Reliquie


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Datei:Katakombenheiliger pankratius.jpg
Die mit einer Prunkrüstung geschmückte Reliquie des hl. Pankratius in Wil in der Schweiz

Eine Reliquie (von lat. reliquiae „Zurückgelassenes, Überbleibsel“) ist ein Gegenstand religiöser Verehrung, besonders ein Körperteil oder Teil des persönlichen Besitzes eines Heiligen. Eine Sonderform sind Berührungsreliquien, also Gegenstände wie Kleidungsstoffe, mit denen der Heilige in Berührung kam oder gekommen sein soll.

Reliquien in den Weltreligionen

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Buddhistisches Sarira-Reliquiar des Gameunsa-Tempels, Gyeongju, Korea
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Reliquien finden sich in allen Hauptreligionen, vor allem aber im Christentum, im Shinto (vgl. shintai) und im Buddhismus (vgl. Sarira). Als der erleuchtete Buddha hochbetagt starb, wurden nach der buddhistischen Überlieferung seine sterblichen Überreste eingeäschert. Seine Asche, Knochen und Zähne teilten sich mehrere Kleinkönige Nordindiens. Über den Reliquien wurden Hügelgräber errichtet, die im Laufe der Zeit immer aufwändiger kultisch ausgestaltet wurden. Auch im schiitischen Islam gibt es Reliquienverehrung an den Gräbern von Heiligen.

Geschichte der christlichen Reliquienverehrung

Datei:Kreuzreliquie Hlkz.JPG
Leopold V. schenkt dem Stift Heiligenkreuz die Kreuzreliquie, die er 1188 in Jerusalem erworben hatte.

Bereits im frühen Christentum entwickelte sich eine besondere Verehrung der Märtyrer. Der erste biblische Beleg für Reliquien findet sich in der Apostelgeschichte, wo die Gläubigen dem hl. Paulus Tücher wegnahm und diese dann auf die Kranken legten, die geheilt wurden. (Apg 19,12 EU). Lange Zeit wurde der aus der Urkirche herrührende Brauch gepflegt, über den Gräbern von heiligen Märtyrern Kirchen zu errichten (etwa die Peterskirche in Rom). Später ging man in der lateinischen Kirche dazu über, unter oder in den Altar Reliquien einzubetten. Die Ostkirchen setzen, ihrer Tradition folgend, Reliquien in die Mauern ihrer Kirchen. Mit dieser Praxis soll der innere Zusammenhang zwischen der „Gemeinschaft der Heiligen“<ref>Glaubenssatz aus dem Nicäno-Konstantinopolitanum.</ref> und der irdischen Kirche versinnbildlicht werden.

Die Reliquienverehrung ist eine der ältesten Formen der Heiligenverehrung und bereits seit der Mitte des 2. Jahrhunderts nachweisbar. Dies ist bemerkenswert, da in der heidnischen Antike die Reliquienverehrung nicht erwünscht war und Körperteile von noch so frommen Verstorbenen als unrein galten.<ref>Nachweisbar aus Angst vor Seuchen. Dies ist auch der Grund, weshalb sämtliche Friedhöfe per amtlicher Verordnung (siehe Kötting) vor einer Stadt lagen und fast alle frühchristlichen Kirchen vor den Stadtmauern erbaut wurden, weil sich drumherum ja meistens ein Friedhof befand.</ref>

Der Kirchenvater Johannes von Damaskus (650–750) weist darauf hin, dass die Heiligen „keine Toten“ seien, und führt eine Reihe von Wundern auf, die durch sie gewirkt worden seien.<ref>Johannes von Damaskus: Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens. Von der Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien.</ref>

Veranlasst durch Wunderberichte wurden seit dem Frühmittelalter den Reliquien der Märtyrer medizinische Wirkung zugeschrieben, man sah in ihnen den besten Zugang auf übernatürliche Hilfe und Schutz für Kranke. Die kirchliche Wunderbehandlung (Hagiotherapie) stand dabei durchaus im Gegensatz zur säkularen Medizin.<ref>Nancy G. Siraisi: Medieval & Early Renaissance Medicine. An Introduction to Knowledge and Practice, Chicago 1990, S. 11.</ref> Die großen Kathedralen des Mittelalters verdanken ihre Entstehung und ihren Ruhm vor allem hochverehrten Reliquien – etwa der Heiligen drei Könige im Kölner Dom oder der heiligen Jungfrauen in St. Ursula in Köln.

Am Vorabend der Reformation war es in der Volksfrömmigkeit, in der Reliquienverehrung traditionell eine große Rolle spielte, zu immer stärkeren Auswüchsen gekommen.<ref>Vgl. hierzu bspw.: August Franzen: Kleine Kirchengeschichte, Freiburg 91980, S. 244.</ref> Die Reformatoren kritisierten zunächst diese Auswüchse, bevor ihre Kritik grundsätzlicher wurde. So hielt Martin Luther am 26. Januar 1546 in der Frauenkirche zu Halle eine Predigt gegen den „Reliquienkram“ des Erzbischofs Albrecht. Aus vielen Kirchen wurden im Zuge des reformatorischen Bildersturms auch die Reliquien entfernt, unter den Reformierten Calvin und Zwingli sogar verbrannt. Der Verbleib vieler zuvor bedeutsamer Reliquien ist seitdem unbekannt. Entgegen dem Befehl der protestantisch gewordenen Landesherren bewahrte die Bevölkerung Marburgs und manch anderer Orte die Reliquien auf.

Evangelische Christen sehen die Heiligenreliquien als „unbiblisch“ an, in Religionsgemeinschaften wie den Adventisten und den Zeugen Jehovas gilt ihre Verehrung sogar als Götzendienst. Auch die Neuapostolische Kirche sowie die Christadelphians lehnen die Verehrung von Reliquien strikt ab.

Auf dem Konzil von Trient, dem Konzil, das die Gegenreformation einleitete, wurde in der 25. Sitzungsperiode (1563) die Reliquienverehrung ausdrücklich empfohlen und Kritik seitens der Reformatoren zurückgewiesen.<ref>dass diejenigen, welche behaupten, den Reliquien der Heiligen gebühre keine Vererhrung und Ehre

  • Karl-Heinz Kohl: Die Macht der Dinge. Geschichte und Theorie sakraler Objekte. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50967-3
  • Anton Legner (Hrsg.): Reliquien. Verehrung und Verklärung, Skizzen und Noten zur Thematik und Katalog zur Ausstellung der Kölner Sammlung Louis Peters im Schnütgen-Museum. Schnütgen-Museum, Stadt Köln, Köln 1989, ohne ISBN
  • Markus Mayr: Geld, Macht und Reliquien. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Reliquienkultes im Mittelalter, Studienverlag, Innsbruck 2000
  • Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Aufl. Herder, Freiburg 1993
  • Ernst Alfred Stückelberg: Geschichte der Reliquien in der Schweiz, 2 Bände, Basel 1902, 1908
  • Einzelnachweise

    <references />

    Weblinks

    Commons Commons: Reliquien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien