Dmitri Anatoljewitsch Medwedew
Dmitri Anatoljewitsch Medwedew (russisch Дми́трий Анато́льевич Медве́дев 12px Aussprache?/i, wiss. Transliteration Dmitrij Anatol’evič Medvedev; * 14. September 1965 in Leningrad) ist ein russischer Politiker. Er war von 2008 bis 2012 Präsident Russlands und ist seit dem 8. Mai 2012 Ministerpräsident der Russischen Föderation. Medwedew ist außerdem seit Mai 2012 Vorsitzender der Partei Einiges Russland.
Er wurde am 14. November 2005 vom Staatspräsidenten Wladimir Putin zum Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten Russlands ernannt und zwei Jahre später, am 10. Dezember 2007, von zwei führenden Parlamentsparteien für die Nachfolge als Präsident der Russischen Föderation vorgeschlagen. Am 2. März 2008 wurde Medwedew zum Präsidenten und Nachfolger von Wladimir Putin gewählt. Die offizielle Amtseinführung Medwedews fand am 7. Mai 2008 statt, dem Tag, an dem die Amtszeit Putins endete.<ref>DPA: Medwedew als neuer Präsident vereidigt, vom 7. Mai 2008, abgerufen am 7. Mai 2008 </ref><ref>Wse ostajutsja na mestach, Rossijskaja Gaseta Nr. 4603, 4. März 2008</ref>
Putin und Medwedew arbeiteten bereits in der Stadtverwaltung von Sankt Petersburg in der ersten Hälfte der 1990er Jahre zusammen. Putin holte ihn Ende der 1990er Jahre in die Präsidialverwaltung nach Moskau. Seitdem stieg Medwedew als deren Leiter und als Vorsitzender des Aufsichtsrats beim führenden russischen Erdgaskonzern Gazprom zu einem der wichtigsten Politiker Russlands auf, blieb bis zu seinem Wechsel in die Regierung 2005 einer breiteren Öffentlichkeit aber weitgehend unbekannt.
Inhaltsverzeichnis
Biografie
Herkunft und Familie
Medwedew wuchs als Einzelkind in einer Mittelschichtfamilie im Neubaugebiet des Leningrader Vorortes Kuptschino (Купчино) auf.<ref>Neil Buckley: Medvedev's liberal outlook likely to cheer western states.. Financial Times. December 11, 2007. Abgerufen am 13. Dezember 2007.</ref> Sein Vater, Anatoli Afanassjewitsch Medwedew († 2004), war Professor für Maschinenbau am Technologischen Institut Leningrad (LTI), seine Mutter Lektorin für europäische Sprachen an der Russischen Staatlichen Pädagogischen A. I. Herzen-Universität. Nach ihrer Pensionierung arbeitete sie bis kurz vor der Präsidentschaft ihres Sohnes noch als Museumsführerin.
Medwedew ist seit 1993 mit Swetlana Medwedewa (geb. Linnik, * 1965) verheiratet, mit der er einen Sohn hat. Swetlana Medwedewa ist Trägerin des Frauenordens der Russisch-Orthodoxen-Kirche Hochwürdige Eufrosinia von Moskau, der herausragenden russischen Frauen verliehen wird. Gegenwärtig fungiert sie als Leiterin des Kuratoriums des Programms Geistig-moralische Kultur der heranwachsenden Generation Russlands, das mit dem Segen von Patriarch Alexius II. gegründet wurde.
Studium, Lehrtätigkeit, Publikationen
Medwedew studierte noch zu Sowjetzeiten Recht an der Staatlichen Universität Leningrad. 1987 machte er sein Examen, wurde 1990 im Zivilrecht promoviert und schlug zunächst die Hochschullaufbahn ein. Bis zum Jahr 1999 lehrte er an der juristischen Fakultät seiner Heimatstadt. Daneben beriet er in der ersten Hälfte der 1990er Jahre das Komitee für Auswärtiges beim Petersburger Bürgermeisteramt, das vom späteren Staatspräsidenten Wladimir Putin geleitet wurde.
Medwedew war 1991 Koautor des ersten postkommunistischen Lehrbuches für Zivilrecht, das 2007 in der 6. Auflage erschienen ist. Im Jahre 2007 publizierte er ein Buch für Studenten unter dem Titel Woprosy nazionalnogo raswitija Rossii (zu Deutsch: Fragen der nationalen Entwicklung Russlands)<ref>Buchbeschreibung auf eastview.com</ref> über die Rolle des russischen Staates in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Wechsel nach Moskau
Als Putin von Boris Jelzin im Juli 1999 zum Ministerpräsidenten ernannt wurde, übernahm Medwedew das Amt des Stellvertretenden Leiters des Regierungsapparats in Moskau.
Nach Putins Übernahme des Präsidentenamts im Januar 2000 wurde Medwedew stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung und leitete beim Präsidentschaftswahlkampf Anfang 2000 Putins Wahlkampfstab.
Im Juni 2000 stieg er zum Ersten Stellvertretenden Leiter der Präsidialverwaltung auf. Er wurde für Putins Tagesplanung und für die Koordination von Regierung und Präsidialverwaltung verantwortlich. 2001 betraute ihn Putin mit der Durchführung der Reform des öffentlichen Dienstes. Am 30. Oktober 2003 wurde er Leiter der Präsidialverwaltung.
Tätigkeit im Gazprom-Aufsichtsrat
Neben seiner Tätigkeit in der Präsidialverwaltung ist Medwedew seit Juni 2000 im Aufsichtsrat des führenden russischen Erdgaskonzerns Gazprom, an dem der russische Staat beteiligt ist. Vom Juni 2002 bis Juni 2008 war er Vorsitzender des Gazprom-Aufsichtsrats.
In dieser Funktion ergaben sich 2004/2007 zwischen Medwedew und dem stellvertretenden Leiter der Präsidialverwaltung, Igor Setschin, der zugleich Aufsichtsratschef des staatlichen Ölkonzerns Rosneft ist, Auseinandersetzungen. Gazprom wollte im Zuge der Zerschlagung des Ölkonzerns Jukos des Oligarchen Michail Chodorkowski Juganskneftegas, die wichtigste Ölproduktionsgesellschaft des Jukos-Konzerns, übernehmen, um auf diese Weise einen wichtigen Schritt auf dem Weg von einem Erdgas- zu einem breit diversifizierten Energiekonzern zu tun. Schließlich erhielt aber Rosneft Juganskneftegas und konnte so von einem vergleichsweise kleinen zu einem der führenden Ölproduzenten aufsteigen. Gazprom kam allerdings wenig später im Sommer 2005 durch den Kauf des Ölkonzerns Sibneft des Oligarchen Roman Abramowitsch seinem Ziel auch deutlich näher. Medwedew wirkte auf diese Weise an führender Stelle bei der „Entprivatisierung“ der russischen Energiewirtschaft mit.
Erster Vize-Ministerpräsident 2005–2008
Am 14. November 2005 löste Präsident Putin Medwedew als Leiter der Präsidialverwaltung ab und ernannte ihn zum Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten. In seinem neuen Amt sollte Medwedew nach dem Willen Putins insbesondere für Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen, im Wohnungswesen und in der Landwirtschaft zuständig sein. Medwedew wurde schon seit einiger Zeit, neben Verteidigungsminister Sergei Iwanow, als möglicher Nachfolger Putins gehandelt, der bei den Präsidentschaftswahlen im März 2008 laut Verfassung nicht für eine dritte Amtszeit in Folge kandidieren durfte. Medwedew gilt als führender Vertreter der Fraktion der „Liberalen“ im Kreml, die oft in einem gewissen Gegensatz zu den als Silowiki bezeichneten Vertretern der Interessen von Geheimdienst, Staatsanwaltschaft, Militär und Polizei gesehen wird.<ref name="tagesspiegel">Elke Windisch: Wer führt Russland? In: Der Tagesspiegel, 15. August 2010.</ref>
Präsidentschaftskandidatur 2007
Am 10. Dezember 2007 wurde Medwedew von vier Parteien (neben der Kreml-nahen Partei „Einiges Russland“ auch von der Agrarpartei, von „Gerechtes Russland“ und von der liberalen Bürgerkraft) als Präsidentschaftskandidat nominiert. Diese Kandidatur wurde von Wladimir Putin explizit unterstützt.<ref>bbc.co.uk: Putin sees Medvedev as successor, auf Englisch, abgerufen am 10. Dezember 2007</ref> Am 17. Dezember wurde Medwedew von der Partei Einiges Russland bei ihrem Parteitag offiziell als Präsidentschaftskandidat bestätigt.
Russischer Präsident (2008–2012)
Bei den Wahlen am 2. März 2008 wurde er zum Präsidenten Russlands gewählt und am 7. Mai vereidigt. Der Präsident hat im politischen System Russlands einen erheblichen Einfluss sowohl auf die Regierung als auch auf die Zusammensetzung des Parlaments.
In seinen ersten Amtsmonaten verhinderte er eine noch von Putin angestrengte Verschärfung des Mediengesetzes und bekannte sich zu größeren Anstrengungen im Umweltschutz. In der Abberufung des Generalstabschefs Juri Balujewski sahen Beobachter das Bestreben, die politische Kontrolle über die Streitkräfte zu stärken und nötige Reformen voranzutreiben.<ref>http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/ausland/880359.html</ref><ref>Medwedjew kippt schärferes Mediengesetz (Memento vom 12. Dezember 2009 im Internet Archive)</ref>
Anfang August 2008 leitete Medwedew als Reaktion auf den georgischen Angriff auf Südossetien eine sechstägige Militäroperation gegen Georgien sowohl in Südossetien, als auch im georgischen Kernland ein. Wenige Wochen später verkündete er die russische Anerkennung Südossetiens und Abchasiens. Der Westen reagierte auf sein Vorgehen mit harscher Kritik.
Am 6. Juli 2009 unterzeichnete er, gemeinsam mit US-Präsident Barack Obama, ein Nachfolgeabkommen des 1991 geschlossenen START-Abkommens. Damit werden die Atomwaffenarsenale der beiden Staaten weiter verringert.
Im Sommer 2010 gab es in Russland verheerende Wald- und Torfbrände. Die Regierung spielte deren Ausmaß zunächst herunter, was viele Russen ihrer Regierung laut Meinungsumfragen sehr verübelten. Verstärkt wurde gefragt, ob das russische Regierungssystem reformiert werden müsste, um die Probleme des Landes besser bewältigen zu können. Medwedew lehnte dies im September 2010 ab; eine Umwandlung Russlands in eine parlamentarische Demokratie sei eine Katastrophe für sein Land; ein starkes parlamentarisches System sei nicht geeignet für Russland.
Das Modell wie etwa in Deutschland – mit einer starken Regierung – lehnte er ab. Medwedew bekräftigte sein Ziel, Russland zu einem modernen Staat mit freien Menschen zu machen. „Ein Mensch, der eingeschüchtert, abgekapselt ist sowie den Staat, die Polizei und Konkurrenten fürchtet, kann kein Modernisierer sein. Das kann nur ein freier Mensch.“<ref>Medwedjew nennt parlamentarische Demokratie eine "Katastrophe" In: zeit.de vom 10. September 2010</ref>
In der Forbes-Liste der mächtigsten Personen der Welt belegte Dmitri Medwedew im November 2011 Platz 59.<ref>Путин – второй по влиятельности в мире по версии Forbes, Vesti.ru vom 3. November 2011</ref>
Zahlreiche im Westen gehegte beziehungsweise geäußerte Hoffnungen auf Medwedew blieben unerfüllt. Er verzichtete auf eine Kandidatur zu einer zweiten Amtszeit.<ref name="tagesspiegel" /> <ref name="rp">Rheinische Post vom 26. September 2011, S. A2: Lupenreine Demokraten. - Ämtertausch in Russland: Ministerpräsident Wladimir Putin wird bei der kommenden Präsidentenwahl antreten. Dmitri Medwedew verzichtet auf eine zweite Amtszeit und wird Regierungschef.</ref> Im Jahr 2011 kursierte der Witz: „Der Kreml ist in zwei Lager zwischen Putin und Medwedew gespalten. Die einzige Frage lautet, welchem Lager sich Medwedew selbst anschließen wird ...“ <ref>Putins Staat Der Standard, 25. April 2011</ref>
Russischer Ministerpräsident (seit 2012)
Am 24. September 2011 schlug Medwedew auf dem Parteitag von Einiges Russland seinen Vorgänger Putin als seinen Nachfolger für die Präsidentschaftswahlen 2012 vor und erklärte:<ref>Im: Hamburger Abendblatt vom 26. September 2011 zur Rückkehr Putins auf das Präsidentenamt</ref>:
„Das ist eine tief durchdachte Entscheidung, die wir seit dem Beginn unserer Kameradschaft besprochen haben. Dass wir das nicht früher bekanntgegeben haben, ist eine Frage der politischen Zweckmässigkeit.“
Am 8. Mai 2012 wurde Medwedew von der Duma mit großer Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt.<ref>Medwedew von Duma zum Regierungschef gewählt ORF am 8. Mai 2012.</ref>
Offenbar bezugnehmend auf die bedrohliche Situation in Syrien sprach sich Medwedew kurz vor seiner Abreise zum G8-Gipfel in Camp David am 17. Mai 2012 in Sankt Petersburg für die Respektierung der Souveränität von Staaten aus. Übereilte Kriegseinsätze in fremden Staaten würden die Gefahr bergen, dass radikale Kräfte an die Macht kämen. Militäreinsätze und Sanktionen unter Umgehung der Vereinten Nationen würden die Situation in der Welt nicht verbessern. Handlungen, die die staatliche Souveränität untergraben, widersprächen den Prinzipien der UN-Charta und seien gefährlich. Sie „können einmal mit einem regelrechten regionalen Krieg enden und sogar … mit einem Einsatz von Atomwaffen."<ref>Medwedew: Übereilte Kriegseinsätze in fremden Staaten könnten zu Atomkrieg führen RIA Novosti am 17. Mai 2012.</ref>
Am 21. Mai gab Medwedew sein neues Kabinett bekannt und erklärte den Ministern die Ziele seiner Regierung.<ref>Medwedew setzt der neuen Regierung Prioritäten RIA Novosti am 21. Mai 2012.</ref> Tags darauf trat er der Partei „Einiges Russland“ bei.<ref>Медведев получил партбилет "Единой России" am 22. Mai 2012.</ref> Am 26. Mai 2012 wurde Dmitri Medwedew auf Vorschlag von Wladimir Putin zum Vorsitzenden der Partei gewählt.<ref>Medwedew folgt Putin: Parteichef wechsel dich bei handelsblatt.com, 26. Mai 2012 (abgerufen am 26. Mai 2012).</ref>
Bei den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Sieges der sowjetischen Armee im Zweiten Weltkrieg am 9. Mai 2015 fehlte er auf der Ehrentribühne.
An seinem 50. Geburtstag wurde er mit dem Verdienstorden für das Vaterland 1. Klasse ausgezeichnet.<ref>Erlass des Präsidenten der Russischen Föderation N 459 vom 14. September 2015 „Über die Auszeichnung D. A. Medwedews mit dem Verdienstorden für das Vaterland 1. Klasse“ (russisch)</ref>
Privatleben
Medwedew und seine Ehefrau Swetlana haben einen Sohn namens Ilja (* 1996).<ref name="tagesspiegel" /> Medwedew ist Fan des Fußballklubs Zenit St. Petersburg und war Vorsitzender eines Moskauer VIP-Fanclubs dieses Vereins. Er bezeichnet sich als Rockmusik-Fan und nennt unter anderem Deep Purple, Black Sabbath, Pink Floyd und Led Zeppelin als Lieblingsbands.
Medwedew besitzt zwei Wohnungen in Moskau sowie eine in seiner Heimatstadt Sankt Petersburg.<ref>realty.newsru.com, 23. September 2008</ref>
Dmitri Medwedew war in seiner Jugend Atheist, hat sich aber im Alter von 23 Jahren von der russisch-orthodoxen Kirche taufen lassen. In einem Interview sagte Medwedew, dass das Bekenntnis zum Glauben sein Leben grundlegend verändert habe.<ref>Простые истины In: Itogi (russisch).</ref>
Siehe auch
Literatur
- Hans-Henning Schröder. Kader-Rochade im Kreml, in: Russland Analysen vom 18. November 2005.
- Oprach, Marc: Dimitri Medwedjew – Präsident auf Abruf oder ebenbürtiger Nachfolger Putins?, in: Auslandinformationen der Konrad-Adenauer-Stiftung, 02/2008, S.6-30. (http://www.kas.de/wf/de/33.13283/)
- Oprach, Marc: Dimitri Medwedew spielt auf Zeit – Russland und die US-Raketenabwehr, in: Russlandanalysen, Nr.167, S.10-11. http://www.laender-analysen.de/dlcounter/dlcounter.php?url=../russland/pdf/Russlandanalysen167.pdf
Weblinks
- Literatur von und über Dmitri Anatoljewitsch Medwedew im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Persönliche Seite (engl.)
- Biografie in der Internet-Zeitung „Russland-Aktuell“
- Kurzbiographie und Pressestimmen zu Dmitri Medwedew in Russlandanalysen Nr. 153 (PDF; 512 kB)
- President of Russia, Video Blog (russ. mit engl. Untertiteln)
- Dmitri Medwedew auf Twitter (englisch)
- Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Russland - Russland unter den Präsidenten Putin und Medwedew
Einzelnachweise
<references />
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Personendaten | |
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NAME | Medwedew, Dmitri Anatoljewitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Medvedev, Dmitrij Anatol’evič; Медве́дев, Дми́трий Анато́льевич (russisch) |
KURZBESCHREIBUNG | russischer Politiker, Ministerpräsident und Präsident |
GEBURTSDATUM | 14. September 1965 |
GEBURTSORT | Leningrad |