Prioratskirche


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Eine Prioratskirche (franz. église prieurale, engl. priory church) ist ein mittelalterlicher Kirchenbau, der zu einem Priorat – einem Kloster niederen Ranges als eine Abtei – gehörte, welches in organisatorischer Abhängigkeit von einem − oft weit entfernt gelegenen − größeren Mutterkloster stand.

Geschichte

Durch Schenkungen, Stiftungen oder testamentarische Verfügungen kamen die größeren Klöster Europas im 11. und 12. Jahrhundert in den Besitz von Ländereien in entfernteren Regionen. Dieser Landbesitz musste bewirtschaftet und verwaltet werden − dies konnte durch Pächter geschehen, aber auch durch die Mönche selber getreu dem benediktinischen Grundsatz ora et labora. In manchen Fällen waren die Stiftungen mit die Auflage verbunden, dass auf den Ländereien eine Kirche erbaut werden müsse, in welcher nach dem Tode des Stifters für dessen Seelenheil gebetet wurde.

Wenn die Anzahl der Mönche in einem Mutterkloster zu groß wurde, was im Hochmittelalter häufiger der Fall war, bot die Gründung eines Priorats neuen Raum. Da viele Urkunden im Laufe der Zeit verlorengingen, ist heute in einigen Fällen der Name des ursprünglichen Mutterklosters nicht mehr bekannt.

Da nicht alle Mönche – vor allem in späterer Zeit – selber körperlich arbeiteten, siedelten sich in der Umgebung einer Abtei bzw. eines Priorats und seines oft umfangreichen Wirtschaftsbetriebes mehr und mehr Menschen an, die als leibeigene Bauern die landwirtschaftlichen Tätigkeiten verrichteten oder als rechtlich freie Handwerker (Schmiede, Stellmacher etc.) tätig waren. Auf diese Weise entstanden kleinere Dörfer in unmittelbarer Nachbarschaft.

Die Erträge aus der landwirtschaftlichen Produktion dienten im Wesentlichen der Selbstversorgung des Priorats und des jeweiligen Mutterklosters. Auch die Versorgung von Pilgern war eine wichtige Aufgabe. Ob eventuelle Überschüsse auf Märkten verkauft wurden, ist nicht überliefert, aber in einer Zeit rückläufiger Mönchszahlen durchaus wahrscheinlich.

Eine weitere Einnahmequelle eines Priorats lag in seiner Rolle als regionale Pilger- oder Wallfahrtsstätte. So finden sich bis auf den heutigen Tag in einigen ehemaligen Prioratskirchen als 'wundertätig' verehrte Marien- oder Heiligenbildnisse. Dies erklärt auch die Größe der Kirchenbauten, deren Fassungsvermögen nicht selten das 20- oder 30-fache der jeweiligen Mönchsgemeinde überstieg.

Nach den kirchenreformatorischen Umwälzungen unter Heinrich VIII. in England und durch die Säkularisation auf dem europäischen Kontinent wurden Klöster und somit auch Abteien und Priorate aufgelöst; die Gebäude wurden für andere Zwecke oder als Steinbrüche genutzt, die ehemaligen Klosterkirchen wurden im Regelfall zu Pfarrkirchen umgewandelt.

Kirchenbauten

Ein architektonischer Bautypus einer Prioratskirche existiert nicht; die Kirchen waren meist dreischiffig (basilikal) und dreiapsidial und somit größer als die zumeist nur einschiffigen Pfarrkirchen, aber kleiner als ihre Mutterklöster. In einigen Regionen Südwestfrankreichs (Saintonge, Angoumois u. a.) hat sich jedoch eine regionale Tradition einschiffiger Kirchenbauten herausgebildet, so dass dort die Einschiffigkeit nicht in jedem Fall als Indiz für eine Pfarrkirche gewertet werden kann.

Ein deutlicher Hinweis für die positive Identifizierung einer Kirche als ehemalige Priorats- oder Kollegiatskirche ist allerdings das Vorhandensein eines zweiten Portals auf der Südseite (vgl. Saint-Pierre-aux-Liens (Varenne-l’Arconce), Prioratskirche St-Julien in Chauriat, Prioratskirche Thuret, La Peyratte, Échebrune u. a.), das ehemals als separater – und nur den Mönchen und Konventualen vorbehaltener – Zugang vom Klausurbereich genutzt wurde. Dieses Portal wurde in vielen Fällen später, d. h. nach der Auflösung des Priorats, zugemauert (z. B. St-Hilaire de Melle).

Kreuzgang und Nebengebäude

Zum – meist auf der Südseite gelegenen – Klausurbereich eines Priorats gehörte in der Regel ein einfacher Kreuzgang, der manchmal nur aus einem einzigen Flügel bestand. Die meisten dieser Kreuzgänge sind nach Auflösung der Klöster verschwunden. Gleiches gilt auch für die dem Kreuzgang angegliederten Gebäudeteile (Dormitorium, Refektorium) und die Nebengebäude (Wirtschaftsgebäude, Stallungen, Werkstätten etc.). Ein Skriptorium war in den Prioraten üblicherweise nicht vorhanden, denn das oft kunstvolle Kopieren von Büchern blieb Aufgabe und Einnahmequelle der Abteien. Auch ein Kapitelsaal existierte in den Prioraten ursprünglich wohl nicht, da die wichtigen Entscheidungen zu den weltlichen Finanzierungs- und Baufragen im jeweiligen Mutterkloster getroffen wurden.

Kunsthistorische Bedeutung

Viele Abteikirchen sind in der Zeit der Französischen Revolution abgerissen worden; die meisten Prioratskirchen wurden jedoch zu Pfarrkirchen umgewandelt und blieben auf diese Weise für die Nachwelt erhalten. Ihre Architektur ist zumeist ausgereift; in einigen Fällen gelten sie sogar als verkleinertes Abbild des Mutterklosters (Paray-le-Monial/Abtei Cluny). Überdies bergen einige Prioratskirchen manchmal wahre Kunstschätze wie Fresken, Lettner oder Marienbildnisse und Heiligenfiguren.

Bedeutende Prioratskirchen

Burgund

Auvergne

Poitou-Charente

Aquitanien

Normandie

  • St-Gabriel-Brécy (Calvados)

Loire

Rhône-Alpes

Lothringen

Provence

Languedoc-Roussillon

Schweiz

  • Grandson (Waadt)
  • Sainte-Sulpice (Wallis)
  • Prioratskirche Niedergesteln (Wallis)

Italien

Spanien

siehe span. WP-Artikel 'Iglesia Prioral'

England

siehe engl. WP-Artikel 'Priory Church'

Literatur

  • Daniel Pichot, Florian Mazel (Hrsg.): Prieurés et société au Moyen Âge. Annales de Bretagne et des Pays de l'Ouest, 2006 ISBN 978-2-7535-0405-9