Ronacher
Das Ronacher, früher Etablissement Ronacher, ist ein Theater im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt, gelegen zwischen Himmelpfortgasse, Seilerstätte und Schellinggasse. Es bildet gemeinsam mit dem Raimund Theater und dem Theater an der Wien die Spielstätten der Vereinigte Bühnen Wien und ist über die Wien Holding zu knapp 100 Prozent im Eigentum der Stadt Wien (einen Minderheitsanteil hält Rudolf Klausnitzer).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Es wurde zunächst als Wiener Stadttheater von 1871 bis 1872 von den Architekten Ferdinand Fellner dem Älteren und Ferdinand Fellner dem Jüngeren für eine private AG des Journalisten Max Friedländer und des Theaterautors und -leiters Heinrich Laube erbaut. Die beiden wollten damit ein bürgerliches Theater errichten, das – ohne Zensur – den kaiserlichen Hoftheatern Konkurrenz machen sollte. Eröffnet wurde das Haus am 15. September 1872 mit Schillers Demetrius in einer Bearbeitung Laubes. Zwölf Jahre nach der Eröffnung brannte das Haus am 16. Mai 1884 nieder. Da das Gebäude nicht an allen vier Seiten frei steht, wurde nach den inzwischen gültigen Brandschutzbestimmungen ein Wiederaufbau als Schauspielhaus nicht zugelassen. 1886 kaufte Anton Ronacher die Brandruine und ließ wiederum von Ferdinand Fellner d. J. (der inzwischen das Büro Fellner & Helmer gegründet hatte) Mai 1887 bis April 1888 darauf ein Concert- und Ballhaus errichten. Die Wandgemälde stammen von Eduard Veith. Die Hauptstiege wurde mit Stufen aus Kaisersteinbruch errichtet. Dem neuen Varietétheater war ein großer Ballsaal und ein Hotel angeschlossen, daneben konnte es bereits elektrisches Licht einsetzen, enthielt Promenaden und einen Wintergarten.
Das neue Etablissement Ronacher war kein Schauspielhaus, sondern mit Tischen und Stühlen ausgestattet. Während der Vorstellung durfte getrunken, gegessen und geraucht werden. Durch die schlechte Wirtschaftslage musste Ronacher jedoch das Haus später aufgeben. Ab 1890 traten öfter Artisten auf, was vermehrt Vorstadtbevölkerung anlockte und die Aristokratie vertrieb. Später wurde das Programm durch Revuen, Operetten, Tanz- und Gesangsvorführungen ergänzt. Das Haus wurde dabei immer wieder umgebaut und den Bedürfnissen des modernen Varietébetriebs angepasst (1901, 1906 und laufend zwischen 1907 und 1916; jeweils durch Ferdinand Fellner d. J.), insbesondere um 1910 begleitet von der Diskussion, ob, dem Zug der Zeit folgend, das Haus die Wandlung zum klassischen Sprechtheater vollziehen soll.<ref>st—g.: Kleine Chronik. (…) Der Kampf zwischen Varieté und Theater. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 16082/1909, 30. Mai 1909, S. 15, Mitte oben. (Online bei ANNO) .</ref>
Nach dem Anschluss im Jahr 1938 ging das Theater durch Arisierung von seinem bisherigen Eigentümer Samuel Schöngut, der anschließend im KZ ums Leben kam, auf Bernhard Labriola über.<ref>Stephan Templ, Tina Walzer: Unser Wien. „Arisierung“ auf österreichisch. Aufbau Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-351-02528-9. S. 212</ref>
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Ronacher bis 1955 Ausweichbühne für das durch Bomben beschädigte Burgtheater. Anschließend traten wieder Varieté-Künstler auf, bevor ab 1960 das österreichische Fernsehen die Räumlichkeiten für TV-Produktionen nutzte. Nach einem zehnjährigen Leerstand erfolgte 1986 erstmals wieder die Aufführung einer Operette, diesmal Cagliostro in Wien von Johann Strauß (Sohn). 1987 kauften die Vereinigten Bühnen Wien das Haus und führten das Musical Cats und zwei Opern auf. Ein Architekturwettbewerb ergab 1987 als Siegerprojekt eine „dekonstruktivistische“ Aufstockung. Das Vorhaben von Coop Himmelblau wurde allerdings Ziel heftiger öffentlicher Kritik und wurde im August 1991 ad acta gelegt. 2003, 2004 und 2008 war das Ronacher Gastgeber der Verleihungsgala des Nestroy-Theaterpreises.
Nach einigen Jahren als Gastspielhaus für internationale Produktionen und Festveranstaltungen wurde das Ronacher um 46,9 Millionen Euro zu einer Musicalbühne ausgebaut. Bis Mitte 2008 wurde die Bühnentechnik modernisiert und der Boden der Bühne um zwei Meter abgesenkt, wodurch die Sicht auf die Bühne verbessert wurde.<ref>Ronacher mit neuem Innenleben Rathauskorrespondenz vom 27. Juni 2008 (Abgerufen am 17. Juni 2010)</ref> Die Aufstockung des Gebäudes durch den Architekten Günther Domenig wurde trotz massiver politischer und stadtbildschützerischer Bedenken durchgeführt.<ref>Funktionssanierung Ronacher</ref>
Das Ronacher verfügt über rund 1000 Sitzplätze und 40 Stehplätze. Die genaue Anzahl der Sitz- und Stehplätze variiert je nach Produktion.
Aufführungen
- Cats, Musical von Andrew Lloyd Webber (1988–1990)
- Chicago, Musical von John Kander und Fred Ebb (1999)
- Falco - A Cybershow, von Joshua Sobol und Paulus Manker (2000)
- The Producers, Musical von Mel Brooks, deutschsprachige Erstaufführung (30. Juni 2008 bis 22. Februar 2009)
- Frühlings Erwachen, Musical von Michael Mayer und Bill T. Jones, deutschsprachige Erstaufführung (21. März bis 30. Mai 2009)
- Tanz der Vampire, Musical von Michael Kunze und Jim Steinman (16. September 2009 bis 25. Juni 2011)
- Sister Act, Ein himmlisches Musical, das auf dem gleichnamigen Film mit Whoopi Goldberg basiert (15. September 2011 bis 31. Dezember 2012)
- Natürlich Blond, Musical von Laurence O'Keefe und Nell Benjamin (21. Februar bis 20. Dezember 2013)
- Der Besuch der alten Dame, Musical von Christian Struppeck und Moritz Schneider (19. Februar bis 29. Juni 2014, 120 Vorstellungen (+5 Previews))
- Mary Poppins, Musical von Cameron Mackintosh und Disney (seit 1. Oktober 2014)
Literatur
- Ferdinand Fellner: Ueber den Bau des Wiener Stadttheaters. Vortrag von —. Mit Zeichnungen auf Blatt Nr. 6, 7, 8, 9, 10. In: Wilhelm Tinter (Red.): Zeitschrift des oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins. Nr. 3/1874 (XXVI. Jahrgang), ZDB-ID 2534647-7. Waldheim, Wien 1874, S. 39–45. – Online (PDF; 7 MB).
- G(uido) Zampis, L(eopold) Nobis: Die Eisenconstructionen der Decken und Dächer des Etablissement Ronacher (ehem. Stadttheater). In: Der Bautechniker, Jahrgang 1888, 15. Juni 1888, Nr. 24/1888 (VIII. Jahrgang), S. 341–345. (Online bei ANNO) .
- Rudolf Tyrolt: Chronik des Wiener Stadttheaters. 1872–1884. Carl Konegen, Wien 1889. – Internet Archive.
- Lutz Eberhardt Seelig: Ronacher. Die Geschichte eines Hauses. Böhlau, Wien/Graz (u.a.) 1986, ISBN 3-205-05043-6.
- Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Kremayr und Scheriau, Wien 1992–2004, ISBN 3-218-00740-2.
Weblinks
- Webauftritt Ronacher auf der Website der Vereinigten Bühnen Wien
- Etablissement Ronacher auf Planet Vienna
- Eintrag zu Ronacher in: Austria-Forum, dem österreichischen Wissensnetz – online (in AEIOU Österreich-Lexikon)
- Blick von der Bühne in den Zuschauerraum; 2008
- Das Ronacher auf alten Ansichtskarten (englisch)
Einzelnachweise
<references />
Koordinaten: 48° 12′ 18,5″ N, 16° 22′ 30″ O{{#coordinates:48,205138888889|16,375|primary
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