Rationalität
Mit Rationalität (von lateinisch rationalitas ‚Denkvermögen‘, abgeleitet von ratio ‚Berechnung‘, ‚Vernunft‘) wird ein vernunftgeleitetes und an Zwecken ausgerichtetes Denken und Handeln bezeichnet. Der Begriff beinhaltet die absichtliche Auswahl von und die Entscheidung für Gründe, die als vernünftig gelten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.<ref>Zur Begriffsanalyse vgl. etwa Stefan Gosepath: Eine einheitliche Konzeption von Rationalität, in: Nicole Karafyllis, Jan Schmidt (Hrsg.): Zugänge zur Rationalität der Zukunft. Metzler, Stuttgart 2002, 29-52; zur Zielorientierung: 43</ref> Er kann je nach Anwendungsbereich und je nachdem, was man als vernünftig betrachtet, unterschiedliche Bedeutungen haben. Man spricht in der Moderne deshalb auch von verschiedenen Rationalitäten der einen Vernunft.<ref>Karl-Otto Apel und Matthias Kettner (Hrsg.): Die eine Vernunft und die vielen Rationalitäten. Suhrkamp, Frankfurt 1996</ref>
In der Mathematik bezeichnet man jede Zahl als rational, welche als endliche oder periodische Dezimalzahl dargestellt werden kann, sie lässt sich also als Dezimalzahl (vollständig) berechnen. Die rationalen Zahlen sind insbesondere diejenigen Zahlen, die sich als Bruch (Quotient) zweier ganzer Zahlen angeben lassen.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung
Zum Begriff der Rationalität
Bei der Analyse des Begriffs der Rationalität können verschiedene Aspekte im Vordergrund stehen:
- Erstens wird damit eine bestimmte Beziehung zwischen angestrebtem Zweck und den zu seiner Erreichung angewandten Mitteln angesprochen. Hierbei bedeutet Rationalität also die Fähigkeit zur Abschätzung einer Ursache-Wirkung-Kette. Dabei geht es um die deskriptive (ausschließlich beschreibende) Antwort auf die Fragen: „Welches Mittel wirkt – bzw. wie wirkt das gewählte Mittel – und wie hoch ist der Aufwand, um den angestrebten Zweck zu erreichen?“. Die Frage der Zweck-Mittel-Korrelation wurde von Max Weber aufgeworfen, siehe Kap. Sozialwissenschaften.<ref>Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie. Kröner, Stuttgart 1994, ISBN 3-520-41004-4; Lexikon-Stw. Rationalität, S. 718.</ref> Max Horkheimer spricht hier in kritischer Absicht von einer instrumentellen Vernunft.<ref>Max Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft so ging allen Naturforschern ein Licht auf. Sie begriffen, daß die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurfe hervorbringt, […]<ref>Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl. 1878, Akademie-Ausgabe, III, 10</ref>
Indem er systematisch die Grenzen der Vernunft aufzeigte, machte Kant deutlich, dass man weder die Existenz Gottes beweisen kann, noch etwas Gültiges über die Unendlichkeit der Welt sagen kann und auch die Auffassung von der menschlichen Freiheit eine Hypothese bleiben muss. Der Mensch ist in seinem Wissen und seinem Handeln auf sich und seine Erfahrung angewiesen. Erkenntnisse ohne Erfahrung gibt es nicht. Andererseits ist jede sinnliche Erfahrung des Menschen durch seine (begriffliche) Verarbeitung im Verstand strukturiert. In der kleinen Schrift zur Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? formulierte Kant das Selbstverständnis des neuzeitlichen Denkens:
- Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.<ref>Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Berlinische Monatsschrift 4 (1784), S. 481-494. Akademie-Ausgabe, VIII, 35</ref>
Die Rationalität des Menschen liegt nach Kant darin, dass er nicht einer spekulativen Vernunft folgt, sondern sich seines Verstandes bedient und sich seiner Grenzen dabei bewusst ist. Das Besondere an der Philosophie Kants ist, dass er in seiner Kritik der überkommenen Metaphysik nicht stecken blieb, sondern mit den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft und der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten neue philosophische Theorien vorlegte, die aus seiner Sicht mit den von ihm aufgezeigten Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit in Einklang stehen. Während seine konkrete Naturphilosophie weitgehend als überholt gilt, wird sein Entwurf einer Moralphilosophie auch 200 Jahre später noch intensiv diskutiert.
Relative, soziale und abwägende Rationalitäten in der Moderne
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde vielfach ein klassischer Begriff von Rationalität kritisiert, auf diesen Begriff habe etwa die Aufklärung zu optimistisch gesetzt, da er beispielsweise die Bindung an verletzbare Leiblichkeit ausblende und zu einer technisierten Totalverapparatung des Daseins führe, Individuelles unter allgemeinen Kategorien verdecke oder im Sinne einer rein technischen Optimierungslogik die Verfolgung beliebiger Zwecke, auch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts, sanktioniere und optimiere. Viele Philosophen sehen Rationalität gebunden an soziale Praktiken, besonders solchen des Ausschlusses von als „irrational“ Gewertetem. Bekannte Philosophen, die teils explizit als „Rationalitätskritiker“ auftraten oder als solche eingeschätzt werden, sind, bei ganz unterschiedlicher Akzentsetzung, Friedrich Nietzsche, Ludwig Klages, Martin Heidegger, Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Michel Foucault, Jacques Derrida und Jürgen Habermas.
Die Rationalität individueller oder sozialer Praktiken sowie bestimmter Theorien zu reflektieren steht in vielen Bereichen der Philosophie im Mittelpunkt, etwa abhängig vom jeweils verfolgten Ansatz, oft in Bereichen der Ethik, der Handlungstheorie, Sozialphilosophie, Wissenschaftstheorie und Religionsphilosophie.
Zahlreiche analytische Philosophen haben in jüngerer Zeit systematische Ausarbeitungen eines Rationalitätsbegriffs versucht, beispielsweise Karl-Otto Apel, David Gauthier, Herbert Schnädelbach, Wolfgang Kuhlmann, John Searle, Robert Nozick, Robert Audi, Robert Brandom und Julian Nida-Rümelin.
Nach Auffassung von Bartley sieht sich der Kritische Rationalismus verpflichtet, eine Rationalitätstheorie zu liefern, da er sich ansonsten dem Tu quoque-Argument der Irrationalisten aussetzen würde. Zudem erfordert der Fallibilismus eine Theorie darüber, wie in rationaler Weise Theorien ausgewählt und praktisch eingesetzt werden sollen.
Ökonomie
Im Bereich der Wirtschaft wird die Rationalität vorrangig auf der Grundlage des ökonomischen Prinzips diskutiert, wonach mit vorhandenen Mitteln ein maximaler Nutzen erzielt oder ein bestimmtes Ziel mit minimalem Aufwand erreicht werden soll. Die Anwendung dieser Logik entspricht dem Grundgedanken, vernunftgemäßes Handeln als Wert zu betrachten, wie er in der Neuzeit entstanden und in der Aufklärung ausformuliert worden ist. Verschwendung ist unvernünftig. Als einer der wichtigsten Begründer dieses Denkens gilt Adam Smith. Dieser hatte gegen die Bürokratie des Merkantilismus mehr Freiheit für die einzelnen wirtschaftlichen Akteure gefordert. Nach seiner in dem berühmten Werk vom „Wohlstand der Nationen“ entwickelten Theorie führt das am eigenen Interesse orientierte Handeln Vieler in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft zu einem Ergebnis, das auch gesamtwirtschaftlich eine Maximierung des gesellschaftlichen Wohlstandes bewirkt. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung sah aber Smith bereits, dass zu einer funktionierenden Gesellschaft ein funktionierender Staat gehört, der der Ökonomie Rahmenbedingungen setzt und die Freiheit des einzelnen sicherstellt.
Ausgehend von Smith entwickelten sich Theorien der klassischen Nationalökonomie, der Grenznutzenschule, der neoklassischen Theorie, des Keynesianismus, der Theorie der rationalen Entscheidung sowie schließlich der neuen Institutionenökonomik, die jeweils modellhaft bestimmte Funktions- und Wirkungsmechanismen in offenen Volkswirtschaften zu beschreiben versuchen. Eine der Grundannahmen dieser Erklärungsmodelle ist, dass die betrachteten Akteure unter ökonomischen Aspekten rational als homo oeconomicus handeln. Dies bedeutet, dass (fiktive) Individuen durch eine Menge aus Wahlmöglichkeiten und eine darauf definierte Präferenzordnung der verfügbaren Wahlmöglichkeiten beschrieben werden können. Eine Präferenzordnung ist rational wenn sie sowohl transitiv als auch vollständig ist<ref>A. Mas-Colell, M.D. Whinston & J. Green; Microeconomic Theory; (1995) Oxford University Press</ref>. Dabei bedeuten
- Transitivität: Seien x, y und z in der Menge der Wahlmöglichkeiten. Ferner sei x mindestens so gut wie y und sei y mindestens so gut wie z. Die Präferenzordnung definiert über die Menge der Wahlmöglichkeiten ist rational wenn, und nur wenn x mindestens so gut ist wie z, für alle x,y und z in der Menge der Wahlmöglichkeiten.
- Vollständigkeit: Eine Präferenzordnung über eine Menge an Wahlmöglichkeiten ist vollständig, wenn es möglich ist für jedes x und y in dieser Menge entweder zu sagen, dass x mindestens so gut wie y ist, dass y mindestens so gut wie x ist oder dass beides zutrifft.
Rational zu handeln bedeutet dann, dass das Individuum aus der Menge der Wahlmöglichkeiten x so wählt, dass x mindestens so gut ist wie y, wobei y jedes andere Element der Wahlmenge ist. Man beachte, dass dies nur möglich ist unter der Bedingung, dass die Präferenzordnung rational ist. Die häufig verbreitete Ansicht, dass Rationalität gleichbedeutend mit Nutzenmaximierung sei<ref>S. Franz; Grundlagen des ökonomischen Ansatzes: Das Erklärungskonzept des Homo Oeconomicus (PDF; 71 kB); working paper, 2004</ref>, kann dadurch begründet werden, dass unter der Annahme der Kontinuität der Präferenzordnung, diese durch eine als Modell zu verstehende Nutzenfunktion repräsentiert werden kann<ref>A. Mas-Colell, M.D. Whinston & J. Green; Microeconomic Theory; (1995) Oxford University Press</ref>.
Neuere theoretische Konzepte zur ökonomischen Rationalität setzen sich auch mit psychologischen und sozialpsychologischen Einflüssen auf die individuelle Entscheidungsfindung auseinander. Hierzu zählen Verhaltensanomalien wie die Berücksichtigung verlorener Kosten, die Untergewichtung von Opportunitätskosten oder die Übergewichtung von Besitz, Verfügbarkeitsheuristiken und Sicherheitsstreben oder Selbstwirksamkeitserwartungen, Emotionen und abweichende soziale Präferenzen.<ref>Bruno S. Frey, Matthias Benz: Ökonomie und Psychologie: eine Übersicht; siehe auch: Ernst Fehr und Gerhard Schwarz (Hrsg.): Psychologische Grundlagen der Ökonomie. Über Vernunft und Eigennutz hinaus (PDF; 266 kB), Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2002</ref> Eine Erklärung hierfür bietet die Theorie der eingeschränkten Rationalität des Sozialwissenschaftlers Herbert Simon, der darauf verwies, dass Entscheidungen aufgrund von Zeitmangel, Informationsmangel, Unfähigkeit oder anderen die kognitiven Fähigkeiten des Menschen einschränkenden Gründen immer nur begrenzt rational getroffen werden.<ref>Max-Planck-Institut für Bildungsforschung</ref>
Während die Betrachtung des ökonomischen Prinzips auf die Frage ausgerichtet ist, wie ein bestimmter Zweck optimal erreicht werden kann, wird in der Wirtschaftsethik diskutiert, welche Zwecke innerhalb ökonomischen Handelns sinnvoll sind, wie man solche Zwecke übergeordnet bestimmen und ihre Durchsetzung sicherstellen und wie man den Missbrauch von Marktmechanismen verhindern kann. Während das ökonomische Prinzip einer rein formalen, instrumentellen Rationalität folgt, ist der Diskurs der Wirtschaftethik auf eine materiale, zweckorientierte Rationalität ausgerichtet, die Fragen der angewandten Ethik mit in den Blick nimmt.
Sozialwissenschaften
Bedeutende Arbeiten über Rationalität veröffentlichte Max Weber, unter anderem auf dem Gebiet der Rechtssoziologie. Von der finalen Rationalität (Zweckmäßigkeit) wird hier die materielle Rationalität (Legitimität) und die formelle Rationalität (Rechtssicherheit) unterschieden (vgl. auch den Typus der rationalen Herrschaft bzw. der affektfreien Herrschaftsinstrumente).
- „Zweckrational handelt, wer sein Handeln nach Zweck, Mitteln und Nebenfolgen orientiert, und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wie endlich auch die verschiedenen Zwecke gegeneinander rational abwägt.“<ref>Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft [1921], 5. Aufl. Mohr Siebeck, Tübingen 1976, 13</ref>
Weber hat weiterhin die Zweckrationalität von der Wertrationalität unterschieden. Während die Zweckrationalität am erwarteten Verhalten der Außenwelt und anderer Menschen orientiert ist, bezieht sich die Wertrationalität auf kulturelle Werte als Motive des Handelns.<ref>Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft [1921], 5. Aufl. Mohr Siebeck, Tübingen 1976, 11-12</ref> Weber hat die Unterscheidung von formaler und materialer Rationalität auch auf den Bereich der Wirtschaft übertragen. In Wirtschaft und Gesellschaft unterschied er:
- „Als formale Rationalität eines Wirtschaftens soll hier das Maß der ihm technisch möglichen und von ihm wirklich angewendeten Rechnung bezeichnet werden. Als materiale Rationalität soll dagegen bezeichnet werden der Grad, in welchem die jeweilige Versorgung von gegebenen Menschengruppen (gleichviel wie abgegrenzter Art) mit Gütern durch die Art eines wirtschaftlich orientierten sozialen Handelns sich gestaltet unter dem Gesichtspunkt bestimmter (wie immer gearteter) wertender Postulate, unter welchen sie betrachtet wurde, wird oder werden könnte. Diese sind höchst vieldeutig.“<ref>Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft [1921], 5. Aufl. Mohr Siebeck, Tübingen 1976, § 9 online</ref>
Die Handlungstheorie von Talcott Parsons<ref>Talcott Parsons: The Structure of Social Action, New York 1937</ref> lehnt sich an Weber an und bestimmt eine Handlung als rational, „wenn sie Ziele verfolgt, die innerhalb der Bedingungen der Situation möglich sind, und wenn die Mittel, welche dem Handelnden zur Verfügung stehen, sich wesentlich am besten für den Zweck eignen, und dies aus Gründen, die durch die positive empirische Wissenschaft verständlich und verifizierbar sind.“<ref>Talcott Parsons, zitiert nach: Alfred Schütz: Gesammelte Aufsätze. Studien zur soziologischen Theorie, Band 2, Nijhoff, Den Haag 1979, 22</ref> Bei Parsons ist die Bestimmung der Rationalität noch sehr stark an das Konzept der positiven Wissenschaften gebunden. Alfred Schütz hielt diese Vorstellung ebenso für einen praxisfernen „Archetyp unserer Erfahrung der Wirklichkeit“ wie das Gegenteil der „‚traditionellen‘ oder ‚gewohnheitsmäßigen‘ Handlungen“.<ref>Alfred Schütz: Gesammelte Aufsätze. Studien zur soziologischen Theorie, Band 2, Nijhoff, Den Haag 1979, 39</ref> Sein Einwand war, das die Praxis der Lebenswelt viel komplexer und vielfältiger ist, so dass Handlungen nicht nach allgemeinen Schemata, sondern situativ begründet und entschieden werden. Entsprechend der Vielfalt der Erfahrungstypen gibt es viele Einzelrationalitäten, die zu den jeweiligen Sphären der Lebenswelt passen.<ref>Gregor Schiemann: Rationalität und Erfahrung. Ansatz einer Neubeschreibung von Alfred Schütz' Konzeption der Erkenntnisstile, in: Nicole Karafyllis, Jan Schmidt (Hrsg.): Zugänge zur Rationalität der Zukunft. Metzler, Stuttgart 2002, 73-84</ref>
Niklas Luhmann setzte sich mit der Thematik insbesondere in seinem Werk Legitimation durch Verfahren auseinander und verwies darauf, dass soziale Entscheidungen sich vorwiegend an der Struktur des positiven Rechts orientieren.
In der Folge wurde der Begriff unter anderem von Jürgen Habermas (Kommunikative Rationalität) erweitert.
Norbert Elias verwendet statt dieses statischen Begriffs den prozessorientierten Begriff der „Rationalisierung“, der in seiner Theorie des Zivilisierungsprozesses eine Steigerung der „Langsicht“ bedeutet, was die Fähigkeit beschreibt, die Folgen der eigenen Handlungen über immer mehr Glieder der Kausalketten vorauszu„berechnen“.
Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Handlungstheorie sind die Theorie der rationalen Entscheidung, wie sie sich aus dem Erkenntnisprogramm des Utilitarismus, der Klassischen Ökonomie und des Homo oeconomicus (in Entgegensetzung zum rollentheoretisch geprägten Homo sociologicus) heraus entwickelt haben.<ref>Hartmut Esser: „Habits“, „Frames“ und „Rational Choice“. Die Reichweite von Theorien der rationalen Wahl. in: Zeitschrift für Soziologie, 19 (4/1990), 231-247</ref>
Psychologie
Wertvorstellungen werden nach C. G. Jung durch die rationalen Funktionen vermittelt. Er unterscheidet zwei rationale Funktionen von zwei irrationalen. Rationale Funktionen sind Denken und Fühlen, irrationale Funktionen sind Intuieren und Empfinden. Entscheidendes Kriterium für die Zuordnung zur Gruppe der rationalen Funktionen ist die Bewertung innerer psychologischer Tatsachen, siehe z. B. Ichbewusstsein, Personalisation, etc. Das Ergebnis dieser rationalen Bewertung ist die sog. → Einstellung.<ref name="JGW6">Jung, Carl Gustav: Definitionen. In: Gesammelte Werke. Walter-Verlag, Düsseldorf 1995, Paperback, Sonderausgabe, Band 6, Psychologische Typen, ISBN 3-530-40081-5; zu Stw.„Einstellung als Ergebnis rationaler Funktionen“: Seite 494, § 795.</ref>
Siehe auch
Literatur
- Ulrich Arnswald / Hans-Peter Schütt (Hrsg.): Rationalität und Irrationalität in den Wissenschaften, VS Verl. für Sozialwiss., Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-18269-8.
- Franz-Josef Bormann / Christian Schröer (Hrsg.): Abwägende Vernunft: Praktische Rationalitat. In Historischer, Systematischer Und Religionsphilosophischer Perspektive, de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 978-3110175172.
- Lorraine Daston: Wunder, Beweise und Tatsachen: Zur Geschichte der Rationalität, 2. Aufl. Fischer, Frankfurt 2001, ISBN 978-3-59614763-2
- Andreas Dorschel / Matthias Kettner: Systemrationalität?, in: Karl-Otto Apel / Matthias Kettner (Hrsg.), Die eine Vernunft und die vielen Rationalitäten, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1996, S. 349-372. Kritik an Niklas Luhmanns Rationalitätskonzeption.
- Franz Eisenführ / Martin Weber: Rationales Entscheiden, 4. Aufl. Springer, Berlin 2003, ISBN 978-3-54044023-9.
- Jon Elster: Subversion der Rationalität (Theorie und Gesellschaft). Campus, Frankfurt 1986, ISBN 978-3-59333610-7.
- Karen Gloy (Hrsg.): Rationalitätstypen, Alber, Freiburg/München 1999, ISBN 978-3-49547960-5.
- Stefan Gosepath: Aufgeklärtes Eigeninteresse: Eine Theorie theoretischer und praktischer Rationalität. Suhrkamp, Frankfurt 1992, ISBN 978-3-518-58125-4.
- Stefan Gosepath (Hrsg.): Motive, Gründe, Zwecke. Theorien praktischer Rationalität. Fischer, Frankfurt 1999, ISBN 978-3-59613223-2.
- Nicole Karafyllis / Jan Schmidt (Hrsg.): Zugänge zur Rationalität der Zukunft. Metzler, Stuttgart 2002, ISBN 978-3-47645307-5. (Rezension auf H-Soz-u-Kult)
- Chongki Kim: Ästhetischer Gemeinsinn und Ästhetische Rationalität. Dissertation (PDF; 1,1 MB) Berlin 2007.
- Petra Kolmer / Harald Korten (Hrsg.): Grenzbestimmungen der Vernunft. Philosophische Beiträge zur Rationalitätdebatte. Festschrift für Hans Michael Baumgartner, Alber, Freiburg / München 1994, ISBN 3-495-47756-X.
- Hans Lenk / Helmut Spinner: Rationalitätstypen, Rationalitätskonzepte und Rationalitätstheorien im Überblick. In: Handbuch pragmatischen Denkens, hrg. von H. Stachowiak, Hamburg 1989, S. 1-31.
- Nicholas Rescher: Rationalität. Eine philosophische Untersuchung über das Wesen und die Begründung der Vernunft. Königshausen & Neumann, Würzburg 1992, ISBN 978-3-88479781-5.
- Herbert Schnädelbach (Hrsg.): Rationalität. Philosophische Beiträge, Suhrkamp, Frankfurt 1984. ISBN 978-3-518-28049-2.
- Silvio Vietta: Rationalität - Eine Weltgeschichte. Europäische Kulturgeschichte und Globalisierung. Fink, München 2012, ISBN 978-3-77055331-0
- Axel Wüstehube (Hrsg.): Pragmatische Rationalitätstheorien. Studies in Pragmatism, Idealism, and Philosophy of Mind. Königshausen & Neumann, Würzburg 1999, ISBN 978-3-88479990-1.
Weblinks
- Philosophie
- David J. Furley: „Rationality among the Greeks and Romans“ im Dictionary of the History of Ideas (englisch, inkl. Literaturangaben)
- Stefan Gosepath: Eine einheitliche Konzeption von Rationalität, in: Protosociology, Vol. 6, 1994, Rationality I, S. 104–119, ISSN 0940-4147 (online Fassung)
- Gotthard Günther: Die gebrochene Rationalität (PDF; 256 kB)
- Helmut Heit: Vom Mythos zum Logos. Ein Methodenwandel? (PDF; 2,3 MB)
- Christoph Hubig: Instrumentelle Vernunft und Wertrationalität (PDF; 9,8 MB)
- Andreas Kemmerling: Theorie des Geistes ohne Vernunft - Überlegungen zu einem Versuch den Rationalitätsbegriff als wertlos zu erweisen
- Carl Matheson: Historicist Theories of Rationality. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy
- Julian Nida-Rümelin: Vernunft und Freiheit (PDF; 491 kB) (Vortrag an der Universität Duisburg - Essen), 2007
- Hans-Joachim Niemann: Rationalität in der Ethik: Die Grenzpfähle wackeln (Kritische Bemerkungen zu einem Artikel von Gerhard Schurz; PDF; 104 kB), in: Ethik und Sozialwissenschaften 6 (1995) Heft 2, S.206-208
- Ralph Schumacher: Rationalität und Intentionalität. Lassen sich Rationalitätsstandards a priori als allgemein verbindlich ausweisen? (PDF; 46 kB)
- Gunnar Skirbekk: Rationality – universal and plural? A Narrative (PDF; 180 kB)
- Wolfgang Spohn: Wie kann die Theorie der Rationalität normativ und empirisch zugleich sein?,
- Richard Samuels, Stephen Stich, Luc Faucher: Reason and Rationality
- Marcus Willaschek: Rationale Postulate. Über Kants These vom Primat der reinen praktischen Vernunft
- Ökonomie
- Cornelius Castoriadis: Die „Rationalität“ des Kapitalismus (PDF; 84 kB)
- Justus Haucap: Eingeschränkte Rationalität in der Wettbewerbsökonomie (PDF; 360 kB)
- Julian Nida-Rümelin: Ökonomische Rationalität und praktische Vernunft (PDF; 2,5 MB), in: Martin Hollis und Wilhelm Vossenkuhl: Moralische Entscheidung und rationale Wahl. Oldenburg, München 1992, 131-152
- Soziologie
- Klaus Bendel: Funktionale Differenzierung und gesellschaftliche Rationalität. Zu Niklas Luhmans Konzeption des Verhältnisses von Selbstreferenz und Koordination in modernen Gesellschaften, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 22, Heft 4, August 1993, S. 261 - 278
- T. Bonacker: Gesellschaftliche Rationalität und die Verwirklichung diskursiver Konfliktlösung: Jürgen Habermas
- Achim Brosziewski: Rationalität, Unsicherheit und Organisation - Zu einer Revision organisationssoziologischer Annahmen in der Professionssoziologie (PDF; 190 kB)
- Hartmut Esser: Die Rationalität des Alltagshandelns. Eine Rekonstruktion der Handlungstheorie von Alfred Schütz
- Otto Keck: Rationales kommunikatives Handeln in den internationalen Beziehungen. Ist eine Verbindung von Rational-Choice-Theorie und Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns möglich?, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen. 2. Jg. (1995) Heft 1, 5-48
- Clemens Kroneberg: Die Definition der Situation und die variable Rationalität der Akteure, Zeitschrift für Soziologie, Jg. 34, Heft 5, Oktober 2005, S. 344–363
- Rudolf Stichweh: Rationalität bei Parsons, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 9, Heft 1, Januar 1980, S. 54 - 78
- Max Weber: Formale und materiale Rationalität der Wirtschaft (aus: Wirtschaft und Gesellschaft, 1922) (Michael Hartmann: Erläuterung)
- Recht
- Felix Ekardt / Cornelia Richter: Ockham, Hobbes und die Geburt der säkularen Normativität. (PDF; 130 kB) Zur Genese von Säkularität, Individualität und Rationalität in Recht und Moral
- Religion
- Karlheinz Ruhstorfer: Spiritualität und Rationalität in der Alten Kirche und bei Ignatius von Loyola (PDF; 1,1 MB), in: Theologie und Glaube 92 (2002), 408-428
- Robert Spaemann: Rationalität und Gottesglaube
Einzelnachweise
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