Nilgans
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Nilgans (Alopochen aegyptiacus)
Nilgans (Alopochen aegyptiacus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Alopochen aegyptiacus | ||||||||||||
Linnaeus, 1766 |
Die Nilgans (Alopochen aegyptiacus) ist der einzige rezente Vertreter ihrer Gattung und wird heute meist den Halbgänsen zugerechnet. Sie ist afrikanischen Ursprungs und lebt an nahrungsreichen subtropischen Binnenseen und Flüssen. Sie gilt als der häufigste afrotropische Entenvogel.<ref>Kear, S. 399</ref>
In den letzten Jahrzehnten breitete sich die Nilgans ausgehend von Gefangenschaftsflüchtlingen hauptsächlich von den Niederlanden kommend entlang des Rheins in Mitteleuropa aus, wobei sie auch in städtischen Parks, an Badeseen und anderen von Menschen häufig frequentierten Orten vorkommt.
Inhaltsverzeichnis
Name
Der im Deutschen übliche Begriff Nilgans leitet sich vom Fluss Nil in der ägyptischen Heimat dieser Art ab. Darauf deutet auch die wissenschaftliche Artbezeichnung aegyptiacus hin. Die aus dem Griechischen stammende Gattungsbezeichnung Alopochen bedeutet Fuchsgans und wird in älterer Literatur gelegentlich auch für die Brandgans verwendet, die gelegentlich in Fuchsbauen brütet. Für die Nilgans ist diese Bezeichnung dagegen eher unzutreffend, da sie dies nicht tut und eher auf Bäumen brütet.<ref>Viktor Wember: Die Namen der Vögel Europas – Bedeutung der deutschen und wissenschaftlichen Namen, Aula-Verlag, Wiebelsheim 2007, ISBN 978-3-89104-709-5, S. 82</ref> Möglicherweise bezieht sich der Name auch auf die rotbraune Farbe des Rückengefieders, die an die Fellfarbe des Rotfuchses erinnert.
Aussehen
Erscheinungsbild ausgewachsener Vögel und Mauserverlauf
Charakteristisch für die Nilgans sind ihre verhältnismäßig hohen Beine sowie der dunkle Augenfleck.
Beide Geschlechter gleichen sich, nur ist das Männchen unwesentlich größer. Die vergleichsweise „bunte“ Färbung der adulten Tiere stellt sich mit etwa vier bis fünf Monaten ein, wenn sich Augen- und Brustfleck voll entwickelt haben. Neben der gewöhnlichen Färbung tritt auch eine etwas grauere Morphe auf, die verschieden stark ausgeprägt sein kann. Auch die Färbung des Schnabels variiert von blassrot bis tiefrot. Gefangenschaftsflüchtlinge weisen meist sehr rote Schnäbel auf. Fliegende Nilgänse haben ähnlich wie die Rostgänse ein großes weißes Armflügelfeld.
Die Vollmauser der adulten Vögel setzt gegen Ende der Fortpflanzungszeit ein. Sie beginnt mit dem Wechsel des Kleingefieders. Danach werden die Schwingenfedern abgeworfen und die Steuerfedern gewechselt. Die Jugendmauser beginnt, wenn die Jungvögel etwa drei Monate alt sind. Dabei wird zunächst der braune Augenfleck und in einem Alter von etwa fünf Monaten der Brustfleck durchgemausert.<ref>Kolbe, S. 147</ref>
Erscheinungsbild der Dunenküken
Dunenküken der Nilgans sind ähnlich kontrastreich schwarzbraun-weiß gefärbt wie die der Brandgänse. Sie sind an der Oberseite oliv erdbraun bis dunkel zimtbraun. Stirn, Gesicht, Hals und Brust sind weißlich gefärbt. Ein kurzer blassbrauner Strich verläuft vom Auge ausgehend zum Hinterkopf. Die Küken haben außerdem strohgelb gefärbte Partien an den Flügeln und sind an der Körperunterseite weiß gefärbt. Im Gegensatz zu den Dunenküken der Brandgans fehlt ihnen der dunkle Fleck unterhalb des Auges. Auf den Flügeln und den Flanken finden sich große weiße Farbpartien.
Bei frisch geschlüpften Dunenküken ist der Schnabel zunächst blass grau und leicht rosa überhaucht. Der Nagel ist hellbraun. Die Füße, Beine und Schwimmhäute sind fleischfarben, die Iris ist blass graublau. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Nilgänse flügge werden, hat sich der Schnabel zu einem blassen graurosa umgefärbt. Die Schnabelspitze ist schwarz. Die Füße und Schwimmhäute sind graurosa, die Schwimmhäute dabei etwas dunkler. Die Iris ist gelbbraun.<ref>Collin Harrison und Peter Castell: Field Guide Bird Nests, Eggs and Nestlings, HarperCollins Publisher, überarbeitete Auflage von 2002, ISBN 0-00-713039-2, S. 69</ref>
Stimme
Die beiden Geschlechter haben ein unterschiedliches Lautrepertoire. Männchen zischen heiser und keuchend. Lediglich beim Auffliegen lassen sie eine laute Serie von wräd-wräd... hören. Die Weibchen dagegen lassen ein schnelles, laut durchdringendes und fast trompetendes Schnattern hören. Es wird lautmalerisch mit honk-hää-hää-hää umschrieben. Erregt klingen diese Laute nochmals lauter. Es sind dann mehrsilbige Rufreihen, die wie honk-honk-honk klingen.<ref>Hans-Heiner Bergmann; Hans-Wolfgang Helb; Sabine Baumann; Die Stimmen der Vögel Europas – 474 Vogelporträt mit 914 Rufen und Gesängen auf 2.200 Sonogrammen, Aula-Verlag, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-89104-710-1, S. 49</ref>
Verbreitung
Natürliches Verbreitungsgebiet
Ursprünglich war die Nilgans in fast ganz Afrika außer den extremen Trockengebieten beheimatet. In historischer Zeit kam sie auch auf dem Balkan vor, wo sie jedoch heute ausgerottet ist. Noch im 19. Jahrhundert gab es zahlreiche Beobachtungen in Ungarn und Bulgarien. Sie hat in dieser Zeit vermutlich auch dort gebrütet. Dies ist allerdings nicht sicher nachgewiesen.<ref>Kolbe, S. 147</ref>
In Afrika ist ihr Verbreitungsschwerpunkt in den Savannensümpfen und an den Flussläufen Ostafrikas. Sie profitiert auch von den Wasserrückhaltebecken, die in Südafrika angelegt wurden. Sowohl ihr Bestand als auch ihr Verbreitungsgebiet hat sich dort vergrößert. In Westafrika ist die Nilgans dagegen selten. Am unteren Nil kommt sie kaum noch vor.<ref>Kolbe, S. 147</ref> Ihre Höhenverbreitung in Afrika reicht von Gewässern des Tieflands bis zu Gewässern in einer Höhenlage von 4.000 Metern NN.<ref>Kolbe, S. 147</ref>
Ausbreitung außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets
Seit dem 18. Jahrhundert wird die Nilgans als Ziergeflügel in Europa gehalten. Freilebende Brutpopulationen der Nilgans gab es in Großbritannien bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts war diese Population auf vierhundert bis fünfhundert Individuen angewachsen.<ref>Bauer et al., S. 73</ref> Diese kleine Population freibrütender Nilgänse in England blieb bis in die 1970er Jahre weitgehend stabil. Seit den siebziger Jahren erfolgt eine rasante Ausbreitung von Nilgänsen von einer aus den Niederlanden stammenden, wohl durch Aussetzungen und durch entfleuchte Tiere gebildeten Population. Diese Ausbreitungswelle erfolgt entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse und hat inzwischen im Süden die Grenze zur Schweiz erreicht, im Osten über die Donau auch Österreich. Als Brutvogel ist sie auch in Belgien und den Niederlanden etabliert.
Derzeit stellen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz den Kernbereich der Verbreitung dar. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gibt es in einem Viertel aller Jagdreviere Brutvorkommen der Nilgans. In Hessen und Rheinland-Pfalz liegt die Quote bei 15 %. Insbesondere in Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz hat es von 2009 bis 2013 einen starken Zuwachs von fast 10 % bei den Brutvorkommen gegeben. <ref> https://www.jagdverband.de/sites/default/files/5106_Pressegrafiken_Neozoen_2014_Nilgans.jpg </ref> Mit Ausnahme von Berlin sind in allen Bundesländern Brutvorkommen nachgewiesen. <ref name=>Deutscher Jagdverband (DJV), Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD) Ergebnisse 2010 S. 23 https://www.jagdverband.de/sites/default/files/WILD%20Bericht%202010.pdf</ref> Die Jagdstrecke ist im Jahr 2011/12 im Vergleich zum 5-Jahres-Durchschnitt der vorherigen Jahre um 90 % gestiegen und liegt nun bei fast 11.000 Stück. <ref> https://www.jagdverband.de/sites/default/files/4509_pressegrafik_jagdstatistik_gaense_0.jpg </ref>
Die Nilgans gehört damit zu den sehr erfolgreichen Neozoen. Sie wird wohl in absehbarer Zeit über die Donau ihre alten Siedlungsgebiete auf dem Balkan zurückerobern. Von Landwirten angelegte Mieten sind willkommene Nahrungsquellen und eine der Hauptursachen der erfolgreichen Ansiedlung in den letzten Jahren, da diese auch in Notzeiten Nahrung bieten.
Zur Hauptnahrung der Nilgänse gehören Gräser, daneben werden Getreidefelder regelmäßig aufgesucht. Parkvögel fressen wie Stockenten auch Brot. Selbst strenge Winter wie 1995/96 und 1996/97 konnten den Nilgansbestand nicht negativ beeinflussen. Aufgrund der hohen Nachwuchsrate ist zu erwarten, dass Nilgänse sich noch weiter ausbreiten und irgendwann flächendeckend in den Tieflagen Deutschlands brüten werden.
Die schnelle Verbreitung der Nilgans ist besonders auf ihre Anpassungsfähigkeit, die hohe Vermehrungsrate und ihr aggressives Verhalten gegenüber anderen Tieren zurückzuführen. Insbesondere in urbanen Gebieten kann die Nilgans als Plage empfunden werden. <ref>Hessenschau: Nilgänse nehmen am Main überhand https://www.youtube.com/watch?v=Dysun5GlPWA</ref> <ref>http://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article119010211/Aggressive-Nilgaense-breiten-sich-aus.html </ref> <ref>http://www.welt.de/wissenschaft/tierwelt/article131841596/Nilgaense-werden-in-Deutschland-zur-Plage.html </ref> Der Einfluss der Nilgans auf die Populationen der heimischen Vogelwelt muss kritisch beobachtet werden.
In den USA hat sie sich in Florida und Arkansas etabliert, ebenso in Israel und den südlichen Küstengebieten am Persischen Golf
Verhalten
Die Fortpflanzungszeit wird im ursprünglichen Verbreitungsgebiet durch die einsetzende Regenzeit ausgelöst. In West- und Südafrika fällt die Brutzeit entsprechend in die Monate Juni bis September. In Kenia dagegen kommen Nilgänse während des gesamten Jahres zur Brut.
Nilgänse sind während der Brutzeit streng territorial und dulden keine anderen Entenvögel (Anatidae) in ihrem Revier. Nilgänse sind bezüglich ihrer Nistplatzwahl sehr flexibel. Nester werden im Röhricht und gelegentlich auch zwischen Felsgestein errichtet. Nilgänse nutzen außerdem auch Baumhöhlen und brüten in Afrika gelegentlich auch auf den großen Nestbauten der Schattenvögel. Nilgänse errichten daher ihre Nester gelegentlich in einer Höhe von 20 Metern über dem Erdboden. In Europa brütende Nilgänse nehmen auch Greifvogelhorste und Krähennester als Niststandort an.<ref>Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.): Wildlebende Gänse und Schwäne in Sachsen – Vorkommen, Verhalten und Management, Dresden 2006, Veröffentlichung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie, S. 20</ref>
Das Nest wird mit Dunen ausgepolstert. Wird das erste Gelege wegen Störungen aufgegeben oder wird es zerstört, kommt es in der Regel zu einem Nachgelege. Die Eier sind weiß und glänzen schwach. Die Brutdauer beträgt 30 Tage. Frisch geschlüpfte Dunenküken haben durchschnittlich ein Gewicht von 54 Gramm.<ref>Kolbe, S. 147</ref> An der Führung der Küken sind beide Geschlechter beteiligt. Sie werden von den Elternvögeln in Seichtwasserzonen und auf nahen Grasflächen aufgezogen. Mit etwa neun bis zehn Wochen sind die Junggänse ausgewachsen und flugfähig.
Nilgänsen wird ein ausgeprägtes Aggressionsverhalten zur Brutzeit gegenüber anderen Wasservögeln zugeschrieben. Genauere Untersuchungen haben gezeigt, dass von aggressivem Verhalten andere Nilgänse und Entenvogelarten mit einem Gewicht von 1.000 bis 3.000 Gramm betroffen sind. Dabei hängt die Aggressionsbereitschaft von der Vogeldichte am Gewässer und nicht vom Futterangebot ab. Beeinträchtigungen wurden in Einzelfällen bei der Stockente nachgewiesen, insbesondere sofern Nilgänse Junge führten.<ref>Bienvenu Kenmogne, Werner Schindler: Das Aggressionsverhalten der Nilgans (Alopochen aegyptiacus) und dessen Auswirkung auf andere Wasservogelarten im Stadtgebiet von Frankfurt am Main. Vogel und Umwelt 2011/19, Hefte 1-3: 67-180.</ref> Auch sind Fälle bekannt, in denen Nilgänse Storchennester und sogar ein Falkennest übernommen haben. <ref>http://www.abendblatt.de/region/stormarn/article107786696/Westeraus-Storch-im-Exil-Nilgans-als-Nestbesetzer.html</ref> <ref>http://www.pnn.de/pm/846514/</ref> <ref>http://www.op-online.de/lokales/nachrichten/eppertshausen/gaense-vertreiben-adebar-725910.html</ref> <ref>https://www.youtube.com/watch?v=Ax1UuCl_Z-4</ref> Die Verbreitung des anpassungsfähigen und aggressiven Neozoen kann also erhebliche Auswirkungen auf die heimische Tierwelt, insbesondere auf andere Wasservögel haben.
Nilgänse als Ziergeflügel
Nilgänse wurden bereits von den alten Ägyptern, den Griechen und den Römern als Ziergeflügel gehalten. In Westeuropa begann ihre Haltung als Ziergeflügel im 17. und 18. Jahrhundert. In privater Haltung findet man sie heutzutage selten. Nilgänse erreichen für die meisten Privathalter eine zu große Körpergröße, die eine entsprechende Größe der Anlage notwendig macht. Ihre Rufe sind außerdem sehr laut und sie neigen zu aggressivem Verhalten. Nilgänse werden jedoch gelegentlich als freifliegende Vögel auf Parkteichen gehalten, was ihre Ausbreitung als Gefangenschaftsflüchtlinge erklärt.
Mythologische Bedeutung der Nilgans
Nilgänse waren im thebanischen Gebiet als heilige Vögel dem Schöpfergott Amun gewidmet. Ursprünglich galt die Nilgans (koptisch: smon) als einer der vielen Götter, die die Welt und das Licht geschaffen hatten, sei es durch seine Stimme in der Urfinsternis („der große Gackerer“ - Gengen Wer), sei es durch das Deponieren des Welteneis in einem Sykomore-Baum in Heliopolis, aus welchem auch der Sonnengott Re entstanden sei.
Belege
Einzelnachweise
<references />
Literatur
- Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel und Wolfgang Fiedler (Hrsg.): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel, Aula-Verlag Wiebelsheim, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-647-2
- T. Bartlett: Ducks And Geese - A Guide To Management. The Crowood Press, 2002, ISBN 1-85223-650-7
- Hartmut Kolbe: Die Entenvögel der Welt. Ulmer Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-8001-7442-1
- Janet Kear (Hrsg.): Ducks, Geese and Swans. Oxford University Press, 2005, ISBN 0-19-854645-9
Nilgans als Neozoon
- Kenmogne, Bienvenu & Schindler, Werner (2012): Das Aggressionsverhalten der Nilgans (Alopochen aegyptiacus) und dessen Auswirkungen auf andere Wasservogelarten im Stadtgebiet von Frankfurt am Main. Vogel & Umwelt 19: 67-81.
Weblinks
- Videos, Fotos und Tonaufnahmen zu Alopochen aegyptiacus in der Internet Bird Collection
- Fotos von Nilgansküken und erwachsenen Tieren
- Alopochen aegyptiaca in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2013.2. Eingestellt von: BirdLife International, 2012. Abgerufen am 23. November 2013