Chemische Reaktion


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Eine chemische Reaktion ist ein Vorgang, bei dem eine oder meist mehrere chemische Verbindungen in andere umgewandelt werden. Auch Elemente können an Reaktionen beteiligt sein. Chemische Reaktionen sind in der Regel mit Veränderungen der chemischen Bindungen in Molekülen oder Kristallen verbunden. Durch eine chemische Reaktion können sich die Eigenschaften der Produkte im Vergleich zu den Edukten stark ändern. Nicht zu den chemischen Reaktionen zählen physikalische Vorgänge, bei denen sich lediglich der Aggregatzustand ändert wie Schmelzen oder Verdampfen, Diffusion, das Vermengen von Reinstoffen zu Stoffgemischen sowie Kernreaktionen, bei denen Elemente in andere umgewandelt werden.

Reaktionen bestehen aus einer meist recht komplizierten Folge einzelner Teilschritte, den sogenannten Elementarreaktionen, die zusammen die Gesamtreaktion bilden. Auskunft über den exakten Ablauf der Teilschritte gibt der Reaktionsmechanismus. Zur Beschreibung chemischer Reaktionen wird die Reaktionsgleichung verwendet, in der Edukte, Produkte und mitunter auch wichtige Zwischenprodukte graphisch dargestellt werden und über einen Pfeil, den Reaktionspfeil, miteinander verbunden werden.

Sowohl Elementarreaktionen als auch Reaktionsmechanismen kann man in verschiedene Gruppen aufteilen. Zu den Elementarreaktionen zählen etwa der Zerfall von einem Molekül in zwei oder der umgekehrte Fall, die Synthese von zwei Atomen oder Molekülen zu einem. Reaktionsmechanismen werden häufig nach der erfolgten Änderung in den beteiligten Stoffen eingeteilt. Erfolgt etwa eine Änderung der Oxidationszahlen, spricht man von Oxidation und Reduktion; entsteht ein festes Produkt aus gelösten Stoffen, von einer Fällung.

In welchem Umfang eine bestimmte Reaktion zweier oder mehrerer Partner stattfindet, hängt davon ab, wie groß die Differenz der sich aus einem enthalpischen und einem entropischen Anteil zusammensetzenden Gibbs-Energie der Produkte und der Edukte ist. Bei negativen Werten liegt das Reaktionsgleichgewicht auf Seite der Produkte. Es gibt jedoch auch viele Reaktionen, die zwar in diesem Sinne thermodynamisch möglich sind, aber kinetisch nur sehr langsam ablaufen, im Extremfall so langsam, dass sie praktisch nicht beobachtet werden können. Verantwortlich hierfür ist eine zu hohe Aktivierungsenergie, die aufgebracht werden muss, damit die weitere Reaktion möglich wird. Derartige Reaktionen laufen aber bei höheren Temperaturen schneller ab, da so eine vergleichsweise größere Anzahl der beteiligten Teilchen genug Energie besitzt um die Aktivierungsbarriere zu überwinden. Bei vielen Reaktionen ist dies auch mittels Katalyse möglich, bei der nicht die direkte Reaktion, sondern eine andere, bei der ein dritter, aus der Reaktion unverändert hervorgehender Stoff beteiligt ist, stattfindet. Durch die Anwesenheit dieses Katalysators wird die benötigte Aktivierungsenergie gesenkt.

Geschichte

Datei:Antoine lavoisier color.jpg
Antoine Lavoisier entwickelte die Theorie zur Verbrennung als chemische Reaktion mit Sauerstoff

Chemische Reaktionen wie die Verbrennung im Feuer, die alkoholische Gärung oder die Reduktion von Erzen zu Metallen – beispielsweise bei Eisen – sind schon seit sehr langer Zeit bekannt. Erste Theorien zur Umwandlung von Stoffen wurden von griechischen Philosophen entwickelt, etwa die Vier-Elemente-Lehre des Empedokles, nach der jeder Stoff aus den vier Grundelementen Feuer, Wasser, Luft und Erde zusammengesetzt ist und in diese auch zerlegt werden kann. Im Mittelalter beschäftigten sich vor allem die Alchemisten mit chemischen Reaktionen. Dabei versuchten sie insbesondere Blei in Gold umzuwandeln, wobei sie unter anderem Reaktionen von Blei und Blei-Kupfer-Legierungen mit Schwefel einsetzten.<ref>Jost Weyer: Neuere Interpretationsmöglichkeiten der Alchemie. In: Chemie in unserer Zeit. 1973, 7,6, S. 177–181, doi:10.1002/ciuz.19730070604.</ref>

Die Herstellung chemischer Substanzen, die in der Natur nicht vorkommen, durch geeignete Reaktionen ist schon lange bekannt. Dies betrifft etwa die Schwefel- und Salpetersäure, deren erstmalige Herstellung dem umstrittenen Alchemisten Dschābir ibn Hayyān zugeschrieben werden. Die Herstellung erfolgte durch Erhitzung von Sulfat- und Nitraterzen wie Kupfervitriol, Alaun und Salpeter. Im 17. Jahrhundert stellte Johann Rudolph Glauber durch Reaktion von Schwefelsäure und Natriumchlorid erstmals Salzsäure und Natriumsulfat her. Mit Entwicklung des Bleikammer-Verfahrens zur Schwefelsäureproduktion und des Leblanc-Verfahrens zur Natriumcarbonat­herstellung wurden chemische Reaktionen auch industriell eingesetzt. Mit der zunehmenden Industrialisierung wurde die industrielle Synthese immer bedeutender und es wurden neuere und effizientere Verfahren entwickelt. Beispiele sind etwa das ab 1870 angewendete Kontaktverfahren zur Schwefelsäureproduktion oder das 1910 entwickelte Haber-Bosch-Verfahren zur Ammoniak­synthese.

Ab dem 16. Jahrhundert versuchten Forscher wie Johan Baptista van Helmont, Robert Boyle oder Isaac Newton beobachtete chemische Umwandlungen wissenschaftlich zu untersuchen und Theorien zu ihrem Ablauf aufzustellen. Eine wichtige untersuchte Reaktion war die Verbrennung, für die Johann Joachim Becher und Georg Ernst Stahl Anfang des 18. Jahrhunderts die Phlogistontheorie entwickelten. Diese erwies sich jedoch als falsch und konnte 1785 durch Antoine Lavoisier widerlegt werden, der die korrekte Erklärung der Verbrennung als Reaktion mit Sauerstoff der Luft fand.<ref>William H. Brock: Viewegs Geschichte der Chemie. Vieweg, Braunschweig 1997, ISBN 3-540-67033-5, S. 34–55.</ref>

Joseph Louis Gay-Lussac erkannte 1808, dass Gase stets in bestimmten Verhältnissen miteinander reagieren. Daraus und aus Daltons Atomtheorie entwickelte Joseph Louis Proust das Gesetz der konstanten Proportionen, auf dem die Stöchiometrie aufbaut und das auch die Entwicklung der Reaktionsgleichungen ermöglichte.<ref>William H. Brock: Viewegs Geschichte der Chemie. Vieweg, Braunschweig 1997, ISBN 3-540-67033-5, S. 104–107.</ref>

Für organische Reaktionen wurde lange Zeit angenommen, dass sie durch eine spezielle „Lebenskraft(vis vitalis) bestimmt werden und sich so von nicht-organischen Reaktionen unterscheiden. Nach der Harnstoffsynthese aus anorganischen Vorläufersubstanzen durch Friedrich Wöhler 1828 verlor diese Annahme in der Chemie stark an Bedeutung. Weitere Chemiker, die wichtige Beiträge zur Aufklärung organischer chemischer Reaktionen lieferten, waren beispielsweise Justus von Liebig mit seiner Radikaltheorie, Alexander William Williamson, der die nach ihm benannte Synthese von Ethern entwickelte, sowie Christopher Kelk Ingold, der unter anderem die Mechanismen für Substitutionsreaktionen erforschte.

Reaktionsgleichungen

Hauptartikel: Reaktionsgleichung

Um chemische Reaktionen graphisch darzustellen, werden sogenannte Reaktionsgleichungen genutzt. Diese bestehen aus Summen- oder Strukturformeln der Edukte auf der linken und denen der Produkte auf der rechten Seite. Dazwischen befindet sich ein Pfeil, der sogenannte Reaktionspfeil, der die Richtung und Art der Reaktion anzeigt. Die Spitze des Pfeiles zeigt dabei immer in die Richtung, in die die Reaktion verläuft. Bei Gleichgewichtsreaktionen werden Doppelpfeile genutzt, die in entgegengesetzte Richtungen zeigen. Reaktionsgleichungen sollten stöchiometrisch ausgeglichen sein. Dies bedeutet, dass auf beiden Seiten des Reaktionspfeils die gleiche Zahl Atome stehen soll und Gleichungen gegebenenfalls durch unterschiedliche Anzahlen der beteiligten Moleküle ausgeglichen werden.<ref>Eintrag zu chemical reaction equation. In: IUPAC Compendium of Chemical Terminology (the “Gold Book”). doi:10.1351/goldbook.C01034 .</ref>

<math>\mathrm{ A + B \longrightarrow C + D}</math>
Schematische einfache Reaktionsgleichung

Kompliziertere Reaktionen werden durch Formelschemata dargestellt, die neben Edukten und Produkten auch wichtige Zwischenprodukte oder Übergangszustände zeigen. Dabei werden die Reaktionswege durch Pfeile verdeutlicht, die den Angriff von Elektronenpaaren eines Atoms an andere Atome zeigen. In Reaktionsgleichungen der organischen Chemie werden kleine, anorganische Moleküle wie Wasser oder Kohlenstoffdioxid, häufig auf den Pfeil (für Edukte) oder darunter (für Produkte) gesetzt oder durch Vorzeichen kenntlich gemacht. Auch Katalysatoren, Lösungsmittel, besondere Bedingungen oder andere Stoffe, die während der Reaktion eine Rolle spielen, sich bei dieser aber nicht verändern, werden auf den Reaktionspfeil geschrieben.

Datei:Baeyer-Villiger-Oxidation-V1.svg
Typischer Reaktionsmechanismus der organischen Chemie (Beispiel: Baeyer-Villiger-Oxidation anhand der Reaktion einer Percarbonsäure mit einem Keton)

Für die Planung komplizierter Synthesen kann auch die Schreibweise einer Reaktion als Retrosynthese nützlich sein. Hier wird eine Reaktion vom Ende, also dem Produkt her aufgeschrieben, das über mögliche Syntheseschritte so lange zerlegt wird, bis mögliche Edukte erreicht sind. Retrosynthesen werden durch einen speziellen Pfeil, den Retrosynthesepfeil (<math>\Longrightarrow</math>), gekennzeichnet.<ref>E. J. Corey: Robert Robinson Lecture. Retrosynthetic thinking—essentials and examples. In: Chem. Soc. Rev. 1988, 17, S. 111–133, doi:10.1039/CS9881700111.</ref>

Elementarreaktionen

Die Elementarreaktion ist der kleinste Abschnitt, in den eine chemische Reaktion zerlegt werden kann. Makroskopisch beobachtbare Reaktionen bauen sich aus einer Vielzahl Elementarreaktionen auf, die parallel oder nacheinander ablaufen. Die konkrete Abfolge einzelner Elementarreaktionen bezeichnet man auch als Reaktionsmechanismus. An einer Elementarreaktion sind in der Regel ein oder zwei, selten drei Moleküle beteiligt. Reaktionen mit mehr Molekülen sind praktisch ausgeschlossen, da es äußerst unwahrscheinlich ist, dass sich mehr als drei Moleküle gleichzeitig nahe genug für eine Reaktion kommen.<ref>Eintrag zu Elementarreaktionen. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 20. Juni 2014.</ref>

Die wichtigsten Elementarreaktionen sind die unimolekularen und die bimolekularen Reaktionen. Bei einer unimolekularen Reaktion ist nur ein Molekül beteiligt, das sich durch eine Isomerisierung oder einen Zerfall in ein oder mehrere andere Moleküle umwandelt. Für diese Reaktionen braucht es in der Regel Energiezufuhr etwa in Form von Wärme oder durch Bestrahlung mit Licht.

Ein Beispiel für eine typische unimolekulare Reaktion ist die cis-trans-Isomerisierung, bei der die cis-Form einer Verbindung in die trans-Form oder umgekehrt umgewandelt wird.

Datei:Azobenzene isomerization de.svg
Isomerisierung von Azobenzol, induziert durch Licht (hν) oder Wärme (Δ)

Bei einer Dissoziation spaltet sich eine Bindung in einem Molekül und es entstehen zwei Teile. Die Spaltung kann homo- oder heterolytisch erfolgen. Im ersten Fall wird die Bindung so gespalten, dass jeder Teil ein Elektron behält und Radikale entstehen, bei der heterolytischen Spaltung bleiben beide Elektronen bei einem Teil des Moleküls, während der andere keine Elektronen aus der gespaltenen Bindung zurückbehält und so Ionen entstehen. Zerfälle spielen eine wichtige Rolle beim Auslösen von Kettenreaktionen wie der Knallgasreaktion oder Polymerisationen.

<math>\mathrm{AB \longrightarrow A + B}</math>
Zerfall eines Moleküls AB in zwei kleinere Teile A und B

Bei bimolekularen Reaktionen stoßen zwei Moleküle zusammen und reagieren miteinander. Eine Möglichkeit dabei ist, dass aus diesen zwei Molekülen ein einziges wird, also eine Synthese stattfindet. Dies erfolgt beispielsweise bei der Reaktion zweier Radikale zu einem Molekül. Auch bei Additionsreaktionen der organischen Chemie bildet sich aus mehreren Molekülen ein neues.

<math>\mathrm{A + B \longrightarrow AB}</math>

Es ist aber auch möglich, dass bei einer Reaktion kein stabiles Molekül entsteht und nur ein Teil des einen auf das andere Molekül übergeht. Dieser Reaktionstyp tritt beispielsweise bei Redox- und Säure-Base-Reaktionen auf. Bei Redoxreaktionen ist das übertragene Teilchen ein Elektron, bei Säure-Base-Reaktionen ein Proton. Dieser Reaktionstyp wird auch Metathese genannt.

<math>\mathrm{HA + B \longrightarrow A + HB}</math>

Chemisches Gleichgewicht

Hauptartikel: Chemisches Gleichgewicht

Jede chemische Reaktion in homogener Phase ist umkehrbar und kann in beide Richtungen verlaufen. Wenn etwa die Reaktion zweier Stoffe zu einem dritten stattfindet, existiert gleichzeitig auch der Zerfall des dritten in die Ausgangsstoffe. Hin- und Rückreaktion stehen immer in Konkurrenz zueinander und unterscheiden sich durch unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten. Da Reaktionsgeschwindigkeiten auch konzentrationsabhängig sind, ändern sie sich mit der Zeit. Die Geschwindigkeiten von Hin- und Rückreaktion nähern sich mit Verlauf der Reaktion immer weiter an, bis sie schließlich gleich sind. Zu diesem Zeitpunkt ändern sich die Konzentrationen der einzelnen Stoffe in der Reaktionsmischung nicht mehr, ein Gleichgewicht, das sogenannte chemische Gleichgewicht, ist erreicht.

Die Lage des Gleichgewichtes ist neben den Eigenschaften der beteiligten Stoffe abhängig von der Temperatur und dem Druck und wird durch die minimale freie Energie bestimmt. Häufig wird auch mit der Ableitung der freien Enthalpie, der freien Reaktionsenthalpie gerechnet, die im Gleichgewicht 0 sein muss. Die Druckabhängigkeit lässt sich einfach mit dem Prinzip von Le Chatelier erklären, nach der ein System einem Zwang wie einer Druckerhöhung so ausweicht, dass die Wirkung minimal wird.

An diesem Punkt ist die maximale Ausbeute einer Reaktion erreicht, da bei weiterer Bildung eines Produktes nun die Rückreaktion schneller abläuft und daher so lange bevorzugt wird, bis wieder das Gleichgewicht erreicht wird. Größere Ausbeuten lassen sich aber durch Entfernen von Produkten aus der Reaktionsmischung, bei der das Gleichgewicht gestört wird, oder durch Änderungen von Druck oder Temperatur erzielen. Keinen Einfluss auf die Lage des Gleichgewichtes besitzen die Ausgangskonzentrationen der beteiligten Stoffe.

Thermodynamik

Hauptartikel: Thermodynamik

Chemische Reaktionen werden maßgeblich von den Gesetzen der Thermodynamik bestimmt. Prinzipiell läuft jede Reaktion ab. Jedoch liegt das Gleichgewicht in sehr vielen Fällen fast vollständig auf Seite der Edukte. Damit eine Reaktion ablaufen kann, muss sie exergon sein, also die freie Enthalpie während der Reaktion abnehmen. Die freie Enthalpie setzt sich aus zwei verschiedenen thermodynamischen Größen, der Enthalpie und der Entropie, zusammen. Diese sind über die Fundamentalgleichung für die freie Enthalpie miteinander verbunden.<ref>Peter W. Atkins, Julio de Paula: Physikalische Chemie. 4. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2006, ISBN 978-3-527-31546-8, S. 106–108.</ref>

<math>\Delta G = \Delta H - T \cdot \Delta S</math>
G: freie Enthalpie, H: Enthalpie, T: Temperatur, S: Entropie, Δ: Differenzen

Reaktionen können auf mehrere Arten stattfinden. Eine Möglichkeit ist die exotherme Reaktion, bei der ΔH negativ ist und Energie frei wird. Abhängig von der Größe der freiwerdenden Energie können hierbei auch hochgeordnete Strukturen, die eine niedrige Entropie besitzen, entstehen. Typische Beispiele für exotherme Reaktionen mit Entropieverlust sind Fällungen und Kristallisationen, bei denen aus ungeordneten Strukturen in Gasphase, Flüssigkeit oder Lösung, geordnete feste Strukturen entstehen. Bei endothermen Reaktionen wird dagegen Wärme verbraucht und muss aus der Umgebung aufgenommen werden. Diese können nur ablaufen, wenn gleichzeitig die Entropie des Systems zunimmt. Dies kann beispielsweise über die Bildung gasförmiger Reaktionsprodukte erfolgen, die eine hohe Entropie besitzen.

Da die Entropie temperaturabhängig ist und mit steigender Temperatur zunimmt, finden Entropie-bestimmte Reaktionen wie Zerfälle bevorzugt bei hohen Temperaturen statt. Energie-bestimmte Reaktionen wie Kristallisationen finden dagegen vor allem bei tiefen Temperaturen statt. Mitunter lässt sich die Richtung einer Reaktion durch Temperaturänderung umdrehen.

Ein Beispiel hierfür ist das Boudouard-Gleichgewicht.

<math>\mathrm{CO_2 + C \rightleftharpoons 2\ CO};\quad \Delta H = +172{,}45\ \mathrm{kJ \cdot mol}^{-1}</math>

Die Reaktion von Kohlenstoffdioxid und Kohlenstoff zu Kohlenstoffmonoxid ist endotherm, so dass das Gleichgewicht bei tiefen Temperaturen auf der Seite des Kohlenstoffdioxides liegt. Erst bei Temperaturen von über 800 °C ist durch die höhere Entropie auf der Seite des Kohlenstoffmonoxides diese Seite bevorzugt.<ref>A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 102. Auflage. de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1, S. 897.</ref>

Auch über Änderungen der inneren Energie können Reaktionen betrachtet werden. Diese lässt sich ebenfalls über eine Fundamentalgleichung beschreiben, die unter anderem Entropie, Volumenänderungen und chemisches Potential berücksichtigt. Letzteres hängt unter anderem von den Aktivitäten der beteiligten Stoffe ab.<ref>Peter W. Atkins, Julio de Paula: Physikalische Chemie. 4. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2006, ISBN 978-3-527-31546-8, S. 150.</ref>

<math>\mathrm{d}U = T\,\mathrm{d}S - p\, \mathrm{d}V + \mu\, \mathrm{d}n \!</math>
U: innere Energie, S: Entropie, p: Druck, μ: chemisches Potential, n: Stoffmenge, d: differentielle Schreibweise

Reaktionskinetik

Hauptartikel: Kinetik (Chemie)

Die Reaktionskinetik untersucht die Geschwindigkeit, mit der eine Reaktion abläuft. Diese ist von verschiedenen Parametern der Reaktion abhängig, etwa der Reaktionsordnung, den Konzentrationen der beteiligten Stoffe, der Temperatur, der Aktivierungsenergie und weiteren, meist empirisch bestimmten Faktoren. Zudem gibt es verschiedene Theorien, Reaktionsgeschwindigkeiten für verschiedene Systeme theoretisch auf molekularer Ebene zu berechnen. Dieses Arbeitsgebiet wird in Abgrenzung zur Reaktionskinetik auch als Reaktionsdynamik bezeichnet.

Für Elementarreaktionen lassen sich einfache Geschwindigkeitsgesetze aufstellen, die sich je nach Reaktionsordnung unterscheiden und die Abhängigkeit von den Konzentrationen der beteiligten Stoffe zeigen. Für eine Reaktion erster Ordnung, also etwa einen Zerfall eines Stoffes A, gilt für die Reaktionsgeschwindigkeit v (k: Geschwindigkeitskonstante, t: Zeit, -Cycloaddition, bei der ein Dien und ein Alken (auch als Dienophil bezeichnet) zu einem Cycloalken reagieren.

Mechanismus der Diels-Alder-Reaktion

Neben der Diels-Alder-Reaktion gibt es auch die -Cycloadditionen durch Bestrahlungen induziert werden müssen.<ref>Reinhard Brückner: Reaktionsmechanismen. 3. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, München 2004, ISBN 3-8274-1579-9, S. 637–647.</ref>

Durch die Orbitalanordnungen werden die möglichen entstehenden Produkte und -bei stereoisomeren Edukten- auch deren Stereoisomerie eingeschränkt. Wie dies stattfindet, wird durch die Woodward-Hoffmann-Regeln beschrieben.<ref>R. B. Woodward, Roald Hoffmann: Stereochemistry of Electrocyclic Reactions. In: J. Am. Chem. Soc. 1965, 87, 2, S. 395–397, doi:10.1021/ja01080a054.</ref>

Biochemische Reaktionen

In biochemischen Reaktionen sind Enzyme von zentraler Bedeutung. Diese Proteine katalysieren meist speziell eine einzelne Reaktion, so dass Reaktionen sehr exakt gesteuert werden können. Es sind aber auch Enzyme bekannt, die mehrere spezielle Funktionen katalytisch beschleunigen können. Die Reaktion findet in einem kleinen Teil des Enzyms, dem Aktiven Zentrum statt, während der Rest des Enzyms überwiegend zur Stabilisierung dient. Das aktive Zentrum liegt in einer Grube oder Furche des Enzyms. Für die katalytische Aktivität sind unter anderem Bindungen an das Enzym, die veränderte, hydrophobe, chemische Umgebung und die räumliche Nähe der Reaktanten verantwortlich, während die spezielle Form des aktiven Zentrums für die Selektivität verantwortlich ist.<ref>Peter Karlson, Detlef Doenecke, Jan Koolman, Georg Fuchs, Wolfgang Gerok: Karlsons Biochemie und Pathobiochemie. 16. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2005, ISBN 978-3-13-357815-8, S. 55–56.</ref>

Die Gesamtheit der biochemischen Reaktionen im Körper bezeichnet man als Stoffwechsel. Zu den wichtigsten Mechanismen zählt der Baustoffwechsel, bei dem in unterschiedlichen durch die DNA und Enzyme gesteuerten Prozessen wie der Proteinbiosynthese aus einfachen Vorläufersubstanzen komplexe Naturstoffe wie Proteine oder Kohlenhydrate synthetisiert werden. Daneben existiert der Energiestoffwechsel, durch den mit Hilfe chemischer Reaktionen die für eine Reaktion, etwa des Baustoffwechsels, notwendige Energie bereitgestellt wird. Ein wichtiger Energielieferant ist die Glucose, die durch Pflanzen in der Photosynthese hergestellt werden kann oder mit der Nahrung aufgenommen wird. Diese ist jedoch nicht direkt nutzbar, stattdessen wird über die Zellatmung und die Atmungskette mit Hilfe von Sauerstoff ATP erzeugt, das als Energielieferant für die weiteren Reaktionen dient.

Technische Anwendung

Hauptartikel: Chemische Reaktionstechnik

Chemische Reaktionen und ihre Durchführung sind zentral für die technische Chemie. Sie werden in großer Zahl zur Synthese neuer Verbindungen aus natürlich vorkommenden Grundstoffen wie Erdöl, Erzen, Luft oder nachwachsenden Rohstoffen eingesetzt. Häufig werden zunächst einfache Zwischenprodukte synthetisiert, aus denen dann die Endprodukte wie Polymere, Waschmittel, Pflanzenschutzmittel, Pharmaka oder Farbstoffe hergestellt werden. Technische Reaktionen finden in Reaktoren wie Rührkesseln oder Strömungsrohren statt.

Für die Technik ist es besonders wichtig, die Reaktionsführung so wirtschaftlich wie möglich zu gestalten. Dazu zählen etwa ein minimaler Rohstoff- und Energieeinsatz, hohe Reaktionsgeschwindigkeiten und hohe Ausbeuten mit möglichst wenigen Abfallprodukten. Von großer Bedeutung ist daher der Einsatz von Katalysatoren, die sowohl die Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen als auch den Energieeinsatz verringern.<ref>Gerhard Emig, Elias Klemm: Technische Chemie. 5. Auflage, Springer, 2005, ISBN 978-3-540-23452-4, S. 33–34.</ref> Um geringe Abfallmengen zu gewährleisten, werden in technischen Anwendungen häufig Reaktionen gewählt, die eine hohe Atomökonomie aufweisen, bei denen also ein Großteil der Edukte sich im gewünschten Produkt wiederfindet.<ref>Barry Trost: The atom economy-a search for synthetic efficiency. In: Science. 1991, 254, S. 1471–1477, doi:10.1126/science.1962206.</ref>

Beobachtung

Wie chemische Reaktionen beobachtet und verfolgt werden können, hängt stark von der Reaktionsgeschwindigkeit ab. Bei langsamen Reaktionen können während der Reaktion Proben entnommen und analysiert werden. Dabei werden die Konzentrationen der einzelnen Inhaltsstoffe der Reaktionsmischung bestimmt und so der Konzentrationsverlauf während der Reaktion verfolgt. Ändern sich die Konzentrationen nach einiger Zeit nicht mehr, ist die Reaktion abgeschlossen und im Gleichgewicht angekommen. Damit die Reaktion während der Messung nicht zu sehr voranschreitet, werden vor allem schnelle und einfach durchzuführende Analyseverfahren wie die Dünnschichtchromatographie oder Massenspektrometrie eingesetzt. Auch eine kontinuierliche Beobachtung während der Reaktion ist durch spektroskopische Methoden möglich, wenn damit beispielsweise die Konzentration einer farbigen Substanz in der Mischung bestimmt werden kann. Ist dies nicht möglich, kann mitunter auch ein spezieller Marker, etwa ein radioaktives Isotop eingesetzt werden, dessen Konzentration dann gemessen wird. Dies wird beispielsweise in der Szintigrafie für die Beobachtung von Stoffwechselvorgängen eingesetzt, bei denen sich bestimmte Elemente in einzelnen Organen anreichern. Oberflächenreaktionen können unter günstigen Voraussetzungen direkt mit einem Rastertunnelmikroskop auf molekularer Ebene beobachtet werden.<ref>Thomas Waldmann, Daniela Künzel, Harry E. Hoster, Axel Groß, R. Jürgen Behm: Oxidation of an Organic Adlayer: A Bird’s Eye View. In: Journal of the American Chemical Society. 134, Nr. 21, 2012, S. 8817–8822, doi:10.1021/ja302593v.</ref>

Bei Nachweisreaktionen spielen sogenannte Indikatoren eine wichtige Rolle, das sind Stoffe, die sich beispielsweise in ihrer Farbe verändern, wenn ein bestimmter Punkt der Reaktion erreicht ist. Bekannt sind vor allem Säure-Base-Indikatoren, die ihre Farbe ändern, sobald eine Lösung neutralisiert wurde und der pH-Wert vom Sauren ins Basische wechselt oder umgekehrt. Auch selektive Fällungsreaktionen können zum Nachweis von Stoffen oder etwa im Kationentrennungsgang zur Auftrennung vor dem genauen Nachweis genutzt werden.

Je schneller eine Reaktion abläuft, desto schwieriger wird es, sie zu beobachten. Für kinetische Untersuchungen schneller Reaktionen wird die Ultrakurzzeit-Spektroskopie verwendet, die mit Hilfe von Femtosekundenlasern eine Zeitauflösung im Bereich von Piko- oder Femtosekunden ermöglicht. So lassen sich auch kurzlebige Übergangszustände während der Reaktion beobachten.<ref>Peter W. Atkins, Julio de Paula: Physikalische Chemie. 4. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2006, ISBN 978-3-527-31546-8, S. 987.</ref>

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

<references />

24px Dieser Artikel wurde am 9. Oktober 2010 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen.