkt zu haben. Erklärte Ziele der Partei sind:
- Entwicklung der Wirtschaft
- Stärkung der Staatsmacht
- Verbesserung der Lebensbedingungen und der sozialen Sicherheit
- Gewährleistung freier Wahlen
- Stärkung der russischen Streitkräfte
Von Teilen der Bevölkerung und ausländischen, vor allem westlichen Beobachtern wird sie eher als reine Präsidentenpartei zur Unterstützung des Kurses von Wladimir Putin gesehen. Da ihr die große Mehrheit der Mächtigen in Russland angehört, wird sie auch regelmäßig als „Beamtenpartei“ oder „administrative Partei“ bezeichnet. Es wird bemängelt, dass sie kein echtes politisches Programm besitze, sondern eher allgemeine Aussagen wie „für das Wohl des Volkes“ vertrete. Zu vielen politischen Fragen bezieht die Partei keine oder nur eine bewusst vage Position, um dem Präsidenten einen möglichst großen Spielraum zu lassen.<ref name="Way_246f"/>
Insbesondere der Programmpunkt „Kontrolle über die Massenmedien“ wird von westlichen Beobachtern der russischen Politik sehr kritisch gesehen, da die staatlichen und nahezu alle privaten Massenmedien als Einiges Russland nahestehend gelten. Einiges Russland ist jedoch die bislang stabilste administrative, von oben gegründeten „Partei der Macht“ (партии власти, Regierungspartei, „Präsidentenwahlverein“); seit den Wahlen zur Staatsduma 1993 bildeten solche auf Bürokraten gestützte, dem Präsidenten loyal ergebene Koalitionen jeweils eine neue, eigene Hausmacht.<ref>Was ist die „Partei der Macht" in Russland?, RIA, 11. Juni 2005</ref>
Innere Struktur
Die Partei besitzt in allen Regionen und Republiken der Russischen Föderation örtliche Organisationen. Mit über zwei Millionen Mitgliedern ist sie die mit Abstand größte Partei des Landes.<ref>http://www.minjust.ru/common/img/uploaded/docs/2011.02.01_Edinaya_Rossiya_perechen.doc</ref>.
Das höchste Amt in der Partei ist das des Parteivorsitzenden. Der Parteivorsitzende wird auf dem Parteitag für vier Jahre gewählt.
Der Oberste Rat bestimmt über die Strategie für die Entwicklung der Partei. Den Vorsitz des Obersten Rates hat der Parteivorsitzende inne.
Der Generalrat hat 152 Mitglieder und ist das wichtigste Parteigremium in der Zeitspanne zwischen den Parteitagen. Der Generalrat gibt Erklärungen zu wichtigen gesellschaftlichen und politischen Fragen ab.
Das Präsidium des Generalrates hat 23 Mitglieder und leitet die politische Arbeit der Partei. Es ist z.B. für die Erstellung des Wahlkampfprogrammes und anderer programmatischer Publikationen zuständig. Die Arbeit des Präsidiums wird vom Sekretär des Präsidiums geleitet.
Geschichte der Partei
Die Partei wurde am 1. Dezember 2001 als Zusammenschluss der Fraktionen Einheit (Jedinstwo) von Sergei Schoigu, und Vaterland – ganz Russland (Otetschestwo – wsja Rossija) von Juri Luschkow und Mintimer Schäimijew gegründet, die wiederum beide 1999 z. T. aus ehemaligen Mitgliedern der regierungstragenden Partei der 1990er Jahre in Russland, Unser Haus Russland entstanden sind.
Erster Parteivorsitzender war der Präsident der Duma, Boris Gryslow. Mehrere Minister der amtierenden russischen Regierung sind Mitglieder von Einiges Russland. Im Präsidentschaftswahlkampf 2003 unterstützte die Partei Wladimir Putin.
Aus der Parlamentswahl 2003 ging die Partei mit 37,6 % der Stimmen als stärkste Kraft hervor. Nach den Wahlen trat darüber hinaus eine Reihe unabhängiger Kandidaten und Vertreter anderer Parteien der Fraktion bei, sodass Einiges Russland schließlich über 305 von 450 Sitzen und somit über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügte.
Bei der Parlamentswahl 2007 erhielt die Partei 63,5 % der Stimmen und 315 der 450 Mandate der Staatsduma. Damit verfügte die Partei über eine verfassungsgebende Zweidrittelmehrheit. Angeführt wurde die Wahlliste von Präsident Wladimir Putin, der selbst nicht Mitglied der Partei Einiges Russland ist.<ref>Auslandsbüro Russland der Konrad-Adenauer-Stiftung – Partei „Einiges Russland“, Abschnitt „Gegenwärtige Situation“, letzter Absatz</ref>
Bei der Parlamentswahl 2011 erhielt die Partei 49,3 % der Stimmen und verfügt somit nicht mehr über eine Zweidrittelmehrheit, behält jedoch die absolute Mehrheit.<ref>Bundeszentrale für politische Bildung über die Duma-Wahl 2011</ref>
Der Bundestagsabgeordnete Christian Kleiminger (SPD), der als Mitglied der Delegation der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE-PV) die Wahl beobachtete, bezeichnete diese anschließend unter Hinweis auf die wirtschaftliche und personelle Übermacht von „Einiges Russland“ als unfair.<ref>Dieses war auf jeden Fall eine unfaire Wahl, auf deutschlandradio.de vom 3. Dezember 2007</ref><ref>http://nachrichten.t-online.de/parlamentswahlen-in-russland-osze-sieht-verletzung-demokratischer-grundregeln/id_13603010/index</ref><ref>Duma-Wahl: Weder fair noch demokratisch, auf focus-online vom 3. Dezember 2007</ref> Die Opposition habe keine realen Chancen gehabt.<ref>Das war eine Ermächtigungsinszenierung, auf sueddeutsche.de vom 3. Dezember 2007</ref><ref>Die Opposition hatte keine Chance (Memento vom 4. Dezember 2007 im Internet Archive), auf tagesspiegel.de vom 3. Dezember 2007</ref><ref>OSZE-Länder müssen ihre Stimme erheben, auf vorwärts-online vom 3. Dezember 2007</ref>
Am 15. April 2008 wurde Wladimir Putin zum Parteivorsitzenden gewählt. Da Putin nicht Mitglied von Einiges Russland war und auch nicht bereit war, der Partei beizutreten, wurde zuvor die Satzung entsprechend geändert. Putin trat den Vorsitz am 7. Mai an.
Auf dem 12. Parteitag von Einiges Russland, welcher am 24. September 2011 stattfand, wurde für die Parlamentswahl 2011 Dmitri Medwedew als Spitzenkandidat nominiert. Er übernahm das Amt des Ministerpräsidenten, welches Putin seit 2008 innehatte. Parteichef Wladimir Putin trat im Gegenzug bei der Präsidentschaftswahl in Russland 2012 an und wurde erneut Präsident.
Am 26. Mai 2012 wurde Dmitri Medwedew auf Vorschlag von Wladimir Putin zum Vorsitzenden der Partei gewählt. Aufgrund mutmaßlicher Fälschungen bei der Parlamentswahl im Dezember 2011, die zu den größten Protestkundgebungen in der jüngeren Geschichte des Landes führten, wird Einiges Russland von Teilen der Bevölkerung auch als „Partei der Gauner und Diebe“ bezeichnet. Putin selbst ist kein Parteimitglied. Expertenmeinungen zufolge will sich Putin damit vom schlechten Ruf der Partei distanzieren.<ref>Medwedew folgt Putin: Parteichef wechsel dich bei handelsblatt.com, 26. Mai 2012 (abgerufen am 26. Mai 2012).</ref>
Internationale Kooperationen
Auf internationaler Ebene kooperiert „Einiges Russland“ mit folgenden Parteien:
- Serbien Srpska Napredna Stranka
- Ukraine Partei der Regionen
- Aserbaidschan Neues Aserbaidschan
- Kasachstan Nur Otan
- Kirgisistan Ar-Namys
- Mongolei Mongolische Volkspartei
- Armenien Republikanische Partei Armeniens
- Tadschikistan Volksdemokratische Partei Tadschikistans
- Südossetien Einheit
- Lettland Saskaņas Centrs
- Estland Estnische Reformpartei
- Moldawien Partei der Sozialisten der Republik Moldau
- Georgien Georgiens Weg
- Weißrussland Belaja Rus
- Volksrepublik China Kommunistische Partei Chinas (seit 26. Mai 2012)
- Indien Indischer Nationalkongress (seit 26. Mai 2012)
Mitglieder
Mitgliederstruktur
Die Mitgliederstruktur der Partei Einiges Russland setzt sich wie folgt zusammen:<ref>http://www.rg.ru/2010/05/19/edro.html</ref>
- 26 % Rentner, Studenten und vorübergehend nicht Berufstätige
- 21,2 % Erwerbstätige im Bildungssektor
- 20,9 % Erwerbstätige in der Industrie
- 13,2 % Beschäftigte im öffentlichen Dienst oder in den Regierungsorganen
- 8 % Erwerbstätige im medizinischen Bereich
- 4 % Unternehmer, Freiberufler und Künstler
Prominente Mitglieder
- Sergei Besrukow (Schauspieler und Volkskünstler Russlands)
- Georgi Boos (ehemaliger Gouverneur der Oblast Kaliningrad)
- Boris Gryslow (ehemaliger Parteivorsitzender und Vorsitzender der Duma)
- Andrei Arschawin (Fußballspieler von Zenit Sankt Petersburg)
- Juri Luschkow (ehemaliger Bürgermeister von Moskau) – ausgetreten 29. September 2010<ref>russland.RU vom 29. September 2010: Luschkow – Wer zu spät geht, den bestraft das Leben</ref>
- Sergei Schoigu (stellvertretender Parteivorsitzender und Verteidigungsminister)
- Walentina Tereschkowa (erste Frau im Weltraum)
- Nikolai Walujew (ehemaliger Profiboxer)
- Anna Chapman (ehemalige russische Agentin)<ref>Чапман: Потеев сдал меня американским спецслужбам, auf er.ru vom 27. Juni 2011</ref>
- Alexander Powetkin (Profiboxer)
- Anatoli Jewgenjewitsch Karpow (Schachgroßmeister)
- Alsou (Sängerin und Schauspielerin)
- Alexander Bortnikow (Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB)
- Stanislaw Goworuchin (Kinoregisseur und Politiker)
- Fjodor Jemeljanenko (Sambo- und MMA-Kämpfer)
- Alina Kabajewa (Sportlerin, Olympiasiegerin in der Rhythmischen Sportgymnastik bei den Olympischen Sommerspielen 2004)
- Ramsan Kadyrow (Politiker und seit Mai 2007 Oberhaupt der russischen Teilrepublik Tschetschenien)
- Alexander Karelin (Ringer, Olympiasieger 1988, 1992 und 1996)
- Juri Kuzenko (Schauspieler)
- Alexander Rosenbaum (Chansonsänger)
- Anton Sicharulidse (Eiskunstläufer, Olympiasieger 2002)
- Sergei Sobjanin (Jurist und Politiker; Oberbürgermeister der Stadt Moskau seit 2010)
- Alexander Charitonow (Eishockeyspieler)
Weblinks
- Website der Partei (Memento vom 16. Dezember 2008 im Internet Archive) (russisch)
Einzelnachweise
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