Schlosskirche (Lutherstadt Wittenberg)


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Datei:Schlosskirche (Wittenberg).jpg
Schlosskirche Wittenberg
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Grabmal Martin Luthers unter der Kanzel (19. Jahrhundert)
Datei:Schlosskirche Wittenberg Luther und Melanchthon knien beim Kreuz.jpg
Tympanon des Thesenportals (19. Jahrhundert): Christus am Kreuz vor der Silhouette von Wittenberg; kniend Luther mit der deutschen Bibel, Melanchthon mit dem Augsburger Bekenntnis

Die Schlosskirche, auch Kirche der Reformation, ist eine evangelische Kirche in Lutherstadt Wittenberg und eine UNESCO-Welterbestätte. Sie ist ein Teil des Schlosses und die größte Kirche der Stadt.

Geschichte

Das erste Schloss an heutiger Stelle und mit ihm die früheste Schlosskirche, die Kapelle aller Heiligen, wurde um 1340 durch den Askanier Rudolf I. gebaut.

1490 bis 1511 ließ Friedrich der Weise das gesamte Schloss neu errichten. Die Schlosskirche bildet seitdem den Nordflügel der nach Osten offenen Dreiflügelanlage. Sie wurde am 17. Januar 1503 geweiht. Friedrich der Weise legte in ihr eine umfangreiche Reliquiensammlung an, die Wallfahrer von weither anzog, und stattete sie entsprechend aufwendig aus. Sie war seit 1507 auch Universitätskirche für die neu gegründete Universität Wittenberg.

Das Hauptportal, damals aus Holz, wurde von den Universitätsangehörigen zum Anheften von Informationen genutzt. Martin Luther, Konventuale des Augustinerklosters und Theologieprofessor, schlug hier am 31. Oktober 1517, dem Vorabend des Patronatstags der Schlosskirche, seine 95 Thesen an, um zur Disputation über den Ablasshandel aufzufordern. Das war der Auslöser der Reformation.

1525 wurde Friedrich der Weise in der Schlosskirche begraben. Im selben Jahr wurde der lutherische Gottesdienst in der Kirche eingeführt.

1546 erhielt Luther selbst, 1560 Philipp Melanchthon sein Grab in der Schlosskirche.

1760 im Siebenjährigen Krieg brannte die Kirche aus. Die Innenausstattung ging großteils verloren, der Außenbau wurde bis 1770 verändert wieder aufgebaut. Dabei wurde der Schlossturm zum Kirchturm umgebaut. Neue Schäden vor allem am Turm erlitt die Kirche 1813 während der Befreiungskriege.

1815 kam Wittenberg zu Preußen. Die Universität wurde nach Halle verlegt. Bei der Kirche wurde ein Predigerseminar eingerichtet.

Die 1760 mitverbrannte hölzerne Thesentür ließ König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 1858 durch eine Bronzetür mit den lateinischen 95 Thesen ersetzen.

Anlässlich von Martin Luthers 400. Geburtstag 1883 begann unter Leitung von Friedrich Adler ein tiefgreifender Umbau der Kirche im neugotischen Stil als „Denkmal der Reformation“, der 1892 abgeschlossen war.

Zu Luthers 500. Geburtstag 1983 stiftete die Evangelische Kirche der Union der Schlosskirche zwölf Glasbilder europäischer Reformatoren von Renate Brömme.

Im Rahmen einer Dachstuhlsanierung 1999/2000 erhielt die Kirche wieder ein Dach aus bunt glasierten Ziegeln nach dem Vorbild von 1892.

Architektur und Ausstattung

Die Schlosskirche Wittenberg ist seit der neugotischen Erneuerung eine einschiffige, netzgewölbte Wandpfeilerkirche mit umlaufenden steinernen, flachbogengestützten Emporen und polygonaler Apsis. Altaraufbau, Kanzel und Reformatorenstatuen aus dem späten 19. Jahrhundert sind erhalten.

Sanierung zum Jubiläum 2017

Mit Blick auf das 500. Jubiläum des Thesenanschlags 2017 erfolgt eine umfassende Sanierung des Gotteshauses. Die Arbeiten lagen nach Angaben des Finanzministers von Sachsen-Anhalt Jens Bullerjahn (SPD) im März 2014 im Zeitplan. „Das ist bei einem derartigen Gebäude mit sehr hohem restauratorischen Anspruch nicht selbstverständlich“, sagte der Minister nach einer Kabinettssitzung in der Lutherstadt. Die Sanierung der Schlosskirche kostet den Angaben zufolge rund 6,8 Millionen Euro. Das Areal um Schloss und Schlosskirche soll zum Reformationsjubiläum im Jahr 2017 fertiggestellt sein.<ref>Berliner Zeitung, 18. März 2014</ref>

Orgel

Datei:Wittenberg-1.JPG
Ladegast-Orgel

Nach dem Kirchenbrand baute Johann Ephraim Hübner im Jahr 1771 eine neue Orgel mit 37 Registern auf zwei Manualen und Pedal. 1863 ersetzte der Orgelbauer Friedrich Ladegast (Weißenfels) das Werk in dem Gehäuse der barocken Vorgängerorgel, das jedoch 1893 durch ein neugotisches Eichenholz-Gehäuse ausgetauscht wurde. Das Instrument von Ladegast hatte zunächst 39 Register auf drei Manualen und Pedal. 1935 erweiterte die Orgelbaufirma Wilhelm Sauer (Frankfurt/O.) die Disposition auf 50 Register und stattete das Instrument mit elektropneumatischen Trakturen aus. In den Jahren 1985 bis 1994 wurde das Instrument durch die Orgelbaufirma Hermann Eule (Bautzen) rekonstruiert und um ein Schwellwerk erweitert, das einige Sauer-Register einbezog. Das Instrument mit insgesamt etwa 3500 Pfeifen verfügt heute über 57 Register auf vier Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch.

I Hauptwerk C–f3
1. Principal 16′
2. Bordun 16′ L
3. Principal 8′ L
4. Hohlflöte 8′ L
5. Gemshorn 8′ L
6. Rohrflöte 8′ L
7. Octave 4′ L
8. Spitzflöte 4′ L
9. Quinte 22/3 L
10. Octave 2′ L
11. Mixtur IV–V 2′ L
12. Cornett II–IV 2′ L
13. Trompete 8′
II Oberwerk C–f3
14. Liebl. Gedackt 16′
15. Principal 8′
16. Salicional 8′ L
17. Flauto trav. 8′ L
18. Gedackt 8′ L
19. Octave 4′ L
20. Fugara 4′
21. Waldflöte 2′ L
22. Progessio II–IV 2'
23. Hautbois 8′
Tremulant
III Schwellwerk C–f3
24. Viola d’amour 16′
25. Flöten-Principal 8′
26. Gambe 8′
27. Bordun 8′
28. Quintatön 8′
29. Unda maris 8′
30. Salicet 4′
31. Konzertflöte 4′
32. Nasat 22/3
33. Flautino 2′
34. Terz 13/5
35. Harmonia aeth. III 2′
36. Mixtur IV–V 11/3
37. Fagott 16′
38. Trompete 8′
39. Oboe 8′
40. Clarine 4′
Tremulant
IV Echowerk C–f3
41. Viola di Gamba 16′
42. Fugara 8′
43. Flaute amabile 8′
44. Gedackt 8′ L
45. Flauto dolce 4′ L
46. Viola d'amour 4′

Pedal C–f1
47. Untersatz 32′
48. Principalbass 16′
49. Violon 16′
50. Subbass 16′
51. Octavbass 8′
52. Violoncello 8′
53. Bassflöte 8′
54. Quintbass 51/3
55. Octavbass 4′
56. Posaune 16′
57. Trompete 8′
L = Register von 1863 (Ladegast)

Glocken

Im Schlosskirchturm wurden die drei am 1960 vom Schilling, Apolda gegossenen Glocken indienstgestellt:

Nr.
 
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Gewicht (kg)
 
Nominal
 
1 1960 Schilling, Apolda 2.667 h0
2 1960 Schilling, Apolda 1.649 d1
3 1960 Schilling, Apolda 1.129 e1

Die Glocken wurden bei den Sanierungsarbeiten restauriert und können zur Sicherheit nicht läuten.

Literatur

  • Bernhard Gruh: Die Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg. (= Große Kunstführer, Bd. 224). Schnell und Steiner, Regensburg 2006, ISBN 978-3-7954-1798-7.
  • Sibylle Harksen: Die Schlosskirche zu Wittenberg. (= Kleine Kunstführer, Bd. 1910). 8. Auflage. Schnell & Steiner, München 1998.
  • Silvio Reichelt: Die Schlosskirche – Ein Großprojekt preußisch-deutscher Geschichtspolitik. In: Ders.: Der Erlebnisraum Lutherstadt Wittenberg. Genese, Entwicklung und Bestand eines protestantischen Erinnerungsortes. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 2013, S. 67–87 (Teildigitalisat).
  • G. Stiehr: Die Schlosskirche zu Wittenberg. Übersicht ihrer Geschichte bis auf die Gegenwart. Zur Säcularerinnerung an die beiden Jahre 1560 und 1760. Zimmermann, Wittenberg 1860 (Digitalisat).

Weblinks

Commons Commons: Schlosskirche (Lutherstadt Wittenberg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

<references />

51.86636912.637947Koordinaten: 51° 51′ 59″ N, 12° 38′ 17″ O{{#coordinates:51,866369|12,637947|primary

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