Anatoli Jewgenjewitsch Karpow


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Karpow im Mai 2010
Name Anatoli Jewgenjewitsch Karpow
Verband RusslandRussland Russland
Titel Internationaler Meister (1969)
Großmeister (1970)
Weltmeister 1975–1985
1993–1999 (FIDE)
Aktuelle Elo‑Zahl 2628 (März 2025)
Beste Elo‑Zahl 2780 (Juli 1994)
Karteikarte bei der FIDE (englisch)

Anatoli Jewgenjewitsch Karpow (russisch Анато́лий Евге́ньевич Ка́рпов, wiss. Transliteration Anatolij Evgen'evič Karpov; * 23. Mai 1951 in Slatoust) ist ein russischer Schachgroßmeister<ref>Willy Iclicki: FIDE Golden book 1924-2002. Euroadria, Slovenia, 2002, S. 75</ref> und war von 1975 bis 1985 Schachweltmeister sowie von 1993 bis 1999 FIDE-Weltmeister.

Leben

Datei:Karpov4.jpg
Anatoli Karpow

Anatoli Karpow erlernte das Schachspiel im Alter von vier Jahren von seinem Vater, einem Ingenieur. Mit zehn Jahren war er bereits Meister von Slatoust, mit zwölf wurde er erstmals nach Moskau eingeladen, um an einem Lehrgang der Sowjetischen Schachschule teilzunehmen. Michail Botwinnik war zunächst von dem eher vorsichtigen Spiel des schmächtigen Jungen wenig beeindruckt, änderte dann aber seine Meinung, als er bemerkte, wie ernsthaft sich Karpow dem Schach widmete. Bereits Ende 1966 wurde er erstmals ins Ausland geschickt und gewann ein Turnier in Třinec. 1967 wurde er in Groningen Junioreneuropameister, vor Konkurrenten wie Jan Timman und András Adorján. 1969 gewann er die Jugendweltmeisterschaft in Stockholm. Kurz zuvor hatte er begonnen, mit Semjon Furman zusammenzuarbeiten, der seine schachliche Entwicklung stark beeinflusste. 1970 erhielt Karpow als zu diesem Zeitpunkt jüngster Spieler den Großmeistertitel. Einen bedeutenden Erfolg erzielte er 1971 durch seinen mit Leonid Stein geteilten 1. Platz beim Aljechin-Gedenkturnier in Moskau. Seine erste Schacholympiade spielte er 1972 in Skopje und erzielte dort mit 13 Punkten aus 15 Partien ein herausragendes Ergebnis. Als Jugendweltmeister war er vorqualifiziert für das Interzonenturnier in Leningrad 1973, das er punktgleich mit Viktor Kortschnoi gewann.

Danach qualifizierte er sich in mehreren Wettkämpfen als Herausforderer des Weltmeisters Bobby Fischer. Nachdem er zunächst Polugajewski (5,5:2,5) und danach Boris Spasski (7:4) ausgeschaltet hatte, schlug er im Finale der Kandidatenwettkämpfe seinen Landsmann Viktor Kortschnoi mit 12,5:11,5. Als Fischer zur Titelverteidigung 1975 nicht antrat, wurde Karpow am 3. April 1975 zum Weltmeister erklärt. In den folgenden Jahren spielte er sehr viele Turniere, um seinen Anspruch als bester Schachspieler der Welt zu untermauern. 1976 gewann er erstmals die UdSSR-Meisterschaft. Seinen Weltmeistertitel verteidigte er zweimal (1978 in Baguio und 1981 in Meran) erfolgreich gegen Kortschnoi. Nach der zweiten Verteidigung wurde Karpow der Leninorden verliehen. Diese Wettkämpfe fanden in einer sehr angespannten Atmosphäre statt, da Karpow als linientreuer Vertreter der Sowjetunion galt, während Kortschnoi als Dissident in den Westen emigriert war.

Bei der Schachweltmeisterschaft 1985 verlor Karpow seinen Titel an Garri Kasparow und konnte ihn weder im Revanchekampf 1986 noch 1987 oder 1990 zurückerobern. Erst als Kasparow mit der Weltschachorganisation FIDE brach und als offizieller Weltmeister disqualifiziert wurde, konnte Karpow 1993 durch ein 12,5:8,5 gegen Jan Timman den nun geteilten Weltmeistertitel wieder gewinnen und auch bis 1999 behalten.<ref>Jules Welling: Timman verpasste seine Chancen. Die Schachwoche 1993, Heft 38, S. 3-6 (Bericht, Bild und Partien)</ref> In diesem Zeitraum gelangen ihm noch einige große Erfolge, unter anderem ein überzeugender Sieg in Linares 1994. Dort erzielte er 11 Punkte aus 13 Partien und gewann mit 2,5 Punkten Vorsprung vor Kasparow und Schirow – ein Erfolg, der als einer der überlegensten Turniersiege der Schachgeschichte gilt. Damals wies er auch seine beste Elo-Zahl von 2780 (Juli 1994) auf.

Von 1975 bis 1984 war er die eindeutige Nummer eins, von 1985 bis Mitte der 1990er die unangefochtene Nummer zwei im Schach. Er gilt als einer der besten Positionsspieler aller Zeiten. Den Schach-Oscar als bester Spieler eines Jahres gewann er insgesamt neun Mal. Dazu kommen über 100 Turniersiege, das ist Weltrekord.

Karpow schrieb mehrere Schachbücher, die auch ins Deutsche übersetzt wurden, unter anderem Meine besten Partien und Karpows Schachschule. Eine Autobiographie veröffentlichte er 1991 in englischer Sprache unter dem Titel Karpov on Karpov.

In den letzten Jahren gründete Karpow zahlreiche Schachschulen, sowohl in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion als auch in den USA, Südamerika und Europa. In Deutschland führt die Karpow-Schachakademie Rhein-Neckar e. V. seinen Namen. Seit 2009 führt Karpow den Titel FIDE Senior Trainer. Seit 1994 ist er Mitglied der Schachvereinigung 1930 Hockenheim. 2010 kandidierte er für das Amt des Präsidenten der FIDE. Nominiert wurde er dafür vom Deutschen Schachbund.<ref>Deutscher Schachbund nominiert Karpov für FIDE-Wahl, 10. April 2010</ref> Bei der Wahl am 29. September 2010 unterlag er dem Amtsinhaber Kirsan Iljumschinow mit 55 zu 95 Stimmen.<ref>Ilyumzhinov wins FIDE election by 95 votes to 55, Chessbase.com, 29. September 2010</ref>

Karpow ist Mitglied der Partei Einiges Russland und wurde bei der Parlamentswahl im Dezember 2011 als Vertreter der Oblast Tjumen in die russische Duma gewählt. Karpow ist Schirmherr des „Internationalen Kinderheims“ (Interdom) in Iwanowo.<ref>Schach gegen Krieg & Not? neues deutschland vom 13. September 2012</ref>

In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Philatelie. Seine wertvolle Kollektion umfasst Schachmotive und andere Spezialgebiete.<ref>„Former world chess champion Anatoly Karpov’s writes about his collection“ (Memento vom 20. August 2010 im Internet Archive)</ref>

Nach Karpow ist auch der im Dezember 2003 entdeckte Asteroid (90414) Karpov aus dem Hauptgürtel benannt worden.<ref>Eintrag in der Datenbank für kleine Himmelskörper des Jet Propulsion Laboratory der NASA</ref> Dmitri Medwedew verlieh ihm mit dem Präsidialerlass N° 660 am 22. Mai 2011 den Orden der Freundschaft.

Karpow ist Vater zweier Kinder und war zwei Mal verheiratet. Aus der ersten Ehe mit Irina Kuimowa stammt ein Sohn (* 1979). Mit seiner zweiten Ehefrau Natalja Bulanowa hat er eine gemeinsame Tochter (* 1999).

Nationalmannschaft

Karpow nahm mit der sowjetischen Nationalmannschaft an sechs Schacholympiaden teil (1972 als erster Reservespieler, 1974, 1980 und 1982 jeweils am Spitzenbrett, 1986 und 1988 jeweils am zweiten Brett) und gewann diese alle. 1972, 1974 und 1988 gewann er außerdem die Einzelwertung an seinem Brett.<ref>Anatoli Karpows Ergebnisse bei Schacholympiaden auf olimpbase.org (englisch)</ref> Außerdem gewann er die Mannschaftsweltmeisterschaften 1985 und 1989 (jeweils am Spitzenbrett der Sowjetunion)<ref>Anatoli Karpows Ergebnisse bei Mannschaftsweltmeisterschaften auf olimpbase.org (englisch)</ref> sowie die Mannschaftseuropameisterschaften 1973 (am vierten Brett), 1977, 1980 und 1983 (jeweils am Spitzenbrett), wobei er 1973 und 1977 zusätzlich eine individuelle Goldmedaille gewann.<ref>Anatoli Karpows Ergebnisse bei Mannschaftseuropameisterschaften auf olimpbase.org (englisch)</ref> Karpow wurde 1984 für den Wettkampf UdSSR gegen den Rest der Welt ans Spitzenbrett der sowjetischen Mannschaft berufen und erreichte gegen Ulf Andersson einen Sieg und drei Remisen.

Vereine

Während des Bestehens der Sowjetunion spielte Karpow für den ZSKA Moskau, mit dem er 1986 den European Club Cup gewann.<ref>Anatoli Karpows Ergebnisse bei European Club Cups auf olimpbase.org (englisch)</ref> An der russischen Mannschaftsmeisterschaft nahm er 2006 bis 2008 mit Südural Tscheljabinsk teil.<ref>Anatoli Karpows Ergebnisse bei russischen Mannschaftsmeisterschaften auf olimpbase.org (englisch)</ref> In der deutschen Schachbundesliga hatte er in der Saison 1993/94 vier Einsätze für den SC Stadthagen, seit der Saison 2011/12 spielt er in der 1. Bundesliga gelegentlich für die SV 1930 Hockenheim. Die österreichische Staatsliga A gewann Karpow 1993 mit dem SC Margareten, bei dem er bis zur Saison 1997/98 gemeldet war, aber keine weiteren Einsätze mehr hatte. In der spanischen Mannschaftsmeisterschaft spielte Karpow 1995 und 1996 für CA La Caja de Canarias, 2001 und 2003 für CA Valencia.<ref>Anatoli Karpows Ergebnisse bei spanischen Mannschaftsmeisterschaften auf olimpbase.org (englisch)</ref>

Literatur

  • Anatoli Karpow: Meine besten Partien. Edition Olms, Oetwil am See/Zürich 2006, ISBN 3283005117.
  • Edmar Mednis: So gewinnt Karpov. De Gruyter, Berlin 1982, ISBN 3-11-008476-7.
  • Viktor Baturinski: Das Schachgenie Karpow. Sportverlag, Berlin 1991, ISBN 3-328-00427-0.
  • Tibor Károlyi: Karpov’s Strategic Wins. Quality Chess, Glasgow 2011, Band 1: The Making of a Champion (1961–1985). Band 2: The Prime Years (1986–2009).

Weblinks

Commons Commons: Anatoli Karpow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />